Mittwoch, 31. Oktober 2012

Musik zum Reformationstag

Am heutigen 31. Oktober geht es mir zur Abwechslung mal nicht um Gruseliges zu Halloween, das man als Klassik-Fan zum Beispiel in Opern wie Der Freischütz, Der Vampyr oder Turn of the screw finden kann und auch schaurig-schöne Orchesterwerke, die man auch gut anlässlich der Walpurgisnacht am Abend des 30. Aprils hören könnte, bleiben diesmal außen vor, denn heute geht es um die für alle Protestanten wesentlich entscheidendere Bedeutung des 31. Oktober – heute ist schließlich Reformationstag!

Aus diesem Grund habe ich hier heute ein paar Kompositionen aus dem 18. und 19. Jahrhundert zusammengestellt, die diesen Feiertag musikalisch angemessen würdigen und bereichern können.

Ob Martin Luther seine berühmten 95 Thesen tatsächlich am 31. Oktober 1517 an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg nagelte, ist unter Historikern umstritten. Fakt ist, dass er seine Thesen zu diesem Zeitpunkt an den mächtigen Albrecht von Brandenburg (den Erzbischof von Magdeburg und neuen Erzbischof von Mainz - und damit auch Kurfürsten) und einige weitere Gelehrte schickte. An eine weitere Verbreitung in der Öffentlichkeit hatte Luther offenbar gar nicht gedacht.

Trotzdem ist damit der 31. Oktober bis heute der Gedenktag an das Ereignis geblieben, das die Reformation letztendlich auslöste – und der im wahrsten Sinne des Wortes plakative Auftakt mit dem Thesenanschlag an die Kirchentür bildete ein wirklich markantes Bild hierfür.

Am Reformationstag gedenkt die protestantische Konfession also ihres Ursprungs und der Umstände ihrer Entstehung – das ist verständlicherweise mit einem gewissen Stolz auf das damals Erreichte verbunden: Erfolgreicher Widerstand gegen scheinbar übermächtige Gegner, ein teilweise radikaler Bruch mit jahrhundertealten kirchlichen Traditionen, die als vom Wesentlichen ablenkend empfunden wurden, etc.

Anlässlich des im Jahre 2017 bevorstehenden 500. Jahrestags dieses epochemachenden Ereignisses ist von den protestantischen Kirchen für den Zeitraum 2007-2017 die sogenannte Lutherdekade ausgerufen worden: In jedem dieser 10 Jahre tritt ein anderer Aspekt christlich-protestantischer Theologie, Glaubens- und Gemeindelebens in den Vordergrund und im Jahr 2012 – also genau zur Hälfte dieser Wegstrecke (und damit irgendwie auch im Zentrum des Ganzen) steht nun das Thema Reformation und Musik auf der Agenda – ein Grund mehr also, sich gerade in diesem Jahr einmal mit Kompositionen zum Reformationstag zu beschäftigen!

Es muss als ein Glücksfall bezeichnet werden, dass Martin Luther trotz seiner Gelehrtheit kein abgehobener Theoretiker war, sondern auch ein untrügliches Gespür dafür besaß, was das „einfache Volk“ für Bedürfnisse hatte, wie die Leute „tickten“ und empfanden.
So gelang ihm bei all seinen umwälzenden theologischen und liturgischen Neuerungen und Veränderungen die bewundernswerte Gratwanderung, den Besuchern der protestantischen Gottesdienste nicht zu viel zuzumuten, was möglicherweise ja auch zu einer Ablehnung der neu entstandenen Reformationsbewegung in breiten Teilen der Bevölkerung hätte führen können – Bewährtes behielt Luther bei (wie zum Beispiel zahlreiche Gedenk- und Feiertage, die den Jahresablauf der Menschen strukturierten und die wichtige zeitliche Orientierungspunkte darstellten – siehe hierzu auch meine Anmerkungen zum Michaelistag) und Elemente wie der Gemeindegesang (und damit die Präsenz von Musik im Gottesdienst) hatten für ihn von Anfang an eine zentrale Bedeutung: Singen war und ist ein wirkungsvolles gemeinschaftsstiftendes Element und nichts behält man besser, als die Texte häufig gesungener Lieder!

So überrascht es nicht, dass Luther viele theologische Botschaften in Liedtexte verpackte und zahlreiche Choräle nicht nur getextet sondern (aller Wahrscheinlichkeit nach) auch selber in Musik gesetzt hat (sein heute wohl bekanntestes Lied dürfte zweifellos der Weihnachtsklassiker “Vom Himmel hoch, da komm ich her“ sein)!

Musik als Transportmittel zur Verkündigung der Glaubensinhalte im Gottesdienst hatte für den Reformator also höchste Priorität und aus heutiger Sicht müssen wir für diese seine Wertschätzung der Musik umso dankbarer sein, als dass es sonst unter anderem wohl keinen Thomaskantor Bach gegeben hätte und noch viele weitere wunderbare Beiträge zur protestantischen Kirchenmusik der letzten Jahrhunderte nie entstanden wären!

In diesem Zusammenhang ist es dann auch nur konsequent, wenn sich Luthers 1529 entstandener vierstrophiger Choral “Ein feste Burg ist unser Gott“ (der mit Recht wohl ebenfalls zu seinen bekanntesten Schöpfungen gehört!), diese trotzig-stolze, nach den Worten des 46. Psalms entstandene Bekenntnishymne, wie ein roter Faden durch fast sämtliche Kompositionen zieht, die ich zum Thema Reformationstag gefunden habe!

Anlässlich der Bedeutung dieses Tages für das Selbstverständnis der Protestanten überrascht es nicht, dass Johann Sebastian Bachs Kantaten zum Reformationsfest (BWV 79 und BWV 80) in diesem Geiste entsprechend festlich und selbstbewusst gestaltet sind: Die Kantaten sind als Danksagung und Lobpreis Gottes konzipiert – sein Beistand hat das Gelingen der Reformation offensichtlich ermöglicht, auf seinen Schutz und seine Gnade vertraut man auch in kommenden Zeiten.

Die erste erhaltene Reformationskantate Bachs datiert (höchstwahrscheinlich) aus dem Jahr 1725: Gott der Herr ist Sonn und Schild (BWV 79).
Zu diesem Zeitpunkt war Bach bereits etwas mehr als 2 Jahre Thomaskantor in Leipzig. Welche Kantaten er anlässlich dieses Festes in seinen beiden ersten Jahren als Thomaskantor (1723 und 1724) zur Aufführung brachte, ist offenbar nicht bekannt – allerdings weiß man, dass er die Kantate Die Himmel erzählen die Ehre Gottes (BWV 76) mit ihrem ebenfalls festlich-lobpreisenden Grundton auch anlässlich des Reformationsfestes aufführte (vielleicht erstmals 1724?).

Die Kantate BWV 79 ist – dem Festtag angemessen - prunkvoll mit zahlreichen Bläserstimmen und Pauken besetzt – die sosnt bei ihm fast schon obligatorisch mit den Pauken gekoppelten Trompeten fehlen jedoch überraschenderweise. Stattdessen kombiniert Bach hier meist das Hörnerpaar mit den Pauken – ein mindestens ebenso überzeugender Klangeffekt!
Der titelgebende, die Kantate einleitende Chor ist auf einen Bibelvers komponiert worden (Psalm 84 Vers 12) und beginnt mit einer ausführlichen Instrumentaleinleitung, in der die beiden Hörner ein charakteristisches Motiv vorstellen und auch die Pauken eine rhythmisch markante, an einen vorantreibenden Pulsschlag erinnernde Figur beitragen (die fantasievolle Assoziation mit der musikalischen Darstellung der Hammerschläge Luthers beim Festnageln der 95 Thesen an die Kirchentür halte ich allerdings für etwas weit hergeholt, auch wenn ich diese Idee bereits an mehreren Stellen lesen konnte).
Im zweiten Teil dieses Chorsatzes entwickelt Bach dann noch in seiner unnachahmlichen Meisterschaft eine Fuge, nachdem er den Chor den Text zunächst in Form einer Motette hat vortragen lassen. Jedenfalls wirkt der ganze Satz dem Anlass entsprechend glanzvoll und freudig – ein wahrhaft prächtiger Lobgesang, der diese Kantate da einleitet!

Als dritter Satz dieser Kantate kommt übrigens der bekannte Choral “Nun danket alle Gott“ als machtvoller und eingängiger Dankes-Hymnus daher und man fühlt sich unweigerlich an Felix Mendelssohns Sinfonie Nr. 2 „Lobgesang“ erinnert, in der dieser Choral ebenfalls eine zentrale Rolle spielt.
Wenn ich nicht irre, hat Mendelssohn mit dieser seiner “Sinfonie-Kantate“ die Erfindung des Buchdrucks würdigen wollen (ein für die Reformation ja nicht ganz unwichtiges Ereignis!) – somit wäre es immerhin denkbar, dass er als glühender Bach-Verehrer die hier erwähnte Kantate (und den darin verwendeten Choral) mit ihrem Bezug auf das Reformationsfest gekannt und auch als Inspirationsquelle genutzt hat.

Interessant ist, dass es von Mendelssohn sogar eine eigene "Reformations-Sinfonie" gibt (aber dazu gleich noch mehr), die wiederum den Choral “Ein feste Burg ist unser Gott“ zum Thema hat.

Dies führt dann quasi direkt zur gleichnamigen anderen Reformationskantate Bachs Ein feste Burg ist unser Gott (BWV 80), eine der wohl bekanntesten und beliebtesten Kantaten des berühmten Thomaskantors!

Es gibt ja leider nicht mehr allzu viele Choräle, die auch heutzutage noch eine weitverbreitete Bekanntheit besitzen und deren Melodien (und Worte) einem sofort bei deren bloßer Erwähnung einfallen.
Das war zu Bachs Zeiten mit Sicherheit noch ganz anders: Für viele seiner Zeitgenossen waren die verschiedenen Kirchenchoräle oft die einzige Musik, der sie in ihrem Alltag regelmäßig begegneten.

Umso schöner ist es für uns Heutige natürlich, wenn wir in Bachs Kantaten (und anderen geistlichen Werken) Chorälen begegnen, die auch heute noch (einigermaßen) bekannt sind.

Ich denke da zum Beispiel an Choräle wie „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“, vielleicht „Wer nur den lieben Gott lässt walten“ oder eventuell auch noch „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ und dann eben „Ein feste Burg ist unser Gott“ - die Hymne Martin Luthers, die zum Reformationsfest zu gehören scheint, wie „O Haupt voll Blut und Wunden“ zum Karfreitag oder “Es ist ein Ros‘ entsprungen“ zu Weihnachten!

Wann genau Bach seine berühmte Kantate Ein feste Burg ist unser Gott (BWV 80), die aus der Umarbeitung und Ergänzung einer älteren Kantate (deren Musik leider nicht mehr erhalten ist) aus seiner Zeit am Weimarer Hof (1708-17) entstand, in Leipzig erstmals aufführte, ist nicht eindeutig feststellbar – Bachforscher gehen davon aus, dass diese Kantate anlässlich des Reformationstags im Jahre 1728 oder 1731, eventuell aber auch erst 1735 zum ersten Mal gespielt wurde. Ganz sicher hat Bach sie aber in späteren Jahren erneut aufgeführt, das hat er eigentlich regelmäßig mit seinen Kantatenkompositionen getan.

Die Kantate ist eine sogenannte Choralkantate, eine von Bach ziemlich häufig und gerne gepflegte „Spezialität“: In dieser Kantatenform durchzieht der jeweils als Grundlage dienende Choral in der Regel musikalisch wie textlich die gesamte Kantate wie ein roter Faden.
So hat Bach in diesem Fall den Text von Luthers vierstrophigem Choral vollständig in die Kantate integriert – die Sätze, die nicht auf den Choralstrophen beruhen, stammen von Salomon Franck (1659-1725), dem Weimarer Hofpoeten und Textlieferanten der meisten Kantaten aus Bachs Weimarer Zeit.

Im Gegensatz zur bereits erwähnten, nur wenige Jahre älteren Kantate Gott der Herr ist Sonn und Schild (BWV 79) überrascht die verhältnismäßig bescheidene Orchesterbesetzung dieser Kantate:
„Nur“ drei Oboen treten zu Streichern und Continuo-Gruppe hinzu. Es drängt sich natürlich die Frage auf, ob Bach diese „instrumentale Selbstbeschränkung“ mit Absicht gewählt hat (z. B. um die Zuhörer nicht unnötig vom Textvortrag abzulenken, was in gewissem Sinne ja auch ein zentrales Anliegen der Reformation war...), oder ob er notgedrungen auf eine „Festtagsbesetzung“ mit Pauken und Trompeten verzichten musste, weil ihm keine geeigneten Musiker zur Verfügung standen?
Bachs ältester Sohn Wilhelm Friedemann scheint die Orchesterbesetzung dieser Kantate jedenfalls offensichtlich als zu dürftig empfunden haben – nach dem Tode seines Vaters „peppte“ er das Werk ordentlich auf, indem er einen Part für 3 Trompeten plus Pauken hinzufügte.
In dieser Version ist diese Kantate lange Zeit fast ausschließlich musiziert worden – soweit ich es nachvollziehen kann, ist die originale Orchesterfassung von Vater Bach erst im Rahmen der historischen Aufführungspraxis im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts wieder zu Ehren gekommen.

Sicher – beide Fassungen haben ihre Vorzüge und ihre Existenzberechtigung: Das prachtvolle Trompetengeschmetter Wilhelm Friedemanns passt gut zum trutzig-stolzen Text des Luther-Chorals, aber die Kantate verliert wirklich nichts, wenn stattdessen „nur“ die drei Oboen erklingen, die Vater Bach hier eigentlich vorgesehen hatte.

Das Besondere am prächtigen und meisterhaft gearbeiteten Eingangschoral, der ganz unerwartet ohne jedes Vorspiel direkt mit dem Einsatz der Tenöre startet, ist – neben vielen anderen bewunderungswürdigen Aspekten – die Art und Weise, wie Bach die berühmte Choralmelodie vortragen lässt:
Geschieht dies normalerweise durch eine der Gesangsstimmen (meist der Sopran), so lässt er hier alle vier Chorstimmen die Melodie stets „nur“ in variierter und ausgezierter Form singen und zieht dabei alle Register seiner Satzkunst.
Am Ende jeder Choralzeile erklingt dann doch noch die eigentliche Choralmelodie – allerdings sind es jetzt die Oboen (bzw. bei Wilhelm Friedemann Bach die Trompeten) und die Bass-Stimme im Continuo, die diese Aufgabe übernehmen!
Auch dies hat – wie so oft bei Bach – mit Sicherheit wieder einmal eine tiefere (theologische) Bedeutung: Die allumfassende Macht Gottes wird auf diese Weise sinnfällig dargestellt, indem die höchsten und tiefsten Stimmen des Ensembles („vom Himmel bis zur Erde“) dieses musikalische Glaubensbekenntnis intonieren!

In einer Aufnahme unter der Leitung des legendären Karl Richter von 1977 (die im Laufe der Zeit imer wieder mal mit unterschiedlichen Cover-Abbildungen veröffentlicht wurde) erklingen denn auch die eigentlich so typisch nach Bach klingenden schmetternden Trompeten zusammen mit den Pauken (die ja von seinem Sohn hinzugefügt wurden), während beispielsweise die in den frühen 1980er Jahren entstandene Einspielung unter der Leitung von Helmuth Rilling die eigentlich von Johann Sebastian Bach stammende Fassung mit den drei Oboen berücksichtigt (was der ganzen Sache wirklich keinen Abbruch tut).

Eine Aufnahme neueren Datums (nämlich aus dem Jahr 2000) kann ich besonders empfehlen: Die unter der Leitung von John Eliot Gardiner entstandene Einspielung aller Reformationskantaten Bachs, die im Rahmen der im Jahr 2000 stattfindenden „Bach Pilgrimage“ passenderweise in der Schlosskirche zu Wittenberg aufgenommen wurde!
Frische, schwungvolle Tempi, ein transparenter Chor- und Orchesterklang nehmen für diese Aufnahme ein - da stören dann auch ein paar kleinere "Stolperer" der ausnahmslos englischsprachigen Sängerinnen und Sänger (im Chor wie in den Solopartien) in ihrem ansonsten wirklich beachtlichen "Kampf" mit der deutschen Sprache nicht weiter...

Die Kantate BWV 80 gehört wie erwähnt zu den populärsten geistlichen Kompositionen Bachs. Sie ist als erste Bachkantate überhaupt bereits 1821 im Druck erschienen (wohlgemerkt in der Fassung von Wilhelm Friedemann Bach!). Zu diesem Zeitpunkt lagen zum Beispiel weder die h-moll-Messe noch die Matthäus-Passion in gedruckter Form vor!

Gut möglich, dass der Bach-Fan Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-47) sich durch diese Kantate zur Anfertigung seiner eigenen Sinfonie Nr. 5 D-Dur op. 107 “Reformations-Sinfonie“ inspirieren ließ, die für das Jahr 1830 anlässlich der 300-Jahr-Feier der Augsburger Konfession von 1530 entstanden war, dann aber aufgrund verschiedener Umstände erst im November 1832 in Berlin (mit nur mäßigem Erfolg) uraufgeführt werden konnte.

Mendelssohn selbst war mit seiner Reformations-Sinfonie, selbstkritisch wie er war, nicht sonderlich zufrieden – im Druck erschien die Partitur dann auch erst nach seinem Tod und erhielt daher die Nummer 5, obwohl sie eigentlich als zweite der großen Sinfonien Mendelssohns entstanden war (aber die Nummern 2 bis 4 waren zu dem Zeitpunkt halt schon vergeben und hatten sich längst durchgesetzt).

Nach einer zunächst feierlichen Einleitung (in dem weitere geistliche Melodien zitiert werden), der ein trotzig-stolzer Hauptsatz folgt, klingen für mich weder der heiter-unverbindliche 2. noch der langsame (aber ziemlich kurz geratene) 3. Satz besonders „reformatorisch“ (wie immer so etwas auch klingen mag!). Erst der 4. und letzte Satz bringt mit seinen Variationen über die hier erstmals in Erscheinung tretende Choralmelodie „Ein feste Burg ist unser Gott“ dann den eindeutigen Bezug zum Namen dieser Sinfonie.

Auf jeden Fall aber eine schöne, rein instrumentale Ergänzung zu den beiden Bach-Kantaten!

Auch hier ist wieder die (Ende der 1990er Jahre entstandene) Interpretation von John Eliot Gardiner sehr zu empfehlen, aber auch eine bereits zu Beginn der 1960er Jahre eingespielte, ausgesprochen schnell und schwungvoll angegangene Interpretation unter der Leitung des jungen Lorin Maazel kann sich hören lassen!

Ergänzend zu dieser Sinfonie – und passend zum Thema - kann ich abschließend noch mit zwei kürzeren Ouvertüren zweier Zeitgenossen Mendelssohns aus der Epoche der Romantik aufwarten:

Zum einen wäre da die Kirchliche Festouvertüre „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 31 von Otto Nicolai und zum anderen die Ouvertüre „Ein feste Burg ist unser Gott“ op. 127 des heute nahezu vergessenen Deutsch-Schweizers Joachim Raff (1822-82).
Passend zur feierlichen Choralmelodie enthalten beide Ouvertüren ebensolche Variationen über dieses Thema, wobei – dies sollte der Vollständigkeit halber hier schon noch angemerkt werden – zumindest die Ouvertüre von Herrn Raff explizit nicht für den Reformationstag gedacht ist, sondern als Vorspiel zu einem „Drama aus dem Dreißigjährigen Krieg“ (Wilhelm Genasts Trauerspiel "Bernhard von Weimar"). Da das Stück thematisch jetzt aber hier so schön reingepasst hat, habe ich es einfach mal mit in diese Sammlung aufgenommen.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Die heutige Lunch-Time-Orgel wurde wieder einmal von einem einzigen, knapp halbstündigen Werk aus dem 19. Jahrhundert, der Epoche der Romantik, bestimmt:

Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901)
Sonate Nr. 8 e-moll op. 132 für Orgel


Musik von Rheinberger, des wohl berühmtesten Komponisten Liechtensteins, der allerdings den größten Teil seines Lebens in München verbrachte und dort neben zahlreichen anderen Kompositionen insgesamt 20 großdimensionierte Orgelsonaten komponierte, hatten wir schon länger nicht mehr in unseren Mittagskonzerten, umso mehr habe ich mich gefreut, dass unser Organist Wolfgang Abendroth heute gleich eine komplette Sonate präsentierte – und zwar die viersätzige 8. Orgelsonate aus dem Jahr 1882 - die gleichermaßen mit ihren symphonischen Ausmaßen wie mit der in ihr enthaltenen Ideen- und Ausdrucksvielfalt beeindruckte!

Nach einem mit einer ebenso kunstvoll verarbeiteten wie im Satzverlauf dramatisch gesteigerten Fuge im ersten Satz folgt ein freundlicher ruhiger zweiter Satz und ein eigentümlich unruhig-bewegtes Scherzo als dritter Satz, bevor mit der großangelegten und ebenfalls wieder effektvoll gesteigerten Passacaglia diese Sonate ihr grandioses Ende findet.

Die zupackende und vorwärtsdrängende Interpretation unseres Organisten hat mir sehr gut gefallen, der dramatische, teils aufgewühlte und unruhige Impetus dieser Komposition kam hierbei gut zum Tragen!

Donnerstag, 18. Oktober 2012

Ein Abend in der Oper - "Le nozze di Figaro" in Köln

Anfang Oktober war die Kölner Kulturszene um eine weitere Schlagzeile reicher:
Die jährliche Kritiker-Umfrage der Zeitschrift Opernwelt zur Spielzeit 2011/12 hat die Kölner Oper zum „Opernhaus des Jahres“ gekürt, zeitgleich mit der Nominierung zur „ärgerlichsten Opernerfahrung des Jahres“, womit natürlich die unerfreulichen Querelen um und mit dem dann kurzfristig in diesem Sommer aus dem Amt geschiedenen Intendanten Uwe Eric Laufenberg gemeint sind!

Diese beiden medienwirksam platzierten „Auszeichnungen“ stehen natürlich sowohl mit dem erfolgreichen Wirken wie eben auch dem im Konflikt mit der Kulturpolitik (und deren Budget) gescheiterten ehemaligen Intendanten in untrennbarer Verbindung und dürften den Erwartungsdruck, der seit der kurzfristigen (wie auch für viele recht überraschenden) Berufung von Birgit Meyer als Nachfolgerin Laufenbergs Ende August auf den Schultern der ersten Kölner Opernintendantin lastet, nicht gerade verringert haben. Alle Beobachter der Kulturszene dieser Stadt fragen sich nun natürlich erst recht, ob sie die künstlerischen Erfolge Laufenbergs während der vergangenen drei Spielzeiten (die letztendlich zur Verleihung der oben erwähnten Auszeichnung führten) fortführen und das (endlich wieder) erreichte Niveau der Oper halten können wird.

Nach dem Spielzeitauftakt mit La forza del destino im September, der immerhin nicht als „Flop“ bezeichnet werden kann und für den mit dem Franzosen Olivier Py noch von Herrn Laufenberg ein Gast-Regisseur verpflichtet worden war, wurde es nun spannend:

Denn mit der Premiere der zweiten Produktion dieser Spielzeit am 12. Oktober im Palladium in Köln-Mülheim, Wolfgang Amadé Mozarts Opera buffa Le nozze di Figaro aus dem Jahr 1786, musste sich jetzt zeigen, ob die unter enormem Zeitdruck entstandene Inszenierung, die der junge Regisseur Benjamin Schad übernommen hat, ebenfalls bestehen können würde.

Der Zeitdruck, der auf dieser Produktion lastete, kam daher, dass eigentlich der jetzige Ex-Intendant Laufenberg als Regisseur für diese Neuinszenierung vorgesehen war. Eine Tatsache, die sich nach dessen nicht ganz freiwilliger „Schnell-Entfernung“ nun natürlich als ein enormes Problem darstellte – gerade einmal etwas über zwei Monate sind dem neuen Regisseur geblieben, um (quasi bei null beginnend) diesen Klassiker der Opera buffa auf die Bühnenbretter der Ausweichspielstätte in der rechtsrheinischen ehemaligen Industriehalle zu bringen!

Wahrlich keine leichte Aufgabe, zumal hier nicht einmal die wohl bereits schon fertiggestellten Kulissen (oder sonstige vorhandene Elemente) der ursprünglichen Laufenberg-Inszenierung verwendet werden durften!
An diesem Punkt hätte ich mir als Zuschauer dann doch etwas mehr kollegiales Entgegenkommen im Dienste der Kunst gewünscht…

Ich habe am Dienstag (16. Oktober) die dritte, ganz gut besuchte, aber nicht ausverkaufte Vorstellung dieser Neuinszenierung besucht. Details zur Aufführung und Fotos gib es hier.
Der Programmzettel dieses fast dreieinhalbstündigen Opernabends (inkl. einer gut 20-minütigen Pause) sah wie folgt aus:

Il conte d’Almaviva: Mark Stone
La contessa d’Almaviva: Maria Bengtsson
Susanna: Ofelia Sala
Figaro Matias Tosi
Cherubino: Adriana Bastidas Gamboa
Marcellina: Hilke Andersen
Basilio: Martin Koch
Bartolo: Gilles Cachemaille
Barbarina: Ji-Hyun An
Antonio: Ulrich Hielscher
Don Curzio: Alexander Fedin
2 Mädchen: Aoife Miskelly und Marta Wryk
Chor der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln
Hammerflügel: Chloé Ghisalberti
Musikalische Leitung: Konrad Junghänel

Sehr erfreulich, dass mit dem Alte-Musik-Experten Konrad Junghänel erneut ein engagierter (und gleichermaßen sympathischer) musikalischer Leiter verpflichtet werden konnte, der in den letzten Jahren an der Kölner Oper bereits mehrere sehr hörenswerte Produktionen zu verantworten hatte, z. B. den Ulisse von Monteverdi oder – um bei Mozart zu bleiben – die Entführung aus dem Serail oder den Titus im Herbst 2011.

So gab es musikalisch denn auch an diesem Opernabend eigentlich kaum etwas auszusetzen: Schon die in flott-frischem Tempo angestimmte Ouvertüre versprach einen spritzig-beschwingten Hörgenuss! Das Gürzenich-Orchester (in auf Mozart-Verhältnisse angepasster reduzierter Besetzung) spielte ausgesprochen klangschön und leichtfüßig – den typischen „Junghänel-Sound“ für Opernmusik des 18. Jahrhunderts haben sich die Musiker mittlerweile spürbar zu Eigen gemacht!
Allenfalls die ein oder andere etwas lyrischer ausmusizierte Holzbläserstimme in den langsameren Nummern hätte ich mir noch gewünscht – da klang manches ein wenig zu flüchtig und nebensächlich und hätte besser betont oder ausgekostet werden können, fiel aber vermutlich dem vom Dirigenten gewählten generell recht schnellen Grundtempo zum Opfer.
Ach ja – und ich hätte mir (mal wieder) ein Cembalo anstelle des diesem erneut vorgezogenen Hammerklaviers zur Begleitung der Seccorezitative gewünscht…
Aber das ist jetzt wirklich „Jammern auf hohem Niveau“!

Während ich mit dem Ensemble der Forza del destino im September ja nicht rundum glücklich war, gab es am aktuellen Figaro-Ensemble wirklich nichts auszusetzen: Ein fast durchgehend aus jungen Sängerinnen und Sängern bestehendes Team, das nicht nur stimmlich sondern auch darstellerisch auf der Bühne eine im wahrsten Sinne des Wortes „gute Figur“ machte!
Ich finde eigentlich keine(n) Beteiligte(n), an dem oder der ich wirklich etwas groß zu Bemängelndes gefunden hätte – und das ist ja nun wirklich schon fast die Hauptsache für einen gelungenen Opernabend!
Am besten (auch darstellerisch) gefiel mir die junge kolumbianische Mezzosopranistin Adriana Bastidas Gamboa als Cherubino. Dieses Ensemblemitglied der Kölner Oper ist mir schon in einigen anderen Produktionen positiv aufgefallen, diesmal gefiel mir ihre sängerische wie auch schauspielerisch ausgesprochen überzeugende Leistung als jungenhafter Page (in klassischer grau-schwarzer Pagenuniform mit roter Strubbelfrisur) aber besonders gut!

Erfreulich in musikalischer Hinsicht (das soll hier nicht unerwähnt bleiben) fand ich auch, dass zumindest die Arie der Marcellina im 4. Akt nicht – wie üblich – gestrichen wurde. Leider fiel dann aber auch in dieser Produktion die ebenfalls fast immer gestrichene Arie des Basilio (die eigentlich als nächste Musiknummer dem Solo der Marcellina folgen müsste) dem Rotstift zum Opfer! Nun, immerhin aber nur 50% des ansonsten immer im Doppelpack gestrichenen Arienpärchens, das ist ja auch schon etwas!

Nun noch zur Inszenierung:
Im Gegensatz zum musikalisch eigentlich rundum beglückenden Abend kann ich zur Inszenierung eigentlich nur sagen (was ich in solchen Fällen gern zu behaupten pflege), dass sie den Musikgenuss immerhin nicht weiter großartig störte...!

Es war jetzt weder der von so Manchem vielleicht befürchtete Totalausfall, noch eine besonders raffinierte inszenatorische Glanzleistung – mehr als das Gebotene wird in der Kürze der Zeit, die hier zur Verfügung stand, wahrscheinlich einfach nicht drin gewesen sein!? Außerdem fragte man sich das ein oder andere Mal nicht ganz ohne Wehmut, wie der eigentlich für diese Produktion als Regisseur vorgesehene Uwe Eric Laufenberg das Ganze wohl umgesetzt hätte?

Regisseur Benjamin Schad hatte sich dem Kölner Opernpublikum mit der gelungenen Inszenierung von Brittens Turn of the screw vorgestellt, die im Winter 2011 in der Trinitatiskirche gegeben worden war. Allerdings hatte er hier auch den Vorteil, dass allein schon der für eine Opernaufführung ungewohnte Kirchenraum eine Menge an Möglichkeiten, Inspirationen und Atmosphäre bot.

Die ernüchternde Atmosphäre des Palladium mit ihrem „Industriecharme“ stellte für den Figaro nun natürlich eine ganz andere Voraussetzung dar: An die Szenerie eines gräflichen Schlosses des 18. Jahrhunderts war hier mit Sicherheit schon mal nicht zu denken (aber diese Tatsache stört heute ja leider sowieso keinen Regisseur mehr…). Die Kostüme waren immerhin eines gräflich-gehobenen Ambientes angemessen: Man trug dezent-zeitlose Abendkleidung (alles in Grau- und Schwarztönen gehalten bis auf die Gräfin, die ein weißes Kleid trägt).

Passend zur nüchternen Industriekulisse ist die Bühnenausstattung ausgesprochen spartanisch (boshaft könnte man auch sagen, dass für mehr eben kein Geld da war!?!) und die Farben Schwarz, Grau und Weiß beherrschen alles – andere farbliche Akzente gibt es nicht.

Schad entschied sich dafür, die ganze Oper in und um ein leeres, weißes, quadratisches Zimmer spielen zu lassen, das fast die gesamte Bühne ausfüllte, aber eben auch noch Platz ließ, dass die Darsteller für das Publikum sichtbar auch außen um diesen Raum herumlaufen und dann durch eine der drei Türen dort wieder hineingehen konnten, so dass sich einige Szenen auch außerhalb dieses zentralen Raumes abspielten.

Der 1. Akt, der ja im neuen Dienstbotengemach von Susanna und Figaro spielt, wird dann auch konsequent vor diesem sich erst zu Beginn des 2. Aktes öffnenden „weißen Salons“ angesiedelt: Den Blick auf diesen Raum verstellt hier noch eine vierte Wand, die dann angehoben wird und ab diesem Moment (der erste Auftritt der Gräfin) quasi zur „durchsichtigen 4. Wand“ des dahinterliegenden völlig leeren (bis auf eine weiße Kiste, in der sich Susanna später kurzzeitig auch einmal vor den Blicken des erzürnten Grafen versteckt) Raumes wird.

Hauptmotiv des Regisseurs für diese Inszenierung war die sich für ihn im Verlauf der Handlung immer deutlicher erweisende Isolation aller am Spiel Beteiligten – alle sozialen, persönlichen und emotionalen Bindungen lösen sich auf, jede(r) Einzelne muss erkennen, dass er oder sie mit seinen/ ihren Wünschen, Sehnsüchten, Erwartungen und auch erotischen Begierden eigentlich ganz auf sich allein gestellt und somit auf niemand anderen wirklich Verlass ist. Dieses „Sich-Auflösen“ des gesellschaftlichen Gefüges (auch der althergebrachten Standeszugehörigkeit, was für den Regisseur das eigentlich revolutionäre am „Figaro“-Plot von Beaumarchais ist) wird optisch sinnfällig dahingehend umgesetzt, dass sich auch die zunächst undurchdringlich und wie ein Gefängnis wirkenden weißen Wände im Verlauf des Stücks immer weiter auflösen, in dem sie vor allem von den Akteuren peu à peu als einzelne Elemente herausgenommen oder –gerissen werden (beginnend mit Cherubinos spektakulärer Flucht im 2. Akt, die er mangels eines Fensters, aus dem er hätte herauspringen können, notgedrungen durch das Eintreten einer Wand bewerkstelligt!), bis schließlich nur noch Bruchstücke der Wandelemente auf dem Bühnenboden herumliegen und die arg „gerupften“ Restwände zu Beginn des 4. und letzten Aktes dann komplett in Richtung Bühnenhimmel entschwinden, um einer traumartigen, surreal wirkenden Szenerie Platz zu machen, die aus riesigen Stoffpuppen besteht, die in verschiedenen Haltungen und Positionen von oben an Seilen herunterhängen und mich spontan aufgrund ihrer übermäßig betonen weiblichen Formen an die berühmten „Nana“-Figuren von Niki de St. Phalle erinnerten – allerdings ohne deren charakteristisch fröhlich-bunte Bemalung!
Was der Regisseur dem Zuschauer damit sagen wollte, erschloss sich leider nicht wirklich, wie überhaupt der ganze 4. Akt mit sämtlichen, permanent auf der Bühne anwesenden Akteuren des Stückes, die – während sie gerade nichts von sich zu geben haben – alle mit verschiedenen, sich immer in manisch-zwanghaft wirkenden Wiederholungen abspulenden Tätigkeiten beschäftigt sind: So zieht sich Basilio im Bühnenhintergrund mindestens dreimal aus und wieder an, Barbarina torkelt ununterbrochen um einen seitlich stehenden Pfeiler herum, Cherubino wälzt sich daneben auf dem Boden herum, etc. – sehr bizarr, das Ganze! Und eigentlich völlig überflüssig, denn bis dahin ergab die vielleicht nicht besonders originelle, aber doch nachvollziehbare Personenführung des Stücks durchaus noch Sinn – diesen 4. Akt hätte man sich so jedoch wirklich sparen können!

Etwas schwierig auch, was das Nachvollziehen der ja gerade im 4. Akt besonders intensiven „Wer-mit-wem“- und „Wer-hält-wen-jetzt-gerade-für-wen“-Elemente für die Zuschauer anbetraf! Da passte vom gesungenen Text eigentlich nichts mehr zu dem, was auf der Bühne zu sehen war – denn konsequenterweise befanden sich gemäß dem Regiekonzept ja alle Akteure zu diesem Zeitpunkt in völliger Isolation von ihren Mitmenschen und so agierte denn auch jede(r) nur für sich: Figaro und Susanna versöhnten sich ohne jeden Blick- oder Körperkontakt (besonders albern hier die Szene, wo sie ihm ein paar Ohrfeigen verpasst, die auf der Bühne ca. 20 Meter entfernt von ihm in eine völlig andere Richtung ausgeteilt werden… *augenroll*), sämtliches Geturtel zwischen den verschiedenen Rendezvous-Teilnehmern findet nicht statt, etc. Wer hier die Handlung nicht genau kannte, dürfte spätestens ab dieser Stelle eigentlich nur noch Bahnhof verstanden haben – muss so etwas eigentlich sein?

Spätestens hier hätte auch der Regisseur merken müssen, dass sein Ansatz vielleicht doch nicht ganz so schlüssig war – von der Musik, die etwas völlig anderes ausdrückt, als das, was der Regisseur in seine Figuren hineinzuinterpretieren glaubt, mal ganz zu schweigen! So wird beispielsweise die Versöhnung zwischen Figaro und Susanna im 4. Akt und schließlich auch die Reue des Grafen und die ihm Vergebung gewährende Gräfin kurz vor Schluss durch Mozarts Musik berückend schön und voll aufrichtiger Emfpindung ausgedrückt, vom Regisseur aber völlig ignoriert, bzw. ganz offensichtlich nicht ernst genommen!
Aber über so etwas rege ich mich schon lange nicht mehr auf – Opernregisseure scheinen das Wichtigste einer Oper, nämlich die Musik, ganz gerne mal zu ignorieren, wenn’s grad nicht in den psychoanalytischen Kontext passt (dabei könnte man doch gerade bei einem Komponisten wie Mozart hier so viel raushören und mitnehmen!) – diese Unsitte scheint zum Berufsbild dazuzugehören und ist aus den Leuten einfach nicht rauszubekommen…

Naja – alles in allem also ein musikalisch sehr erfreulicher, inszenatorisch hingegen nicht besonders hervorstechender Opernabend, was man aber wohl auch den schwierigen Rahmenbedingungen dieser Produktion zugutehalten muss. Immerhin!

P.S.: Wie kurzfristig das alles vorbereitet werden musste, merkt man schon daran, dass in den im Foyer ausliegenden Programmübersichten für den Monat Oktober pikanterweise immer noch Herr Laufenberg als Regisseur des Figaro genannt wird und in den Programmheften scheint mir auch der ein oder andere ursprünglich wohl noch geplante Beitrag zu fehlen: Neben der Inhaltsangabe findet sich diesmal nur ein Interview mit dem (neuen) Regisseur sowie lediglich ein weiterer Artikel. Die restlichen Seiten sind ungewöhnlicherweise (und noch dazu ziemlich lieblos) mit nichtssagenden Fotos von Kulissenelementen dieser Inszenierung gefüllt worden – da hätte doch bestimmt noch irgend etwas anderes drinstehen sollen…

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wie in der vorigen Woche fand auch das heutige Mittags-Orgelkonzert im Rahmen des 7. Internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals statt. Unser Organist war heute Jens-Peter Enk, der bereits einige Male in der Lunch-Time-Orgel zu Gast war und seit Februar dieses Jahres als Kantor in Wuppertal-Unterbarmen eine neue Wirkungsstätte gefunden hat (so weit ist Wuppertal ja nicht von Düsseldorf weg). Auf dem gut halbstündigen Programm stand heute eine Mischung aus Bach und Orgelmusik des 19. Jahrhunderts:

J. S. Bach (1685-1750)
Fantasie und Fuge g-moll BWV 542

Robert Schumann (1810-47)
aus „Sechs Fugen über den Namen BACH“ op. 60
Fuga I: Langsam
Fuga III: Mit sanften Stimmen

Gabriel Fauré (1845-1924)
Sicilienne
Berceuse op. 16

Niels Wilhelm Gade (1817-90)
aus „Drei Tonstücke für die Orgel“ op. 22
Moderato


Die einleitende Bach-Fantasie und Fuge in g-moll gehört zu meinen absoluten Lieblingsstücken für die Orgel – ich liebe die dramatische, harmonisch unglaublich kühne Fantasie und das folgende Fugenthema ist (zumindest für mich) jedesmal ein echter Ohrwurm! Da stört es dann auch nicht, dass wir dieses Stück vor gerade einmal vor 4 Wochen zuletzt auf dem Programm stehen hatten :-)

Und auch wenn ich Schumanns Bach-Hommage faszinierend und – gerade wenn man die sich vom Komponisten selbst gesetzte Beschränkung berücksichtigt – ausgesprochen fantasievoll umgesetzt finde und die beiden Fauré-Stücke noch so charmant rüberkamen, mein heutiger Favorit war definitiv das abschließende Orgelstück des Dänen Gade:
Ein wunderbar klangprächtiger und festlich bewegter Satz! Skandinavische Komponisten sind wirklich eine Entdeckung wert, das war heute wieder mal ein eindeutiges Plädoyer hierfür!

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Nachdem in der vergangenen Woche die Lunch-Time-Orgel wegen des Feiertags ausgefallen war, wurde uns vom heutigen Gastorganisten Prof. Jürgen Kursawa dafür heute ein ganz besonderer Ohrenschmaus geboten:

Charles-Marie Widor (1844-1937)
Symphonie pour Grand Orgue No. 5 f-moll op. 42 Nr. 1


Das heutige Orgelkonzert fand im Rahmen des 7. Internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals (IDO-Festival) statt, das in diesem Jahr vom 28. September bis zum 5. November dauert und verschiedene musikalische Veranstaltungen an verschiedenen Orten in der NRW-Landeshauptstadt umfasst (weitere Infos hierzu siehe auch hier).

Vielleicht lag es an diesem Festival, dass das heutige Mittags-Orgelkonzert so gut besucht war, wie schon seit langem nicht mehr?

Prof. Jürgen Kursawa ist – nach zahlreichen vorangegangenen Stationen – seit Anfang 2008 Dozent am und geschäftsführender Direktor des Instituts für Kirchenmusik an der Düsseldorfer Robert-Schumann-Hochschule. Er spielte für uns heute einen der ganz großen Klassiker der (französischen) Orgelliteratur:
Charles-Marie Widors 5. und damit die bekannteste seiner 10 Orgelsymphonien, die von der berühmten und beliebten Toccata beschlossen wird, die zweifellos neben Bachs Toccata und Fuge d-moll BWV 565 zu den bekanntesten Orgelstücken überhaupt zählt (und die damit auch auf keiner „Best of Organ-CD“ fehlen dürfte)!

Darüber vergisst man aber dann viel zu oft die Schönheiten der dieser Toccata vorangehenden weiteren vier Sätze, die die 5. Orgelsymphonie immerhin zu einem knapp 40-minütigen Werk machen!

Mir hat es neben dem herrlich meditativen 4. Satz (Adagio) und dem melodiösen 2. Satz (Allegro cantabile) vor allem der aus Variationen über ein markant-rhythmisches Thema bestehende 1. Satz (Allegro vivace) angetan!
Dieses Thema hat Ohrwurmqualitäten (finde ich jedenfalls) und geht einem nicht mehr so schnell aus dem Gehörgang, wenn man diesen 1. Satz einmal in Gänze angehört hat!