Freitag, 28. Januar 2011

Giuseppe Verdis "Aida" - Gedanken und CD-Kritiken

Der letztwöchige Opernbesuch hat dazu beigetragen, dass ich mich in den vergangenen Tagen mal wieder etwas eingehender mit verschiedenen Aufnahmen von Verdis "Aida" beschäftigt habe.

Aida war die erste Verdi-Oper mit der ich als Teenager konfrontiert wurde, parallel dazu hatte sich damals im Rahmen eines Urlaubs am Gardasee ein Besuch in der Arena di Verona ergeben, wo es passenderweise eine Aida-Aufführung in dieser wirklich beeindruckenden Kulisse zu erleben gab! Solche Erlebnisse prägen natürlich und Aida gehört seitdem zu meinen liebsten Verdi-Opern und wurde im Lauf der Zeit eigentlich nur von La Traviata und Don Carlos in meiner persönlichen Verdi-Hitliste überrundet. Da ich mich im letzten Jahr bei meiner mühsam auf 15 meiner absoluten Lieblingsopern begrenzten Liste zwangsläufig ziemlich einschränken musste, ist die Aida dann auch nicht mit aufgenommen worden - würde ich die Liste auf 20 Plätze ausweiten, wäre sie aber - neben Mozarts Don Giovanni und seiner Entführung aus dem Serail, die ebenfalls außen vor bleiben mussten - sofort mit dabei ;-)

Aida ist für mich die routinierteste italienische Oper, die ich kenne - und das ist keinesfalls negativ gemeint: An ihr ist fast alles idealtypisch für den weltweit beliebten und bekannten Typus der romantischen Oper italienischer Machart - ein echtes Meisterwerk also! Die ganze Oper wirkt wie aus einem Guss, obwohl dahinter sicher eine Menge Arbeit gesteckt hat, was man dem Ganzen (wie eigentlich jedem gelungenen Kunstwerk) aber absolut nicht anmerkt.

Musikalisch hat Verdi für diese Oper seine gesamten reichhaltigen Erfahrungen einfließen lassen, die er im Verlauf von über 30 Jahren kompositorischer Betätigung im italienischen (aber auch französischen) Opernbusiness sammeln konnte. Große Chorszenen wechseln sich mit intensiven und hochdramatischen Auftritten der Solisten ab, dazwischen sind zusätzlich noch knapp gefasste Ballettnummern eingestreut - auch sie fügen sich nahtlos und organisch in den ganzen, ausgesprochen gelungenen Szenenablauf ein (und gerade Ballettszenen wirken in Opern ja oft wie Fremdkörper, die mit dem Rest der Handlung nicht allzu viel zu tun zu haben scheinen). So kommt es, dass Aufführungen und Aufnahmen der Aida durchweg ohne Kürzungen oder theaterspezifische Modifikationen auskommen - ganz im Gegensatz zu vielen anderen Opern, wo auch heute nach wie vor in den Noten munter gekürzt, gestrichen und umgestellt wird! Gerade das letzte Argument ist für mich ein ganz eindeutiges Zeichen, dass Verdi mit der Aida seine wohl "rundeste" Opernpartitur gelungen ist, an der einfach nichts mehr zu "verschlimmbessern" ist und aus der auch nichts mehr (vom Publikum unbemerkt) herausgestrichen werden kann!

Zum Erfolg der Aida hat mit Sicherheit aber auch das als ausgesprochen gelungen zu bezeichnende Libretto beigetragen, das Antonio Ghislanzoni (1824-1893) unter reger Mitwirkung Verdis nach einer Vorlage des französischen Ägyptologen Auguste Mariette (1821-1881) verfasst hat: Ein exotisches Sujet (in Opern immer sehr beliebt!) mit einer geradlinigen, leicht nachvollziehbaren Handlung, die nicht durch allzu große unlogische Fakten oder unwichtige Nebenhandlungen gestört wird (was in Opernlibretti nicht selbstverständlich ist!) und den Hauptpersonen genug Gelegenheiten für wirkungsvolle und im Handlungsverlauf nie deplatziert wirkende Solo- und Duettszenen (in unterschiedlichen Kombinationen) bietet. Bewundernswert ist auch die Tatsache, dass das Aida-Libretto von der Textmenge her wirklich konsequent auf das Notwendigste beschränkt ist. Die Dialoge sind denkbar knapp gefasst und Verdi kann sich musikalisch somit viel freier und flexibler ausdrücken, als wenn er weitschweifige, wortreiche und ausführliche Gesprächsszenen zu vertonen gehabt hätte (daran krankt auch so manches Opernlibretto - nicht nur bei Verdi!) - was vermutlich zu längeren, im Endeffekt dann doch immer wieder recht stereotyp klingenden Rezitativszenen geführt hätte (die wiederum dann zu Kürzungen und Strichen verführt hätten…)

Absolut operntypisch am Handlungsaufbau der Aida ist auch der Konflikt zwischen privaten und gesellschaftlichen bzw. machtpolitischen Interessen - dieser schon als klassisch zu bezeichnende Grundkonflikt ist eine nicht nur für Opern fast schon unerlässliche Zutat!

In der Aida scheitert die Liebe der Titelfigur zum Feldherrn Radamès an den gesellschaftlichen Umständen, die ein dauerhaftes Zusammenkommen der Liebenden nicht ermöglichen.

Etwas untypisch ist in dieser Oper allerdings die Konstellation der drei Hauptfiguren (Liebespaar - Rivale): Wo normalerweise ein Bass oder Bariton in der Rolle des Bösewichts neben dem heldenhaften Tenor vergeblich um die Gunst des Soprans buhlt, ist es in der Oper Aida zur Abwechslung einmal der Tenor, der zwischen zwei Damen steht, die ein amouröses Interesse an ihm haben. Typisch ist wiederum die Tatsache, dass die Rolle mit der tieferen Stimmlage (hier also die Amneris als Rolle für Alt bzw. Mezzosopran) in diesem Liebesdreieck den Kürzeren zieht - warum ist das eigentlich immer so…?

Interessant am Aida-Plot finde ich übrigens auch, dass man hieran ein paar Informationen über den Stand der Ägyptenforschung um die Mitte des 19. Jahrhunderts erkennen kann: Auch wenn das Interesse an den alten Ägyptern zur damaligen Zeit groß war und man dank der Erkenntnisse des Franzosen Champollion (1790-1832) bereits die Hieroglyphenschrift entziffert hatte, so stocherte man in vielen Bereichen in Bezug auf das legendäre Reich der Pharaonen noch im Nebel herum und konnte nur auf Mutmaßungen und Textquellen aus hellenistischer und römischer Zeit zurückgreifen, die ihrerseits ja auch schon Jahrhunderte nach der großen Epoche der Pyramidenbauer entstanden waren (richtige Fortschritte auf diesem Forschungsgebiet machte man wohl erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts).

So erklärt es sich zum Beispiel wohl auch, dass das 2. Bild des 1. Aktes von Aida im Tempel des Gottes Vulkan spielt, der ja eigentlich ein römischer Gott war. So einen Fauxpas hätte man von einem Ägyptologen wie Mariette eigentlich nicht erwartet, aber ich vermute mal, dass zur damaligen Zeit einfach noch nichts Näheres über ägyptische Kriegs- und Waffengottheiten bekannt war und man somit notgedrungen auf die Namen griechischer oder eben römischer Gottheiten zurückgreifen musste. Klugerweise legt man sich bei der Zeit der Opernhandlung nicht näher fest, die Oper spielt halt im alten Ägypten - genauer braucht man das eh nicht zu wissen und so tritt der Pharao dann auch namenlos und nur als "Il re" (der König) bezeichnet in der Oper auf.

Da man anhand zahlreicher Darstellungen zwar wusste, dass die alten Ägypter gerne und viel musiziert haben dürften (und auch welche Instrumente sie dazu benutzten), aber nicht, wie das Ganze dann geklungen hat, hat sich Verdi bei der Komposition an einigen wenigen Stellen der Oper (z. B. in der besagten Tempelszene im 1. Akt oder zu Beginn des 2. und auch des 3. Aktes) dann auch für eher arabisch-orientalisch anmutende Klänge entschieden (was sicher nicht so falsch ist) - die dominierenden Instrumente sind hier Harfen und Flöten (die ja regelmäßig auch auf den altägyptischen Darstellungen zu erkennen sind). Die langgestreckten Fanfaren, die Verdi extra für die Verwendung in der Triumphszene bauen ließ und die den Namen "Aida-Trompeten" erhalten haben, erinnern mich eher an Fanfaren aus mittelalterlichen Ritterturnier-Filmszenarien, obwohl sie ägyptischen Instrumenten nachempfunden sein sollen (aber wer weiß schon, wo die Filmleute wiederum ihre Inspiration herhatten!). Aber gerade in diesem musikalischen Bereich ist wie erwähnt ja sowieso alles Spekulation - bis heute hat sich daran nichts geändert.
Die von Verdi komponierten Priesterchöre klingen zwar archaisch und fremdartig, sind aber eindeutig an gregorianischen Chorälen orientiert - eine noch ältere musikalische Orientierungshilfe hätte er eh nicht finden können…

Ansonsten verzichtet Verdi dann aber auch klugerweise auf jede weitere antikisierende oder folkloristische Zutat und verfertigt stattdessen eine unglaublich effektvolle und leidenschaftliche Partitur im typisch italienischen Operntonfall, sogar eine "Banda", eine traditionelle Blaskapelle, die auf der Bühne zum Einsatz kommt, fehlt in der Aida nicht!

Charakteristisches Merkmal der Aida-Partitur ist eine für Verdis Verhältnisse ziemlich konsequente Verwendung von "Erkennungsmotiven" der Hauptfiguren Aida und Amneris (aber auch der Priester). Während der Aida häufig die Melodiefloskel beigegeben ist, die sie in ihrer Soloszene im 1. Akt zu den Worten "e l'amor mio?" singt, so wird die Figur der Amneris musikalisch mit einem kleinen, erregt und hektisch wirkenden Motiv verknüpft, das für mich so etwas wie zu Musik gewordene Eifersucht darstellt - Verdi ist hiermit wirklich eine sehr treffende Vertonung dieses Gefühls gelungen!
Derartige "Erkennungsmotive" hatte Verdi zum Beispiel schon im viereinhalb Jahre vor der Aida in Paris uraufgeführten Don Carlos verwendet, ich finde aber, dass er diese Technik in der Aida-Partitur noch weitaus konsequenter anwendet.
Gerade dies ist ihm von Kritikern dann auch als eine Art Kapitulation vor der Musik Richard Wagners (1813-83) vorgeworfen worden, was ich allerdings für maßlos übertrieben halte, da sich die Technik, musikalische Motive als Erkennungszeichen für verschiedene Personen oder Momente innerhalb einer Komposition zu verwenden, selbstverständlich bereits bei Komponisten vor Wagner findet und die von Wagner entwickelte "Leitmotivtechnik" (auf die Verdis Kritiker wohl abzielen) weit über das hinausgeht, was Verdi hier praktiziert.

Das Ganze zeigt für mich eher die große Verunsicherung, die Wagners so revolutionäre wie visionäre Auffassung von Musiktheater bei den damaligen Zeitgenossen ausgelöst hat - irgendwie sah man wohl gerade in Verdi als einem der letzten Vertreter der "traditionellen" romantischen italienischen Oper die letzte Bastion vor dem alles Bisherige über den Haufen zu werfen drohenden "Teutonen" Wagner und befürchtete nun, dass auch der Fels Giuseppe Verdi künstlerisch zu kapitulieren drohte. Aus heutiger Sicht ist das natürlich nicht passiert: Vergleicht man Verdi-Opern wie Don Carlos oder Aida mit zeitgleich entstandenen Wagner-Opern wie Tristan und Isolde oder dem Ring des Nibelungen, dann liegen musikalisch gesehen doch Welten zwischen den beiden Stilen - und das meine ich völlig wertfrei.

Verdis Aida ist zwar immer noch als traditionelle italienische Nummernoper erkennbar (die einzelnen Musikstücke der Oper lassen sich klar voneinander abtrennen), aber Verdi verbindet das Ganze geschickt zu größeren musikalischen Einheiten und legt nicht zuletzt durch die erwähnten Erkennungsmotive rote Fäden durch die gesamte Partitur, die einen großen Zusammenhang stiften und dazu führen, dass Aida nicht wie eine revueartige Aneinanderreihung beliebiger und in keinem erkennbaren Zusammenhang miteinander stehender Gesangs- und Instrumentalstücke wirkt.

Ich bin nicht sicher, ob Verdi das irgendwo explizit so formuliert hat, aber die Aida scheint für ihn so etwas wie der Schluss- und Höhepunkt seiner Opernkarriere gewesen zu sein. Er war nach über 30 Jahren im Operngeschäft von dem ganzen hiermit verbundenen Stress und Ärger mit Zensurbehörden, Kritikern, Sängern und Operndirektoren offenkundig so genervt, dass er wohl nicht vorhatte, nach der Aida noch einmal eine komplette neue Oper zu komponieren. Finanziell leisten konnte er sich diese Entscheidung ganz bestimmt, denn er war nicht nur im Laufe der Jahre immer erfolgreicher geworden, sondern konnte überdies für die Komposition der Aida das bis dahin höchste Honorar einstreichen, das einem Opernkomponisten bis dato gezahlt worden war! So gesehen verwundert es nicht, wenn er bei der Aida alles daransetzt, dass das Ganze auf jeden Fall ein Erfolg wird (daher zum Beispiel auch seine große Einflussnahme auf die Librettodichtung) - alles deutet für mich auf einen möglichst würdigen Karriereabschluss hin, auch wenn Verdi bei der Uraufführung der Oper am 24.12.1871 in Kairo nicht persönlich anwesend war (auch das konnte er sich zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere offenbar leisten).
Besonders faszinierend finde ich in diesem Zusammenhang dann die Tatsache, dass Verdi zu diesem Zeitpunkt wirklich nicht ahnen konnte, dass er ganze 16 (!) Jahre später mit dem Otello (und dann noch mal 6 Jahre später mit dem Falstaff) seiner eh schon erstaunlichen Karriere tatsächlich noch zwei weitere Opern-Meisterwerke hinzufügen würde, mit denen er sich musikalisch sogar noch einmal ganz neue Ausdruckswelten erschließen konnte…!

Eigentlich jagt in der gesamten Aida-Partitur ein Höhepunkt den nächsten - Verdi hat geradezu verschwenderisch mit eingängigen Melodien und markanten Motiven nur so um sich geworfen.

Meine persönlichen Aida-Lieblingsstellen sind nicht unbedingt die (natürlich auch hörenswerten) berühmten Nummern wie der Triumphmarsch (neben "La donna è mobile" aus Rigoletto Verdis wohl bekannteste Melodie), die Arien von Radamès und Aida im ersten und dritten Akt oder das Schlussduett des Liebespaares, sondern die wunderbaren und ausdrucksstarken Duette Aida-Amneris (2. Akt), Aida-Amonasro und Aida-Radamès (beide im 3. Akt) und die gesamte hochdramatische 1. Szene des 4. Aktes (mit dem Duett Amneris-Radamès und der anschließenden Gerichtsszene), die in Gänze von der Figur der Amneris dominiert wird. Hier kann sich die Sängerin dieser Partie einmal so richtig verausgaben - eine tolle Herausforderung für Mezzosopranistinnen bzw. Altistinnen! Auch der Marsch, in den das ganze Ensemble im 1. Akt einfällt, um sich auf die bevorstehenden kriegerischen Auseinandersetzungen einzustimmen, hat eine mitreißende Melodie, die sich für mich jedes Mal als ein echter Ohrwurm erweist! Und die Tempelszene (2. Szene des 1. Aktes) ist ebenfalls eine grandios aufgebaute Szene, die sich vom leisen, geheimnisvoll-exotischen Beginn zu gewaltigen hymnischen Ausbrüchen steigert, in denen der ägyptische Schöpfergott Ptah angerufen wird.

Hier nun also fünf Aida-Aufnahmen (chronologisch sortiert), mit denen ich mich schon des Öfteren etwas eingehender beschäftigt habe:

Die "römische Aida" (aufgenommen 1962):

Aida: Leontyne Price
Radamès: Jon Vickers
Amneris: Rita Gorr
Amonasro: Robert Merrill
Ramfis: Giorgio Tozzi
Il re: Plinio Clabassi
Messaggero: Franco Ricciardi
Sacerdotessa: Mietta Sighele
Orchestra e Coro del Teatro dell' Opera di Roma
Dirigent: Sir Georg Solti

Die Aida war eine der zentralen Rollen für die amerikanische Sopranistin Leontyne Price, mich überrascht ihr recht dunkles Timbre - bis zu dieser Aufnahme habe ich noch keine Aida gehört, in der die Titelheldin eine derart dunkle Stimmfärbung hatte! Leontyne Price scheint trotzdem keine Mühe zu haben, auch die hohen Töne ihrer Partie zu erreichen und besticht ansonsten durch eine leidenschaftliche Interpretation, auch die Stimmen von Rita Gorr und Jon Vickers gefallen mir gut, wie überhaupt die ganze Aufnahme trotz ihres Alters von immerhin fast 50 Jahren einen guten Klang hat.
Georg Solti beginnt die Oper zunächst in einem eher gezügelten Grundtempo, im 3. und 4. Akt zieht er das Tempo - passend zur immer dramatischer werdenden Handlung - dann jedoch merklich an.

Die "Londoner Aida" (aufgenommen 1974):

Aida: Montserrat Caballé
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Fiorenza Cossotto
Amonasro: Piero Cappuccilli
Ramfis: Nicolai Ghiaurov
Il re: Luigi Roni
Messaggero: Nicola Martinucci
Sacerdotessa: Esther Casas
Chorus of the Royal Opera House, Covent Garden
Trumpeters of the Royal Military School of Music, Kneller Hall
New Philharmonia Orchestra
Dirigent: Riccardo Muti


Eine meiner beiden Lieblingsaufnahmen dieser Oper: Die Einspielung bietet durchweg große Stimmen - besonders die Kombination Caballé und Domingo, die beide in den 1970er Jahren auf dem Höhepunkt ihrer langjährigen Gesangskarrieren standen, gefällt mir nicht nur in dieser Aufnahme ausgesprochen gut!
Riccardo Muti dirigiert mit italienischem Feuer und Leidenschaft und schlägt ein relativ zügiges Tempo an; der Klang von Chor und Orchester ist wirklich gut! Schön wäre es gewesen, wenn unter anderem in der Triumphszene der (sicherlich groß besetzte) Chor etwas präsenter im Vordergrund stünde - ich habe da den Eindruck, dass er vom Orchester teilweise doch etwas sehr überdeckt wird. Ob es sich da um einen Fehler der Aufnahmetechnik handelt? Naja, aber das ist nur ein kleiner Wermutstropfen bei einer ansonsten rundum gelungenen Opernaufnahme.

Die "Mailänder Aida" (aufgenommen 1981):

Aida: Katia Ricciarelli
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Elena Obraztsova
Amonasro: Leo Nucci
Ramfis: Nicolai Ghiaurov
Il re: Ruggero Raimondi
Messaggero: Piero de Palma
Sacerdotessa: Lucia Valentini Terrani
Orchestra e Coro del Teatro alla Scala
Dirigent: Claudio Abbado

Meine zweite Favoriteneinspielung, die interessanterweise wie die Muti-Aufnahme Plácido Domingo als Radamès und Nicolai Ghiaurov als Ramfis aufweist (die mir auch hier sehr gut gefallen!), kann mit der Russin Elena Obraztsova als Amneris meine absolute Lieblingsinterpretin der Amneris als zusätzlichen Pluspunkt aufweisen! Ich finde die Interpretation dieser Rolle mit ihrem wunderbar tiefen, durch und durch leidenschaftlichen Mezzosopran ganz fantastisch, ihre Stimme fesselt mich beim Zuhören sofort! Katia Ricciarelli verleiht ihrer Aida mit ihrer klaren, leichten und irgendwie mädchenhaft wirkenden Stimme eine in dieser Partie nicht allzu oft zu hörende ganz besondere Jugendlichkeit und Unschuld - Attribute, die ja eigentlich ganz besonders zu dieser Opernfigur passen, in der Praxis aber leider oft durch die Besetzung mit deutlich schwereren Stimmen nicht richtig zur Geltung kommen. Leider hat Signora Ricciarelli in der berühmten "Nil-Arie" im 3. Akt deutlich hörbare Probleme mit den Spitzentönen, so dass ich mich frage, warum man hier während der Aufnahmearbeiten nicht versucht hat, dies zu korrigieren? Da hätte es damals doch sicherlich reichlich Gelegenheit zu gegeben?! Aber abgesehen davon gelingt ihr eine intensive und anrührende Interpretation der Titelheldin.
Sehr gut an dieser Einspielung gefällt mir der satte Orchestersound, der unter Claudio Abbados Dirigat richtig gut zur Geltung kommt, denn der Maestro kostet die dramatischen Höhepunkte der Partitur genussvoll aus und schlägt daher auch ein eher gemäßigtes Grundtempo an. Klangtechnisch bin ich ein bisschen unglücklich über die Tatsache, dass das Ganze im Vergleich zu anderen Einspielungen verhältnismäßig leise aufgenommen wurde (oder spinnt hier meine Stereoanlage?) - man ertappt sich immer wieder dabei, dass man mal eben den Lautstärkeregler für die ein oder andere Lieblingsstelle deutlich höher drehen muss, als man es sonst gewohnt ist…

Die "New Yorker Aida" (aufgenommen 1990):

Aida: Aprile Millo
Radamès: Plácido Domingo
Amneris: Dolora Zajick
Amonasro: James Morris
Ramfis: Samuel Ramey
Il re: Terry Cook
Messaggero: Charles Anthony
Sacerdotessa: Hei-Kyung Hong
Metropolitan Opera Orchestra and Chorus
Dirigent: James Levine

Interessanterweise empfinde ich Aprile Millos Stimme als relativ dunkel, während ich die Stimme von Dolora Zajick (gerade auch im Vergleich zu Elena Obraztsova) als erstaunlich hell einstufen würde, so dass sich die beiden Damen in dieser Aufnahme fast auf derselben Höhe zu begegnen scheinen! Allerdings gefällt mir Aprile Millos Interpretation in dieser Aufnahme gar nicht: Ihre manchmal ein wenig schrill wirkende Stimme finde ich etwas anstrengend, außerdem stört mich ihr stellenweise etwas zu reichhaltiges Vibrato sehr - kein Vergleich zu den Aida-Interpretationen von Montserrat Caballé oder Katia Ricciarelli! An Plácido Domingos neuerlichem Radamès habe ich auch diesmal nichts auszusetzen - seine Routine und Stimmkultur sind ja bis heute legendär.
James Levine dirigiert mit der für ihn typischen Leidenschaft (die ich sehr schätze) und kostet die pralle Dramatik - z. B. in den lustvoll ausmusizierten Schluss-Sequenzen des 3. Akts oder in der 1. Szene des 4. Akts - voll aus. Leider klingen viele Stellen in dieser Einspielung ein wenig flach, etwas mehr Raumklang hätte der ganzen Sache deutlich mehr Atmosphäre verliehen! Neben der Triumphszene gilt das besonders für den Beginn der Szene im Vulkantempel im 1. Akt: Statt geheimnisvoller Gesänge von Priesterin und Chor irgendwo in den Weiten des riesigen Tempelgewölbes klingt das Ganze hier, als stünden die Priester in einer Telefonzelle oder Duschkabine - da kommt bei mir keine Stimmung auf…

Die "irische Aida" (aufgenommen 1994):

Aida: Maria Dragoni
Radamès: Kristjan Johannsson
Amneris: Barbara Dever
Amonasro: Mark Rucker
Ramfis: Francesco Ellero D'Artegna
Il re: Riccardo Ferrari
Messaggero: Antonio Marceno
Sacerdotessa: Monica Trini
RTE Philharmonic + Chamber Choir, u. a.
The Irish Army No. 1 Band
National Symphony Orchestra of Ireland
Dirigent: Rico Saccani

Diese "No-Name-Low-Budget"-Produktion aus dem Hause NAXOS kann mit keinen weltberühmten Interpreten aufwarten wie die bisher hier vorgestellten Aufnahmen - umso mehr freut man sich dann über eine routinierte Produktion mit soliden Solisten ohne erkennbare größere Schnitzer oder "Geht-gar-nicht"-Stellen!
Der isländische Tenor Kristjan Johannsson neigt etwas zum übermäßigen Forcieren an lauteren Stellen, so dass seine Arie "Celeste Aida" nicht wie aus einem Guss rüberkommt, weil der gedachte große Bogen in diesem Solo durch sein nach den dramatisch aufgedrehten Stellen erforderliches neues Ansetzen immer wieder in kleinere Abschnitte zerfällt - diese Arie bekommt beispielsweise Plácido Domingo deutlich eleganter und "runder" hin. Auch in dieser Aufnahme stört mich das stellenweise etwas zu intensive Vibrato bei der Aida von Maria Dragoni aber auch bei Johannssons Radamès!

Interessant finde ich die Tatsache, dass neben dem RTE Chamber Choir noch mindestens fünf weitere Chorensembles (die ich hier nicht alle aufgezählt habe) an der Aufnahme beteiligt waren. Schade, dass auch hier einige Szenen etwas an klanglicher Raumtiefe vermissen lassen; so wirkt auch in dieser Aufnahme die schon erwähnte Tempelszene im 1. Akt nicht sehr geheimnisvoll, ähnlich wie die Gerichtsszene im 4. Akt, wo der Priesterchor nicht im unterirdischen Gerichtssaal sondern direkt neben der sich an dieser Stelle eigentlich allein auf der Bühne befindlichen Amneris zu stehen scheint.
Rico Saccani wählt ein relativ gebremstes Grundtempo - die ganze Aufnahme klingt wie erwähnt ausgesprochen routiniert, dadurch entsteht aber auch an vielen Stellen der Eindruck, dass das Ganze ein wenig leidenschaftslos abgespult wird. Schade.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth eröffnete das heutige Konzert mit dem großen, mehrteiligen Präludium e-moll von Dietrich Buxtehude (1637-1707), ein barocker Komponist, für den unser Organist ganz offensichtlich ein gewisses Faible hat - was ich sehr sympathisch finde.

Weiter ging es mit einem der sechs sogenannten "Schübler-Choräle" von J. S. Bach (1685-1750): "Wer nur den lieben Gott lässt walten" (BWV 647) - diese in Moll stehende Choralmelodie mag ich besonders gern!

Abgerundet wurde das Ganze mit der Orgelsonate f-moll, op. 65 Nr. 1 von Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-47), in deren erstem Satz der Choral "Was mein Gott will, das g'scheh allzeit" zitiert wird, der eine von Herrn Abendroth im Rahmen seiner kurzen Konzerteinführung hervorgehobene sowohl musikalisch-thematische wie auch textliche Verbindung zum vorangegangenen Bach-Choral aufweist.

Freitag, 21. Januar 2011

Das Bonmot für Zwischendurch...

Gepflegtes Understatement von zwei berühmten Meistern ihres Fachs über ihr Metier...

Um zu komponieren, braucht man sich nur an eine Melodie zu erinnern, die noch niemandem eingefallen ist.

Robert Schumann (1810-56)

Es ist nicht schwer zu komponieren. Aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen.

Johannes Brahms (1833-97)

Mittwoch, 19. Januar 2011

Ein Abend in der Oper - "Aida" in Köln

Am 15. Januar 2011 hatte Giuseppe Verdis Opernklassiker Aida in der Neuinszenierung von Johannes Erath Premiere im Kölner Opernhaus - gestern Abend habe ich die dritte Vorstellung dieser Produktion besucht. Infos und Bilder zu dieser Produktion siehe auch hier!

Was mich schon vor Beginn der Vorstellung sehr positiv überraschte, war der ungewöhnlich hohe Anteil an Opernbesuchern im Teenageralter, bzw. unter 30 Jahren - Aida scheint ein echter Publikumsmagnet zu sein, die Vorstellung gestern war ausverkauft. Allerdings mussten die Kölner auch lange auf eine neue Aida warten - ich kann mich nicht daran erinnern, dass dieser Klassiker in den letzten 10 oder 15 Jahren mal im Opernhaus auf dem Spielplan gestanden hätte…

Zwei Minuten vor Beginn fragte mich das Pärchen neben mir (beide waren so ca. Anfang, Mitte 20) etwas verstört und ganz schüchtern, ob ich ihnen denn kurz etwas zur Handlung der gleich beginnenden Oper sagen könne - nun, der echte Opernfan lässt sich ja durch nichts überrumpeln (obwohl mir das auch noch nicht passiert ist) und schafft es dann sogar, eine improvisierte Kurzfassung der zum Glück nicht sooo komplizierten Aida-Handlung in vier oder fünf Sätzen zum Besten zu geben *lach*
Ich hoffe, dass ich den beiden weiterhelfen konnte…!

Dass es bei der neuen Kölner Aida-Inszenierung ganz bestimmt nicht besonders ägyptisch zugehen würde, war mir eigentlich schon im Vorfeld klar - für opulente Ausstattungsstücke fehlt hier nicht nur das Budget, sondern auch die Bereitschaft, was ja per se nicht unbedingt schlimm sein muss, solange der musikalische Aspekt nicht auf der Strecke bleibt und da brauchten sich die Ausführenden des gestrigen Abends wahrlich nicht verstecken.
Ich habe selten eine bis in die kleinsten Nebenrollen so ansprechende, ja begeisternde Aufführung einer klassischen italienischen Oper hier in Köln erleben können - musikalisch gab es gestern am Offenbachplatz im wahrsten Sinne des Wortes "ganz große Oper"!

Hier die Besetzungsliste:

Aida: Hui He
Radamès: Scott MacAllister
Amneris: Jovita Vaskeviciute
Amonasro: Samuel Youn
Ramfis: Mikhail Kazakov
Il Re: Wilfried Staber
Messagero: Jeongki Cho
Sacerdotessa: Kathleen Parker
Statisterie, Chor und Extrachor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Dir.: Will Humburg


Allen voran meisterte die Chinesin Hui He die ja nun nicht gerade einfache Titelrolle mit bewundernswerter Leichtigkeit: Da wirkte nichts forciert, im Gegenteil - alle Töne (auch die heiklen in der großen Nil-Arie im dritten Akt) saßen sicher und wurden wie selbstverständlich mit einer nie schrillen oder angestrengt wirkenden Stimme vorgetragen, es war eine Freude, Hui He zuhören und zusehen zu können, da sie ihren Gesang auch noch mit großer darstellerischer Intensität zu verbinden verstand!

Ihr zur Seite stand mit Scott MacAllister ein richtig guter Heldentenor, der sich im italienischen Fach nicht nur wohl sondern sogar richtig zuhause zu fühlen schien: Auch seine Stimme überzeugte durch das charakteristische strahlende Timbre und die erforderliche Leichtigkeit in der Stimmführung. Er steuerte ebenfalls scheinbar mühelos durch die zahlreichen Klippen seiner anspruchsvollen Partie ohne je angestrengt, forciert oder gar knödelig zu klingen (sowas soll bei Tenören ja schon mal vorkommen…) - sein Vortrag wirkte stets elegant, leidenschaftlich und auch Orchester- und Chormassen gegenüber äußerst durchsetzungsfähig!

Die Litauerin Jovita Vaskeviciute komplettierte mit ihrem kräftigen Mezzosopran das Trio der Hauptrollen in ebenfalls sehr erfreulicher Manier - auch sie erwies sich als aussdrucksstarke und leidenschaftliche Sänger-Schauspielerin (vor allem in der ersten Szene des vierten Aktes), der man ebenso gerne zusah wie zuhörte! Schade fand ich lediglich die Tatsache, dass gerade während ihrer großen Soloszene im vierten Akt an mehreren Stellen das Tempo derart überraschend beschleunigt wurde (das steht so bestimmt nicht in der Partitur?), dass man doch ins Stutzen kam: Wozu diese streckenweise Hektik?

Nun könnte man meinen, mit diesen drei exzellent besetzten Hauptrollen wäre das Gelingen des Opernabends schon hinreichend gesichert (denn an irgendwelchen Rollen hat man ja dann doch immer irgendwas auszusetzen), aber weit gefehlt:
Auch die weiteren Rollenbesetzungen erwiesen sich als ausgesprochene Glückgriffe, so das Kölner Ensemblemitglied Samuel Youn als intensiv-gefährlicher Amonasro oder - ganz stark! - Mikhail Kazakov als Oberpriester Ramfis. Kazakov ist langjähriges Ensemblemitglied des Bolshoi-Theaters und ein russischer schwarzer Bass par excellence - wunderbare Tiefe, ein kerniger und unverwechselbarer Ton, der mich sogar an den legendären Nicolai Ghiaurov erinnerte (den ich sehr bewundere)! Man hätte sich gewünscht, dass dieser Oberpriester ein bisschen mehr zu singen gehabt hätte, als Verdi es ihm in dieser Oper zugestanden hat!

Selbst die noch kleinere Rolle des "Pharaos" hatte mit Wilfried Staber einen weiteren Bassisten aufzuweisen, der ausgesprochen volltönend und durchsetzungsfähig rüberkam - was umso mehr überraschte, da er von der Regie als alter, tatteriger Greis, der sich nur am Stock gehend über die Bühne schleppen kann, vorgesehen war!
Und auch Bote und Priesterin mit ihren wenigen Noten enttäuschten keinesfalls als bloße "Lückenbüßer".

Dazu der ungewöhnlich stimmstarke, um den Extrachor verstärkte Opernchor, der die großen Chorszenen zum erhofften (aber nicht wirklich für möglich gehaltenen) klangprächtigen Erlebnis werden ließ und - last but not least - das an wuchtigen wie zarten Stellen ausgesprochen präsente und leidenschaftlich agierende Gürzenich-Orchester unter der Leitung des den ganzen Abend über unter vollem körperlichen Einsatz stehenden Will Humburg - es war musikalisch gesehen rundum ein echtes und begeisterndes Erlebnis, das ich wirklich ungern verpasst hätte!

Und die Inszenierung?

Naja - in diesem Fall kann ich nur wieder mal konstatieren, dass sie zum Glück nicht weiter gestört hat und auch die ein oder andere ganz interessante Idee mit dabei war, mich aber im Großen und Ganzen nicht besonders begeistern konnte.

Regie führte Johannes Erath, der in Köln im Herbst 2009 bereits die Neuinszenierung von Glucks Orfeo ed Euridice übernommen hatte (die mir seinerzeit nicht zuletzt ob ihrer Kargheit schon missfallen hat) - ich war also vorgewarnt:
Tatsächlich blieb Erath auch bei seiner Aida-Interpretation seiner Vorliebe für minimale Bühnenausstattungen treu: Mehr als ein paar schwarze Bühnenwände und -podeste, die hin und wieder in verschiedenen Kombinationen aufgestellt und wieder weggerollt wurden (plus ein paar Requisiten wie ein Thronsessel oder ein paar Farnbüschel) gab es nicht zu sehen - zumindest unter diesem Aspekt war das Ganze mit Sicherheit eine ausgesprochen preisgünstige Angelegenheit! *zwinker*

So gesehen überraschte es dann doch, dass man mit dem französischen Modeschöpfer und Designer Christian Lacroix einen doch recht prominenten Verantwortlichen für die Kostüme engagiert hatte.
Obwohl man dessen Beitrag sicher relativieren kann, denn so richtig "austoben" konnte er sich eigentlich nur an der Figur der Amneris, der er im zweiten Akt eine wirklich beeindruckende scharlachrote Abendrobe und für den dritten und vierten Akt ein klassisches Brautkleid verpassen durfte (versehen mit einem überdimensional langen Schleier, der einmal quer über die Bühne reichte und mit dem die Ärmste beim würdevollen Überschreiten derselben beinah hängen geblieben wäre). Teile des Chores trugen meist entweder Alltagskleidung oder lediglich weiße Unterwäsche (dazu braucht man dann wohl keinen Christian Lacroix!) und die übrigen Darsteller - und damit kommen wir zum Hauptcharakteristikum der aktuellen Aida-Inszenierung - waren fast ausnahmslos in Priester-, Bischofs- oder (im Falle von Aida) Nonnenkostüme gewandet! Derartige Kostüme hat man sicher zur Genüge im Kölner Opernfundus…

Dass Verdi der katholischen Kirche zeitlebens skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, ist weithin bekannt. Kein Wunder, dass er sich z. B. für einen kirchenkritischen Stoff wie den "Don Carlos" begeistern konnte!

Dass die ägyptischen Priester in der Aida eigentlich auch nichts anderes sind, als exotisch verkleidete christliche Kleriker, die Verdi mit dieser 4 Jahre nach dem Don Carlos uraufgeführten Oper erneut kritisch aufs Korn genommen hat, leuchtet eigentlich sofort jedem ein, der sich ein bisschen mit Verdi und seinem Schaffen und seiner Biographie beschäftigt hat.

Aber irgendwie fand ich es schon seltsam, dass Regisseur Johannes Erath das Publikum auf diese Tatsache mit dem konsequenten Austausch sämtlicher ägyptischer Elemente durch christliche Requisiten, Kostüme und Gesten derart permanent hinweisen musste, bis es auch wirklich jeder gemerkt hatte: "Seht her, die scheinheiligen Kirchenleute sind die Bösen und Machtgierigen und das, obwohl sie immer von Nächstenliebe und Mildtätigkeit predigen!"

Auf diese bahnbrechende Idee scheint er jedenfalls mächtig stolz gewesen zu sein (sollte da vor ihm wirklich noch kein anderer Regisseur drauf gekommen sein?) und entsprechend ausgewalzt wurde das Ganze nun - als ob das Publikum den Transfer nicht auch so hätte erbringen können, den mit wem sonst hätte man die ägyptischen Priester des Originallibrettos gleichsetzen sollen, zumal auch die priesterlichen Gesänge im vierten Akt eindeutig nach archaischen gregorianischen Chorälen klingen und die gesamte Triumphszene am Ende des zweiten Aktes vom musikalischen Aufbau her eindeutig am großen Tableau mit der Ketzerverbrennung am Ende des dritten Aktes in Verdis Don Carlos orientiert ist?!

Naja - wenn ein Regisseur mal so eine fixe Idee hat, dann wird im Allgemeinen dieser Idee alles, was von Szenerie oder Textbuch her nicht passt, gnadenlos untergeordnet, bzw. (da man sich bislang zum Glück noch nicht traut, auch den Gesangstext einer Oper zu ändern) komplett ignoriert…
Und so rufen die Priester, Bischöfe und Kardinäle denn eben munter Isis, Osiris und Phtah an, statt Vater, Sohn und Heiligen Geist; der Pharao wird zum gebrechlich daherkommenden Papst, der mit der Figur der Amneris natürlich weiterhin eine Tochter hat (was allerdings in der Kirchengeschichte wohl auch schon vorgekommen sein soll… *zwinker*); die als Sklavin gehaltene Aida wird passenderweise in ein Nonnenkostüm gesteckt und darf sich - auch immer wieder eine beliebte Geste - als Zeichen ihres Aufbegehrens und ihrer Rivalität zu Amneris dann im Verlauf des Duetts im zweiten Akt trotzig den Schleier vom Haupt reißen.
Die Priesterinnen und die Hofdamen der Amneris tragen Engelsflügel, Ramfis wedelt in der Tempelszene im ersten Akt mit einem großen hölzernen Kruzifix statt eines heiligen Schwertes herum, Radamès wird wie Jesus beim Einzug in Jerusalem in der Triumphszene mit Palmenwedeln begrüßt (übrigens so ziemlich das einzige annähernd an Ägypten gemahnende Requisit!) und erinnert denn auch nach seiner Verurteilung für einen Moment an den zum Kreuzestod verurteilten vor Pilatus stehenden Christus, usw., usw.

Irgendwann ermüdete es einen…

Dass die (immerhin nur kurzen) Ballettszenen, die sich in der Aida-Partitur finden, zwar nicht herausgelassen werden, aber auch nicht von in Köln eh nicht (mehr) vorhandenen Tänzern gestaltet werden würden, war auch vorher schon klar, das merkwürdige Hin und Her des Chores und der Statisterie während dieser Passagen hat mich aber auch nicht wirklich überzeugt. Eine schöne Idee war, den wie erwähnt toll singenden Chor zu Beginn der Triumphszene vom Foyer her in den Saal einziehen zu lassen (inklusive der dazu ertönenden Aida-Trompeten); die Tatsache, dass sich ein Teil der Choristen in der Folge dann jedoch als die eigentlichen Gefangenen herausstellte, die während des Triumphmarsches eingekesselt und bis auf die Unterwäsche entkleidet wurden, um dann unter Peitschenhieben den siegreichen Feldherrn samt "ägyptisch-katholischem" Hofstaat auf einem Podest auf die Bühne zu ziehen, entbehrte dann irgendwie jeglicher Logik - immerhin wurde man neugierig, was denn nun als nächstes an Seltsamkeiten passieren würde...

Und man wurde nicht enttäuscht: Nachdem der "Papst" (Pharao) dem siegreichem Radamès nicht nur seine Tochter zur Frau versprochen und ihm darüber hinaus auch noch den Wunsch erfüllt hat, die Gefangenen freizulassen, wird er am Schluss der Triumphszene von den diese Mildtätigkeit gar nicht gut findenden Bischöfen und Kardinälen kurzerhand erdrosselt (wie übrigens die soeben Freigelassenen auch), so dass der zweite Akt - begleitet von prunkvollem Fanfarengeschmetter - mit einem riesigen Tumult auf der Bühne endet, den man so wirklich nicht erwartet hätte… oh Mann!

Ich war froh, dass der dritte und vierte Akt nach der Pause weit weniger Gelegenheit boten, derartige Regie-Einfälle auf die Bühne zu bringen - ab hier wurde die Inszenierung immer karger und minimalistischer und man war wirklich froh, dass man sich jetzt ohne weitere Ablenkungen einzig auf die wunderbaren Solisten und das Orchester konzentrieren konnte!

Immerhin - die Grabkammer, in der Radamès (und Aida) in der letzten Szene eingeschlossen werden und die konsequenterweise nur noch aus dem komplett leeren, riesigen Bühnenraum bestand (an dessen Wänden man sogar diverse Kabel, Schalter und Feuerlöscher erkennen konnte, die da wohl eh hingehören), war schon beeindruckend: Wenn Radamès und Aida in dieser "Kulisse" sangen, hallte es sogar, so leer war dieser Raum - und das hatte schon eine besondere Wirkung!
Leider wurde diese durch die seltsame Personenführung in dieser letzten Szene wieder weitgehend zunichte gemacht: Dieses schlafwandlerische Herumtorkeln und -gestikulieren der Figuren wirkte irgendwie ziemlich albern und aufgesetzt: Zumindest für das Schluss-Duett hätte der Regisseur es dem Liebespaar ermöglichen sollen, endlich zusammenzufinden. Aber nein - erst ganz am Ende durften beide, längs auf den Boden hingestreckt, sich mit den äußersten Fingerspitzen eine Berührung gönnen - soviel schüchterne Keuschheit hätte ich in dieser von Kirchenmännern beherrschten Bühnen-Gesellschaft gar nicht für möglich gehalten ;-)

So gesehen war es auch eine immerhin unerwartete, aber nicht uninteressante Idee, dass "Kardinal" Ramfis (also der Oberpriester) Amneris von Anfang an mehr oder weniger unverhohlene Avancen machte, von dieser aber jedesmal brüsk zurückgewiesen wurde (da sie ja - wenn auch vergeblich - Radamès liebt).
Das gab wiederum der Motivation des machtgierigen und brutalen Oberpriesters, diesen ungeliebten Rivalen am Ende aus dem Weg zu räumen (um dann vielleicht doch noch freie Bahn bei Amneris zu bekommen), eine ganz neue Richtung.

Warum diese im Schlussbild ebenfalls durch die ja eigentlich nur von Aida und Radamès belegte Grabkammer torkelt, hat sich mir auch nicht so ganz erschlossen. Nachdem sie im Vorbeitaumeln ihren Brautschleier sinnigerweise auf die bereits am Boden liegende Aida fallen lässt, entfernt sie sich seitwärts am Orchestergraben vorbei von der Bühne, wo sie eigentlich während ihres ganzen letzten Auftritts außerhalb der Grabkammer besser (und logischer) aufgehoben gewesen wäre...

Am Ende gab es jedenfalls für die Ausführenden großen Applaus und ich hoffe, dass viele der jüngeren Opernbesucher sich von dem ganzen abstrusen Kirchenkram nicht haben abschrecken sondern sich im Gegenteil von der exzellenten musikalischen Darbietung haben begeistern lassen und zahlreich wiederkommen werden!

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wiltrud Fuchs präsentierte im heutigen Konzert drei ganz unterschiedliche Stücke heiteren Charakters, die allesamt von eher unbekannten Komponisten stammen.

Zunächst gab es das hörbar an Vivaldi orientierte dreisätzige Concerto E-Dur von Max Philipp Zeyhold (1704-60) aus dem "Husumer Orgelbuch".

Sehr unterhaltsam war auch die ursprünglich für Cembalo komponierte und jetzt in einer Orgelversion erklingende Sonate Nr. 1 C-Dur aus den "Biblischen Sonaten" von Johann Kuhnau (1660-1722) (er war der unmittelbare Vorgänger von J. S. Bach im Amt des Leipziger Thomaskantors) mit dem Titel "Der Streit ziwschen David und Goliath": Durch die zwischendurch kurz vorgetragenen erläuternden Titel, die der Komponist den einzelnen Sätzen seiner Sonate verpasst hat, ließ sich die plastische Vertonung der bekannten Bibelgeschichte gut mitverfolgen.

Als schwungvollen "Rausschmeißer" gab es zum Abschluss dann noch die gern gespielte (und immer wieder gern gehörte) Toccata in G-Dur des Franzosen Théodore Dubois (1837-1924).

Freitag, 14. Januar 2011

KLASSIKers Lieblingsstücke (III): Schostakowitsch - "The Gadfly"-Suite op. 97a

Die Schostakowitsch-Symphonie, die ich diese Woche im Konzert hören konnte, hat mich nach einiger Zeit mal wieder auf den Geschmack gebracht, mich ein bisschen eingehender mit der Musik dieses großen russischen Komponisten zu beschäftigen.

In diesem Zusammenhang möchte ich an dieser Stelle eines meiner Lieblingswerke vorstellen (das habe ich schon länger nicht mehr gemacht, wie mir gerade auffällt!) und zwar die Suite aus Dmitri Schostakowitschs (1906-75) Filmmusik zu "The Gadfly" ("Die Stechfliege" oder "Die [Pferde]Bremse") op. 97a, die 1955 entstanden ist.

Dass Schostakowitsch neben seinen heute vor allem bekannten Symphonien und Streichquartetten auch ein bedeutender Komponist von Filmmusik war (er komponierte fast 40 Soundtracks), ist - so mein persönlicher Eindruck - ein bisschen in Vergessenheit geraten, dabei zeigt er sich gerade hier als Schöpfer ausgesprochen vielfältiger Musik, die man beim unvoreingenommenen Hören zunächst wohl gar nicht dem immer so grüblerisch und ernst wirkenden Schostakowitsch zuordnen würde.

Bereits zu Studienzeiten in Leningrad hatte er in den 1920er Jahren ausgiebige Kino-Erfahrungen als Stummfilmpianist sammeln können und stand auf diese Weise quasi während seiner gesamten Laufbahn als Musiker und Komponist mit dem gerade in der jungen Sowjetunion sehr einflussreichen Medium Film in enger Verbindung.


1955 verfilmte Alexander Fainzimmer den in der Sowjetunion sehr beliebten und erfolgreichen Roman "The Gadfly" (russisch "Owod", auf deutsch auch unter dem Titel "Die Hornisse" erschienen) der englischen Autorin Ethel Lilian Voynich (1864-1960), die zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den westlichen Sympathisanten und Unterstützern der russischen Revolution gehört hatte. Es geht in dem Roman um die dramatische und tragische Geschichte eines Freiheitskämpfers im noch nicht geeinten Italien des 19. Jahrhunderts.

So verwundert es nicht, dass Schostakowitschs Filmmusik streckenweise ausgesprochen südländisch daherkommt und sich ansonsten an den typischen romantisch-dramatischen Klängen der symphonischen Musik des 19. Jahrhunderts orientiert, meiner Meinung nach vor allem an der Peter Tschaikowskis (1840-93), der unter anderem mit seinem bekannten Capriccio Italien op. 45 aus dem Jahr 1880 ja ebenfalls einen musikalischen Ausflug in die mediterrane Klangwelt unternommen hatte.

Schostakowitschs Mitarbeiter und Freund Levon Atovmian (1901-73) arrangierte aus der Filmmusik die zwölfsätzige, knapp 45-minütige "Gadfly"-Suite op. 97 a (derartige Arrangements fertigte er häufiger für Schostakowitsch an).

Ich bin 2002 zufällig auf diese mir vorher völlig unbekannte Suite gestoßen - sie bildete den instrumentalen ersten Teil eines Chorkonzerts, bei dem ich mitgesungen habe (es gab die "Carmina burana" von Carl Orff) und ich hörte sie erstmalig live gespielt im Rahmen der Generalprobe, wo wir Choristen bereits auf der Bühne Platz genommen hatten. Die Kraft und Schönheit dieser Musik hat mich damals sofort sehr begeistert und wenige Tage später hatte ich bereits eine CD-Einspielung erstanden, der etwas später noch eine zweite Aufnahme (zum Vergleichen) folgen sollte…

Seitdem höre ich die "Gadfly"-Suite immer wieder sehr gerne (kaum zu glauben, dass es sich hierbei eigentlich "nur" um eine Filmmusik von vielen handelt!) und hiervon ausgehend habe ich mir im Lauf der Zeit weitere Werke Schostakowitschs erschlossen.

Kurz ein paar Bemerkungen zu den 12 sehr abwechslungsreichen Sätzen dieser Suite, die allesamt ihren ganz besonderen Reiz haben:

1. Ouvertüre: Dieser Satz in c-moll eröffnet das Ganze mit einer großartig düster-majestätischen Dramatik und klingt für mich irgendwie typisch russisch (was man halt so an Klischees im Kopf hat!) - eine sehr wirkungsvolle und grandiose, heroische Einleitung (die sich erst ganz am Schluss zu strahlendem C-Dur hinwendet), die übrigens fünf Tage nach Schostakowitschs Tod im August 1975 vor dem Moskauer Konservatorium auch von einem Militärorchester zu Ehren des Verstorbenen gespielt wurde!

2. Contredanse: Ein wehmütig verschattetes Stück alter Tanzmusik, raffiniert im Stil des 18. Jahrhunderts komponiert, zunächst von den Streichern vorgetragen, im Trio ergänzt durch Klarinetten und Flöte.

3. Volksfest: Im krassen Gegensatz zum vorangegangenen Satz ist dies ein ausgelassen dahinwirbelnder Freudenausbruch voll ansteckender Fröhlichkeit und mit italienischen Tarantella-Anklängen!

4. Interludium: Dieses Zwischenspiel erzeugt nun wiederum eine düstere und grüblerische Atmosphäre.

5. Drehorgel-Walzer: Ein liebenswürdiger Walzer, in dem die Klänge eines Leierkastens humorvoll imitiert werden - auch das ist Musik von Schostakowitsch!

6. Galopp: Dieser schwungvolle Satz erinnert mich an französische Ballettmusik (bzw. an Ballettklänge von Tschaikowski)

7. Introduktion (Prelude): Ein sehr romantischer, mit Harfenklängen angereicherter Streichersatz (zu dem sich später eine aparte Saxophonstimme hinzugesellt) mit einer weit ausschwingenden, sehr sehnsuchtsvollen Melodie - das Ganze wird unterbrochen von einem bedrohlich wirkenden Einschub, der dramatisch gesteigert wird, bevor die Melodie des Beginns zurückkehrt.

8. Romanze: Hier bekommt die Solo-Violine einen wirkungsvollen Auftritt - die von ihr vorgetragene ausdruckvolle Kantilene (die später vom gesamten Streichorchester wiederholt wird) erinnert ein wenig an die berühmte "Méditation" aus der Oper "Thaïs" von Camille Saint-Saëns, die ja auf keiner der zahlreichen unsäglichen "Best of Classics" und "Klassik zur Entspannung"-Zusammenstellungen fehlen darf… *augenroll*
Warum es hingegen dieser mindestens genauso ausdrucksstarke Satz nicht zu mindestens der gleichen Berühmt- und Beliebtheit gebracht hat, ist mir ein Rätsel - offenbar hat sich niemand mehr die Mühe gemacht, mal ein bisschen zu recherchieren, nachdem man sich einmal auf die "Méditation" eingeschossen hatte…

9. Intermezzo: Zunächst verbreitet dieser Satz eine südländische Nachtstimmung (der Beginn wird am Schluss des Satzes wiederholt), der dann ein heroisch wirkender Mittelteil folgt.

10. Nocturne: Hier trägt nun das Solo-Cello eine leidenschaftliche Melodie über einem flirrenden Streicherteppich vor.

11. Szene: Dieser Satz klingt für mich wieder typisch russisch (es erinnert mich immer an ein Lied über die Wolga und die einsame Taiga im fernen Sibirien…) - dramatisch und sehnsüchtig zugleich, außerdem sehr an Tschaikowski orientiert, wie ich finde! Der Satz endet überraschenderweise dann doch in strahlenden, fast schon triumphal wirkenden Dur-Klängen.

12. Finale: Der letzte Satz beginnt als eine Art brutaler und unerbittlicher Gewalt- oder Geschwindmarsch und geht dann in das markante Thema der Ouvertüre über - allerdings fehlt hier die wuchtige Düsternis, da die Melodie jetzt von Moll nach Dur gewechselt hat und diese wunderbare und vielgestaltige Suite in dieser Form nun abschließt.

Meine Favoritenaufnahme der "Gadfly"-Suite stammt aus dem Jahr 1988 und ist beim Label CAPRICCIO erschienen. Es spielt das Radio-Symphonie-Orchester Berlin unter der Leitung von Leonid Grin (Coverabbildung siehe oben!).

Das Orchester spielt mit Leidenschaft und Verve - die markante Interpretation der Suite, die weder große Dramatik noch romantische Hingabe scheut, überzeugt mich von vorne bis hinten!

Diese Leidenschaft und Hingabe an die großen Melodiebögen vieler Sätze der "Gadfly"-Suite fehlt mir zumindest ein bisschen in der NAXOS-Aufnahme aus dem Jahr 1995 mit dem National Orchestra of Ukraine unter der Leitung von Theodore Kuchar. Alles in allem ist aber auch diese Interpretation durchaus hörenswert.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Philharmonie-Konzert

Da ich zufällig an eine Karte gekommen war, hatte ich Dienstagabend zum ersten Mal seit Monaten wieder mal Gelegenheit, ein Symphoniekonzert in der Kölner Philharmonie zu besuchen - da war ich seit über einem Jahr schon nicht mehr, da mein Fokus in der letzten Zeit neben den Orgelkonzerten ausschließlich auf Opernbesuche gerichtet war - das sollte ich vielleicht bald mal wieder ändern...

Im Rahmen der Symphoniekonzerte des Kölner Gürzenich-Orchesters gab es am Dienstag folgendes Programm - ganz in d-moll - zu erleben:

W. A. Mozart (1756-91): Klavierkonzert Nr. 20 d-moll KV 466

Dmitri Schostakowitsch (1906-75): Symphonie Nr. 5 d-moll, op. 47

Antti Siirala (Klavier)
Gürzenich-Orchester Köln
Dirigent: Michael Sanderling


Über das Mozart-Konzert habe ich mich sehr gefreut, denn unter seinen knapp 30 Klavierkonzerten ist mir das mit der heute üblichen Nummer 20 mit seinem unruhig-dramatisch-leidenschaftlichen Grundton das Liebste!
Die ca. 30 Orchestermusiker begleiteten den 31-jährigen Finnen Antti Siirala auf modernen Instrumenten, Michael Sanderling (den ich 2003 als Leiter des Deutschen Musikschulorchesters kennengelernt habe) verstand es aber trotzdem, einen weitgehend transparenten Klang und einen federnden, flotten Grundrhythmus entstehen zu lassen, der gut zu dem Werk passte.
Ich finde es gut, dass auch "traditionelle" Symphonieorchester nach wie vor Musik der Wiener Klassik (hier vor allem die von Haydn und Mozart) spielen und diese Epoche den auf historischem Instrumentarium spielenden Spezialensembles nicht alleine überlassen (obwohl man schon merkt, dass diese Musik heute seltener von Symphonieorchestern aufgeführt wird als noch vor 25 oder 30 Jahren).
Passend zum modernen Instrumentarium erklang der Klavierpart des Konzerts dann auch vom großen Steinway-Flügel, wobei auch der Solist darum bemüht war, einen möglichst entschlackten und klaren Ton zu erzeugen und das Ganze nicht in üppige (spät-)romantische Klangkaskaden einzupacken.
Sehr schön fand ich auch, dass es die beiden Solokadenzen zu hören gab, die Ludwig van Beethoven für den ersten und dritten Satz dieses Konzerts verfasst hat - die klingen typisch nach dem großen Bonner und passen stilistisch nicht wirklich zum Rest des Konzerts, sind aber sehr ausdrucksstark und es gibt jeweils herrliche Steigerungen zum Ende hin!
Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass der Solist sich vom Tonfall her in dieser Beethoven-Klangwelt wohler fühlte, als im etwas zurückhaltenderen Mozart-Idiom.
Eine etwa fünfminütige Solozugabe, die Siirala nach Beendigung des Klavierkonzerts noch zum Besten gab (es müsste ein Stück von Brahms gewesen sein, genauer kann ich es leider nicht sagen...?), bestätigte meinen Eindruck, dass er sich in der Ausdruckswelt der Klaviermusik des 19. Jahrhunderts wohl doch wohler fühlen dürfte als im späten 18. Jahrhundert - der tiefgründig-romantische Tonfall liegt ihm definitv!

Nach der Pause gab es dann das Gürzenich-Orchester quasi in Vollbesetzung zu erleben, denn für die Schostakowitsch-Symphonie wurde die Orchesterbesetzung gegenüber dem Mozart-Konzert mehr als verdoppelt: Ca. 80 Musiker und Musikerinnen betätigten sich in den kommenden gut 50 Minuten auf der Bühne und es gab neben dem Hören der ausgesprochen dankbaren 5. Symphonie nun auch eine Menge zu sehen: Allein die reich besetzte "Schießbude" - wie Orchestermusiker die Schlagwerkabteilung nennen - war ein Erlebnis, dazu dann noch zwei Harfen, ein Flügel (in dieser Symphonie allerdings nur passagenweise zur Klangverstärkung vorgesehen), eine Celesta, jeeede Menge Bläser und ein üppig besetztes Streichensemble (allein acht Kontrabässe!) gaben eine wirklich beeindruckende Kulisse ab!
Und der Klang eines derart ausgestatteten Symphonieorchesters an den lauten wie auch den leisen Stellen ist live immer wieder ein echtes Erlebnis - da kommt einfach keine noch so gute Musikkonserve mit! Schön, dass ich sowas mal wieder erleben durfte.

Michael Sanderlings dynamisches und energiegeladenes Dirigat sorgte für eine mitreißende Wiedergabe dieser Schostakowitsch-Symphonie - die Interpretation hat mir (wie offensichtlich auch dem Rest des Publikums in der zu gut 70 % ausgelasteten Philharmonie) wirklich sehr gut gefallen - ich werde mich demnächst wohl mal wieder etwas intensiver mit Schostakowitsch beschäftigen... ;-)

Mittwoch, 12. Januar 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wie immer zu Beginn eines neuen Jahres macht Wolfgang Abendroth, der Kantor der Johanneskirche, ein wenig Urlaub - die Lunch-Time-Orgel findet aber trotzdem statt, Organistenkolleginnen und -kollegen übernehmen dann vertretungsweise die allmittwöchliche halbe Stunde.
So spielte KMD Wiltrud Fuchs heute für uns ein dreiteiliges Programm, dessen übergreifendes Thema das Magnificat, der im Lukasevangelium enthaltene Lobgesang Mariens, war.

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Magnificat primi toni (BuxWV 203)

J. S. Bach (1685-1750)
"Meine Seele erhebt den Herren" BWV 648 (aus den "Schübler-Chorälen")

Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901)
Sonate Nr. 4 a-moll, op. 98


Buxtehudes Magnificat ist im für ihn typischen Stil (mehrere kontrastierende Teile folgen aufeinander) gehalten - der Komponist orientiert sich bei seiner Vertonung an den einzelnen Textabschnitten des Magnificats.
Nach dem kurzen Bach-Choral folgte als Hauptwerk des heutigen Konzerts die dreisätzige, sehr wirkungsvolle a-moll-Orgelsonate von Rheinberger, in der der Komponist den gregorianischen Magnificat-Choral verarbeitet hat. Besonders gut gefiel mir hierbei der letzte Satz, die kunstvolle Fuga cromatica!

Das neue Orgeljahr hat gut begonnen... :-)

Freitag, 7. Januar 2011

Zuletzt gehört...

In den letzten Tagen höre ich mich mal wieder systematisch durch eine aus 6 CD bestehende Sammelbox mit dem Titel "Joseph Haydn - Die Sturm und Drang-Symphonien", die insgesamt 19 Symphonien aus der mittleren Schaffensphase Haydns enthält.
Aufgenommen wurden diese selten zu hörenden Symphonien Ende der 1980er Jahre - es spielt das Ensemble The English Concert unter der bewährten Leitung von Trevor Pinnock.

Die hier zu hörenden Symphonien stehen zu Unrecht im Schatten der bekannteren (aber heute auch nicht wirklich häufig aufgeführten) späten Symphonien Haydns - damit meine ich so ca. die letzten 15 oder 20 seiner insgesamt knapp 110 Gattungsbeiträge!
Haydn zeigt sich hier von einer ausgesprochen experimentierfreudigen und mitunter humorvollen Seite - es gibt bei jeder der hier eingespielten Symphonien etwas Originelles oder besonders Charakteristisches zu entdecken, z. B. die extrem hoch und tief geführten Hörnerstimmen in der Symphonie Nr. 51 B-dur Hob. I:51 oder die vom Tonfall her an die beiden g-moll-Symphonien Mozarts erinnernde Symphonie Nr. 39 g-moll Hob. I:39 (ob das wohl an der selben Tonart liegt?).

The English Concert überzeugt durch frische Tempi und einen transparenten Ensembleklang - das Ganze ist eine schöne Ergänzung für jeden Freund der deutlich später entstandenen berühmten sogenannten Londoner und Pariser Symphonien Haydns: Hier kann man erleben, wie Haydn über die Jahre mit der von ihm ja maßgeblich geprägten Gattung der Symphonie fantasievoll spielte und experimentierte, bis er die dann "klassisch" gewordene Form gefunden hatte, die dann für viele nachfolgende Komponistengenerationen zum verpflichtenden Standard wurde.

Montag, 3. Januar 2011

Ein klangvolles neues Jahr 2011!

Wie schon zu Beginn des vergangenen Jahres habe ich mich mal schlau gemacht, welche Komponisten in diesem Jahr als Jubilare ein wenig mehr Aufmerksamkeit als üblich verdient hätten.

Neben den beiden prominentesten Namen dieses Jahres (Franz Liszt und - nach 2010 erneut - Gustav Mahler!) gibt es wieder eine ganze Reihe weiterer interessanter, aber eben doch deutlich unbekannterer Namen, die - so hoffe ich - in diesem Jahr einen kleinen Popularitätsschub bekommen...

Freuen wir uns 2011 unter anderem auf folgende Geburts- und Gedenktage:

03.02.1911 Jehan Alain (100. Geburtstag)
20.02.1961 Percy Aldridge Grainger (50. Todestag)
11.03.1921 Astor Piazzolla (90. Geburtstag)
29.03.1911 Alexandre Guilmant (100. Todestag)
18.04.1936 Ottorino Respighi (75. Todestag)
25.04.1861 Marco Enrico Bossi (150. Geburtstag)
18.05.1911 Gustav Mahler (100. Todestag)
14.06.1911 Johan Svendsen (100. Todestag)
07.07.1911 Gian Carlo Menotti (100. Geburtstag)
05.08.1811 Ambroise Thomas (200. Geburtstag)
25.08.1811 August Gottfried Ritter (200. Geburtstag)
01.09.1886 Othmar Schoeck (125. Geburtstag)
02.09.1661 Georg Böhm (350. Geburtstag)
17.09.1711 Ignaz Holzbauer (300. Geburtstag)
Herbst 1611 Johannes Eccard (400. Todestag)
Herbst 1611 Andreas Hammerschmidt (400. Geburtstag)
03.10.1936 Steve Reich (75. Geburtstag)
22.10.1811 Franz Liszt (200. Geburtstag)
24.10.1811 Ferdinand Hiller (200. Geburtstag)
24.10.1931 Sofia Gubaidulina (80. Geburtstag)
18.11.1786 Carl Maria von Weber (225. Geburtstag)
22.11.1936 Hans Zender (75. Geburtstag)
14.12.1861 Heinrich Marschner (150. Todestag)
21.12.1911 Paul Burkhard (100. Geburtstag)
24.12.1931 Mauricio Kagel (80. Geburtstag)

In diesem Sinne: Ein gutes und vor allem musikalisch erfülltes neues Jahr 2011!