Dienstag, 30. August 2011

"My Fair Lady" in Xanten

Sommerzeit ist ja traditionell Festivalzeit und Open-Air-Saison - und da macht auch der Klassikbereich keine Ausnahme.

In diesem Jahr hatte ich wieder einmal Gelegenheit, eine solche Open-Air-Aufführung im Rahmen der 29. Sommerfestspiele im römischen Amphitheater im Archäologischen Park in Xanten am Niederrhein besuchen zu können (zuletzt war ich dort im Sommer 2004 anlässlich einer "Rigoletto"-Aufführung).
Die ersten Festspielbesucher treffen vor dem Xantener Amphitheater ein
Das Amphitheater von außen
Kaiserliche Begrüßung am Eingang

In diesem Jahr habe ich nun zusammen mit Freunden am vergangenen Samstag (27.08.) eine Aufführung des Musical-Klassikers "My Fair Lady" von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe (in der bekannten deutschen Fassung, in der Eliza Doolittle "berlinert") besucht.
Noch 90 Minuten bis Vorstellungsbeginn

In diesem sogenannten "Sommer" ist bzw. war es wirklich schwierig, im Risikospiel mit der äußerst wankelmütigen Wetterlage wenigstens einigermaßen Glück zu haben, aber getreu dem Motto "Wenn Engel reisen…" war uns Petrus an jenem Samstagabend hold (vielleicht steht er auch auf Broadway-Klassiker, wer weiß…?) und es war zwar frisch mit Temperaturen deutlich unter 20 Grad, aber von Anfang bis Ende unseres gesamten Aufenthalts vor Ort ist nicht ein einziger Tropfen Regen gefallen (und das, obwohl wir während der Anreise aus Köln kommend am Nachmittag noch in zwei mittlere Wolkenbrüche geraten waren und somit schon das Schlimmste für den Abend befürchtet hatten)!!
Nun, auf kühle Temperaturen (die ja auch so vorhergesagt worden waren) kann man sich einrichten und entsprechend wirksam vorbereiten, auf etwaige stundenlange Regengüsse eher weniger - so gesehen waren wir (und alle anderen Zuschauer der schätzungsweise zu 80 % ausverkauften Vorstellung natürlich auch) entsprechend erleichtert, dass dicke Jacken und kuschelige Decken dann ausreichten, um bequem durch diesen "hochsommerlichen" Theaterabend unter freiem Himmel zu kommen!

Wer vielleicht noch nie etwas von diesen mittlerweile seit fast 30 Jahren stattfindenden Sommerfestspielen im Xantener Amphitheater gehört haben mag (mit in der Regel gleich mehreren verschiedenen Aufführungen aus den Sparten Oper, Musical und Konzert), der möge sich einfach eine niederrheinische Version der Festspiele in der Arena di Verona vorstellen (wo ich vor -zig Jahren mal eine "Aida"-Aufführung erleben durfte).
Das Amphitheater ist natürlich deutlich kleiner als das norditalienische Pendant (und das Wetter entsprechend weniger mediterran), aber ansonsten hinkt der Vergleich keineswegs.
Man geht nicht nur wegen der Aufführungen, sondern auch aufgrund der besonderen Atmosphäre in diesem steinernen Rundbau dorthin: Ab 19 Uhr ist Einlass (Vorstellungsbeginn dann um 20:30 Uhr) und um diese Zeit stehen die wirklichen Fans (so auch wir) dann bereits am Eingang, um sich dann vor Ort die jeweiligen Lieblingsplätze auf den steinernen Stufen zu sichern. Wir hatten uns erneut ganz oben direkt vor der das Arenarund abschließenden Brüstungsmauer platziert, was den Vorteil hat, dass man von dort nicht nur den besten Überblick über den Innenraum sondern auch die gesamte Umgebung hat: Den Archäologischen Park im Rücken, den Blick auf das Städtchen Xanten mit den markanten Doppeltürmen des Doms St. Viktor zur Rechten, die weite niederrheinische Ebene zur Linken - das hat schon was!
Der Xantener Dom
Teile des Archäologischen Parks

Und die anderthalb Stunden bis zum Vorstellungsbeginn werden natürlich (das gehört für die wahren Liebhaber solcher Veranstaltungen unbedingt dazu!) stilecht mit einem geschmackvollen Picknick auf den Steinstufen überbrückt… Es wäre zu schade gewesen, wenn das buchstäblich "ins Wasser" gefallen wäre - für uns schien hingegen die untergehende Sonne und man konnte das Ganze entsprechend genießen.
Die Bühne im Abendsonnenschein
Das Orchester sitzt - gleich geht es los!

Um 20:30 Uhr begann dann in der einsetzenden Dämmerung die Vorstellung.

In einer Inszenierung von Leo Decker und unter der musikalischen Leitung von Vadim Perevoznikow spielten, sangen und tanzten Ballett, Chor und Orchester des Nationalen akademischen Operettentheaters Kiew.
Die Ukrainer touren (wie viele andere vor allem osteuropäische Ensembles) während der sommerlichen Spielzeitpausen in ihren Heimathäusern gerne durch verschiedene (vorrangig westeuropäische) Festspielorte und können sich so ihre wahrscheinlich nicht allzu üppigen Budgets mit diesen zusätzlichen Gagen aufbessern.

Zu diesem ukrainischen Ensemble kamen dann die deutschsprachigen Darsteller hinzu - ich nenne hier mal die Wichtigsten:

Eliza Doolittle: Polonca Olszak
Henry Higgins: Charles Elkins
Oberst Pickering: Christian Claaszen
Alfred Doolittle: Wolfgang Welter
Freddy: Maximilian Krummen
Mrs. Higgins: Naemi Priegel
Mrs. Pearce: Friedhilde Filser

Bei Open-Air-Aufführungen wie dieser erwartet niemand eine besonders amibitionierte, künstlerisch ausgefallene Inszenierung - wir wurden durch die zweckmäßige, durchaus als "klassisch" zu bezeichnende Bühnenausstattung dann auch vollkommen zufriedengestellt.

Hinzu kommt natürlich die besondere Atmosphäre, die sich bei solchen Veranstaltungen einstellt und die sich irgendwie auch auf die Mitwirkenden überträgt. So kleine Pannen und Tücken, wie z. B. die Tatsache, dass der immer wieder in leichten Böen durch die Arena gehende Wind es mehrfach verhinderte, dass Professor Higgins eine Kerze auf seinem Schreibtisch entzünden konnte, was nach dem letztendlichen Erfolg dieser Aktion (und entsprechender Improvisation) zu spontanem Szenenapplaus führte, erlebt man halt nur bei Aufführungen wie diesen.

Wolfgang Welter als Alfred Doolittle benötigte etwas, um mit seinem Part zurechtzukommen - seine erste Solonummer ("Mit 'nem kleinen Stückchen Glück") ging stimmlich gesehen doch etwas daneben, aber eine derart dankbare Rolle wie die des unverwüstlichen Müllkutschers ist so publikumswirksam angelegt, dass man hier eigentlich auch die größten Patzer verzeiht - und spätestens bei seinem zweiten Auftritt war man dann schon wieder versöhnt.

Die beiden Hauptdarsteller Polonca Olszak und Charles Elkins überzeugten im Ganzen darstellerisch und stimmlich, auch an den übrigen Mitwirkenden gab es wenig auszusetzen (lediglich Maximilian Krummen als Freddy Eynsford-Hill schien stimmlich an ein paar Stellen ein klein wenig an seine Grenzen zu stoßen...).

Schade, dass in einigen Musiknummern kleinere Kürzungen vorgenommen wurden - so schien es mir zumindest (so z. B. in Higgins' "Kann denn die Kinder keiner lehren, wie man spricht" oder in Elizas "Tu's doch!") - da sich die Striche allerdings in äußerst bescheidenem Umfang ausnahmen, stellt sich die Frage, warum man dann überhaupt hie und da den Rotstift angesetzt hatte?

Ballett und Orchester boten eine routinierte Leistung, lediglich am Chor und den sich hieraus rekrutierenden Nebenrollendarstellern bleibt auszusetzen, dass man sie überhaupt nicht verstehen konnte: Mit der deutschen Fassung der "My Fair Lady"-Texte waren die Ukrainer sprachlich eindeutig überfordert und man war froh, dass sich Chorpart und die Texte der Nebenfiguren in diesem Musical eh nur auf ein Minimum beschränken (fairerweise muss man natürlich berücksichtigen, dass es im umgekehrten Fall wohl auch nicht besser klingen würde, wenn ein deutschsprachiges Ensemble versuchen würde, russische Texte zu deklamieren bzw. zu singen!)

Aber sämtliche (kleinen) Kritikpunkte fallen nicht so ins Gewicht, wenn man dabei die abendliche Arena-Atmosphäre genießen und gleichzeitig ganz gemütlich etwas trinken und sich köstliche kleine Schweinereien wie Datteln im Speckmantel zu Gemüte führen kann *grins*
Vielleicht wäre sowas ja auch mal eine Überlegung für ganz normale Theater wert?

Alles in allem also ein schöner, erst um Mitternacht endender Abend in ganz besonderer (regenfreier!) Atmosphäre am Ende eines mehr als durchwachsenen Sommers!

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