Mittwoch, 23. Dezember 2009

Fröhliche Weihnachten!

Allen Klassikfreunden an dieser Stelle die besten Wünsche für ein paar schöne und hoffentlich auch musikalisch ergiebige Weihnachtstage!
Gerade zur Weihnachtszeit ist das entsprechende musikalische Angebot ja fast unüberschaubar - trotzdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle daran zu erinnern, dass in diesem Jahr DAS klassische Weihnachtsmusikstück schlechthin so etwas wie einen runden Geburtstag feiert:

Vor genau 275 Jahren (genauer am 25.12.1734) erlebte Johann Sebastian Bachs geniales Weihnachtsoratorium - sorgfältig über die verschiedenen Feiertage der Weihnachtszeit verteilt - seine erste Aufführung in Leipzig!
Die erste Kantate (die mit dem berühmten Eingangschor "Jauchzet, frohlocket!") wurde im Weihnachtsgottesdienst am 25.12.1734 uraufgeführt, die sechste und letzte Kantate des Oratoriums dann schließlich am Dreikönigstag, dem 6. Januar 1735.
Wenn das kein Grund ist, um in diesem Jahr wieder mal ganz besonders hingebungsvoll diesem schönsten aller Weihnachtsoratorien zu lauschen :-)

Wie ich heute gelesen habe, hat der Leipziger Thomanerchor (also das Ensemble, mit dem Bach die Uraufführung bestritten hat) sich anlässlich dieses Jubiläums vorgenommen, das "WO" genau in der von Bach einst vorgesehenen Reihenfolge über die Weihnachtstage verteilt aufzuführen (es wirken aber auch noch andere Ensembles an der Aufführungsreihe mit). Auch die Orte der einstigen Uraufführung werden berücksichtigt: Alle Konzerte finden in der Leipziger Thomas- bzw. Nikolaikirche statt. Besonders löblich: Der Eintritt zu allen Konzerten ist frei - genau wie zu Bachs Zeiten, wo die Kantaten natürlich im Rahmen der jeweiligen Gottesdienste stattfanden!
Kantate 1: 25.12.09 (1. Weihnachtstag)
Kantate 2: 26.12.09 (2. Weihnachtstag)
Kantate 3: 27.12.09 (3. Weihnachtstag)
Kantate 4: 01.01.10 (Neujahrstag, Fest der Beschneidung Christi)
Kantate 5: 03.01.10 (Sonntag nach Neujahr)
Kantate 6: 06.01.10 (Epiphaniastag)

In diesem Sinne: Musikalische Weihnachtsgrüße und ein besonders herzliches "Jauchzet, frohlocket!" von dieser Stelle aus!

Montag, 21. Dezember 2009

Klassische Musik im Winter

Das Wetter da draußen passt zur Abwechslung mal 100%-ig zum heutigen Winteranfang: Habe im Großraum Köln-Düsseldorf selten um diese Zeit sooo viel Schnee und Eiseskälte mitbekommen, wie wir es aktuell gerade erleben - sehr beeindruckend!

Und da die Landschaft da draußen heute ideal zum Thema passt, eröffne ich hiermit jetzt auch die musikalische Wintersaison!
Da der Winter ja über die Weihnachtszeit hinausgeht (leider - wär doch eigentlich schön, wenn wir so ab Mitte Januar dann schon Frühling hätten...) und man die hier vorgestellte Winter-Klassik auch noch im Februar gerne hören soll, ohne dabei gleich ans Christkind denken zu müssen, versuche ich hier eine möglichst strikte Trennung zwischen Weihnachtsmusik (die ja auch oft einen Winterbezug hat, ich erinnere beispielsweise mal an das Lied "Leise rieselt der Schnee"!) und solcher Musik, die von ihren Komponisten wirklich nur auf den Winter als Jahreszeit bezogen ist.

Diese Trennung ist jedoch nicht ganz so einfach, da das Thema "Winter" an sich musikalisch weitaus weniger ergiebig ist, als es z. B. Herbst oder Frühling sind. Draußen tut sich nicht gerade viel, was man musikalisch schildern könnte - von Schneegestöber oder gar -stürmen mal abgesehen, aber das ist ja nun auch nicht gerade abendfüllend.

Viele Komponisten sind dann, wenn sie denn überhaupt etwas "Winterliches" komponiert haben, auf Aktivitäten ausgewichen, die man um diese Jahreszeit draußen so machen kann: Allen voran natürlich Dinge wie Schlittschuhlaufen oder Schlittenfahren, wobei hier eigentlich fast immer Fahrten mit den großen, pferdebespannten, kutschenartigen Schlitten gemeint sind, nicht zuletzt der musikalisch ergiebigen Schlittenglöckchen wegen :-)
Daher habe ich mich auch entschieden, das Thema "Schlittenfahrt" auf jeden Fall mit in den Winter zu packen, obwohl viele mit derartigen Stücken ja auch die Weihnachtszeit verbinden - meist auch wieder des Glöckchenklangs wegen. Als Beispiele seien nur die zwei Klassiker "Jingle bells" und der "Sleighride" von Leroy Anderson genannt, die in keinem Weihnachtsmusikprogramm fehlen dürfen, obwohl in den Texten der Lieder kein einziges Mal das Wort "Weihnachten", bzw. "Christmas" vorkommt! Es geht in beiden Fällen wirklich ausschließlich um die Beschreibung einer fröhlichen Schlittenpartie im Freundeskreis.

Einige Überschneidungen zur im Moment eh allgegenwärtigen Weihnachtsthematik sind also fast schon vorprogrammiert, machen die Sache dadurch aber auch spannend.

Jetzt aber zu den Entdeckungen, die ich gemacht habe - los geht es wieder mit den Zyklen, die auch die anderen Jahreszeiten (siehe dort) schon eingeleitet haben:

Antonio Vivaldi (1678-1741)
12 Violinkonzerte "Il cimento dell'armonia e dell'inventione" op. 8 ("Der Gipfel von Harmonie und Erfindung"); entstanden ca. 1700-1725

Darin als Konzert Nr. 4 "L'inverno" ("Der Winter") in f-moll
Natürlich gibt es auch für das Winterkonzert ein erläuterndes (und vermutlich vom Komponisten sogar selbst verfasstes) Sonett, in dem er wieder das "Programm" für die drei Sätze des Konzerts vorstellt.

Die Themen der drei Sätze sind:
1. Satz: Erstarrendes Schauern im eisigen Schnee - Entsetzlicher Sturm - Laufen und Trampeln mit den Füßen vor Kälte - Winde - Zähneklappern
2. Satz: Drinnen am warmen Ofen, draußen fällt der Regen hernieder
3. Satz: Gehen auf dem Eise - Vorsichtiges und ängstliches Gehen - Hinfallen - Forsches Voranschreiten - Brechendes Eis mahnt zur Vorsicht - Der Scirocco - Der Nordwind (Borea) und alle anderen Winde

Von allen vier Vivaldi-Jahreszeiten mag ich den Winter am liebsten:
Allein schon der bizarre Beginn des ersten Satzes mit den andauernden Tonrepetitionen (soll wohl das Zittern in eisiger Kälte illustrieren) könnte fast schon aus dem 20. Jahrhundert stammen! Die aufgestaute Spannung entlädt sich dann in dem Losbrechen des Wintersturms mit einem Motiv, das ziemlich bekannt geworden ist. Der zweite Satz ist einer der populärsten langsamen Sätze von Vivaldi überhaupt - ein weitgespannter gesanglicher Melodiebogen, der die Behaglichkeit in der warmen Stube sehr schön rüberbringt, während die gezupften Streicher die draußen gegen die Fensterscheiben klopfenden Regentropfen symbolisieren. Während fast alle anderen Sätze der Vier Jahreszeiten eher episodenhaften Charakter haben und sich hier ständig viele ganz unterschiedliche Bilder miteinander abwechseln, ist ein einheitlich durchgestalteter Satz wie dieser (sprich: es wird im ganzen Satz nur eine Szene musikalisch beschrieben) innerhalb dieses Zyklus' eher die Ausnahme - und in diesem Fall eine ganz besonders gelungene!
Im dritten Satz schildert Vivaldi wiederum sehr plastisch die schwierige und mitunter gefährliche Fortbewegung in der Kälte draußen - diesmal auf dem Eis, das auch schon mal zu brechen droht. Zum Abschluss ziehen noch einmal alle Winde auf und sorgen im besten Sinne für einen "stürmischen" Ausklang des Konzerts.


Joseph Haydn (1732-1809)
Die Jahreszeiten
(Oratorium in vier Teilen, Uraufführung im Mai 1801)

4. Teil: Der Winter

Der letzte Teil von Haydns Oratorium befasst sich mit folgenden Themen:

Dichte Nebel - Erstarrende Natur - Dunkelheit - Eis und Schnee - Verirrter Wanderer im Schnee - Die Dorfbewohner beisammen in geselliger Runde in der warmen Stube beim Flachsspinnen und Korbflechten - Spinnerlied - Lied "Das Märchen" - Eisiger Ostwind: Sieg des Winters - Vergleich: Menschenleben und Jahreszeiten, Verheißung des ewigen Lebens

Gerade bei Haydns Oratorium fällt auf, dass dem Textdichter Gottfried van Swieten (1733-1803) zum Thema Winter nicht so viel eingefallen ist wie zu den anderen zuvor von ihm geschilderten Jahreszeiten. Nach der Beschreibung der in Eis und Schnee erstarrten Natur wird ausführlich die gesellige Runde der im Warmen versammelten Dorfbewohner geschildert. Gleich zwei Lieder werden während dieser Szene vorgetragen, um den Winter auf ungefähr dieselbe Länge wie die anderen drei Jahreszeiten zu strecken. Diese Liedvorträge werden zuvor auch als solche angekündigt - das kommt so im ganzen Oratorium "Die Jahreszeiten" auch nur an dieser Stelle vor. Die beiden Schlussnummern des Oratoriums lenken dann auch den Blick von der reinen Jahreszeitenbetrachtung auf den naheliegenden Vergleich Jahreslauf - Menschenleben:
Erblicke hier, betörter Mensch,
erblicke deines Lebens Bild!
Verblühet ist dein kurzer Lenz,
erschöpfet deines Sommers Kraft.
Schon welkt dein Herbst dem Alter zu,
schon naht der bleiche Winter sich
und zeiget dir das offne Grab.

Mit der hymnisch vorgetragenen Hoffnung auf das noch zu erringende ewige Leben im Paradies schließt das Oratorium dann auch wirkungsvoll (und gar nicht mehr winterlich!)


Astor Piazzolla (1921-1992)
Las Cuatro Estaciones Porteñas
("Die vier Jahreszeiten aus Buenos Aires")

Der Winter-Satz "Invierno Porteño" (Winter in Buenos Aires) ist - wie die anderen drei Sätze dieses Zyklus - ein Stück für Gitarre solo (das Werk gibt es aber auch in anderen Bearbeitungen, z. B. für Klavier) und basiert, wie die meisten Werke Piazzollas, aus Elementen des traditionellen argentinischen Tangos.


Alexander Glasunow (1865-1936)
Die Jahreszeiten, op. 67
(Ballett in vier Teilen, UA im Februar 1900)

1. Teil: Der Winter
Tänzerisch und musikalisch geht es um folgende Themen:
Introduktion - Frost (Polonaise) - Eis (Tanz) - Hagel (Scherzo) - Schnee (Walzer) - Zwei Gnomen entzünden ein Feuer, um die eisigen Temperaturen des Winters zu verbannen.

Glasunows vierteiliges Ballett beginnt mit dem Winter - nach einer Einleitung werden die Personifikationen der vier "klassischen" Winterwetter-Erscheinungen mit jeweils einem eigenen Tanz vorgestellt. Nachdem zuletzt die herumwirbelnden Schneeflocken einen Walzer dargeboten haben, beginnt mit der Entzündung eines Feuers, das helfen soll, die Winterkälte zu vertreiben, quasi schon die Überleitung zum folgenden Frühling.


Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847)
Das Jahr - 12 Charakterstücke für das Fortepiano
(komponiert 1841)

12. Satz: Dezember - Allegro molto
13. Satz: Nachspiel - Choral ("Das alte Jahr vergangen ist")
1. Satz: Januar - Ein Traum (Adagio quasi una Fantasia - attacca:)
2. Satz: Februar - Scherzo


Peter Tschaikowsky (1840-1893)
Die Jahreszeiten, op. 37b
(12 Klavierminiaturen, entstanden 1875-1876)

12. Satz: Dezember - Weihnachten
1. Satz: Januar - Am Kamin
2. Satz: Februar - Karneval

Erneut bleibt Fanny Hensel in ihrer musikalischen Monatsbeschreibung weniger konkret als Tschaikowsky. Sie schildert erneut Empfindungen, die im Monat Januar auch mal als "Traum" betitelt werden und übergangslos ("attacca") in den ausgelassenen Februar übergehen, dessen Scherzo sich sicherlich auf den Karneval bezieht. Interessanterweise klingt ihr Klavierzyklus nicht mit dem 12. Satz "Dezember" aus. Die Komponistin hat noch einen 13. Satz, "Nachspiel" betitelt, hinzugefügt: Sinnigerweise zitiert sie darin den Choral "Das alte Jahr vergangen ist".
Die Themen, die sich Tschaikowsky für die drei Wintermonate als Überschriften gewählt hat, überraschen nicht wirklich - den 12. und letzten Satz seines Zyklus' lässt er als schwungvollen Walzer daherkommen: "Weihnachten" als Zeit fröhlicher Feiern, "Am Kamin" geht es im Januar eher besinnlich und behaglich zu, während es zum "Karneval" im Februar ausgelassen zugeht.


Joseph Joachim Raff (1822-1882)
Symphonie Nr. 11 a-moll, op. 214 "Der Winter"
(komponiert 1876/ 77)

1. Satz: Der erste Schnee - Allegro
2. Satz: Allegretto
3. Satz: Am Kamin - Larghetto
4. Satz: Karneval - Allegro



Louis Spohr (1784-1859)
Symphonie Nr. 9 h-moll, op. 143 "Die Jahreszeiten"
(UA 1850)

1. Satz "Der Winter" (Allegro maestoso)

Wie Glasunows Jahreszeiten-Ballett fängt auch Spohrs 9. Symphonie mit dem Winter an, ein irgendwie streng und unnachgiebig wirkendes Motiv zu Beginn dieses ersten Satzes soll wohl die unwirtliche Jahreszeit symbolisieren. Ansonsten höre ich aus dem restlichen Satz nicht wirklich Winterliches heraus - aber das bleibt ja jedem Hörer selber überlassen…

Joaquín Rodrigo (1901-99)
Musica para un Jardín
(UA 1958)
3. Satz: Berceuse de invierno (Wiegenlied des Winters)

In Rodrigos "Musik für einen Garten", ein kleiner Zyklus, in dem ein Garten in den verschiedenen Jahreszeiten musikalisch beschrieben wird, wird der Winter, der ja gartentechnisch nicht wirklich ereignisreich ist, relativ kurz abgehandelt - übergangslos folgt diesem kleinen Satz direkt die "Introduccion a la berceuse de primavera", also die "Einleitung zum Wiegenlied des Frühlings"…


Gregor Joseph Werner (1693-1766)
Musicalischer Instrumental-Calender
(veröffentlicht 1748)

Zum originellen Instrumental-Calender von Gregor Werner hatte ich bereits im Post vom 22.06.09 Klassik im Sommer ein paar erläuternde Worte geschrieben, daher möchte ich mich hier nicht wiederholen und stattdessen jetzt nur das "Programm" der drei Wintermonate vorstellen:

12. Konzert: Dezember ("Il Decèmbre, im Christmonat")
1. Der Winter
2. Die Sonne im Steinbock
3. Menuett: Die Tageslänge 8, die Nacht 16 Stund
4. Der Schlaf oder ein Nachtstück
5. Das Jahresende

1. Konzert: Januar ("Il Gennàro, oder im Jenner")
1. Neujahrsanfang, zeiget an die kalt und frostige Zeit
2. Gute Hoffnung eines glückseligen Jahres
3. Menuett: Die Tageslänge 9, die Nacht 15 Stund
4. Der aberwitzige Bauer

2. Konzert: Februar ("Il Febbràro, im Hornung")
1. Die Fastnacht
2. Menuett: Die Tageslänge 10, die Nacht 14 Stund
3. Die Hochzeit des Hanswurst
4. Menuett: Die Tageslänge 11, die Nacht 13 Stund
5. Masquerade

Mittwoch, 25. November 2009

Herbst-Klassik (Teil 3)

Spätherbst...
Draußen ist es irgendwie nur noch dunkel, kalt, nass, grau, scheußlich - somit also die ideale Jahreszeit, um es sich drinnen bequem zu machen und klassische Musik, die zum Herbst passt anzuhören :-)

Hier ein paar Stücke für Klavier solo und einige Lieder (diese auch mit Klavierbegleitung), die fast ausnahmslos die etwas melancholischere Seite des Herbstes betonen - gerade bei den vertonten Gedichten (u. a. von Eichendorff)

Franz Schubert (1797-1828)
An den Mond in einer Herbstnacht (D 614) (1818)
Der Herbstabend (D 405) (1816)
Die Herbstnacht (D 404) (1816)
Herbstlied (D 502) (1816)
Herbst (D 945) (1828)

Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847)
Im Herbste; Vorwurf; Nach Süden (aus den Fünf Liedern op. 10, 1846)
Im Herbst (aus den Eichendorff-Liedern)

Johannes Brahms (1833-1897)
Herbstgefühl op. 48 Nr. 7 (1868)
Spätherbst op. 92 Nr. 2 (veröffentlicht 1884)
Im Herbst op. 104 Nr. 5 (1886)

Robert Schumann (1810-56)
Album für die Jugend, op. 68 (1848), darin
- Weinlesezeit - Fröhliche Zeit
Im Herbste WoO 10 Nr. 3 (1827-28)
Herbstlied op. 43 Nr. 2 (1840)
Zürne nicht des Herbstes Wind op. 65 Nr. 5 (1847)
Herbstlied op. 89 Nr. 3 (1850)
Abschied vom Walde op. 89 Nr. 4 (1850)

Edward MacDowell (1860-1908)
Woodland Sketches op. 51 (1896)
Nr. 4: In Autumn

New England Idyls op. 62 (1902)
Nr. 10: The Joy of Autumn

Edvard Grieg (1843-1907)
Herbststurm op. 18 Nr. 4 (1865)

Darius Milhaud (1892-1974)
L'automne op. 115 (1932) 3 Klavierstücke

Claude Debussy
Feuilles mortes ("Welke Blätter") aus dem 2. Buch der "Préludes" (1913)

Cécile Chaminade (1857-1944)
Automne Salonstück für Klavier

Freitag, 23. Oktober 2009

Herbst-Klassik (Teil 2)

So - jetzt zu den herbstlichen Einzelstücken...

Edward MacDowell (1860-1908)
Suite No. 1, op. 42 (1893)
3. Satz: In October

Ein Amerikaner, der seine musikalische Ausbildung größtenteils in Frankreich und Deutschland absolvierte. Dies war für amerikanische Komponisten zur damaligen Zeit absolut üblich, da es in den USA noch keine adäquaten Konservatorien gab.

Frederick Delius (1862-1934)
North Country Sketches (1913-14)
1. Satz: Autumn


Sergei Prokofjew (1891-1953)
Esquisse automnale op. 8 ("Herbstliche Skizze") (1910)


Edvard Grieg (1843-1907)
Im Herbst op. 11 Konzertouvertüre für großes Orchester (1865/ 66)

Trevor Duncan (geb. 1924)
Wine Festival (1964)

Arnold Bax (1883-1953)
Red Autumn (1912)

November Woods (1917)

Percy Aldridge Grainger (1882-1961)
Harvest Hymn ("Erntelied")

Darius Milhaud (1892-1974)
Concertino d'automne op. 309 (1950/51) für 2 Klaviere und 8 Instrumente

Jean Sibelius (1865-1957)
"Die Erntearbeiter" (aus der Schauspielmusik zu Shakespeares "Der Sturm", Suite Nr. 1 op. 109 Nr. 2)

Gerald Finzi (1901-56)
The fall of the leaf (Elegy) (UA 1957)

Dienstag, 22. September 2009

Herbst-Klassik

Pünktlich zum heutigen Herbstanfang möchte ich die thematische Reihe, die ich mit der "Sommer-Klassik" begonnen habe, mit zur Jahreszeit passenden Kompositionen fortsetzen.

Bei der Suche nach herbstlich-klassischer Musik ist mir aufgefallen, dass sich diese Jahreszeit offensichtlich ganz besonders gut zu Vertonungen aller Art eignet: Passende und sinnfällige Themen, die viele spontan mit dem Herbst verbinden, sind schneller gefunden als zu jeder anderen Jahreszeit - jedenfalls ist dies mein persönlicher Eindruck: Derart bildlich-konkrete und dazu auch noch musikalisch dankbare Themen bietet anscheinend nur der Herbst!

Fast ohne Ausnahme dreht sich in den von mir gefunden Herbst-Klassik-Stücken alles um folgende drei Themenkreise:

1. Freude und Dankbarkeit über eine reiche Ernte (bevorzugt auch die Weinlese!) - oft in Form von Ernte- bzw. Weinfesten, auf denen es dann gerne auch sehr ausgelassen zugehen darf, bis hin zu orgienartigen Saufgelagen (die dann poetisch "Bacchanal" genannt werden)… *grins*

2. Jagdszenen, natürlich mit den sich musikalisch gesehen geradezu aufdrängenden Hörnerklängen und typischen Jagdsignalen

3. Melancholische Stimmungsbilder, in denen herbstlich-trübe Szenerien, das allmähliche Absterben und Sich-Zurückziehen der Natur und die immer kürzer und dunkler werdenden Tage beschrieben werden - gerne auch genutzt, um die sich anbietende Parallele mit dem Verlauf des menschlichen Lebens zu thematisieren

Oft kommt es vor, dass Komponisten gleich mehrere dieser Themen in ihren Werken zum Thema "Herbst" kombinieren - schließlich sind das alles ja recht wirkungsvolle Kontraste, die wahrlich keine Langeweile aufkommen lassen und potentiellen Hörern Abwechslung versprechen.

Diese fast ausschließliche Konzentration auf diese drei Themenbereiche fand ich schon sehr interessant - bei der Suche nach Musikstücken zum Thema "Sommer" war mir das in dieser Form so nicht aufgefallen, da schien mir die Bandbreite deutlich größer zu sein. Allein die vielen Komponisten aus der Zeit um 1900, eine Epoche also, die man mit "musikalischem Impressionismus" oder auch "Spätromantik" charakterisieren könnte, die sich teilweise recht ausgiebig mit dem Sommer beschäftigt haben, haben doch recht unterschiedliche Assoziationen zur heißesten Jahreszeit in Musik gesetzt - das war weit mehr als nur "Hitze" und "Gewitterstürme".

Ich empfinde es aber nicht unbedingt als Nachteil, dass sich im Herbst viel einheitlichere Themenbereiche bei den Komponisten feststellen lassen - gerade das macht den Vergleich der verschiedenen Stücke doch besonders interessant!

Ach ja: Stücke, die sich ausschließlich mit dem Thema "Jagd" beschäftigen, habe ich hier mal bewusst außen vor gelassen: Dem Thema "Jagd in der klassischen Musik" möchte ich bei Gelegenheit mal ein eigenes Thema widmen!

So - und jetzt geht es konsequenterweise erstmal wieder los mit den "Herbstabteilungen" der im Sommer-Posting vom 22.06.2009 schon vorgestellten Jahreszeiten-Zyklen:

Antonio Vivaldi (1678-1741)
12 Violinkonzerte "Il cimento dell'armonia e dell'inventione" op. 8 ("Der Gipfel von Harmonie und Erfindung"); entstanden ca. 1700-1725

Darin als Konzert Nr. 3 "L'autunno" ("Der Herbst") in F-Dur
Auch dem Herbstkonzert hat Vivaldi ein erläuterndes (und vermutlich sogar selbst verfasstes) Sonett vorangestellt, in dem er wieder ein erklärendes Programm für die drei Sätze des Konzerts vorstellt.

Die Themen der drei Sätze sind:
1. Satz: Tanz und Gesang der Landleute - Der Betrunkene - Der schlafende Zecher
2. Satz: Die schlafenden Zecher
3. Satz: Die Jagd - Das fliehende Wild - Flinten und Hunde - Das fliehende Tier verendet

In Vivaldis Herbst wird auffallend viel gefeiert und getrunken und dann entsprechend auch der Rausch ausgeschlafen - offenbar war die Ernte eine besonders gute…
Im 3. Satz dann die für Herbstmusiken fast obligatorische Jagdszenen - und das ganz ohne Hörnerklang (wir sind immer noch in einem Violinkonzert!). Vivaldi verwendet aber einen charakteristischen 3/8-Takt, der in Jagdmusiken häufig eingesetzt wird, da die klassischen Jagdhornsignale auch in einem solchen Rhythmus erklingen. Irgendwie vermisst man den typischen Hörnersound dann auch nicht wirklich - das hat Vivaldi klasse hingekriegt. Leider nicht in allen Aufnahmen dieses Konzerts kann man an der Stelle, wo die Flinten abgefeuert werden, erleben, wie (vor allem wohl) die Cellisten ihre Bögen auf die Saiten schnellen lassen und damit einen wirkungsvollen Knalleffekt erzielen, der perfekt zur Jagd-Szenerie passt! Wie gesagt, das machen leider nicht alle Orchester so - in der Partitur steht es meines Wissens auch nicht drin, aber gerade Barockmusik ist ja immer für eine fantasievolle Improvisation und Ausschmückung gut…
Da der 3. Satz denn auch einen durchweg heiteren Charakter (in Rondoform) hat, bleibt die Beschreibung des verendenden Wildes nur eine ganz kurze, etwas bedauernd-mitfühlend klingende Episode bevor der Satz schwungvoll zu Ende geht.


Joseph Haydn (1732-1809)
Die Jahreszeiten
(Oratorium in vier Teilen, Uraufführung im Mai 1801)

3. Teil: Der Herbst

Haydns Herbst befasst sich mit folgenden Themen:

Freude der Landleute über reiche Ernte - Lob des Fleißes - Nuss- und Obsternte - Jagdszenen - Traubenlese - Weinfest

Auch Haydn lässt kein klassisches Herbstthema aus: Nach einer als reichhaltig beschriebenen Ernte klopfen sich die Landleute quasi selber auf die Schulter, indem betont wird, wie wichtig der Fleiß ist, ohne den die mühevolle Landarbeit, die schließlich zur üppigen Ernte führt, nicht möglich ist. Haydn fand es etwas bizarr, ein Loblied auf den Fleiß zu schreiben - das Ganze fand er wohl etwas abstrakt und entledigte sich dieser Aufgabe dann auch eher routiniert als inspiriert. *grins*
Nach einer - wie bei Vivaldi - fröhlich-ausgelassenen Jagdbeschreibung, bei der sich das Bedauern über die getötete Beute ebenfalls ziemlich in Grenzen hält, endet der Herbst mit einem ausgedehnten Trink- und Freudenchor, der - zumindest für Haydns Verhältnisse als ansonsten stets geschmackvoll die Form wahrender Komponist - in einer ziemlich ausgelassenen, ja fast schon zügellosen Schluss-Sequenz endet! Mitreißend!


Astor Piazzolla (1921-1992)
Las Cuatro Estaciones Porteñas
("Die vier Jahreszeiten aus Buenos Aires")

Auch der Herbst-Satz "Otoño Porteño" (Herbst in Buenos Aires) ist - wie die anderen drei Sätze dieses Zyklus - ein Stück für Gitarre solo (das Werk gibt es aber auch in anderen Bearbeitungen, z. B. für Klavier) und basiert, wie die meisten Werke Piazzollas, aus Elementen des traditionellen argentinischen Tangos.


Alexander Glasunow (1865-1936)
Die Jahreszeiten, op. 67
(Ballett in vier Teilen, UA im Februar 1900)

4. Teil: Der Herbst
Tänzerisch und musikalisch geht es um folgende Themen:
Bacchanale - Auftritt der anderen Jahreszeiten - Fallende, herumwirbelnde Blätter - Apotheose: Sternenhimmel

Da Glasunows vierteiliges Ballett mit dem Winter beginnt, bildet der Herbst das Finale des Ganzen. So treten nach einer einleitenden Trink- und Gelageszene denn auch neben dem Herbst die personifizierten übrigen Jahreszeiten auf und das Ballett endet mit einem (getanzten) Blick auf die Erde, umgeben von sie umkreisenden Sternen - sehr poetisch!


Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847)
Das Jahr - 12 Charakterstücke für das Fortepiano
(komponiert 1841)

9. Satz: September - Am Flusse
10. Satz: Oktober - Allegro con spirituoso
11. Satz: November - Mesto (= betrübt, traurig)


Peter Tschaikowsky (1840-1893)
Die Jahreszeiten, op. 37b
(12 Klavierminiaturen, entstanden 1875-1876)

9. Satz: September - Die Jagd
10. Satz: Oktober - Herbstlied
11. Satz: November - Troika

Fanny Hensel bleibt in ihrer musikalischen Monatsbeschreibung weniger konkret als Tschaikowsky. Sie schildert vorrangig Empfindungen, die keine präziseren Betitelungen nötig haben. Die Herbstmonate von Tschaikowsky hingegen befassen sich eher mit klassischen Herbstthemen, wobei im November bereits die Fahrt mit einer typisch russischen Troika, einem dreispännigen Schlitten, beschrieben wird - in Russland kommt der Winter eben doch schon früher als anderswo…


Joseph Joachim Raff (1822-1882)
Symphonie Nr. 10 f-moll, op. 213 "Zur Herbstzeit"
(entstanden 1879, UA im November 1880)

1. Satz: Eindrücke und Empfindungen - Allegro moderato
2. Satz: Gespenster-Reigen - Allegro
3. Satz: Elegie - Adagio
4. Satz: Die Jagd der Menschen: Auszug, Rast, Jagd, Halali, Rückkehr - Allegro

Auch Raffs Herbst-Symphonie endet mit einer wirkungsvollen Jagdbeschreibung - offenbar wollten sich nur wenige Komponisten diese Gelegenheit für ein schwungvoll-fröhliches Finale entgehen lassen. Interessant finde ich, dass Raff zur Abwechslung auch einmal eine etwas schwermütigere Stimmung aufkommen lässt (die "Elegie" im 3. Satz) - eventuell schildert er hier Eindrücke eines trüben und neblig-düsteren Novembertags? Und auf die Zeit der Geister und Gespenster rund um Halloween (31. Oktober) nimmt Raff im 2. Satz Bezug - zumindest würde das ja ganz gut zusammenpassen.

Statt den vier Jahreszeiten gleich vier ganze Symphonien zu widmen, wie Joseph Joachim Raff es getan hat, hat Louis Spohr die vier Sätze der klassischen Symphonie zu einer damit etwas kompakteren Jahreszeiten-Revue genutzt. Wie bei Glasunow endet auch bei ihm mit dem Herbst das Musikstück, in diesem Fall also die Symphonie.


Louis Spohr (1784-1859)
Symphonie Nr. 9 h-moll, op. 143 "Die Jahreszeiten"
(UA 1850)

4. Satz "Einleitung zum Herbst - Der Herbst" (Allegro vivace)

Wie Glasunows Jahreszeiten-Ballett fängt auch Spohrs 9. Symphonie mit dem Winter an, so dass der Herbst als vierter und letzter Satz lebhaft und optimistisch die Jahreszeiten-Symphonie abschließt. Alles in allem scheint der Herbst für die meisten Komponisten doch eher eine fröhliche Jahreszeit gewesen zu sein - keine Spur von November-Depressionen *grins*


Joaquín Rodrigo (1901-99)
Musica para un Jardín
(UA 1958)
1. Satz: Preludio
2. Satz: Berceuse de otoño (Wiegenlied des Herbstes)

Rodrigos "Musik für einen Garten", ein kleiner Zyklus, in dem ein Garten in den verschiedenen Jahreszeiten musikalisch beschrieben wird, beginnt nach einem "Preludio" interessanterweise mit dem Herbst. Komisch, wie jeder Komponist eine andere Jahreszeit zum Einstieg in "seine" 4 Jahreszeiten wählt. Der am meisten bevorzugte "Klassiker" bleibt aber dennoch der Frühling als erste Jahreszeit.


Gregor Joseph Werner (1693-1766)
Musicalischer Instrumental-Calender
(veröffentlicht 1748)

Zum originellen Instrumental-Calender von Gregor Werner hatte ich bereits im Post vom 22.06.09 Klassik im Sommer ein paar erläuternde Worte geschrieben, daher möchte ich mich hier nicht wiederholen und stattdessen jetzt nur das "Programm" der drei Herbstmonate vorstellen (wobei der November interessanterweise bereits den Beinamen "Wintermonat" trägt!):

9. Konzert: September ("Il Settèmbre, im Herbstmonat")
1. Die erfreuliche Studenten-Vacanz
2. Ein Hirtenstück
3. Menuett: Tag und Nacht gleich
4. Der angenehme Herbst
5. Die Sonne in der Waage

10. Konzert: Oktober ("L' Ottòbre, im Weinmonat")
1. Es lebe Ihro Majestät der Kaiser Franciscus
2. Der Fassbinder
3. Menuett: Die Tageslänge 11, die Nacht 13 Stund
4. Die Jagd
5. Es lebe Ihro Majestät die Kaiserin Theresia

11. Konzert: November ("Il Novèmbre, im Wintermonat")
1. Der melancholische Student
2. Menuett: Die Tageslänge 10, die Nacht 14 Stund
3. Ein Sturmwetter auf der See
4. Menuett: Die Tageslänge 9, die Nacht 15 Stund
5. Die Mahlmühle

Mittwoch, 2. September 2009

Klassik im Sommer (4. Teil)


Jetzt sind wir auch schon wieder im Spätsommer (oder Altweibersommer) angekommen!

Eine gute Gelegenheit, zum Abschluss dieser Sommer-Klassik-Reihe noch ein paar Stücke vorzustellen, die nicht unbedingt von jedermann mit dieser Jahreszeit in Verbindung gebracht werden dürften, für mich aber schon irgendwie in den Sommer gehören - es geht halt nichts über persönliche Stimmungen und die beim Musikhören entstehenden dazu passenden Bilder...!

Joseph Haydn (1732-1809)
Sinfonie Nr. 6 D-Dur "Le matin"
Sinfonie Nr. 7 C-Dur "Le midi"
Sinfonie Nr. 8 G-Dur "Le matin"

Diese drei Sinfonien (alle entstanden 1761) gehören zu Haydns frühesten Orchesterwerken, denen ja in den folgenden Jahrzehnten noch ca. einhundert (!) weitere Sinfonien folgen sollten, die maßgeblich zu Haydns Weltruhm beitrugen.


Diese drei abwechslungsreichen, jeweils vier- bzw. fünfsätzigen Sinfonien zeigen den jungen Komponisten bereits von seiner einfallsreichsten Seite: Zusammengenommen beschreibt er in diesem kleinen Sinfonien-Zyklus einen Tagesablauf vom Morgen bis zum Abend.

Der Beginn der 6. Sinfonie, in dem Haydn den Sonnenaufgang zu Tagesbeginn musikalisch beschreibt, stellt damit direkt ein Motiv vor, das den Komponisten offensichtlich zeitlebens sehr beeindruckt zu haben scheint. Noch 40 Jahre (!) später komponiert Haydn in seinen großen Oratorien "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten" hymnisch-majestätische Sonnenaufgangs-Szenen (siehe hierzu auch "Die Jahreszeiten - Der Sommer" in meinem Post "Klassik im Sommer" vom 22.06.2009!).

Der vierte und letzte Satz der "Abend-Sinfonie" Nr. 8 endet mit einer "Tempesta", einem Gewitter also, auch dies ein bei vielen Komponisten beliebtes Naturschauspiel.
Was das Ganze mit dem Sommer zu tun hat?

Nun, Haydn hat seine "Tageszeiten"-Sinfonien sicher nicht unbedingt einer bestimmten Jahreszeit zugeordnet, für mich persönlich passt die musikalische Tagesschilderung jedenfalls ganz eindeutig zur heißesten Zeit des Jahres - allein schon der turbulent-gewittrige Ausklang dieses Tages kann ja eigentlich nur am Ende eines zunehmend schwüler werdenden Sommertages stehen, oder? *zwinker*

Und auch sonst klingt alles in diesen drei Sinfonien für mich nach Sommer - einen Wintertag schildert Haydn jedenfalls nicht...

Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Sinfonie Nr. 6 F-Dur, op. 68 "Pastorale"
(UA Dezember 1808)

1. Satz: Erwachen heiterer Gefühle bei der Ankunft auf dem Lande (Allegro ma non troppo)
2. Satz: Szene am Bach (Andante molto mosso)
3. Satz: Lustiges Zusammensein der Landleute (Allegro)
4. Satz: Gewitter und Sturm (Allegro)
5. Satz: Hirtengesänge - Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm (Allegretto)

Wie bei Haydn oben schon erwähnt, hat auch Beethoven seine berühmte 6. Sinfonie nicht unbedingt einer bestimmten Jahreszeit zugeordnet, aber für mich findet dieser wohl berühmteste Landausflug der Musikgeschichte eindeutig an einem schönen Sommertag statt!

Allein die aufkommenden "heiteren Gefühle" im 1. Satz oder die stimmungsvolle "Szene am Bach" im 2. Satz lassen mich nicht an einen verregneten Herbsttag denken *grins*

Die "lustigen Landleute" im 3. Satz könnten ein Erntefest feiern und das für Sommermusiken ja fast schon obligatorische Gewitter im 4. Satz legen für mich die Jahreszeit, in der das Ganze angesiedelt ist, schon ziemlich konkret fest.
Wichtig ist auf jeden Fall der Hinweis, dass Beethoven diese Sinfonie nicht als bloße Illustration einer Landpartie verstanden wissen wollte. Die "Pastoral-Sinfonie oder Erinnerungen an das Landleben", wie Beethoven seine Sechste zunächst betitelte, trägt in Klammern die eindeutige Anmerkung des Komponisten, dass für ihn dieses Motto "mehr Ausdruck der Empfindung als Malerey" darstellen sollte.

Richard Strauss (1864-1949)
Eine Alpensinfonie, op. 64
(UA 1915)

Nacht - Sonnenaufgang - Der Anstieg - Eintritt in den Wald - Wanderung neben dem Bache - Am Wasserfall - Erscheinung - Auf blumige Wiesen - Auf der Alm - Durch Dickicht und Gestrüpp auf Irrwegen - Auf dem Gletscher - Gefahrvolle Augenblicke - Auf dem Gipfel - Vision - Nebel steigen auf - Die Sonne verdüstert sich allmählich - Elegie - Stille vor dem Sturm - Gewitter und Sturm, Abstieg - Sonnenuntergang - Ausklang - Nacht

Auch Richard Strauss' grandiose musikalische Schilderung einer Hochgebirgswanderung mit Gipfelbesteigung nimmt natürlich keinen Bezug auf die Jahreszeit, in der dieser Ausflug stattfindet - aber wann außer im Sommer ließe sich eine solche Kraxelei sonst bewerkstelligen? Außerdem hört man während der Wanderung über die Alm eindeutig die Kuhglocken läuten und dies kann man definitiv nur während der Sommermonate dort oben erleben *zwinker*
Unabhängig davon ist die "Alpensinfonie" ein tolles, unglaublich beeindruckendes Orchesterstück, das man - wie alle hier vorgestellten Stücke auch - natürlich zu jeder Zeit des Jahres hören kann! Richard Strauss verwendet auch in dieser seiner letzten großen sinfonischen Dichtung ein üppig besetztes Riesenorchester, dem er - ein wahrer Meister der Instrumentationskunst - abwechslungsreiche, schillernde Klangfarben entlockt und dem Zuhörer damit vor dessen innerem Auge diesen Ausflug in die Alpen geradezu plastisch vorführt. Ich habe jedenfalls beim Hören grundsätzlich Bilder von Sommerferien in den Alpen vor Augen! Ein tolles Stück!

Gaëtano Donizetti (1797-1848)
L'elisir d'amore (Der Liebestrank), Opera buffa in 2 Akten (UA 12.05.1832)

Last but not least noch eine Oper, auch diese nicht unbedingt der Jahreszeit Sommer zuzuordnen, aber für mich doch wieder einmal sehr mit Bildern und Stimmungen von Italien verbunden und das kenne ich halt nun einmal nur aus dem Sommer *lach*
Auch wenn es abgedroschen klingen mag: Wenn ich mir die zahlreichen Arien, Duette und sonstigen Ensembles gerade dieser klassischen komischen Oper anhöre, dann geht für mich innerlich jedesmal direkt die Sonne auf - diese Melodien, diese leichtfüßigen Rhythmen, diese ansteckend gute Laune; ich bekomme beim Zuhören automatisch gute Laune und träume von heiteren Sommertagen in einer lichtdurchfluteten italienischen Toskanalandschaft, das geht wie von selbst...!
Daher gehört gerade diese Oper an trüben und dunklen Wintertagen bevorzugt zu meinen Stimmungsaufhellern, die mich daran erinnern, dass auch die kalte Jahreszeit irgendwann wieder einmal zuende gehen muss und es auch wieder Sommer werden wird - mit Licht, Wärme, endlos langen Tagen, usw.
Ich kenne kein Musikstück, dass bei mir ähnlich gut funktioniert, wie Donizettis "Liebestrank" - salute! ;-)

Freitag, 14. August 2009

Klassik im Sommer (3. Teil)

Hochsommer!
Zeit für weitere Musikstücke mit sommerlicher Thematik, diesmal nicht nur von Komponisten aus dem angelsächsischen Raum...


Hugo Alfvén (1872-1960)
Midsommarvaka (Mittsommerwache) - Schwedische Rhapsodie Nr. 1, op. 19
(1903)

Midsommarlåt i Leksand (Lied zur Sommersonnenwende in Leksand) für gemischten Chor (1936/ 37)

Alfvén ist - wie so viele schwedische bzw. skandinavische Komponisten - bei uns kaum bekannt. Seine über weite Strecken sehr fröhliche und ausgelassene 1. Schwedische Rhapsodie thematisiert die überall in Nordeuropa jährlich groß gefeierte Sommersonnenwende - kein Wunder, dass dieses Musikstück sein bekanntestes und beliebtestes Werk geworden ist!

Edvard Grieg (1843-1907)
Lyrische Stücke, op. 71
(10. Buch, 1901)
- Sommerabend
Ein kleines sommerliches Klavierstück aus der reichhaltigen, in mehreren Bänden im Verlauf vieler Jahre erschienenen Sammlung der "Lyrischen Stücke".

Agathe Backer-Grøndahl (1847-1907)
5 Fantasistykker, op. 45

- Sommervise (Sommerlied)

Diese norwegische Pianistin und Komponistin war eine langjährige Freundin und Interpretin ihres Landsmanns Edvard Grieg.

Arthur Honegger (1892-1955)
Pastorale d'été
(1920)
Dieses sehr atmosphärische und heitere Stück des wohl bekanntesten schweizerischen Komponisten schildert Honeggers sommerliche Empfindungen, die er anhand eines stimmungsvollen Zitats des Dichters Arthur Rimbaud (1854-91) charakterisiert: "J'ai embrassé l'aube d'été" ("Ich habe die sommerliche Morgendämmerung umarmt").

Hector Berlioz (1803-69)
Les Nuits d'Été, op. 7
(1838-41, orchestriert bis 1856)
1. Villanelle
2. Le spectre de la rose
3. Sur les lagunes
4. Absence
5. Au cimetière
6. L'île inconnue
-
Ein früher Beitrag zur im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sehr populär gewordenen Gattung der sogenannten Orchesterlieder: Eine Gesangsstimme wird begleitet von einem üppig besetzten und damit sehr farbenreichen Orchester. Und gerade Berlioz war ein Meister der fantasievollen Instrumentationskunst! Diese von ihm unter dem Titel "Les nuits d'été" (Die Sommernächte) zusammengefassten Lieder waren ursprünglich "nur" mit einer Klavierbegleitung versehen - Berlioz hat sie dann peu à peu orchestiert.

Leroy Anderson (1908-75)
Summer Skies
(1953)

Irish Suite (1947/ 49) - 5. Satz: The Last Rose of Summer
-
Billy Mayerl (1902-59)
Marigold (Tagetes) (1927)

Johann Strauß (Vater) (1804-49)
Sommernachts-Träume
, Walzer (1845)

Johann Strauß (Sohn) (1825-99)
Wilde Rosen, Walzer op. 42
(1847)
Erndte-Tänze, Walzer op. 45 (1847)
Johannis-Käferln, Walzer op. 82 (1850)
Fraunkäferln, Walzer op. 99 (1851)
Blumenfest-Polka, op. 111 (1852)
Nachtfalter, Walzer op. 157 (1855)
Libellen, Walzer op. 180 (1856)
Rosen aus dem Süden, Walzer op. 388 (1880)
Sonnenblume, Polka-Mazur op. 459 (1894)
Gartenlaube-Walzer, op. 461 (1895)

Nicht nur, aber gerade auch von diesen beiden Wiener Walzerkönigen aus der Strauß-Dynastie ist über die Jahre viel Output an diverser Tanzmusik produziert worden und die Suche nach möglichst originellen und markanten Titeln für die neuen Stücke hat dabei immer wieder teilweise recht kuriose Blüten getrieben. Jedenfalls haben die einfallsreichen Titel nicht unbedingt immer etwas mit dem musikalischen Inhalt des so benannten Werkes etwas zu tun. Trotzdem hat es Spaß gemacht, aus dieser Fundgrube einmal die Titel herauszusuchen, die auf irgendeine Weise einen "sommerlichen Bezug" haben. Dass ein schwungvoller Wiener Walzer oder eine schmissige Polka eh gut zur heiteren Sommerszeit passen, versteht sich irgendwie ja sowieso von selbst, oder? *grins*

Zoltán Kodály (1882-1967)
Sommerabend
(1906/ 29)
Kodály hat über dieses Orchesterstück gesagt, es sei an einigen Sommerabenden inmitten von abgeernteten Kornfeldern und zum Klang der plätschernden Wellen der Adria entstanden.

Sergei Prokofjew (1891-1953)
"Sommernacht" - Suite in 5 Sätzen für kleines Orchester, op. 123
(1950)
aus der Oper "Die Verlobung im Kloster"

"Ein Sommertag" - Kindersuite in 7 Sätzen, op. 65 b (1935/ 41)
aus der Sammlung "Kindermusik"

Robert Schumann (1810-56)
Album für die Jugend, op. 68
(1848), darin u. a. die Sätze
- Fröhlicher Landmann, von der Arbeit zurückkehrend
- Schnitterliedchen
- Ernteliedchen
- Ländliches Lied
In dieser Fundgrube fantasie- und pädagogisch wertvoller Klavierminiaturen finden sich auch einige Stückchen mit sommerlichen Bezügen, die ich hier mal zusammengestellt habe. Darunter auch der "Fröhliche Landmann", der zu Schumanns populärsten Melodien gehört.

Dichterliebe, op. 48, darin
- Am leuchtenden Sommermorgen

Franz Schubert (1797-1828)
Die Sommernacht (D 289)
Schubert hat hunderte von Liedern komponiert, dieses hier widmet sich - unverkennbar schon im Titel - zur Abwechslung einmal explizit einem sommerlichen Thema.

George Gershwin (1898-1937)
"Summertime"
aus der Oper "Porgy and Bess" (UA 1935)

Dieses dürfte nicht nur die bekannteste Nummer aus Gershwins großer Oper sein, sondern mit Sicherheit neben der "Rhapsody in blue" auch seine bekannteste Melodie überhaupt! "Summertime" ist ein echter Jazz-Klassiker geworden - eigentlich ein Schlaflied mit ganz entspanntem und relaxtem Tonfall.

Ambroise Thomas (1811-96)
Le songe d'une nuit d'été
(UA 1850)

Der Vollständigkeit halber (in Ergänzung zu den "Sommernachtstraum"-Musiken aus dem 2. Teil meiner Sommer-Klassik-Vorstellungen) hier noch eine heute wohl leider der Vergessenheit angefallene französische Opernfassung von Shakespeares beliebter Komödie.

Henry Purcell (1659-95)
The Fairy Queen
(1692)

Joaquín Rodrigo (1901-99)
Musica para un Jardín
(UA 1958)
4. Satz: Berceuse de verano

Concierto de Aranjuez (UA 1940)

Fantasía para un gentilhombre (1954)

Concierto Andaluz (1967)
Gitarrenmusik - noch dazu spanische Gitarrenmusik! - gehört für mich unbedingt zum Sommer dazu!! Rodrigo ist hierbei einer meiner absoluten Favoriten. Dazu müssen diese Werke nicht unbedingt einmal einen direkten Bezug zum Sommer haben - wenn ich Musik wie diese hier höre, dann erklingt für mich aus jedem Takt Sommer pur!

Ottorino Respighi (1879-1936)
Fontane di Roma
(UA 1917)
1. Satz: La fontana di Valle Giulia all'alba
2. Satz: La fontana del Tritone al mattino
3. Satz: La fontana di Trevi al meriggio
4. Satz: La fontana di Villa Medici al tramonto
-
Auch dieses Stück ist von seinem Komponisten nicht unbedingt als "Sommer-Musik" vorgesehen gewesen - aber wer denkt bei Stichworten wie "Italien" und "Rom" nicht an sommerliche Urlaubstage in mediterraner Umgebung? Wenn ich alleine schon die Titel der vier Sätze lese, in denen vier römische Brunnen an vier Orten der "ewigen Stadt" im Verlaufe eines (Sommer-) Tages geschildert werden, bin ich in meiner Phantasie schon wieder im Sommerurlaub!

Georges Bizet (1838-75)
"L'Arlésienne"-Suiten 1 und 2
(1872/ 79)

Auch diese abwechslungsreichen Werke verkörpern für mich mediterrane Sommerstimmung pur: So klingt für mich die Provence, das ist quasi blühender Lavendel für die Ohren! *grins*

Manuel de Falla (1876-1946)
Nächte in spanischen Gärten
(UA 1916)
Sinfonische Impressionen für Klavier und Orchester (3 Sätze)

Und hier das spanische Pendant zu den Sommerferien in Rom (Respighi) und in der Provence (Bizet)!

Claude Debussy (1862-1918)
Prélude à l'après-midi d'un faune
(1894)
Zu diesem großartigen Stück - dem wohl bekanntesten Stück des "musikalischen Impressionismus" - wurde Debussy von dem gleichnamigen Gedicht von Stéphane Mallarmé (1842-98) inspiriert. Für mich klingt aus jedem Takt die Hitze eines sonnendurchglühten Nachmittags am Mittelmeer - eine wundervolle sinnliche und wohlig-träge Stimmung. Dieses Stück gehört für mich unbedingt zu jeder Zusammenstellung sommerlicher Musik dazu!

Trois Nocturnes (UA 1900)
1. Nuages (Wolken)
2. Fêtes
3. Sirènes

La Mer (1905) "Drei sinfonische Skizzen"
1. De l'aube à midi sur la mer (Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer)
2. Jeux de vagues (Spiel der Wellen)
3. Dialogue du vent et de la mer (Dialog des Windes und der Wellen)
-
Ähnlich wie schon im erwähnten "Prélude" versteht Debussy es auch hier, eine unvergleichliche Stimmung hevorzuzaubern - so klingt (jedenfalls für mich) das Mittelmeer, die Urlaubsregion schlechthin!

Images - Nr. 2 Ibéria (UA 1910)
1. Par les rues et par les chemins (Auf Straßen und Wegen)
2. Les parfums de la nuit (Die Düfte der Nacht)
3. Le matin d'un jour de fête (Der Morgen eines Festtages)

Estampes ("Stiche") (1903)
1. Pagodes (Pagoden)
2. La soirée dans Grenade (Der Abend in Grenada)
3. Jardins sous la pluie (Gärten im Regen)

Suite Bergamasque (veröffentlicht 1905)
3. Satz: Clair de lune (Mondschein)

Images (1905-07)
Livre I
1. Satz: Reflets dans l'eau (Spiegelungen im Wasser)
Livre II
2. Satz: Et la lune descend sur le temple qui fut (Und der Mond versinkt über dem gewesenen Tempel/ der Tempelruine)
3. Satz: Poissons d'or (Goldfische)

Préludes
Livre I (1910)
Les sons et les parfums tournent dans l'air du soir (Die Töne und die Düfte wehen durch die Abendluft)
Danse de Puck
Livre II (1913)
La terrasse des audiences du clair de lune (Die Terrasse der Zuschauer des Mondlichts)

Bei Debussys Klavierstücken gerate ich immer wieder ins Schwärmen - allein schon diese poetischen Titel, die er den Stücken gegeben hat! Die regen die Phantasie an und passen wunderbar zu den oft wie spontan hingezaubert wirkenden Sätzen. Ich habe hier mal ein paar ausgewählt, die ich besonders zur Sommerzeit passend finde. Es gibt im umfangreichen Klavierwerk Debussys aber auch ansonsten noch jede Menge schöner Musik zu entdecken!

Maurice Ravel (1875-1937)
Pavane pour une infante défunte
(Pavane für eine verstorbene Prinzessin) (1899 für Klavier, 1910 für Orchester)

Jeux d'eau (Wasserspiele) (1901)

Miroirs (Spiegelbilder) (1905)
1. Satz: Oiseaux tristes (Traurige Vögel)
2. Satz: Alborada del gracioso (1918 für Orchester)
3. Satz: Une barque sur l'ocean (1907 für Orchester)
4. Satz: Noctuelles (Nachtfalter)
5. Satz: La vallée des cloches (Das Tal der Glocken)

Genau wie bei Debussys Klavierwerken mag ich bei Ravels Klaviermusik die poetischen Stimmungsbilder, die er mit scheinbar leichter Hand hervorzurufen versteht. Auch hier finde ich wieder die Titel zahlreicher Stücke sehr fantasievoll. Wie bei Debussy habe ich auch bei ihm mal eine kleine Auswahl sommerlicher Stücke zusammengetragen - besonders schön finde ich die "Jeux d'eau", die wie ein klanggewordener Springbrunnen in einem sonnendurchfluteten Park klingen!
Zu seinen "Oiseaux tristes" hat Ravel sinngemäß gesagt, dass er bei der Komposition zum einen an den Ruf einer Amsel gedacht habe, aber auch an "Vögel, versunken in der Erstarrung eines ganz dunklen Waldes in den heißesten Stunden des Sommers".

Freitag, 24. Juli 2009

Klassik im Sommer (2. Teil)



Seit dem "offiziellen" kalendarischen Sommeranfang sind ja nun auch schon ein paar Wochen ins Land gezogen - höchste Zeit also, hier ein paar weitere sommerliche Klassik-Empfehlungen vorzustellen!


Merke: Mit der passenden Musik wird auch der launischste Sommer gleich noch mal so schön…

Nachdem ich beim letzten Mal ausschließlich Teile aus Zyklen vorgestellt habe, die sich musikalisch mit dem Thema "Sommer" befassen, kommen jetzt also einzelne Stücke dran, die sich - zumindest dem Titel nach - in irgendeiner Form mit der heißen Jahreszeit auseinandersetzen.
"In irgendeiner Form" deshalb, weil die Art und Weise, wie sich Komponisten vom Sommer-Thema haben inspirieren lassen, oft ganz unterschiedlich ausfällt - was die ganze Sache ja erst so interessant und abwechslungsreich macht!

Gut - die Themenkreise, die auch unsereinem beim Stichwort "Sommer" spontan einfallen würden, wie "Mattigkeit in der Sommerhitze", "Sommergewitter", "angenehm laue Sommerabende" oder "üppig blühende Sommergärten" haben natürlich auch oft als Inspirationsquellen für das ein oder andere Musikstück gedient - es fällt aber auf, dass gerade das Thema "Sommer" in der klassischen Musik viel häufiger von oft überraschenden Assoziationen und individuellen Einfällen der Komponisten geprägt und die erklingende Bandbreite damit besonders groß ist. Größer jedenfalls, als es im Vergleich dazu Musikstücke zu den Jahreszeiten "Frühling" (hier geht es meist um die musikalische Umsetzung von Themen wie Vogelgezwitscher, Heiterkeit, Leichtfüßigkeit, Verliebtheit, usw.) oder "Herbst" (hier dominieren vor allem der Klang von Jagdhörnern, Melancholie, etc.) sind - doch hierzu zu gegebener Zeit dann später einmal mehr...

Aber genug der theoretischen Vorrede - beginnen wir mal ganz konkret mit einem Schwerpunkt auf hierzulande oft unbekannten Komponisten aus England (die ich sehr schätze!) und Amerika, die vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewirkt haben und offensichtlich eine besondere Affinität zu sommerlichen Stimmungen in ihrer Musik hatten (ob das wohl am ewigen englischen Nebel und Dauerregen liegt?).

Frederick Delius (1862-1934)
Summer Evening
(1888-90)

In a Summer Garden
(1908)

Summer Night on the River (1911-12)

Two Aquarelles
(1917/ 32) "To be sung of a Summer Night on the Water"
A Song of Summer (1918/ 30)

Delius ist für mich so etwas wie der englische Debussy: Ein Vertreter des Impressionismus, der es meisterhaft verstand, Emotionen, Szenerien und Stimmungen in Musik zu fassen.
Besonders fasziniert war Delius ganz offensichtlich vom Sommer und den mit dieser Jahreszeit verbundenen Stimmungen - gerade in Verbindung mit dem Element Wasser. Keine andere Jahreszeit hat ihn zu so vielen einzelnen Musikstücken (meist für Orchester) inspiriert. In ihnen geht es nicht um konkrete Schilderungen, sondern um das Einfangen der Stimmungen der teilweise ja recht präzise betitelten Szenerien. Meist sind das dann ruhig-besinnliche, oft auch ein bisschen melancholische Sätze.

Frank Bridge (1879-1941)
Summer - A Tone Poem
(1914)

Bridge, der heute wohl vor allem als Lehrer Benjamin Brittens bekannt ist, schrieb diese sinfonische Dichtung kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Auch hier geht es - ähnlich wie bei Delius - um ein musikalisches Beschreiben von verschiedenen Sommereindrücken und -stimmungen.

Edward MacDowell (1860-1908)
Suite No. 1, op. 42
(1890/93)
2. Satz: Summer Idyll

Ein Amerikaner, der seine musikalische Ausbildung größtenteils in Frankreich und Deutschland absolvierte. Dies war für amerikanische Komponisten zur damaligen Zeit absolut üblich, da es in den USA noch keine adäquaten Konservatorien gab.

Samuel Barber (1910-81)
Knoxville: Summer of 1915, op. 24
(UA 1948)

Barber, der bei uns vor allem als Komponist des berühmten "Adagio for strings" bekannt wurde, das auch als Filmmusik schon Verwendung fand, wartet hier mit einer stimmungsvollen Vertonung eines Textes des Dichters James Agee (1909-55) auf, die er für Solosopran und Orchester gestaltet hat. Im Text geht es um sentimental-verklärte Kindheitserinnerungen des in Knoxville, Tennessee, aufgewachsenen Dichters - konkret um den Sommer von 1915.

Arnold Bax (1883-1953)
Summer Music
(1920/32)

Nympholept (1912) ("von den Nymphen gefangen")

Enchanted Summer (1910)
für 2 Soprane, Chor und Orchester

Arnold Bax, ein Engländer, der sich zeitlebens sehr nach Irland hingezogen fühlte und sich auch intensiv mit irischer Literatur beschäftigte, beschreibt in seinem Orchesterstück "Summer Music" gemäß eigenen Worten "einen heißen, windstillen Junimittag an einem bewaldeten Ort irgendwo in Südengland" und gibt sich hierbei verschiedenen Assoziationen und Stimmungen hin.
Sein Stück "Enchanted Summer" ist die Vertonung der 2. Szene des 2. Aktes des Versdramas "Prometheus Unbound" ("Der entfesselte Prometheus") aus dem Jahr 1818 des Dichters Percy Bysshe Shelley (1792-1822). (In jenem Jahr 1818 wurde übrigens auch der weltberühmte Roman "Frankenstein" von Shelleys Frau Mary veröffentlicht.)
In dieser von Arnold Bax vertonten Szene aus dem "Prometheus" geht es um Elfen, Faune und andere mythologische Wesen, die eine sommerliche Waldszenerie bevölkern - das Ganze erinnert von der Thematik her vielleicht nicht ganz unbeabsichtigt ein bisschen an Shakespeares "Sommernachtstraum", stellt im Prometheus-Drama jedoch nur eine Szene unter vielen anderen dar, während Bax sich mit seiner Vertonung ausschließlich diesem mythisch-magischen Waldbild widmet, das ihn sehr angesprochen und inspiriert zu haben scheint.
Auch das Orchesterstück "Nympholept" beschwört eine solch geheimnisvolle Waldatmosphäre. Bax hat es mit dem Untertitel "Betritt diese verzauberten Wälder, wenn du es wagst" versehen und es beschreibt die Szenerie eines "bedrohlichen heidnischen Zaubers, der durch den Mittsommerwald spukt". Bax scheint ganz offensichtlich eine gewisse Affinität zu solchen Themen gehabt zu haben...

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47)
Ouvertüre zu Shakespeares "Ein Sommernachtstraum", op. 21
(1826)

Schauspielmusik zu Shakespeares "Ein Sommernachtstraum", op. 61 (1843)



Mendelssohn liebte Großbritannien und die Briten liebten ihn und natürlich seine Musik! So ist es dann neben zahlreichen absolvierten Gastspielen in und Reisen durch England und Schottland auch nicht verwunderlich, dass Mendelssohn sich auch vom größten aller englischen Dichter William Shakespeare zu einem seiner bekanntesten Werke inspirieren ließ: Dessen märchenhafte Komödie "A Midsummer Night's Dream" aus den Jahren 1595/96 diente ihm zunächst im Jahre 1826, da war Felix gerade einmal 17 Jahre alt (!), als Anregung für seine Ouvertüre (op. 26), der er (sicher auch aufgrund des großen Erfolges, den er mit diesem Orchesterwerk erzielt hatte) dann 17 Jahre später noch eine dreizehnteilige Schauspielmusik (op. 61) folgen ließ, die während einer Aufführung des Shakespeare-Stückes an verschiedenen Stellen der fünfaktigen Komödie erklingen soll. Mendelssohn gelingt hierbei das Kunststück, dass man der Schauspielmusik nicht anmerkt, dass sie so viele Jahre später entstanden ist.
Musikalisch gelingt es Mendelssohn, vor allem die leichte, überirdische Atmosphäre der munter herumschwirrenden Elfen treffend heraufzubeschwören, die den Wald in jener verzauberten Mittsommernacht bevölkern, in der sich auch die (menschlichen) Liebespaare in ihm verirren. Das bekannteste Stück der Schauspielmusik ist aber sicherlich der "Hochzeitsmarsch", der am Ende der Komödie erklingt, wenn sich alle Paare gefunden und das Ja-Wort gegeben haben. Noch heute geht wohl kaum eine Hochzeit ohne dieses Stück über die Bühne…

Benjamin Britten (1913-76)
A Midsummer Night's Dream, op. 64
(UA Juni 1960)

Diese dreiaktige Oper, zu der Britten zusammen mit seinem Lebensgefährten Peter Pears auch das Libretto nach Shakespeares gleichnamiger Vorlage verfasste, wurde passenderweise auch im Sommer uraufgeführt, nämlich im Rahmen des Aldeburgh Festivals, einem Musikfestival, das 1948 von Britten, Pears und dem Dichter und Regisseur Eric Crozier in Aldeburgh (Suffolk) gegründet wurde. Wie Mendelssohn ließ sich auch Britten von der märchenhaften Elfenwelt des Stückes inspirieren und verleiht seiner Oper eine zauberische Atmosphäre, die wunderbar zu dem ganzen stimmungsvollen Sommernachtsthema passt.




Montag, 22. Juni 2009

Klassik im Sommer

Gestern war Sommeranfang - was bedeutet, dass ab heute die Tage wieder kürzer werden (das geht immer alles soooo schnell!) *seufz*
Immerhin merken wir das ja erst so ab Ende August wirklich, dass es abends wieder früher dunkel wird - freuen wir uns also im Moment einfach noch über die endlos langen Tage und den jetzt auch ganz "offiziell" beginnenden Sommer!

Das ist auch ein hübscher Auftakt - wie ich finde - für ein Thema, das mich bereits seit Jahren beschäftigt und fasziniert: Klassische Musik, passend zur Jahreszeit!
Da gibt es tatsächlich mehr zu entdecken und zu hören, als man vielleicht spontan zunächst vermuten würde - im Lauf der Jahrhunderte wurden viele Komponisten von den wechselnden Jahreszeiten zu ganz unterschiedlichen musikalischen Umsetzungen inspiriert.
Es ist dabei natürlich keine Überraschung, dass hierbei am häufigsten auf die uns allen sofort präsenten Naturphänomene Bezug genommen wird (z. B. Sommergewitter, Schneesturm, etc.), es aber auch mindestens genausoviele ganz andere, individuelle und durchaus überraschende musikalische Jahreszeiten-Eindrücke zu hören gibt. Das Ganze ist also alles andere als ein immer wieder neu aufgewärmter Frühling-Sommer-Herbst-Winter-Einheitsbrei!

Spannend finde ich immer zu sehen, was für einen Aspekt einer (oder mehrerer) Jahreszeit(en) sich ein Komponist herausgegriffen hat, um diesen dann im Rahmen eines Musikstücks zu beschreiben. Oftmals dienen diese jahreszeitlichen Themen und Überschriften dann aber auch "nur" als Aufhänger für eine Komposition, die man beim Anhören dann nicht unbedingt mit diesen in Verbindung bringen würde - aber schließlich ist in der Kunst die freie Assoziation ja eine beliebte und sehr erwünschte Disziplin... *zwinker*

Wie gesagt: Die Vielfalt ist groß - so ziemlich für alle Instrumente und aus allen Epochen ist etwas dabei und wer nun gerne passend zum Sommer ein wenig adäquate Beschallung mit klassischer Musik sucht, dem möchte ich hier ein paar (hoffentlich) interessante Hörvorschläge präsentieren und eine eigene Entdeckungsreise in diesem Bereich unbedingt empfehlen!

Beginnen möchte ich zunächst mit Komponisten, die sich nicht nur mit einer Jahreszeit musikalisch befasst, sondern direkt den umfassenden, "ganzheitlichen" Wurf in Angriff genommen haben - also alle vier Jahreszeiten in einem Zyklus musikalisch verarbeitet!
Wer hierbei sofort an das sicherlich prominenteste Beispiel, Vivaldis "Quattro stagioni" denkt, liegt natürlich völlig richtig - allerdings gibt es mehr derartige Zyklen, als man zunächst vermuten würde. Mancher Komponist hat sogar Monat für Monat extra vertont und dabei sind auch wiederum die denkbar unterschiedlichsten Ergebnisse herausgekommen.

Aber fangen wir tatsächlich mal mit dem eben schon erwähnten, absoluten "Klassiker" an:

Antonio Vivaldi (1678-1741)
12 Violinkonzerte "Il cimento dell'armonia e dell'inventione" op. 8 ("Der Gipfel von Harmonie und Erfindung"); entstanden ca. 1700-1725

Die ersten vier Konzerte aus diesem Opus 8 sind dann später unter dem Titel "Le quattro stagioni" weltberühmt geworden und erfreuen sich heute einer außerordentlichen Beliebtheit.

Als Konzert Nr. 2 "L'estate" ("Der Sommer") in g-moll.
Wie jedem der vier Jahreszeitenkonzerte hat Vivaldi auch dem Sommer ein erklärendes (wahrscheinlich selbst gedichtetes) Sonett vorangestellt, in dem er quasi ein erläuterndes Programm für das jeweilige Konzert entwirft und die Dinge poetisch beschreibt, die er in der Musik der jeweils dreisätzigen Konzerte auszudrücken versucht. In die Noten der Partitur hat er die entsprechenden Textpassagen über die jeweiligen Stellen sogar nochmals eingetragen. So akribisch wie hier ist er aber in keinem anderen seiner knapp 500 Konzerte vorgegangen, von denen einige ebenfalls programmatische Titel, wie z. B. "Die Jagd" oder "Der Sturm auf dem Meer" tragen.

Die Themen der drei Sätze des Sommers sind:
1. Satz: Mattigkeit in der Sommerhitze - Gesang der Vögel (Kuckuck, Taube und Distelfink) - Sanfte Winde - Nordwind (Borea) - Klage des Hirten
2. Satz: Unruhig schlafender Hirte: Furcht vor Blitz und Donner, Störung durch Fliegen und Mücken
3. Satz: Stürmisches Sommergewitter

Schön, wie der erste Satz zunächst die totale Mattigkeit in der sengenden Sonnenglut beschreibt, bevor das Ganze durch den Gesang der munteren Vögel und den brausenden Nordwind dann doch noch an Fahrt aufnimmt.
Im zweiten Satz finde ich die Idee sehr gelungen, den Schlaf des Hirten immer wieder durch fernes Donnergrollen und - noch origineller! - durch das Brummen und Summen lästiger Fliegen und Mücken zu unterbrechen.
Und der dritte Satz stellt nun den schnellsten und furiosesten Schluss-Satz des gesamten Jahreszeiten-Zyklus dar: Ein sehr dankbares, rhythmisch unglaublich mitreißendes und virtuoses Stück, das für mich zu den absoluten Vivaldi-Höhepunkten zählt!


Wer das Ganze lieber in gesungener statt in rein instrumentaler Form anhören möchte, dem sei der andere große, fast ebenso berühmte Jahreszeiten-Zyklus der Musikliteratur empfohlen:

Joseph Haydn (1732-1809)
Die Jahreszeiten
(Oratorium in vier Teilen, Uraufführung im Mai 1801)

2. Teil: Der Sommer

Haydn behandelt hier unter anderem folgende sommerliche Themen:

Morgendämmerung - Sonnenaufgang - Kornernte - Mittagshitze - Dürre, welke Pflanzen in der Sonnenglut - Schattenspendender, kühler Wald - Schwüle - Gewittersturm - "Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm" - Abendstimmung

Wie schon Vivaldi lässt sich auch Haydn von dem wirksamen Gegensatz der alle Aktivitäten lähmenden Sommerhitze und dem darauf folgenden unvermeidlichen Gewittersturm zu einem beeindruckenden Tongemälde inspirieren. Dieser zweite Teil seines großen "Jahreszeiten"-Oratoriums erhält seine besondere Geschlossenheit (die den anderen drei Teilen in dieser Form fehlt) durch die Präsentation eines kompletten (Sommer-) Tages: Zu Beginn wird in einer prächtigen Steigerung der Aufgang der Sonne am Morgen hymnisch illustriert und besungen, am Ende klingt der Tag friedlich mit dem Läuten der Abendglocken aus, nachdem zuvor das heftige Gewitter herniedergegangen ist.
Ich habe die Formulierung "Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm" in der obigen Themenbeschreibung ganz bewusst gewählt: So betitelt nämlich Beethoven in seiner berühmten 6. Symphonie ("Pastorale"), die im Jahr 1808 uraufgeführt wurde, den 5. und damit letzten Satz, nachdem er diesem ebenfalls ein orchestrales Gewitter vorangehen lässt. Ich finde diese Parallele in beiden Werken sehr auffällig und ich könnte mir gut vorstellen, dass Beethoven sich durch diese szenische Abfolge in Haydns 7 Jahre älterem Oratorium bei der Komposition seiner 6. Symphonie inspirieren ließ.


Deutlich unbekannter sind folgende, aus Lateinamerika stammenden "Vier Jahreszeiten":

Astor Piazzolla (1921-1992)
Las Cuatro Estaciones Porteñas
("Die vier Jahreszeiten in Buenos Aires")

Der Sommer-Satz "Verano Porteño" ist - wie die anderen drei Sätze dieses Zyklus - ein Stück für Gitarre solo (das Werk gibt es aber auch in anderen Bearbeitungen, z. B. für Klavier) und basiert, wie die meisten Werke Piazzollas, auf Elementen des traditionellen argentinischen Tangos.

Anzumerken wäre noch, dass der Sommer in Buenos Aires ja (da auf der Südhalbkugel gelegen) in den Monaten Dezember bis Februar stattfindet, man diesen Satz in unseren Breiten also auch während unseres Winters anhören könnte, wenn man es denn zeitlich (und nicht klimatisch) passend haben möchte…


Dann gibt es auch ein Ballett ("natürlich" von einem Russen komponiert!), das sich der Thematik der vier Jahreszeiten widmet:

Alexander Glasunow (1865-1936)
Die Jahreszeiten, op. 67
(Ballett in vier Teilen, UA im Februar 1900)

Interessanterweise lässt Glasunow sein Ballett nicht - wie man anhand der oben bereits erwähnten Werke erwarten dürfte - mit dem Frühling, sondern mit dem Winter beginnen, so dass der "Sommer" hier den 3. Teil des Balletts bildet.

Tänzerisch und musikalisch geht es um folgende Themen:
Sommerhitze - Kornfeld: Tanz (Walzer) der Kornblumen und des Mohns mit dem Geist des Korns - Mattigkeit in der Hitze - Najaden bringen Wasser für die Blumen und Pflanzen - Zephir, Faunen und Satyrn

Neben dem quasi obligatorischen Walzer (immerhin handelt es sich um ein Ballett des ausgehenden 19. Jahrhunderts!) fehlt erstaunlicherweise das meist zu erwartende Sommergewitter (aber was sollte man dazu auch tanzen?) - dafür treten eine Reihe griechisch-mythologischer Figuren auf, wahrscheinlich, um auch dem Kostümbildner etwas zu tun zu geben… *grins*


Auch in der Klavierliteratur haben die vier Jahreszeiten ihre Spuren hinterlassen - interessanterweise gehen die beiden hier vorgestellten Zyklen sogar ganz gründlich Monat für Monat vor:

Fanny Hensel-Mendelssohn (1805-1847)
Das Jahr - 12 Charakterstücke für das Fortepiano
(komponiert 1841)

6. Satz: Juni - Serenade (Ständchen, Romanze)
7. Satz: Juli - Serenade (Sommerserenade, Ballade)
8. Satz: August - Allegro (Marsch)


Peter Tschaikowsky (1840-1893)
Die Jahreszeiten, op. 37b
(12 Klavierminiaturen, entstanden 1875-1876)

6. Juni - Barcarolle
7. Juli - Lied des Schnitters/ Mähers
8. August - Die Ernte

Es fällt auf, dass Fanny Hensel - zumindest für die drei hier vorgestellten Sommermonate - keine konkreten Charaktereigenschaften/ Überschriften vorgesehen hat. Die Sätze sind also eher stimmungsmäßig zu verstehen: Der Juni romantisch und sehr sanglich (vielleicht in Form eines nächtlichen Ständchens, worauf der Titel "Serenade" schließen ließe), der folgende Monat Juli dramatischer und düsterer und der August ist im optimistischen Marschtempo gehalten mit dahinperlenden Läufen. Dem Hörer/ der Hörerin bleibt damit selbst überlassen, sich die zugehörigen sommerlichen Bilder auszumalen.

Tschaikowsky hat seine 12 Klavierminiaturen tatsächlich ganz zeitnah Monat für Monat mit leichter Hand quasi "nebenbei" komponiert. Sie waren für die Veröffentlichung in einer musikalischen Monatszeitschrift vorgesehen und Tschaikowsky ließ sich während dieses Jahres allmonatlich daran erinnern, dass er noch eine "kompositorische Verpflichtung" vor dem jeweiligen Redaktionsschluss habe - während dieser Zeit war der Komponist nämlich mit anderen, größeren Werken beschäftigt und opferte für diese "Fingerübung" nur ungern ein wenig Zeit. Nichtsdestotrotz sind die 12 Stücke recht bekannt und beliebt geworden und man merkt ihnen ihre etwas kuriose Entstehungsgeschichte nicht an. Gerade der Monat "Juni" gehört zu den populäreren Melodien Tschaikowskys. Im Rahmen seines Klavierwerks, das eh im Schatten seiner berühmten Orchesterwerke und Opern steht, dürfte dieser Satz sogar sein beliebtester und bekanntester sein.


Aus dem Bereich der großen romantischen Symphonie gibt es einen aus 4 kompletten Symphonien bestehenden Jahreszeiten-Zyklus des deutsch-schweizerischen Komponisten

Joseph Joachim Raff (1822-1882)
Symphonie Nr. 9 e-moll, op. 208 "Im Sommer"
(UA im März 1879)

1. Satz: Ein heißer Tag - Allegro
2. Satz: Die Jagd der Elfen - Allegro
3. Satz: Ekloge (Hirtenlied) - Larghetto
4. Satz: Zum Erntekranz - Allegro


Die vier Satzüberschriften sagen bereits viel über die Stimmungen, die der Komponist hervorrufen möchte, aus. Auch seine gewählten "Sommerthemen" behandeln (zumindest im 2. Satz) mythologische Phantasiegestalten (wie im "Jahreszeiten"-Ballett von Glasunow), wobei in den anderen 3 Sätzen die "klassischen" Themenbereiche Wetter, Ernte und Landleben dominieren. Wie in Beethovens berühmter 9. Symphonie aus dem Jahr 1824 steht der langsame Satz auch bei Raff an vorletzter und nicht (wie sonst eigentlich üblich) an zweiter Stelle.


Die Tatsache, dass eine klassische Symphonie vier Sätze hat - und man damit einen passenden Rahmen zur Hand hätte, um den vier Jahreszeiten auf diese Weise eine musikalische Würdigung zukommen zu lassen, hat natürlich auch (mindestens) einen Komponisten auf eine entsprechende Idee gebracht:

Louis Spohr (1784-1859)
Symphonie Nr. 9 h-moll, op. 143 "Die Jahreszeiten"
(UA 1850)

3. Satz: "Der Sommer" - Largo

Wie Glasunow in seinem Jahreszeiten-Ballett beginnt auch Spohr seine 9. Symphonie mit dem Winter, so dass der Sommer den 3. Satz bildet, der in seiner Funktion als langsamer Satz - genau wie in der oben ewähnten Symphonie von Joseph Joachim Raff - an vorletzter Stelle des Werkes steht und eine beschauliche und ruhige Szenerie beschreibt.


Zum Abschluss der hier vorgestellten Zyklen noch ein Kuriosum aus dem Spätbarock:

Gregor Joseph Werner (1693-1766)
Musicalischer Instrumental-Calender
(veröffentlicht 1748)

Werner war der Vorgänger Joseph Haydns als Kapellmeister am Hof des Fürsten Esterházy.
Er beäugte seinen Nachfolger, der zunächst als sein Stellvertreter ab dem Jahr 1761 an den Hof kam, wahrscheinlich nicht zuletzt aufgrund des beträchtlichen Altersunterschiedes von fast 40 Jahren, sehr skeptisch.

Im Jahr 1748 veröffentlichte Werner einen Zyklus von 12 je fünfsätzigen Konzerten für Streicher und Basso continuo, in denen jedes Konzert einem Monat gewidmet ist und sich von den Satzüberschriften her thematisch auch recht eng an den typischen Ereignissen und (Natur-) Phänomenen der zugehörigen Jahreszeit orientiert. Da sich bei 12 Konzerten à je 5 Sätzen damit die Notwendigkeit des Findens von immerhin 60 (!) charakteristischen Satzüberschriften ergibt, tauchen vereinzelt auch schon einmal Themen auf, die nichts mit dem eigentlichen Monat, der eigentlich beschrieben werden sollte, zu tun haben, musikalisch aber dankbare Aufgaben bieten. So wird zum Beispiel im Juni "Ein Erdbeben" musikalisch beschrieben. Ein immer wiederkehrendes Thema ist aber auch der Eintritt der Sonne in das jeweilige Tierkreiszeichen, welches den Beginn einer neuen Jahreszeit markiert. Eine weitere Besonderheit sind die Menuette, die pro Monat mindestens ein-, meist aber sogar zweimal auftauchen: Im Verhältnis der Länge des komponierten A- und B-Teils zueinander hat Werner die Zu- bzw. Abnahme der Tages- und Nachtlängen in den verschiedenen Monaten des Jahres zu illustrieren versucht - auf so eine Idee muss man erst einmal kommen!
Trotz der zahlreichen zwischen kurios und naheliegend schwankenden Satzüberschriften darf man sich als Hörer der heutigen Zeit jedoch nicht dazu verführen lassen, allzu drastisch-plakative musikalische Schilderungen zu erwarten. Bis auf wenige Ausnahmen, in denen Werner wirklich auffällige Effekte einsetzt, klingen alle 12 Konzerte so, wie ganz "normale" Werke für Streichensemble aus dieser Zeit eben klingen. Ich bin sicher, dass kein Hörer, der die einzelnen Titelüberschriften der Sätze nicht kennt, beim unvoreingenommenen Anhören darauf kommen dürfte, dass er soeben einem vertonten Jahreskalender lauscht.
Werner war halt kein Vivaldi und erst recht kein Komponist des 19. Jahrhunderts, denen ja bereits eine viel breitere stilistische Ausdruckspalette zur Verfügung stand.
Dennoch ist die Idee, die Werner gehabt hat, wirklich originell und verdient es allemal, auch hier aufgelistet zu werden.

Das "Programm" der drei Sommermonate lautet:

6. Konzert: Juni ("Il Giugno, im Brachmonat")
1. Der liebliche Sommer
2. Die Sonne im Krebs
3. Ein Erdbeben
4. Menuett: Die Tageslänge 16, die Nacht 8 Stund
5. Der Zeitvertreib

7. Konzert: Juli ("Il Lùglio, im Heumonat")
1. Der Faulenzende
2. Menuett: Die Tageslänge 15, die Nacht 9 Stund
3. Ein Donnerwetter
4. Stilles Wetter
5. Der Keller

8. Konzert: August ("L' Agòsto, im Augustmonat")
1. Der vergnügte Bauer
2. Menuett: Die Tageslänge 14, die Nacht 10 Stund
3. Das Posthorn
4. Der hinkende Bote
5. Menuett: Die Tageslänge 13, die Nacht 11 Stund



So, das sollte für heute erst einmal reichen, denke ich!
Beim nächsten Mal stelle ich dann einmal sommerliche Musikstücke vor, die zu keinem Jahreszeiten-Zyklus gehören, sondern für sich alleine stehen. Auch hier gibt es eine Reihe interessanter Werke zu entdecken!

Bis dahin... klangvolle Grüße

Donnerstag, 18. Juni 2009

Über den Solisten (Tenor)

Bevor ich hier in medias res gehe, sollte ich vielleicht noch ein paar Dinge über mich hier reinschreiben:
Aufgewachsen im südlichen Bergischen Land (eine waldreiche und hügelige Region zwischen Wupper und Sieg östlich von Köln), dann mehrere Jahre in Bonn und nun schon seit mehr als 5 Jahren in Köln ansässig und noch dazu beruflich in Düsseldorf (!!) tätig, bin ich wohl " 'ne äschte rheinische Jung' ", der allerdings mit dem alljährlichen Karnevalswahnsinn hier wenig bis gar nichts anfangen kann *grins*

Der Vorteil an dieser Gegend ist auf jeden Fall die hohe Dichte an Konzert- und Opernhäusern, die mich als Klassik-Fan natürlich ob der gebotenen Angebotsvielfalt schon öfters vor die Qual der Wahl gestellt hat! Nimmt man noch das nordöstlich von Düsseldorf anschließende Ruhrgebiet mit weiteren ungezählten musikalischen Veranstaltungsorten hinzu, bietet sich hier in unserer Region eine Vielfalt, wie sie wohl keine andere Region Deutschlands (auch nicht Berlin) zu bieten vermag!
Im Lauf der Jahre bin ich denn auch schon unter anderem in Bonn, Köln, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen und Wuppertal in Konzerten und Opernaufführungen gewesen - und das waren jetzt nur die Nennungen, die mir gerade spontan eingefallen sind!

Wie ich zur klassischen Musik gekommen bin?

Eigentlich habe ich mich immer schon für Musik, Instrumente, Rhythmus und Tanz begeistern können - neben einem mehr allgemeinen Interesse für verschiedene Richtungen der jeweils gerade aktuellen Popmusik wurden die Wurzeln für meine Vorliebe der sogenannten "E-Musik" (ein grausiger und noch dazu unglaublich schwachsinniger Begriff, ich weiß!) hingegen bereits im Kindesalter geweckt, weil vor allem meine Oma gerne Klassik hörte (und hier vor allem Operetten und Strauß-Walzer) und mich mit ihrer Begeisterung anzustecken wusste - wie gesagt: Am wichtigsten für mich war damals die Tatsache, dass es überhaupt um Musik ging! Das Fasziniertsein von und die enorme Begeisterungsfähigkeit für Musik scheint bei mir wohl angeboren zu sein… *lach*
Durch den Beginn des Klavierunterrichts (da war ich knapp zehn Jahre alt) habe ich dann erstmals Einblicke in Musiktheorie (Noten, theoretischer Aufbau von Musikstücken) und praktisches Musizieren nehmen können - die Begeisterung wuchs weiter…
Anregungen zum An- und Weiterhören klassischer Musikstücke kamen dann in großer Anzahl im Musikunterricht in der Schule (viele Klassenkameraden fanden die dort behandelten Stücke wohl oft eher zum Gähnen langweilig, was ich überhaupt nicht verstehen konnte) und als ich mit 13 Jahren dann das erste Mal in einer Opernvorstellung war (Mozarts "La clemenza di Tito" in Bonn), war es wohl endgültig um mich geschehen!
Es dürfte daher wohl keine Überraschung sein, dass sämtliche Wunschzettel seitdem (auch die, die ich für mich selber schreibe *lach*) regelmäßig Musikwünsche enthalten.

Neben dem Hören kam fast zeitgleich das Interesse für Hintergründe zur Musikgeschichte hinzu: Musikerbiographien, Konzert- und Opernführer, Interpretationen und Analysen großer Werke der Musikliteratur usw. - ein weites Feld, auf dem es - zum Glück! - bis heute jede Menge Interessantes für mich zu entdecken gibt! Was für ein herrliches Hobby!

"Hobby" ist auch so ein Stichwort - nach einem kurzen "Test-Studium" im Bereich der Musikwissenschaft habe ich mich (froh, diese Erfahrung wenigstens gemacht zu haben), dann doch gegen eine Fortsetzung dieses Studiums und damit einer späteren professionellen Beschäftigung mit Musik entschieden.
Ich habe, so glaube ich, mehr Freude daran, mich in meiner Freizeit mit Musik zu befassen, als Gefahr zu laufen, irgendwann durch alltäglichen Berufsstress den Zauber der Musik nicht mehr verspüren zu können - das wäre ganz furchtbar für mich!

So spiele ich heute Klavier wann, wie und was ich mag und singe als Tenor in einem großen Kölner Konzertchor. Nebenbei gehe ich so oft wie möglich in Oper und Konzerte und höre privat natürlich auch jede Menge Musik daheim - meine CD-Sammlung ist entsprechend umfangreich! *grins*

Soviel erstmal zu mir.

Was ich noch klarstellen sollte:
Wenn ich hier immer von "Klassik" bzw. "klassischer Musik" schreibe, so meine ich das natürlich im landläufigen (allgemein gefassten) Sinne der Bedeutung - keinesfalls würde ich mich nur auf die wenigen, wenngleich natürlich unglaublich wichtigen und ertragreichen Jahre beschränken, die man korrekterweise mit "Wiener Klassik" bezeichnet (ca. von 1780 - 1827), dafür haben die in beide Richtungen an diesen Zeitraum anschließenden Epochen und Jahrhunderte viel zu viel Eigenes zu bieten, als dass man diese so einfach ignorieren könnte!

Über die Einteilung der Musikgeschichte in Epochen könnte ich auch mal was schreiben, fällt mir gerade so ein - naja, schaun mer mal…

Bis denne!

Mittwoch, 17. Juni 2009

Ouvertüre!

Einen eigenen Blog wollte ich eigentlich schon seit längerem eröffnen - die große Frage war bislang nur: Welches Thema sollte hier vorherrschen?
Nichts gegen allgemein gehaltene Blogs, in denen alles Mögliche stehen kann, aber ich wollte auf jeden Fall meinen Blog unter ein festes Thema stellen, um das sich hier dann alles dreht!

Naja - warum dann nicht über das Thema schreiben, das mich seit ich denken kann immer wieder aufs Neue fasziniert, begeistert, inspiriert, zu jeder meiner Stimmungen passt?

Genau!

Musik - und hier vor allem die sogenannte "klassische Musik" - das ist genau mein Thema, über das ich stundenlang reden (oder eben auch schreiben) könnte! Es ist unglaublich, was man mit Musik alles erleben kann - für mich gibt es einfach nichts Schöneres!!! Und ein bissel Mut zu einem "Nischenthema" wie diesem in der Bloggerwelt kann ja auch nicht schaden, würde ich mal sagen...

Daher lasse ich mich jetzt selbst mal überraschen, was und wie ich hier thematisch (in der Form freier Variationen) hinterlassen werde - ein festes Konzept gibt es derzeit (noch) nicht, aber das muss ja auch nicht sein...

Daher - zur Eröffnung dieses Blogs ein kräftiger Tusch!

Und dann schaun mer mal... *zwinker*