Montag, 22. März 2010

Frühlings-Klassik

So, seit dem 20. März ist es nun endlich auch ganz offiziell und endgültig FRÜHLING! Endlich!!
Wir haben einen wirklich langen, fies kalten und selbst für Kölner Verhältnisse erstaunlich schneereichen Winter hinter uns und dementsprechend groß ist die (Vor-) Freude auf den jetzt beginnenden Lenz!
Und diese Erwartungshaltung dem Frühling gegenüber ist genau das, was ihn mit Abstand zu der Jahreszeit macht, die mit den meisten positiven Eigenschaften belegt ist! Beim Recherchieren nach klassischer Frühlingsmusik habe ich bislang noch kein Stück gefunden, in dem es um negative Eigenschaften dieser Jahreszeit ginge (da gibt es bei allen anderen Jahreszeiten ja immer die berühmten zwei Seiten!) - wohin man schaut (und hört): Nur Freude, Glücksgefühle, Blumen, Vögel, Schmetterlinge und (natürlich!) Verliebtheit, Tanz, Jugend, etc.
Oh Mann!
Mit Abstand ist der Frühling auch die Jahreszeit, zu der ich die meisten Musikstücke gefunden habe, bzw. immer noch finde, ein Ende ist noch nicht abzusehen, ich sichte noch das Material und eröffne den musikalischen Frühling daher zunächst wie gewohnt mit den Jahreszeiten-Zyklen, die bereits im Sommer, Herbst und Winter entsprechend vorgestellt wurden:


Antonio Vivaldi (1678-1741)
12 Violinkonzerte "Il cimento dell'armonia e dell'inventione" op. 8
("Der Gipfel von Harmonie und Erfindung"); entstanden ca. 1700-1725

Darin als Konzert Nr. 1 "La primavera" ("Der Frühling") in E-Dur
Auch seinem Frühlingskonzert hat Vivaldi ein - möglicherweise von ihm selbst gedichtetes - Sonett vorangestellt, in dem er ein erläuterndes Programm für das jeweilige Konzert entwirft und hübsch gereimt die Szenerien vorstellt, die er in der Musik des dreisätzigen Konzerts auszudrücken versucht.

Die Themen der drei Sätze sind:
1. Satz: Frühlingserwachen - Gesang der Vögel - Die Quellen murmeln - Blitz und Donner - Die verstummten Vögel beginnen nach dem Gewitter erneut mit ihrem Gesang
2. Satz: Der schlafende Ziegenhirt (Solovioline) - Rauschen des Laubes und der Pflanzen (Violinen) - Der Hirtenhund bellt (Viola)
3. Satz: Nymphen und Hirten tanzen einen ländlichen Tanz zu den Klängen des Dudelsacks

Das den ganzen Satz durchziehende Eröffnungsthema des ersten Satzes dieses ersten Konzerts der Vier Jahreszeiten dürfte die wohl bekannteste Vivaldi-Melodie überhaupt sein! Abgesehen von der kurzen Gewitter-Episode ist der ganze Satz geprägt von Fröhlichkeit und einer idyllischen Szenerie mit murmelndem Bach und singenden Vögeln. Im Sommer-Konzert wird das Gewitter dann ungleich heftiger ausfallen! Sehr anschaulich auch die "Rollenverteilung" der Instrumente im langsamen zweiten Satz: Die Solovioline beschreibt den ruhig schlafenden Hirten, das sich unablässig im sanften Wind bewegende Laub wird von den ersten und zweiten Geigen des Begleitorchesters zu Gehör gebracht und dazu "bellt" in regelmäßigen Abständen der treue Hund des Hirten - eine Aufgabe für die Viola (Bratsche)! Für die Bass-Stimme ist in diesem Satz nichts zu tun. Im dritten Satz ahmt das Streicherensemble mit charakteristisch wiegendem Rhythmus und liegenden Basstönen der typische Klang des damals bei der Landbevölkerung (nicht nur in Schottland) weitverbreiteten Dudelsacks nach, zu dessen Klängen die Landleute tanzen.


Joseph Haydn (1732-1809)
Die Jahreszeiten
(Oratorium in vier Teilen, Uraufführung im Mai 1801)

1. Teil: Der Frühling

Haydn nimmt sich im ersten Teil seines letzten Oratoriums folgender Frühjahrsthemen an:

Der Übergang vom Winter zum Frühling - Tauwetter - Die Sonne gewinnt wieder an Kraft - Der Bauer pflügt und sät - Bitte um Regen und gutes Gedeihen der Saat - Die Jugend freut sich über die ringsum blühende, neu belebte Natur - Danklied

Auch bei Haydn herrscht durchweg die Freude über das neue Erwachen der Natur nach dem langen Winter. Lediglich zu Beginn wird noch kurz gewarnt, dass der Winter ja auch noch einmal zurückkehren könne für ein weiteres (wenn auch wohl nur noch kurzes) "Gastspiel". Berühmt ist die Stelle, wo Haydn den "fröhlichen Landmann" (nein, nicht den von Robert Schumann *grins*) bei der Feldarbeit beschreibt und für seine damals schon zahlreichen Fans mit einem Augenzwinkern das beliebte Thema aus seiner "Symphonie mit dem Paukenschlag" (aus dem 2. Satz) zitiert.


Astor Piazzolla (1921-1992)
Las Cuatro Estaciones Porteñas
("Die vier Jahreszeiten aus Buenos Aires")

Der Frühling "Primavera Porteño" ist - wie die anderen drei Sätze dieses Zyklus - ein Stück für Gitarre solo (das Werk gibt es aber auch in anderen Bearbeitungen, z. B. für Klavier) und basiert, wie die meisten Werke Piazzollas, aus Elementen des traditionellen argentinischen Tangos.


Alexander Glasunow (1865-1936)
Die Jahreszeiten, op. 67
(Ballett in vier Teilen, UA im Februar 1900)

2. Teil: Der Frühling
Tänzerisch und musikalisch geht es um folgende Themen:
Scene - Der sanfte Zephir erweckt Blumen und Vögel zum Leben - Tänze für die Rosen, den Frühling und die Vögel in einer sonnendurchfluteten ländlichen Szenerie

Mit Harfenklängen weht der Zephir-Wind herein und belebt die helle und bunte Szene.


Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847)
Das Jahr - 12 Charakterstücke für das Fortepiano
(komponiert 1841)

3. Satz: März - Agitato (mit dem Osterchoral "Christ ist erstanden")
4. Satz: April - Capriccioso
5. Satz: Mai - Frühlingslied

Fanny Hensel kombiniert ihren Monat März mit dem bekannten Osterchoral "Christ ist erstanden" und bringt damit das Osterfest als typisches Fest der Frühlingszeit als neuen Gedanken ins Spiel. Beim Anhören und Zusammenstellen verschiedener Frühlingsstücke ist mir aufgefallen, dass die ganze Osterthematik eher selten bis gar nicht in diesem Zusammenhang auftaucht. Klassische Musik zum Thema "Ostern" (übrigens auch ein schönes Thema, fällt mir gerade auf!) bleibt in der Regel eher auf den Bereich der geistlichen Musik beschränkt und wird von den Komponisten in Frühlingsmusiken weitgehend ignoriert.




Peter Tschaikowsky (1840-1893)
Die Jahreszeiten, op. 37b
(12 Klavierminiaturen, entstanden 1875-1876)

3. Satz: März - Lied der Lerche
4. Satz: April - Schneeglöckchen
5. Satz: Mai - Weiße Nächte

Auch Tschaikowsky beschäftigt sich erwartungsgemäß mit Frühlingsblumen und Vogelgesang. Das Mai-Thema "Weiße Nächte" überrascht etwas, da dieses Phänomen ja eigentlich eher zur "Mittsommernacht" Mitte Juni passen würde. Gut, auch im Mai sind die Tage schon herrlich lang und es ist abends lange hell, aber deswegen gleich schon von "Weißen Nächten" sprechen? Eventuell erklärt sich das Ganze durch den im 19. Jahrhundert in Russland noch vorherrschenden julianischen Kalender (erst im 20. Jahrhundert wechselte man auch dort zum in Westeuropa längst gebräuchlichen gregorianischen Kalender). Zur Zeit Tschaikowskys betrug die Differenz zwischen beiden Kalendersystemen bereits knapp 2 Wochen - während in Russland dem Kalender nach noch Ende Mai war, war in Westeuropa bereits Mitte Juni. So könnte das mit dem russischen "Weißen Nächten " im Mai dann doch noch hinkommen :-)


Joseph Joachim Raff (1822-1882)
Symphonie Nr. 8 A-Dur, op. 205 "Frühlingsklänge"
(komponiert 1876)

1. Satz: Frühlings Rückkehr - Allegro
2. Satz: In der Walpurgisnacht - Allegro
3. Satz: Mit dem ersten Blumenstrauß - Larghetto
4. Satz: Wanderlust - Vivace


Wieder einmal sind die vom Komponisten gewählten vier Satzüberschriften sehr aussagekräftig und umfassen verschiedene Aspekte des auch hier wieder mit freudiger Stimmung in Verbindung gebrachten Frühlings. Interessant ist die Aufnahme der Walpurgisnacht (30. April) in das Frühlingsprogramm.




Louis Spohr (1784-1859)
Symphonie Nr. 9 h-moll, op. 143 "Die Jahreszeiten"
(UA 1850)

2. Satz "Der Übergang zum Frühling" - Allegro maestoso
"Der Frühling" - Moderato

Wie in Glasunows Jahreszeiten-Ballett beginnt auch Spohr seine 9. Symphonie mit dem Winter, so dass der Frühling nun den 2 Satz bildet und in der kurzen Übergangs-Sequenz noch die Tempobezeichnung Allegro maestoso des Wintersatzes trägt, bevor sich das Tempo im eigentlichen 2. Satz dann etwas beruhigt.



Joaquín Rodrigo (1901-99)
Musica para un Jardín
(UA 1958)
3. Satz: Berceuse de primavera (Wiegenlied des Frühlings)

In Rodrigos "Musik für einen Garten", ein kleiner Zyklus, in dem ein Garten in den verschiedenen Jahreszeiten musikalisch beschrieben wird, sind Winter und Frühling in einem Satz zusammengefasst. Vom gartentechnisch nicht wirklich ereignisreichen Winter geht es übergangslos direkt zur "Introduccion a la berceuse de primavera" und dann zur eigentlichen "Berceuse de primavera" weiter…



Gregor Joseph Werner (1693-1766)
Musicalischer Instrumental-Calender
(veröffentlicht 1748)

Zum originellen Instrumental-Calender von Gregor Werner hatte ich bereits im Post vom 22.06.09 Klassik im Sommer ein paar erläuternde Worte geschrieben, daher möchte ich mich hier nicht wiederholen und stattdessen jetzt nur das "Programm" der drei Frühlingsmonate vorstellen:

3. Konzert: März ("Il Màrzo, in dem Mertzen")
1. Die Fasten
2. Die Sonne betritt den Widder
3. Menuett: Tag und Nacht gleich
4. Die Nachsinn- und Betrachtung
5. Der verworfene Tag

4. Konzert: April ("L' Aprile, im April")
1. Der Frühling
2. Der spielende Schäfer
3. Menuett: Die Tageslänge 13, die Nacht 11 Stund
4. Das veränderliche Aprilwetter
5. Das Frosch-Geschrei

5. Konzert: Mai ("Il Màggio, im May")
1. Der Gärtner
2. Menuett: Die Tageslänge 14, die Nacht 10 Stund
3. Die Nachtigall
4. Menuett: Die Tageslänge 15, die Nacht 9 Stund
5. Der Widerhall oder Echo


Auch für die Frühlingsmonate hat Werner wieder einige originelle Themen gefunden, die - mal mehr, mal weniger - zur Jahreszeit passen! Schön, dass hier auch mal ein Komponist sich des sprichwörtlichen Aprilwetters annimmt und den Satz-Titel "Das Frosch-Geschrei" finde ich auch zu schön :-)

2 Kommentare:

  1. Liebe Freunde klassischer Musik und alle die es für sich gerade entdecken,

    ich schreibe Ihnen diesen Beitrag da ich Ihnen über meine persönlichen Empfindungen die in mir ausgelöst werden wenn ich klassische Musik höre. Höchstwarscheinlich bin ich dabei nicht der einzigste dem es so geht. Vielen trauen sich aber nicht dies offen zu komunizieren.

    Gerade wenn ich Vivaldi - Spring Allegro (Der Frühling) höre steigt in mir ein Gefühl von Gelassenheit, Ruhe und die Muße der Inspiration zu laufenden Projekten ein. Es ist so friedvoll und die Töne symbolieren für mich ein Aufbruch in eine neue unbekannte und interessante Welt. In eine Welt in der ich völlig abtaue und neue Visionen und Strategien erarbeiten kann.
    So wie der Frühling der aus der Natur in der Tat ein Aufbruch neuer Pflanzen bedeutet und den Zyklus unserer Natur einruft ist Vivaldis Werk genau dies für mich.

    liebe grüße euer Sven

    Ps: Ich würde mich freuen auch von anderen so ehrliche Empfindungen zu hören und was die Musik in Euch bewegt.

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  2. Lieber Klassik-Freund,
    als Dirigent der SingAkademie Niedersachsen bin ich auch für unser jährliches Programm "Symphonische Walpurgisnacht" verantwortlich. Und beim Rechererchieren zum Thema "Frühling" stiesß ich erst jetzt auf ihren wunderbaren Blog zum Thema "Frühling". Für das Programm 2016 ist es leider zu spät aber für 2017 werde ich mich näher mit Raffs "Frühlings-Sinfonie" befassen. Vielen Dank für den Hinweis. Ich hatte vorher keine Ahnung von diesem Werk. Auch alles andere, was Sie zusammentragen, ist wissenswert. Beste Grüße aus dem Vorharzland. Claus-Ulrich Heinke

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