Donnerstag, 6. November 2014

Adolphe Sax -200. Geburtstag

Heute möchte ich an dieser Stelle zur Abwechslung mal keinen Komponisten würdigen, sondern an einen berühmten Instrumentenbauer erinnern, dessen Name zwar mit Sicherheit jeder kennt, von dem aber wohl nur die Wenigsten Näheres wissen dürften:

Heute vor genau 200 Jahren wurde nämlich der Instrumentenbauer Adolphe Sax im belgischen Dinant geboren.

Mit der Abbildung auf dem alten 200 Franc-Schein ehrte Belgien seinen berühmten Sohn


Wie wohl die meisten Belgier mit französisch klingendem Namen dürfte er von den meisten Leuten zunächst mal für einen Franzosen gehalten werden (eigentlich logisch, von denen gibt's ja auch eine ganze Menge mehr!), an dieser Stelle möchte ich nur an einen gewissen Hercule Poirot erinnern, der auch immer mit diesem "Problem" zu kämpfen hatte ;-)

Aber auch Monsieur Sax war tatsächlich Belgier, auch wenn er ab 1842 in Paris lebte und arbeitete (aber wer tat dies im 19. Jahrhundert nicht - an der "Hauptstadt des 19. Jahrhunderts" kam man seinerzeit halt einfach nicht vorbei...?) und am 7. Februar 1894 dort im Alter von 79 Jahren verstarb.

Geprägt durch seinen Vater, der in Brüssel ebenfalls als Instrumentenbauer tätig war, begann auch der junge Adolphe nach einem Studium am Brüsseler Konservatorium (u. a. Gesang, Flöte und Klarinette) sich im Metier des Instrumentenbaus zu betätigen.

Er scheint dafür genau die richtige Mischung aus Tüftlermentalität und Musikalität besessen zu haben (für einen Instrumentenbauer erscheint es mir unerlässlich, dass er auch in der praktischen Ausübung etwas von seinen Instrumenten versteht!), so dass er schon bald einige Erfolge aufweisen konnte: Er verbesserte die Technik seines offenkundigen Lieblingsinstruments, der Klarinette - da gab es seinerzeit sicherlich einiges zu optimieren, man denke nur an die ausgefeilte Klappentechnik, die es dem Spieler erleichtern soll, die Grifflöcher beim Spielen optimal erreichen und bedienen zu können!

Auf der Basis der Klarinette basiert dann auch das Instrument, das Adolphe Sax völlig neu entwickelt hat und das bis heute seinen Namen trägt: Das Saxophon.
Schon das Mundstück mit dem Rohrblatt ist mit dem der Klarinette identisch und die Anordnung der Grifflöcher bzw. der Klappen zum Verschließen derselben ist es auch. Das führt dazu, dass ein Klarinettenspieler quasi mühelos (rein spieltechnisch gesehen) sein Instrument gegen ein Saxophon austauschen und mit diesem weiterspielen kann.

Mit seiner Neuentwicklung ging Sax nach Paris und machte dort bald Furore, da verschiedene Musiker und Komponisten (z. B. der als experimentierfreudiger "Klangmagier" bekannte Hector Berlioz) auf das neue Instrument aufmerksam wurden und seinen interessanten, neuartigen Klang, der reizvoll irgendwo zwischen Holz- und Blechblasinstrument changiert, schätzen lernten.

Findig und geschäftstüchtig wie Sax war, entwickelte er gleich eine ganze Saxophon-Familie, also Instrumente in allen Größen (und damit Stimmlagen) - vom Sopran-Saxophon bis zum Bass-Sax war alles vertreten, so dass ganze Ensembles, die nur aus Saxophonen bestehen, miteinander Musik machen können!

Interessanterweise fand das Saxophon zunächst hauptsächlich in französischen Militärkapellen Verwendung - daran denkt man eigentlich aus heutiger Sicht ja nun nicht unbedingt sofort als Erstes, wenn man sich das Stichwort "Saxophon" ins Gedächtnis ruft...

Sax ließ sich seine Erfindung natürlich patentieren und da er - neben einer zeitweiligen Tätigkeit als Lehrer für sein Instrument am berühmten Pariser Konservatorium - auch noch als Direktor des Bühnenorchesters der Pariser Oper tätig war, erstaunt es nicht, dass sein Saxophon auch bald in der Orchestermusik seiner komponierenden Zeitgenossen (verständlicherweise natürlich zunächst der französischen) Verwendung fand.

So erklingt beispielsweise in der Oper Hamlet von Ambroise Thomas ein Saxophon an prominenter Stelle (quasi als besonderer Klangeffekt) - wobei ich allein die Vorstellung der Kombination "Hamlet - Saxophon" schon sehr apart (und ungewöhnlich) finde ;-)

Auch andere Komponisten späterer Generationen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts besonderen Wert auf neue und ungewohnte Klangeffekte legten, wie z. B. Claude Debussy oder Maurice Ravel, liebten den Klang des Saxophons im Orchester sehr.
Eine der bekanntesten Stellen für "klassisches" Saxophon dürfte wohl das Solo in Maurice Ravels Orchesterversion von Modest Mussorgskys Zyklus Bilder einer Ausstellung sein - im 2. Bild Das alte Schloss trägt es die weit geschwungene, sehnsüchtige Melodie vor und es entsteht durch  den charakteristischen Klang ein ganz wunderbarer Effekt, den Ravel hier ganz meisterhaft hervorzurufen verstanden hat!

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es dann auch, dass die in den USA plötzlich wie Pilze aus dem Boden schießenden Jazz-Kapellen das Saxophon für sich entdeckten und dessen Fähigkeit, neben einem "anständigen" und sauberen Ton auch so unglaublich aufreizend-freche, rauhe und "dreckige" Töne zu produzieren!
Genau dieser typische Sound ist es, den man heute vor allem sofort mit dem Saxophon verbindet - das Instrument ist halt sehr vielseitig und fasziniert mit diesen beiden so unterschiedlich klingenden Gesichtern!

Kein Wunder, dass das Saxophon vom Jazz aus kommend seinen festen Platz in Bigbands und in der Pop- und Rockmusik gefunden hat, wo es bis heute nicht wegzudenken ist!



Empfehlen möchte ich - weil heute eben leider etwas unbekannter - an dieser Stelle natürlich vor allem ein paar klassische Werke, die für Saxophon und Orchester schwerpunktmäßig in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind: Kompositionen etwa von Debussy, Heitor Villa-Lobos, Darius Milhaud oder Jacques Ibert.


Aber auch moderne Saxophon-Ensembles lassen sich immer wieder etwas Neues einfallen:



Seien es etwa mit großer Spielfreude (und verblüffenden Klangergebnissen) präsentierte Klassiker wie z. B. Bachs Kunst der Fuge (das funktioniert erstaunlich gut - Johann Sebastian wäre bestimmt sehr angetan gewesen!)

Das kleine aber feine Label TYXArt hat diese gelungene Zusammenstellung von Fugen (vom Barock bis ins 20. Jahrhundert) mit dem Dt. Saxophon Ensemble im Programm 

oder verjazzte Versionen altbekannter Hits wie Vivaldis Vier Jahreszeiten (z. B. in der Version des famosen Quintessence Saxophone Quintet) - der großartigen Erfindung von Adolphe Sax sind - auch im Bereich der Klassik - scheinbar kaum Grenzen gesetzt!

Freitag, 12. September 2014

Jean-Philippe Rameau - 250. Todestag

Und noch ein berühmter Komponist des 18. Jahrhunderts, für den in diesem Jahr ein runder Gedenktag ansteht:

Heute vor 250 Jahren starb Jean-Philippe Rameau in Paris im Alter von fast 81 Jahren (geboren wurde er in Dijon; man kennt jedoch nur sein Taufdatum: 25.09.1683).

Rameau hat eine für einen Opernkomponisten sehr ungewöhnliche Karriere gemacht – er war nämlich (als Sohn eines Organisten) für viele Jahre vor allem als Organist an verschiedenen Kirchen, unter anderem in Avignon, Clermont, Paris und Dijon tätig; über viele Jahre ist sein Lebenslauf allerdings eher lückenhaft überliefert. Ab 1722 ließ er sich dann dauerhaft in Paris nieder.

Rameau war zunächst als Komponist mehrerer Sammlungen mit Cembalomusik hervorgetreten, daneben hatte er auch ein paar Kantaten und Chorwerke geschrieben – bekannt war er aber vor allem durch seine musiktheoretischen Schriften geworden, die – aus heutiger Sicht – die moderne Harmonielehre begründen und für Musikwissenschaftler eine tragende Säule und unverzichtbare Grundlage ihrer Arbeit bilden, zu erwähnen sei hier vor allem sein Traité de l’harmonie aus dem Jahr 1722.
Ein Meilenstein in der Rameau-Diskographie: Die 1995 erschienene Einspielung von Rameaus Opern-Erstling unter der Leitung von Marc Minkowski

Nach einigen Erfahrungen in der Disziplin der Orchesterleitung kam der große künstlerische Wendepunkt in Rameaus Leben im Jahr 1733 mit der Uraufführung seiner ersten großen Oper Hippolyte et Aricie, die auf der 1677 entstandenen Tragödie Phèdre des französischen Klassikers Jean Racine basiert. Rameau hat die Oper im Rahmen späterer Neueinstudierungen in den Jahren 1742 und 1757 jeweils erneut umgearbeitet und vor allem die Ballettszenen erweitert.
... neues Cover, gleicher Inhalt: Die mustergültige Aufnahme von Marc Minkowski

Diese Oper steht ganz in der musikalischen Tradition der Kompositionen des „Übervaters“ der französischen Barockoper, Jean-Baptiste Lully (1632-87), dessen Musik in Frankreich auch fast 50 Jahre nach seinem Tod noch ausgesprochen präsent war und entsprechend gepflegt und bewundert (und dementsprechend auch nachgeahmt) wurde.

Lully hatte es verstanden, seinen Einfluss am Hofe des Sonnenkönigs Louis XIV. derart auszubauen, dass es neben ihm zu seinen Lebzeiten keinen anderen geduldeten Opernkomponisten am Hofe von Versailles gab und er konnte sich über viele Jahre in der uneingeschränkten Gunst des legendären Monarchen sonnen.

Dieser Ruhm und der aus seiner Musik resultierende künstlerische Einfluss wirkte sich auf viele nachfolgende französische (aber auch ausländische) Komponisten aus: Entweder man komponierte à la Lully oder man hatte keine Chance auf nennenswerten Erfolg, vor allem nicht im Operntheater – und schon gar nicht bei Hofe!

Im Gegensatz zur italienischen Oper der damaligen Zeit, deren Publikum stets nach Neuem und Unverbrauchtem verlangte, bildete sich somit im französischen Opernrepertoire schon Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts so etwas wie ein festes Repertoire heraus, das entsprechend gepflegt und wertgeschätzt wurde – natürlich mit Lullys Opern im Mittelpunkt!

Als nun Rameau mit Hippolyte et Aricie quasi wie aus dem Nichts und im stolzen Alter von immerhin schon 50 Jahren seine erste Oper präsentierte, war das französische Publikum - bis hin zu seiner Majestät Louis XV. - begeistert und hingerissen von dieser farbenprächtigen, modernen Musik, die trotzdem ganz in einer gekonnt in die Zukunft geführten Lully-Traditionslinie stand!

Ab da folgen nun unablässig neue Opernkompositionen verschiedenster Gattungen des nun schlagartig berühmten, mit zahlreichen Ehrungen versehenen und in den Folgejahren tatsächlich auch anhaltend erfolgreichen Rameau, z. B. Les Indes galantes (1735), Castor et Pollux (1737, für Neueinstudierungen 1754 und 1764 vom Komponisten umgearbeitet),

Les Fêtes d'Hébé und Dardanus (1739),

Platée (1745), Pygmalion (1748), Zoroastre (1749), Les Paladins (1760).
Diese CD-Box erschien anlässlich des 250. Todestages Rameaus und enthält von der Kritik hochgelobte Einspielungen (aus den letzten 40 Jahren) mehrerer Opern und Ballettmusiken, darunter: Hippolyte et Aricie (William Christie); Les Indes galantes (Jean-Francois Paillard); Castor et Pollux (Nikolaus Harnoncourt); Les Fêtes d’Hébé (William Christie); Dardanus (Raymond Leppard); Platée (Marc Minkowski); Pigmalion (Nicholas McGegan); Les Surprises de l’Amour (Marc Minkowski); Nais (Nicholas McGegan); Zoroastre (William Christie); La Guirlande (William Christie); Zephyre (William Christie); Les Boréades (John Eliot Gardiner)

Wie in französischen Opern üblich herrscht in diesen Werken ein munterer Wechsel zwischen Instrumentalstücken, Ballettszenen, rezitativischen Dialogszenen, kleineren, liedhaften Arien (die keinesfalls mit den groß angelegten, sehr kunstvollen Arien der zeitgleich entstehenden italienischen Opern zu vergleichen sind!) und Rameau erweist sich als wahrer Meister der abwechslungsreichen, farbigen Orchesterbehandlung!
Das Klischee vom verfeinerten französischen Geschmack – hier in Bezug auf Musik und Theater – hat schon seine Existenzberechtigung… ;-)

Nach seinem Tod im Jahr 1764 hinterließ er erneut eine schmerzliche Lücke im Bereich der Oper, die erst nachhaltig durch das Erscheinen Christoph Willibald Glucks in Paris im Jahr 1774 geschlossen werden konnte, der mit seinen reformatorischen Ideen (und nicht zuletzt der gekonnten Verschmelzung italienischer und französischer Einflüsse) der Oper wiederum eine ganz neue, zukunftsweisende künstlerische Ausrichtung mit auf den Weg gab und dem Musiktheater somit ganz neue Energien und eine neue, so noch nicht gekannte Ausdrucksintensität verlieh.
Rameau-Experte Minkowski begeistert hier mit der fantasievollen Zusammenstellung einer Reihe instrumentaler Sätze aus verschiedenen Opern des großen Franzosen - eine tolle Interpretation!

Lange in Vergessenheit geraten (wie so viele Komponisten des Barock), erlebt Rameaus Musik seit etwa 40 Jahren eine zunehmende Renaissance und nicht nur an französischen Opernhäusern begegnet man zumindest einigen seiner Werke heute wieder mehr oder weniger regelmäßig.
Auch Frans Brüggen überzeugt mit historischem Ensembleklang und einer Auswahl diverser Orchestersätze aus Rameau-Opern

Ich selbst muss zugeben, dass ich mir eine Oper von Rameau lieber auf der Bühne anschaue und –höre als auf CD konserviert.
Hier steht und fällt das Ganze mit wirklich exzellenten Interpretationen, die einen beim bloßen Zuhören schon packen und mitreißen und durch ihre plastische, energiegeladene Wiedergabe der Musik das fehlende Bühnengeschehen beim Hörer quasi ersetzen. Dieses Kunststück gelingt leider nicht immer.

Italienische Barockopern sind mir zum bloßen Anhören einfach lieber, da sie ja von ihrer Konzeption her eigentlich eh nichts anderes darstellen als „virtuose Gesangsrevuen im Kostüm“ (um das jetzt mal ganz geringschätzig zu formulieren!) und man somit auf den meist eh austauschbaren szenischen Aspekt meiner Meinung nach getrost verzichten kann.

Französische Opern von Lully, Rameau & Co. haben viel eher den Anspruch eines Gesamtkunstwerks, da es hier eben nicht nur auf den Gesangsaspekt sondern eben auch den optischen Eindruck ankommt, der durch die zahlreichen szenischen Effekte, Tanzeinlagen und Chorauftritte bestimmt wird.
... noch eine rein instrumentale Rameau-Zusammenstellung, die daher auch Nicht-Opernfreunden gefallen dürfte!

Ohne diese optische Komponente ist für mich das bloße Anhören dieser Opern daher irgendwie immer etwas unvollständiges, zumal die Musik durch ihre Kleinteiligkeit beim bloßen Zuhören einen oft eher etwas unzusammenhängend zusammengewürfelten Eindruck hinterlässt (mir geht das jedenfalls so) – man kann sich nirgends so wirklich „Festhören“, es fehlt einfach der Aspekt des Zuschauens, um die großen Szenentableaus (die sich jeweils aus eben diesen vielen kleinen Musikstücken kunstvoll zusammensetzen) wirklich in ihrer künstlerischen Ganzheit erfassen und richtig würdigen zu können.

Gerne erinnere ich mich n dem Zusammenhang an eine gelungene Inszenierung von Castor et Pollux, die ich vor über 10 Jahren in Bonn besucht habe und natürlich an die tolle Aufführung der Platée, die ich Anfang des Jahres 2011 in Düsseldorf erleben konnte!

Im Rahmen solcher Aufführungen kann man am besten nachvollziehen, was den besonderen Reiz von Rameaus Opernkunstwerken ausmacht – ein lange vernachlässigter Komponist, bei dem es noch viel zu entdecken und genießen gibt!
Es muss halt nicht immer eine neapolitanische Opera seria sein, wenn es mal um barocke Opernkunst des 18. Jahrhunderts geht…

Mittwoch, 2. Juli 2014

Christoph Willibald Gluck - 300. Geburtstag

Nichts gegen Jubilare wie Richard Strauss oder den ebenfalls im Jahr 1714 geborenen Carl Philipp Emanuel Bach, aber mir persönlich liegt als Opernfan (und hier besonders des 18. Jahrhunderts) der heutige 300. Geburtstag von Christoph Willibald Gluck von allen Komponistenjuiläen des Jahres 2014 ganz besonders am Herzen! Zumal dieser sehr zu Unrecht in den letzten Jahrzehnten doch ein wenig ins Abseits geratene Künstler durchaus ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient hätte!

Geboren am 2. Juli 1714 in Erasbach in der Oberpfalz als Sohn eines Försters war dem kleinen Christoph Willibald eine große Musikerkarriere sicher nicht in die Wiege gelegt worden, ein Schicksal, das er z. B. mit dem gut 2 Generationen älteren Kollegen Georg Friedrich Händel (1685-1759) teilt, der ebenfalls in eine Familie von Nicht-Musikern hineingeboren wurde - beide Komponisten haben sich übrigens im Jahr 1746 in London kennengelernt und dort auch zusammen musiziert!
Ähnlich wie einige andere berühmte Opernkomponisten (z. B. Wagner, Verdi oder Puccini) hat auch Gluck nur wenige Werke hinterlassen, die nicht für die Bühne gedacht waren, dazu gehören unter anderem einige Triosonaten und Sinfonien im frühklassischen Stil und ein paar geistliche Werke 

Als Gluck im Alter von 73 Jahren am 15.11.1787 in Wien starb, war er allerdings eine europäische Berühmtheit im Bereich der Oper – er hat also eine wirklich erstaunliche und ausgesprochen abwechslungsreiche Karriere machen können, wobei seine ereignisreiche Biographie jedoch für die erste Lebenshälfte (also die Zeit, bevor er zu internationalem Ruhm gelangte) bis heute mehrere nicht mehr dokumentierbare Lücken aufweist, genauso wie leider ein nicht unerheblicher Teil seiner Kompositionen (zumeist die aus der frühen italienischen Zeit) verschollen und wahrscheinlich für immer verloren ist.

Und wenn in diesen wenigen Sätzen nun bereits schon Orte wie London, Wien und Italien erwähnt wurden, dann täuscht der Eindruck nicht: Gluck ist in seinem Leben – ähnlich wie Mozart - viel in Europa herumgekommen, neben den schon erwähnten Orten (in Italien war er übrigens unter anderem in Mailand, Neapel, Turin, Bologna, Rom und Venedig tätig) hat er auch in Prag, Kopenhagen, Dresden und – natürlich! - Paris (hier feierte er seine wohl größten Opernerfolge) seine künstlerischen Spuren hinterlassen. Für einen Künstler des 18. Jahrhunderts finde ich das wirklich ganz beachtlich!
Die aktuelle Gluck-Jubiläumsbriefmarke der Dt. Post  - schön, dass eine solche gibt, aber das Motiv gefällt mir nicht so besonders...

Nach musikalischen Anfängen im Böhmischen (er galt später vor allem als guter Cembalospieler), in Prag und Wien, beginnt Glucks Karriere als Opernkomponist im Jahr 1741 (da ist er immerhin schon 27 Jahre alt) im Geburtsland der Oper in Mailand mit einer Vertonung des von zahlreichen seiner Komponistenkollegen bereits mehrfach vertonten „Librettoklassikers“ Artaserse. Zu diesem Zeitpunkt konnte Gluck natürlich noch nicht ahnen, dass er in seinen späteren Wiener Jahren tatsächlich einmal mit dem legendären und hochberühmten Dichter dieses Operntextbuchs, Pietro Metastasio (1698-1782), in Wien im Auftrag der kaiserlichen Familie höchstselbst zusammentreffen und -arbeiten würde!
... die Sondermarke aus dem Jahr 1987 (= 200. Todestag) finde ich viel gelungener!

Bevor aus Gluck der für die Musikgeschichte so bedeutende „Opernreformator“ werden sollte, liefert er jedoch zunächst über viele Jahre munter eigene Beiträge zur von ihm später so heftig kritisierten Gattung der Opera seria, bzw. des Dramma per musica, wie man die repräsentativen, abendfüllenden Opern ernsten Inhalts damals nannte.
Als Textgrundlagen für diese Opern dienen fast ausschließlich die vielfach vertonten Textbücher Metastasios (das ist zu der Zeit eigentlich Standard) und da Gluck nach Beendigung seines Italienaufenthalts 1745 mehrfach mit umherrreisenden Operntruppen unterwegs war (die vor allem in Städten ohne eigene Opernhäuser auftraten), erleben seine nächsten Opern ihre Uraufführungen an so unterschieldichen Orten wie London, Kopenhagen, Prag, Wien, Dresden und dann noch einmal in Italien, nämlich im legendären Teatro San Carlo in Neapel, wo im Herbst 1752 Glucks La Clemenza di Tito (ein weiterer Librettoklassiker Metastasios) uraufgeführt wurde.
Auch nicht übel: Österreichs Gluck-Markenmotiv aus dem Jahr 1987! 

Die Tatsache, dass Gluck zu diesem Zeitpunkt ein solches Engagement vom Impresario eines der zur damaligen Zeit wohl berühmtesten und renommiertesten Operntheater Italiens angeboten bekommt, zeigt, dass er sich im Laufe der Jahre ein ziemliches Renomee erarbeiten konnte, denn einen solch ehrenvollen Auftrag erhielt natürlich nicht jeder (nach dazu ein Nicht-Italiener)!

Ab 1753 wird Gluck dann jedoch sesshaft und lässt sich dauerhaft in Wien nieder, wo er – abgesehen von zum Teil ausgedehnten Reisen und Aufenthalten an Orten, wo er Opernaufträge zu erfüllen hat – bis zu seinem Lebensende auch bleiben wird. In Wien hatte er bereits im Zeitraum von ca. 1734 bis 1737 gelebt (genauer lässt sich das nicht eingrenzen), 1748 seine Oper Semiramide riconosciuta (auf ein Textbuch von Metastasio natürlich!) zur Aufführung gebracht und im Jahr 1750 die wohlhabende Bürgerstochter Maria Anna Bergin (1732-1800) geheiratet – ihn verband also einiges mit dieser Stadt, die überdies ja auch ein wichtiges musikalisches Zentrum war.

Glucks Kontakte zum habsburgischen Hof um Maria Theresia und ihre zahlreichen Kinder intensivieren sich nun und er erhält mehrfach Aufträge für kleiner dimensionierte Opernwerke (die sich dann beispielsweise Azione teatrale, Serenata teatrale oder Festa teatrale nennen) und die für Festivitäten gedacht sind, die ganz intim im Rahmen der kaiserlichen Familie stattfinden (die jungen Erzherzoginnen und –herzöge singen und musizieren allesamt nicht untalentiert - ganz so, wie es einst bereits ihre hochwohlgeborene Frau Mama in jüngeren Jahren getan hatte!) – für Glucks Ansehen und „Marktwert“ sind diese Kompositionsaufträge sicherlich mehr wert als für seine künstlerische Weiterentwicklung…
Das wohl bekannteste Werk aus diesem Umfeld dürfte wohl die auch heute noch gelegentlich aufgeführte Azione teatrale Le Cinesi sein (das Textbuch stammt natürlich vom kaiserlichen Hofdichter Metastasio…), die 1754 ihre exklusive Premiere erlebt – „à la chinoise“ (oder zumindest das, was man sich darunter so vorstellt) ist zu der Zeit beim europäischen Adel gerade schwer en vogue...
Von allen "kleinen" Opern Glucks (also den sogenannten Serenate oder Azione teatrale, die in der Regel für den Wiener Hof entstanden) ist Le Cinesi bis heute das am häufigsten aufgeführte Werk, das aufgrund seiner kleinen Besetzung auch im Rahmen kleinerer Festspiele oder Konzerte gegeben werden kann und keine große Opernbühne braucht, um seine charmante Wirkung zu entfalten!

In Wien gab es zu der Zeit ganz neu ein Französisches Theater (die Annäherung Österreichs an Frankreich hatte vor allem außenpolitische Gründe), das meines Wissens im Burgtheater angesiedelt war und wo man aus Paris importierte Opéra comqiues (in französischer Sprache) spielte – kürzere, unterhaltsame Singspiele, deren in der Regel einfach gehaltene Musiknummern meist in liedhafter Strophenform daherkommen.
Vom Theaterintendanten, dem einflussreichen Grafen Giacomo Durazzo (1717-94), protegiert, engagiert sich Gluck in den nächsten Jahren sehr für diese französischsprachigen Opern, die ihm eine ganz neue musikalische Bühnenwelt erschließen: Diese Stücke sind ganz anders als die virtuosen Gesangsrevuen neapolitanischer Machart, die er bisher für die Opernbühne komponiert hat!
Gluck bearbeitet zu Beginn lediglich die importierten französischen Opern und richtet sie für die Verhältnisse vor Ort ein, indem er Form und Machart der simplen Strophenlieder der Vorlagen zunächst übernimmt; seine eigenständig entwickelten kompositorischen Beiträge zu diesen Stücken werden jedoch zunehmend größer und gipfeln schließlich in der 1764 uraufgeführten Oper La rencontre imprévue ou Les pélerins de la Mecque (Die Pilger von Mekka) in einem völlig eigenständigen Stil, der seinerseits zur späteren Entstehung des deutschsprachigen Singspiels (z. B. Mozarts Die Entführung aus dm Serail von 1782) entscheidend beigetragen hat!

Nicht nur die Pilger von Mekka werden alsbald auch in deutscher Sprache gespielt und erfreuen sich großer Beliebtheit beim Publikum.

Leider warten gerade diese Opern Glucks in der heutigen Zeit noch immer auf eine nachhaltige Wiederbelebung – und gerade hier bin ich aber pessimistisch: In einer Zeit, in der man generell an klassischen Opéra comqiues (z. B. von Grétry, Boieldieu, Auber oder Adam) nicht mehr sonderlich interessiert zu sein scheint und diese – zumal auf der Bühne – eigentlich gar nicht mehr anzutreffen sind, haben es natürlich auch Glucks Beiträge zu dieser vernachlässigten Gattung schwer…!

Im Umkreis des umtriebigen Grafen Durazzo haben sich in Wien zu Beginn der 1760er Jahre weitere ausgesprochen kreative und fähige Köpfe zusammengefunden, so der Dichter Ranieri de‘ Calzabigi (1714-95) und der Choreograph Gasparo Angiolini (1731-1803). Und in Zusammenarbeit mit diesen Herren entstehen dann auch Glucks erste „Reformwerke“ für das Theater, die ein Zurück zu größerer Wahrheit und Klarheit der auf der Bühne dargestellten Handlung bewirken sollen.

Es ist sicher kein Zufall, dass zur selben Zeit (also grob im Zeitraum zwischen 1760 und 1780) in der deutschen Literatur die Sturm und Drang-Bewegung vorherrscht, die zum einen das „echte, ungekünstelte Leben“ auf die Theaterbühnen zu bringen versucht und zum anderen auch ein ganz neues Selbstverständnis der meist sehr jungen Autoren propagiert: Man sieht sich als Dichter nicht mehr als Handwerker, als bloße Auftrags-Verseschmiede, sondern fühlt sich als „Genies“, als schöpferisch wirkende und damit zu Höherem berufene Künstler! Das bis heute nachwirkende Bild des kreativen und genialen Künstlers (mit all den damit zusammenhängenden Klischees) entsteht in dieser Zeit.
Sehr schön musiziert wird das abwechslungsreiche Don Juan-Ballett unter der Leitung von Neville Marriner - Höhepunkt ist natürlich die furiose Höllenfahrt des Helden am Ende!

Aus mehreren schriftlichen Zeugnissen geht hervor, dass Gluck und vor allem auch Calzabigi sich und ihre Rolle als Operntextdichter und –komponist ähnlich sahen: Sie hatten eine Mission und die bestand immerhin darin, die über Jahrzehnte verkrustete, institutionalisierte und ritualisierte Form der Oper zu reformieren und diese Kunstgattung zu neuer Aussagekraft zu führen!

Eine klangschöne Aufnahme des Orfeo aus dem Jahr 1991 mit dem von mir geschätzten Countertenor Derek Lee Ragin in der Titelrolle (diese Aufnahme ist auch in der weiter unten erwähnten neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten).

Die in diesem Zusammenhang in Wien entstandenen Werke wie das Ballett Don Juan ou Le festin de pierre (UA 1761), die Azione teatrale Orfeo ed Euridice (UA 1762) sowie die abendfüllenden Opern Alceste (UA 1767) und Paride ed Elena (UA 1770) werden vom Publikum dann zwar durchaus interessiert aber auch mit Irritation und teilweise Unverständnis aufgenommen. Viele empfinden die Werke als zu düster und traurig und nur wenige erkennen die radikal neuen Ideen und Ansätze, die diesen Stücken innewohnen und stilistisch wie ästhetisch weit in die Zukunft weisen! Sowas ist allerdings in der Kunstgeschichte immer wieder vorgekommen…
Eine sehr gelungene Aufnahme der italienischen Alceste-Version aus dem Hause NAXOS - die musikalische Leitung dieser Produktion aus dem schwedischen Drottningholm Theater hat der Alte Musik-Experte Arnold Östman!

Eine der ganz wenigen Aufnahmen der ziemlich unbekannt gebliebenen Reformoper Paride ed Elena mit dem Ensemble La Stagione unter der Leitung von Michael Schneider

Die derzeit neueste Einspielung von Paride ed Elena unter der Leitung von Paul McCreesh (diese Aufnahme ist ebenfalls in der weiter unten erwähnten neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten)

Die Wirkung dieser neuartigen Opern in Wien war also nicht wirklich durchschlagend gewesen und nun traf es sich für Gluck ausgesprochen günstig, dass man dem berühmten Wiener Komponisten aus Paris den Auftrag erteilte, für die französische Hauptstadt gleich sechs (!) seiner neuartigen Opern zu komponieren (Gluck hatte mit Kompsoitionen in französischer Sprache ja zum Glück bereits eine Menge Erfahrung gesammelt!), um auch dort für einen frischen musikalischen Wind zu sorgen, denn auch die französische Oper hatte sich seit den glorreichen Tagen eines Jean-Baptiste Lully (1632-87) und dann nochmal eines Jean-Philippe Rameau (1683-1764) nicht mehr wirklich weiterentwickelt und man wartete auch hier sehnsüchtig auf neue künstlerische Impulse.

Nicht zuletzt Glucks Librettist, der instinktsichere Marquis du Roullet (1716-86), hatte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf gehabt, dass dieser Auftrag aus Paris an den Wiener Komponisten erging. Begünstigt wurde die Entscheidung sicher auch dadurch, dass Gluck mit seiner ehemaligen Musikschülerin Marie-Antoinette, der Tochter Maria Theresias, als frisch vermählter Gattin des franzöischen Thronfolgers (und späteren Königs Ludwig XVI.) eine machtvolle Fürsprecherin an höchster Stelle in Paris besaß!

Auch die Iphigénie en Aulide ist nicht wirklich oft auf Tonträger festgehalten worden, umso schöner, dass es diese gelungene Aufnahme unter der Leitung von John Eliot Gardiner gibt! Auch diese Aufnahme ist in der neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten.

Und so nahm die wohl größte Erfolgsgeschichte im Leben Glucks ihren Lauf:
Im April 1774 wird die Oper Iphigénie en Aulide in Paris uraufgeführt (das Textbuch stammt vom bereits erwähnten Monsieur du Roullet) und schlägt wie eine Bombe ein – Glucks bis dahin wohl spektakulärster Opernerfolg! Tout Paris ist im Iphigenie-Fieber – die langersehnte Erneuerung der französischen Oper scheint endlich Wirklichkeit geworden zu sein durch die prägnante Musiksprache des Komponisten aus dem fernen Wien!
Im Jahr 2004 erschien diese Aufnahme der französischen Version von Orpheus und Eurydike aus dem Jahr 1774 - diese Fassung war lange Zeit nicht mehr auf Tonträgern zu bekommen gewesen (es existieren ältere Einspielungen, die noch in Mono aufgenommen wurden!) und umso willkommener war daher diese energiegeladene, exzellent gesungene  Neuproduktion! Auch diese Aufnahme ist in der neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten.

Um den erzielten Erfolg richtig auszukosten lässt man bereits im August 1774 den geschickt nach französischen Gepflogenheiten und Erwartungen umgearbeiteten Wiener Orfeo folgen, jetzt Orphée et Euridice betitelt (zu dieser Oper, die zu meinen absoluten Lieblingsopern gehört, muss ich demnächst unbedingt mal einen eigenen Artikel verfassen!) und landet damit erneut einen Volltreffer!

Glucks Befürworter und Gegner (die die Zukunft auch der französischen Oper eher in der Ästhetik italienischen Oper sehen) beharken sich ausgiebig und lustvoll in der Pariser Öffentlichkeit und spätestens jetzt ist Gluck (der sich aus diesen Streitigkeiten diplomatisch heraushält) ein Superstar – protegiert und fürstlich entlohnt vom französischen Hof, porträtiert auf Gemälden und Büsten und nun endlich auch vom heimischen Wiener Hof gebührend geehrt – man verleiht ihm den Titel eines Hofkompositeurs (ohne dass damit irgendwelche Verpflichtungen verbunden wären!), ein Posten, der ebenfalls mit einem stattlichen Jahresgehalt verbunden ist! Wahrscheinlich war man – nach allem, was da an Nachrichten aus Paris über Glucks sensationelle Erfolge in der Fremde nach Wien gelangte – gehörig stolz auf den dem Kaiserhaus ja nun schon seit vielen Jahren eng verbundenen Musiker und wollte diesen entsprechend an sich binden, ohne ihn in seiner künstlerischen Entfaltung irgendwie einzuschränken. Von solcher Anerkennung und solch großzügigen Zuwendungen durch den Wiener Hof hat ein Wolfgang Amadé Mozart sein Leben lang leider nur träumen können…
Übrigens verkehrte Mozart in den 1780er Jahren mit Gluck auf respektvoller und durchaus freundschaftlicher Ebene und Gluck lobte Die Entführung aus dem Serail des deutlich jüngeren Kollegen ausdrücklich und setzte sich sogar für Aufführungen dieser Oper ein!
Die französische Fassung der Alceste von 1776 ist ebenfalls sehr selten aufgenommen worden - mir ist eigentlich nur diese immerhin sehr gelungene Einspielung aus München unter der Leitung von Serge Baudó aus dem Jahr 1982 bekannt! 

Nachdem du Roullet die Wiener Alceste in die französische Alceste (nun „Alzäst“ statt bisher italienisch „Altscheste“ ausgesprochen!) umgetextet und Gluck eine sehr umfangreiche Revision seiner acht Jahre alten Komposition vorgenommen hat (wobei er konsequent einige von ihm selbst als zu langatmig geratene Passagen zusammenstreicht und mehr Abwechslung durch einen vorher nicht vorhandenen Auftritt des Helden Hreakles im 3. Akt schafft) wird diese Oper im April 1776 erstmals in Paris gegeben, die Premiere war zwar ein Misserfolg, weitere Aufführungen brachten dann aber doch noch den erhofften Beifall.
Auch die Armide gehört eher zu den Steifkindern auf dem Opern-Tonträgermarkt! Diese 1999 erschienene Einspielung unter der Leitug von Marc Minkowski ist nach wie vor die neuste unter den wenigen existierenden Aufnahmen - und mit Sicherheit die gelungenste! Auch diese Aufnahme ist in der neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten. 

Mit seiner nächsten Oper für Paris, der 1777 uraufgeführten Armide landet Gluck dann noch einen ganz besonderen Coup: Er vertont ein über 100 Jahre altes Libretto in uveränderter Form komplett neu, ganz in seinem Stil und erzielt erneut einen außerordentlichen Erfolg!
Das Besondere an diesem alten Libretto von Philippe Quinault (1635-88) ist, dass es 1686 durch den Hofkompositeur des legendären Sonnenkönigs Ludwig XIV. vertont wurde und in Franrkeich seitdem als ein absoluter Klassiker der Opernbühne galt. Das wäre ungefähr ebenso, als wäre rund 100 Jahre nach der Premiere der Zauberflöte ein, sagen wir, französischer Komponist in Wien auf die Idee gekommen, das Libretto von Emanuel Schikaneder ein zweites Mal zu vertonen – und damit auch noch sensationell erfolgreich gewesen! Man kann sich vorstellen, was nach der Premiere der Gluckschen Armide los war, wenn man an die zuvor ja schon herrschenden „Fraktionskämpfe“ denkt!

Bei allen diesen Opernproduktionen ist Gluck in die gründliche und sorgfältige Probenarbeit eingebunden (da legt er großen Wert drauf!) und überhaupt ist die Herangehensweise an seine Pariser Opern eine ganz neuartige: Hier entstehen nicht mehr „Fließbandproduktionen“ mit darin enthaltenen, beliebig austauschbaren Virtuosenstücken, wie es in der italienischen Opera seria jahrzehntelang Gültigkeit hatte (und was auch in den italienischen Opern aus Glucks Anfangsjahren absolut üblich war) – nein, diese neuen Opern sind werden als ganz eigenständige Kunstwerke angesehen, mit einer jeweils ganz auf das Stück bezogenen musikalischen Aussage! Die moderne Oper als individuelles Kunstwerk ist entstanden – vom Künstler als solches konzipiert und vom Publikum als solches akzeptiert. Die Verwirklichung dieses hohen künstlerischen Anspruchs ist der bleibende Verdienst Glucks in der Musikgeschichte.
Für mich gehört die Aufnahme von Iphigénie en Tauride (erschienen 1985) unter der Leitung von John Eliot Gardiner nach wie vor zu den empfehlenswertesten Einspielungen dieser Oper. Auch diese Aufnahme ist in der neuen DECCA-Box "Gluck - The Great Operas" enthalten. 

Im Mai 1779 schließlich erlebt die Oper Iphigénie en Tauride ihre umjubelte Pariser Premiere und dann erleidet der erfolgsverwöhnte Gluck im September desselben Jahres mit seiner Oper Echo et Narcisse einen Misserfolg, an dem auch eine Umarbeitung im Folgejahr nichts ändern kann. Diese sicher interessante letzte Gluck-Oper ist bis heute unbegreiflicherweise ein „Schmerzenskind“ geblieben, die auf den Bühnen nicht gespielt wird und deren einzige mir bekannte Aufnahme seit Jahren vergriffen ist (und selbst jetzt im Gluck-Jahr nicht noch einmal neu herausgebracht wurde)!
Die bis heute einzige (!) Aufnahme der Oper Echo et Narcisse aus dem Jahr 1987 unter der Leitung von René Jacobs. Seit Jahren vergriffen und somit auch im Gluck-Jahr 2014 nicht mehr erhältlich - Schade eigentlich...

Verbittert über die Reaktionen des Publikums und der Presse verlässt Gluck die französische Hauptstadt und kehrt endgültig nach Wien zurück; spätere Pläne, doch noch einmal nach Paris zurückzukehren, werden durch den angeschlagenen Gesundheitszustand des Meisters (mehrere Schlanganfälle!) vereitelt. Er betreut noch eine in deutscher Sprache produzierte Wiener Fassung der Iphigenie auf Tauris im Jahr 1781 und kann erleben, wie auch weitere seiner (Pariser) Opern in Wien erfolgreich gegeben werden. Sein wohl letztes Werk, ein De profundis (eine seiner wenigen geistlichen Kompositionen) wird dann auch im Rahmen seiner Begräbnisfeier unter der Leitung von Antonio Salieri (1750-1825), der von Gluck in den Jahren zuvor protegiert worden war (und sich auch als dessen Schüler bezeichnete, ohne von diesem jemals wirklich unterrichtet worden zu sein), aufgeführt.

Sehr interessant ist nun der Umgang der Nachwelt mit der künstlerischen Hinterlassenschaft Glucks:
Lange gerühmt und als Vorbild betrachtet werden seine großen, für Paris produzierten Opern – sie bilden quasi den Grundstock des „musikalischen Klassizismus“, der grob in den Jahren zwischen 1780 und 1810 die Opernbühnen vor allem Frankreichs und Deutschlands beherrscht, zumindest, was die repräsentative, ernste Oper anbetrifft.
In diesem Stil komponieren z. B. Salieri (hier vor allem die Oper Les Danaïdes, die 1784 in Paris unter dem werbewirksamen aber falschen Etikett eines Gluck-Salieri-Gemeinschaftswerks uraufgeführt wird), Mozart (dessen 1781 in München uraufgeführter Idomeneo ohne Glucks maßstabsetzende „Vorarbeiten“ so ganz gewiss nicht hätte entstehen können – ebenso wie die 1791 komponierte La clemenza di Tito!), aber auch Komponisten wie Luigi Cherubini (1760-1842) oder Gasparo Spontini (1774-1851).

Zu Glucks Bewunderern im 19. Jahrhundert zählen unter anderem Hector Berlioz (1803-69) und Richard Wagner, beide interessanterweise ebenfalls Künstler mit dem hohen Anspruch an sich selbst, reformierend in den Verlauf der Musikgschichte eingreifen zu müssen. Von beiden Komponisten stammen auch Bearbeitungen Gluckscher Opern, die dem aktuellen Zeitgeist angepasst wurden (im 19. Jahrhundert war man da noch nicht zimperlich, was den Begriff der „Werktreue“ anging…) – was dazu führte, dass zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Opern wie Alceste oder dem Orfeo (beides übrigens Werke, die nach wie vor in den Spielplänen der Opernhäuser vertreten waren - genau wie die beiden Iphigenie-Opern!) seltsame Mischfassungen existierten, die teilweise auf den italienischen Erstfassungen basierten, zum Teil Elemente aus den französischen Zweitfassungen integrierten, oder umgekehrt verfuhren…

Daneben existierten – quasi außer Konkurrenz – auch noch einige der in Wien entstandenen Opéra comiques, die vor allem auf deutschen Bühnen (in deutscher Sprache) neben ähnlichen Werken von Komponisten wie Auber oder Boieldieu gerne gespielt wurden.

Wenn man sich Darstellungen der Operngeschichte aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert anschaut (z. B. die von Oscar Bie aus dem Jahr 1913), dann erhält man den Eindruck, dass die ernstzunehmende Geschichte des Musiktheaters tatsächlich erst mit Gluck – und ganz konkret mit dem Orfeo aus dem Jahr 1762 – beginnt. Alles, was es in den 150 Jahren davor in der Welt der Barockoper gegeben hat, wird gönnerhaft als unbedeutend und für die moderne Bühne als untauglich abgetan! Es erscheint zu diesem Zeitpunkt völlig unvorstellbar, dass sich Opern von Komponisten wie Händel, Vivaldi oder gar Monteverdi jemals wieder als repertoiretaugliche Werke etablieren könnten!

Das Gleiche gilt natürlich auch für Glucks Opernschaffen vor dem Orfeo! Hier herrscht jahrzehntelang große Gleichgültigkeit und Desinteresse!
Amüsant ist es, das Bemühen vieler Biographen und Operngeschichtsverfasser zu verfolgen, die Glucks Laufbahn als die eines von Anfang an zielgerichtet handelnden Reformators darzustellen versuchen. Da wird das Frühwerk (also die ganzen Opern, die auf Libretti Metastasios basieren) als eine Art „Übungs“- oder „Aufwärmphase“ klassifiziert, frei nach dem Motto „man muss das, was man reformieren will, schließlich gut kennen“…
Umso schwerer tun sich die Biographen dann mit den zahlreichen „ästhetischen Rückfällen“ Glucks – denn wie soll man es zum Beispiel glaubhaft erklären, dass er nach dem Meilenstein seines Orfeo im Jahr darauf tatsächlich wieder eine „herkömmliche“ Metastasio-Oper, nämlich Il trionfo di Clelia für Bologna komponiert oder ebenfalls 1763 eine Neufassung seiner Oper Ezio herausbringt?

Ich bin sicher, dass diese stilistische „Zweigleisigkeit“ für Gluck kein Widerspruch war – in Wien hatte er einfach das Glück gehabt, mit dem Kreis um den Intendanten Durazzo und Ranieri de‘ Calzabigi eine Gruppe künstlerisch Gleichgesinnter zu treffen, mit denen er vor Ort (aber eben auch nur dort!) seine neuartigen Opernprojekte verwirklichen konnte. Außerdem kann man an den Partituren der beiden genannten Opern des Jahres 1763 sehr gut erkennen, dass Gluck durchaus neu gewonnenen Erkenntnisse in diese Werke hat einfließen lassen!

Erst nach seinen großen Erfolgen in Paris (und der damit verbundenen wirtschaftlichen Unabhängigkeit) hätte er es sich leisten können, auch einen lukrativen Kompositionsauftrag für eine Oper im „althergebrachten“ neapolitanischen Stil abzulehnen – dies hätte er aber wohl auch aus seinem künstlerischen Selbstbewusstsein heraus dann eh nicht mehr getan…

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trifft man dann Glucks komische Opern immer seltener auf den Spielplänen an – ebenso wie die Opern von Auber & Co., was (wie oben schon erwähnt) bis heute ja leider so geblieben ist.
Aber auch die einstmaligen, jahrzehntelangen Repertoiresäulen wie Alceste oder die beiden Iphigenien werden längst nicht mehr so regelmäßig aufgeführt (immerhin macht man sich seit einigen Jahren die Mühe, die verschiedenen Wiener und Pariser Fassungen wieder deutlich voneinander zu trennen und die Opern „sortenrein“ aufzuführen!) – die Werke, die man zur Gattung des von Gluck begründeten Opernklassizismus rechnen kann, sind von der Wiederentdeckung der Belcanto-Oper des frühen 19. Jahrhunderts (also Werke von Rossini, Bellini und Donizetti) ziemlich verdrängt worden. Das Publikum erfreut sich seit den Tagen einer Maria Callas, Joan Sutherland, Marilyn Horne oder Edita Gruberova lieber an spektakulären Gesangsnummern aus der „Belcanto-Küche“, statt den über weite Strecken in zwar hochdramatischen, aber doch eben auch oft recht gleichförmigen und langatmigen Rezitativen verlaufenden Opern eines Cherubini, Spontini und leider eben auch Gluck zu folgen…

Und so ist es eigentlich eine logische Entwicklung (die vor, sagen wir, 15 oder 20 Jahren noch überhaupt nicht absehbar war), dass – zunächst zaghaft, dann aber immer vehementer - Glucks frühe italienische Opern in den Fokus des musikalischen Interesses geraten!

So etwas wie eine Initialzündung lieferte die famose Cecilia Bartoli, die im Jahr 2001 mit ihrem Album “Gluck Italian Arias“ eine Auswahl bis dahin fast durchweg noch niemals auf Tonträger erschienenen Arien aus Metastasio-Opern Glucks vorlegte. Und überrascht musste man feststellen, was da für erstaunliche, hochdramatische und musikalisch mitreißende Perlen zum Vorschein kamen! Dabei hatte man als Opernfan doch immer und immer wieder zu lesen und hören bekommen, dass Glucks italienisches Frühwerk „lediglich“ eine Art Vorstufe zu seinen späteren reformatorischen Meisterwerken darstellt und somit ohne größere Bedeutung, geschweige denn künstlerische Aussagekraft sei! Die Neugier des Publikums war jedenfalls deutlich geweckt worden!

Und so war es dann auch nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Gesamtaufnahmen dieser Opern produziert wurden – diese Tatsache wurde noch dadurch begünstigt, dass in den letzten Jahren ja auch die Countertenöre in puncto Beliebtheit, Gesangstechnik und Experimentierfreudigkeit einen enormen, bisher so nicht gekannten Aufschwung erlebt haben und nun die ursprünglich für Kastraten vorgesehenen Partien in diesen Opern übernehmen können. Ein ausgesprochen praktischer Doppeleffekt!
Für mich die gelungenste der drei derzeit erhältlichen Ezio-Einspielungen: Die im Jahr 2007 bei Coviello Classics erschienene Aufnahme unter der Leitung von Andreas Stoehr. Die Rolle des Valentiniano singt Max Emanuel Cencic, Mariselle Martinez eine fantastische Fulvia! 

Fast schon absurd scheint es, dass die Oper Ezio in den Jahren 2007, 2008 und 2011 in gleich 3 (!) verschiedenen Einspielungen auf dem Markt erschien (darunter neben der zweimal vertretenen Prager Fassung von 1750 immerhin auch einmal die Wiener Version von 1763)! Da fragt man sich wirklich, was das denn nun soll?
2008 erschien die nächste Ezio-Aufnahme bei OEHMS Classics - eine Produktion der Ludwigsburger Schlossfestspiele unter der Leitung von Michael Hofstetter - es handelt sich um die von Gluck bearbeitete Neufassung seiner ursprünglich im Jahr 1750 in Prag uraufgeführten Oper, die er für eine Auffühung im Jahr 1763 in Wien herausbrachte. Er ersetzte einige Arien durch Material aus seinen anderen Opern, strich und kürzte das Ganze - konnte letztlich mit dieser Version aber keinen bleibenden Erfolg erzielen. 

Es gibt noch eine ganze Reihe Gluck-Opern, die sicher hochinteressant sind (und – nicht ganz unwichtig – deren Partitur vollständig erhalten ist!), von denen bis heute aber noch nie eine Gesamtaufnahme erschienen ist (z. B. der Telemaco von 1765) – muss man denn da unbedingt eine Opernrarität gleich mehrfach auf den Markt bringen, statt sich vielleicht sinnvoll zu ergänzen?!?
Im Jahr 2011 erschien absurderweise eine weitere (die insgesamt dritte!) Gesamtaufnahme der zuvor völlig unbeachteten Oper Ezio bei Virgin Classics (jetzt ERATO) unter der Leitung von Alan Curtis. Die Rolle des Valentiniano singt erneut Max Emanuel Cencic, Ann Hallenberg die Fulvia.

Überhaupt ist die Reaktion auf das runde Gluck-Jubiläum (wie zu befürchten war) von Medien, Plattenfirmen und Bühnen leider nicht allzu groß – jedenfalls steht sie in keinem Vergleich zu dem, was im vergangenen Jahr zu Wagners 200. Geburtstag los war!

Es gibt natürlich einige Opernaufführungen zu Ehren des Jubilars, aber hier trifft man am häufigsten auf den eigentlich eh immer im Spielplan präsenten Orfeo (viele Intendanten scheuen wohl das Risiko, Unbekanntes ins Programm zu nehmen) und mittlerweile sind ja selbst Werke wie Alceste oder die beiden Iphigenie-Opern so selten in den Spielplänen vertreten, dass man froh ist, diese Stücke überhaupt mal wieder in Opernprogrammen verschiedener Häuser erscheinen zu sehen… (oder bin ich da zu hart im meinem Urteil?)

Auf dem CD-Sektor sieht es in puncto Neuerscheinungen leider auch nicht viel besser aus: Es gibt eine bei DECCA erschienene Gluck-Box “The Great Operas“, die seine bekanntesten Opern enthält – allesamt in künstlerisch hochwertigen Aufnahmen aus den letzten 10 bis 20 Jahren (die zum Teil auch schon länger vergriffen waren), aber eben alles keine Neueinspielungen!
Vielleicht ist die Konkurrenz zum anderen „Opernjubilar“ dieses Jahres (Richard Strauss) hier dann doch zu groß und somit zu Ungunsten des älteren Gluck ausgefallen? Auch Plattenfirmen haben leider nicht mehr so viel Geld wie früher…

Ganz frisch erschienen ist bei DECCA eine Zusammenstellung von Tenor-Arien aus verschiedenen Gluck-Opern mit dem jungen Tenor Daniel Behle. Während noch vor 15 oder 20 Jahren hier wahrscheinlich keine einzige Arie aus einer Metastasio-Oper dabei gewesen wäre, sind diese nun in der Mehrzahl (7 von 10)! Es gibt darüberhinaus noch je eine Arie aus La rencontre imprévue (erstaunlich, aber auch sehr erfreulich!), aus Iphigénie en Aulide und aus dem Orphée natürlich Glucks berühmteste Arie überhaupt, das anrührende "J'ai perdu mon Eurydice" - eine lobenswerte Neuerscheinung mithohem Repertoirewert, auch wenn mir Behles Tenorstimme nicht in allen Arien wirklich zusagt.
Eine wirklich rundum gelungene Aufnahme gibt es dann aber doch und sie hat mir dieses Gluck-Geburtstagsjahr ganz besonders versüßt:

Die im Herbst 2013 im Rahmen einer konzertanten Aufführung im benachbarten Leverkusen (!) aufgezeichnete und in diesem Frühjahr beim Label Deutsche Harmonia Mundi erschienene Ersteinspielung der 1752 für Neapel entstandenen La clemenza di Tito unter der Leitung von Werner Ehrhardt! Eine ganz furiose, wunderbare Aufnahme dieses frühen Meisterwerks, das so lange sträflich vernachlässigt wurde - unbedingt zu empfehlen!
Als Gluck- und Opernfan (mit Interessenschwerpunkt im 18. Jahrhundert) kann ich nur sagen: Mehr davon! Gluck hat es wirklich verdient!!

Dienstag, 17. Juni 2014

Blog-Geburtstag - es darf gratuliert werden :-)

Heute ist es nun tatsächlich sage und schreibe schon fünf Jahre her, dass ich hier in diesen meinen Blog den ersten Eintrag reingeschrieben habe!

Die Zeit ist wirklich rasend schnell vergangen finde ich! Und fünf Jahre sind in der schnelllebigen Welt des Internets ja nun auch mindestens fünfundzwanzig Onlinejahre…

Durchaus also ein Grund, sich zu freuen und auch mit ein bisschen Stolz auf viele schöne und – wie ich hoffe – auch gelungene Beiträge über diverse Konzert- und Opernbesuche, CD-Vorstellungen, Lieblingskompositionen, usw. zurückzublicken.

Ich hoffe in Zukunft noch viele weitere solcher Beiträge hier einstellen zu können, wobei mir nach wie vor Qualität eindeutig vor Quantität geht und ich um Verständnis bitte, wenn es hin und wieder mal etwas länger dauert, bis es hier etwas Neues zu lesen gibt – aber schnell und gedankenlos hingetipptes Blabla hat in diesem Blog definitiv keinen Platz (dafür gibt es im Netz weiß Gott genug andere Orte!), das ist mir ganz wichtig.

Trotzdem bleibt natürlich nach wie vor der sehnliche Wunsch, etwas häufiger Zeit zu haben, um neue Beiträge zu schreiben – die Ideen dafür gehen mir weiß Gott nicht aus!

Aber leider, leider ist es so, vor allem wenn ich mir die Anzahl der Beiträge der vergangenen Monate so ansehe und diese dann mit den gleichen Zeiträumen früherer Jahre (vor allem 2010 oder 2011) vergleiche, dass ich momentan irgendwie noch weniger Zeit und Muße für den Blog habe, als bisher schon. Ich hoffe, dass sich das in absehbarer Zeit auch mal wieder ändert – an mir soll es gewiss nicht liegen (es sind tatsächlich eher die äußeren Umstände) und ich blicke daher gerade am heutigen Tage auch mal rundum optimistisch in die Zukunft!

An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an alle Leserinnen und Leser, die regelmäßigen wie die zufällig hier gelandeten - wenn ich Euch ein bisschen unterhalten und dabei möglicherweise auch noch etwas Wissenswertes oder Interessantes dabei vermitteln konnte, hat sich die ganze Sache doch schon gelohnt!
Ich freue mich nach wie vor über alle Kommentare, Fragen, Lob und Kritik und vor allem die vielen interessanten Kontakte, die ich hier in den vergangenen Jahren schon knüpfen konnte! Damit hätte ich vor 5 Jahren am allerwenigsten gerechnet, vor allem, weil ich nie irgendwelche wie auch immer geartete Werbung für meinen Blog gemacht habe! Wer mag, kann mir auch weiterhin gerne Kommentare zu meinen Beiträgen hier reinschreiben (natürlich auch zu älteren Texten, hier fällt nichts unter den Teppich!) oder mir eine Mail schicken (Adresse siehe rechts oben in der Seitenspalte), ich freue mich immer über Feedback aller Art und antworte selbstverständlich gerne auf Fragen oder Anregungen!

In diesem Sinne also – weiter geht’s mit einer wohlklingenden Mischung aus Andante maestoso und Allegro deciso!
*Fanfare und Tusch*
Der KLASSIKer aus Köln

Mittwoch, 11. Juni 2014

Richard Strauss - 150. Geburtstag

Heute vor genau 150 Jahren, also am 11. Juni 1864, wurde Richard Strauss als Sohn des Münchner Hofmusikers und Hornisten Franz Joseph Strauss in der bayerischen Hauptstadt geboren.

Allen anderen interessanten Komponistenjubiläen zum Trotz (z. B. der 300. Geburtstag von Carl Philipp Emanuel Bach im März) scheint sich der Eindruck zu bestätigen, dass sich das Hauptaugenmerk der Öffentlichkeit in diesem Jahr auf dieses Geburtstagskind konzentriert – ähnlich wie es im letzten Jahr mit dem 200. Geburtstag von Richard Wagner der Fall war. In beiden Fällen würde ich behaupten wollen, dass diese prominenten Vertreter der Komponistenzunft eigentlich gar nicht mehr so viel weitere Publicity nötig hätten und man die Energien lieber zu Gunsten einiger nicht minder interessanter Kollegen aufwenden sollte, die leider und unverdientermaßen längst nicht so im permanenten Scheinwerferlicht der Opern- und Konzertwelt stehen – aber mich fragt ja mal wieder keiner…
Die offizielle Strauss-Jubiläumsbriefmarke der Deutschen Post - mich enttäuscht das Motiv allerdings ziemlich!

Richard Strauss‘ Musik ist jedenfalls – und das ist für einen Komponisten des späten 19. aber vor allem auch des 20. Jahrhunderts immerhin doch sehr bemerkenswert und keinesfalls selbstverständlich! – seit jeher ein fester und unverzichtbarer Bestandteil der Konzertprogramme wie der Opernspielpläne rund um den Globus!

Für einen Komponisten ist er sehr alt geworden (es scheint eine Art „Berufsrisiko“ zu sein, dass viel zu viele seiner Kollegen viel zu früh verstorben sind…!), er starb im Alter von 85 Jahren am 8. September 1949 in seinem Anwesen in Garmisch-Partenkirchen. Und die Tatsache, dass er sich überhaupt ein eigenes Domizil in Garmisch-Partenkirchen leisten konnte (und das bereits ab 1908!) zeigt dann auch sehr schön, dass er bereits zu Lebzeiten ein ausgesprochen erfolgreicher Künstler, Dirigent und Musiker gewesen ist – auch das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich in dieser Branche!

Seine ersten musikalischen Eindrücke empfing der kleine Richard natürlich im Elternhaus – hier wurzelt dann auch seine lebenslange Vorliebe für das Horn, das sein Vater als Berufsmusiker spielte, wie überhaupt für alle Holz- und Blechblasinstrumente. Es ist für einen Komponisten seiner Generation eher unüblich, so etwas wie Hornkonzerte oder Serenaden bzw. Sonatinen für Bläserensembles zu schreiben - dass der junge wie der alte Strauss genau dies jedoch mehrfach getan hat, lässt sich daher am ehesten wohl mit dieser autobiographischen Tatsache begründen.

Und wer bei der Erwähnung von Hornkonzerten oder Bläsererenaden spontan an Wolfgang Amadé Mozarts wunderbare Beiträge zu diesen Werkgattungen denken muss, liegt gar nicht so falsch, denn Mozart war definitiv der zutiefst bewunderte und verehrte musikalische Fixstern für Richard Strauss – für den älteren Strauss vielleicht sogar noch mehr als für den jüngeren, der sich zu Beginn seiner Karriere auch an Wagner orientierte (z. B. für seine erste Oper Guntram, die 1894 uraufgeführt wurde und für die der Komponist – ganz so wie es Wagner auch immer getan hatte - das Libretto selbst verfasste) oder Franz Liszt, dessen Sinfonische Dichtungen mit Sicherheit einen Einfluss auf seine eigenen Tondichtungen hatten.

Mit diesen Tondichtungen beginnt ab 1886 dann auch die Komponistenkarriere des jungen Richard Strauss. Mit Werken wie Till Eulenspiegels lustige Streiche op. 28 (UA 1895 hier in Köln!), Also sprach Zarathustra op 30 (UA 1896) oder Don Quixote op. 35 (UA 1898 wieder im Kölner Gürzenich!) mehrt Strauss seinen Bekanntheitsgrad und seine Popularität – diese und andere Tondichtungen, die alle für ein typisch spätromantisches Riesenorchester komponiert sind, gehören seit ihrer Entstehung zum festen Repertoire aller großen Sinfonieorchester!


Mit diesen Werken gehörte Strauss zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur jungen Komponistenavantgarde und abgesehen von der erst 1915 uraufgeführten, quasi als „Nachzügler“ entstandenen Alpensinfonie op. 60 schließt er das Kapitel seiner großen Orchesterwerke mit der 1904 im Rahmen einer USA-Tournee in der New Yorker Carnegie Hall uraufgeführten Sinfonia domestica op. 53 ab, um ab diesem Zeitpunkt seine Schaffenskraft fast ausschließlich nur noch der Oper zu widmen. In dem Zusammenhang fände ich es ausgesprochen interessant, ob man herausfinden könnte, ob Strauss sich ab diesem Zeitpunkt nur deshalb mit all seiner schöpferischen Kraft der Oper zuwandte, weil er das - vielleicht auch nur unbewusste - Gefühl hatte, in seinen reinen Instrumentalwerken alles, was er bis dahin ausdrücken wollte und konnte, nunmehr gesagt hatte und jetzt die menschliche Stimme, sozusagen als zusätzliches Ausdrucksmedium, mit hinzunehmen musste, um quasi so den künstlerisch notwendigen Schritt weitergehen zu können?

Und tatsächlich gelingt es ihm, mit der 1905 uraufgeführten, skandalumwitterten Salome (basierend auf dem gleichnamigen Drama meines Lieblingsautors Oscar Wilde!) und der 1909 erstmals über die Bühne gegangenen Elektra seinen Ruf als avantgardistischer Trendsetter noch um ein Vielfaches zu steigern (für so etwas sind gerade Theaterskandale immer gut)! Diese beiden Werke gelten zweifellos für das gesamte Operngenre des 20. Jahrhunderts als absolut zukunftsweisende und maßstabsetzende Schlüsselwerke, deren Faszination und verstörende Intensität bis heute ungebrochen ist!

Mit der Elektra beginnt dann auch die legendäre Zusammenarbeit Strauss‘ mit dem Dichter Hugo von Hofmannsthal (1874-1929), der bis zu seinem viel zu frühen Tod die qualitativ hochwertigen Texte für immerhin weitere 5 Strauss-Opern verfasst (Der Rosenkavalier [UA 1911], Ariadne auf Naxos [UA 1912 bzw. 1916], Die Frau ohne Schatten [UA 1919], Die ägyptische Helena [UA 1928 bzw. 1933] und Arabella [UA 1933] sowie das Szenarium des 1914 uraufgeführten Balletts Josephslegende).
Diese Künstlerfreundschaft wird oft verglichen mit ähnlich fruchtbaren Musiker-Dichter-Kooperationen wie z. B. der von Mozart mit Lorenzo Da Ponte und gehört sicher zu den Glücksfällen der Musik- wie der Literaturgeschichte!

Nach Hofmannsthals Tod arbeitet Strauss für seine weiteren Opern noch mit verschiedenen Textdichtern zusammen (z. B. mit Stefan Zweig, für dessen Mitarbeit an der gemeinsamen Oper Die schweigsame Frau er sich auch gegenüber den Nazis im Uraufführungsjahr 1935 durchzusetzen wusste), eine derart langjährige und auf einer gemeinsamen Basis fußende künstlerische Kooperation wie mit Hofmannsthal stellt sich aber nicht mehr ein.

Mit dem 1911 uraufgeführten Rosenkavalier vollzieht sich im Werk von Richard Strauss dann plötzlich ein unerwarteter Wandel – von einem der prominentesten Vertreter einer die Grenzen der althergebrachten Harmonien bis zum Äußersten ausreizenden jungen Komponistenavantgarde wandelt er sich Schritt für Schritt zu einem „Klassiker“ – durch die zunehmende Inspiration und Beeinflussung durch die Musik Mozarts (wie überhaupt der musikalischen Welt des 18. Jahrhunderts), die er jedoch nicht bloß kopiert, sondern stets in seiner ihm ganz eigenen Klangsprache in seine eigene Zeit zu übersetzen versteht. Damit entsteht sein ganz eigener Stil, der sich völlig unbeeinflusst von den weiteren radikalen musikalischen Entwicklungen der Jahre vor und nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt.

Das lässt Strauss zwar in Bezug auf den "künstlerischen Fortschritt" im Vergleich zu seinen komponierenden Zeitgenossen immer mehr ins Abseits geraten (als „Neuerer“ gelten jetzt andere, z. B. die Vertreter der Neuen Wiener Schule), aber viele Künstler sind ja im Alter von Trends und Entwicklungen der Zeit überholt worden und Strauss ist nicht der erste und nicht der letzte Komponist, der noch in seiner Jugend als Trendsetter eines neuen Stils galt und dessen Spätwerk dann quasi jenseits von Gut und Böse eine ganz eigene Daseinsberechtigung führen konnte und es nicht mehr nötig hatte, sich um neue Moden und neu entwickelte Kompositionstechniken zu kümmern.

Und gerade das ist ja das Schöne daran, finde ich. Denn gerade das Spätwerk von Richard Strauss enthält so viel Wunderbares, zum Beispiel die in den letzten 3 schweren Kriegsjahren (1943-45) entstandenen wunderschönen zwei Bläsersonatinen, die Metamorphosen (1944/45) oder die Vier letzten Lieder (1948) - es wäre zu schade, wenn er seine einmal gefundene, ihm ganz eigene Musiksprache nicht mehr beibehalten und stattdessen versucht hätte, sich noch einmal an neuen Stilen auszuprobieren! Aber das hat er sich am Ende seines langen, von vielen Erfolgen gekrönten Lebens (zum Glück) nicht mehr angetan!

In der Tat ist die Liste der Stationen von Richard Strauss‘ beeindruckend – er war nicht nur ein meisterhafter Komponist sondern auch ein begnadeter Dirigent (wovon noch einige alte, vor allem aus den 1920er und 1930er Jahren stammende Aufnahmen zeugen) und arbeitete unter anderem mit den Berliner Philharmonikern sowie den (damals) bedeutenden Orchestern in den Residenzstädten Meiningen, Weimar und München zusammen; außerdem dirigierte er (natürlich) auch bei den Bayreuther Festspielen, war in führender Position an der Berliner Hofoper tätig sowie zeitweise Direktor der Wiener Staatsoper und zählt überdies zu den Mitbegründern der Salzburger Festspiele. Ach ja - und die Gründung der GEMA, der bis heute bestehenden, machtvollen Wächterin über musikalische Urheberrechte, ist auch maßgeblich auf ihn zurückzuführen.
Bei dieser prestigeträchtigen Vita ist es dann eigentlich auch nicht verwunderlich, dass der erfolgsverwöhnte Komponist nach der Machtergreifung durch die Nazis sich zumindest zeitweise in deren allumfassenden Machtapparat integrieren ließ (als Präsident der „Reichsmusikkammer“ von 1933-35, ein Posten, von dem er allerdings im Zuge der oben erwähnten Querelen um Stefan Zweig zurücktrat) – mit Strauss‘ weltberühmtem Namen wollten sich die braunen Machthaber natürlich nur zu gerne schmücken…

Im Jubiläumsjahr haben die Plattenfirmen – wie meist in den vergangenen Jahren zu ähnlichen runden Komponistenjubiläen – ihre oft umfangreichen Archive durchstöbert und mehrere interessante, meist wirklich erfreulich preisgünstige CD-Boxen zusammengestellt. Das ist in jedem Fall die billigere Variante für die krisengeschüttelte Klassikbranche (und den Sammler freut es obendrein) als die Produktion teurer Neueinspielungen, die gerade bei Richard Strauss ja auch immer einen riesigen Aufwand erfordern, da die von ihm vorgesehenen sehr großen Orchesterbesetzugen natürlich teuer sind – und in den Opern kommen dann auch noch die Sänger hinzu!

Immerhin erscheinen im Moment immerhin einige vielbeachtete Neuaufnahmen verschiedener Orchesterwerke von Strauss und zumindest auch die „Opern-Dauerbrenner“ Salome und Elektra sind in jüngster Zeit wieder einmal neu eingespielt worden. Es scheint tatsächlich so, dass diese beiden Opern in den letzten Jahren dem sonst immer mit an der Spitze der Beliebtheitsskala liegenden Rosenkavalier ein wenig den Rang abgelaufen haben – irgendwie passen diese grellen und drastisch-knappen Opern gut in unsere Zeit, während der lyrisch-breite Rosenkavalier dagegen etwas „angestaubt“ zu wirken scheint (das ist zumindest mein persönlicher Eindruck, ich kann mich natürlich auch täuschen!)…
Dennoch liegen diese drei Opern natürlich weiterhin mit großem Abstand an der Spitze in puntco Aufführungshäufigkeit von Strauss-Opern, gefolgt von Werken wie Ariadne auf Naxos, Arabella oder vielleicht auch noch der Frau ohne Schatten. Die meisten seiner anderen Opern hingegen trifft man leider selten bis fast gar nicht mehr auf den Opernbühnen an, von einigen rühmlichen Ausnahmen gerade jetzt im Jubiläumsjahr natürlich einmal abgesehen…


Und da freut man sich dann natürlich über eine Box wie die bei der Deutsche Grammophon erschienene Sammlung aller Opern des Komponisten (stolze 33 CDs)! Hier finden sich neben echten Referenzeinspielungen der bekannten Werke (wie z. B. der von Georg Solti dirigierten Elektra mit Birgit Nilsson in der Titelrolle) dann eben auch sonst meines Wissens nirgends mehr erhältliche Aufnahmen überaus selten zu hörender Opern wie Feuersnot (eine 1978 entstandene Liveaufnahme vom RIAS Berlin, die in diese Sammelbox übernommen wurde) oder Die schweigsame Frau und Die Liebe der Danae, die beide gar nur als Mono-Aufnahmen aus den Jahren 1959 bzw. 1952 von den Salzburger Festspielen ihren Eingang in diese CD-Zusammenstellung gefunden haben! Als „Zugabe“ gibt es dann übrigens auch noch die Vier letzten Lieder in der wunderbaren Aufnahme mit Jessye Norman und dem Gewandhausorchester Leipzig unter Kurt Masur aus dem Jahr 1982.

Auch die bei WARNER CLASSICS erschienene 9 CD-Sammelbox mit sämtlichen Orchesterwerken von Richard Strauss (also neben den Tondichtungen auch die Konzerte für Horn, Violine und Oboe und weitere kleinere Stücke) mit der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Rudolf Kempe hat mir viel Freude bereitet! Die Aufnahmen, die in den 1970er Jahren entstanden sind und von der Kritik viel Lob erfahren haben, wurden einem Remastering unterzogen und klingen wirklich bemerkenswert gut, wenn man bedenkt, dass sie im vordigitalen Zeitalter vor gut 40 Jahren entstanden sind!

Immer auf der Suche auch nach Raritäten bin ich dann noch auf die 3 CD-Box The other Strauss, die ebenfalls bei WARNER CLASSICS erschienen ist, gestoßen. Hier sind einige selten zu hörende Kompositionen von Richard Strauss, interpretiert von namhaften Solisten, versammelt (teils Neueinspielungen, teils aus den Archiven herausgesucht). Mit einem ähnlichen Titel war im vergangenen Jahr bereits die Box The other Wagner zum Jubiläum des anderen musikalischen Richard erschienen. Leider vermisse ich in der Strauss-Box aber Kompositionen wie beispielsweise die Militärmärsche op. 57, die Olympische Hymne aus dem Jahr 1936 oder die Japanische Festmusik op. 84 - alles Stücke, die ich sehr gerne einmal gehört hätte, weil man sie eben sonst nirgends zu hören bekommt – schade um die vertane Chance, diese CD-Sammlung wäre der ideale Ort für diese seltenen Schätzchen gewesen! Der Schwerpunkt der The other Strauss-Box liegt eindeutig auf kammermusikalischen Werken, was ihren Repertoirewert natürlich keinesfalls geringer macht, aber Wünsche wird man ja mal äußern dürfen, nicht wahr?

Abschließend noch meine persönlichen Richard Strauss-Favoriten: Salome, weil ich die hier musikalisch beschriebene, dekadent-schwüle, exotisch-orientalische Atmosphäre so perfekt eingefangen und irgendwie absolut unwiderstehlich finde (die nervöse Spannung, die von Anfang an förmlich in der Luft vibriert und im Verlauf der Oper immer unerträglicher wird, packt mich regelmäßig mehr als jeder Kinothriller!); Der Rosenkavalier, weil ich die zahlreichen poetisch-melancholischen Momente (vor allem der Marschallin) so anrührend finde und mich auch hier die allein durch die Musik herbeigezauberte, verspielte "Pseudo-Rokoko-Atmosphäre" so fasziniert; Ariadne auf Naxos, weil ich als Barockopernfan die schöpferische Auseinandersetzung eines Komponisten des 20. Jahrhunderts mit eben dieser alten Form des Musiktheaters sehr interessant und überaus kreativ gelöst finde und – um hier auch wenigstens ein Orchesterwerk explizit zu nennen - Also sprach Zarathustra, weil ich die Klanggewalt des Strauss’schen Riesenorchesters einfach grandios finde und es am Anfang dieses Stücks die wohl bekanntesten musikalischen 2 Minuten von Richard Strauss zu hören gibt! Wer kennt diese grandiose Fanfare nicht (oft ohne zu wissen, wer sie komponiert hat!) und wer hat nicht schon eine Gänsehaut bekommen, wenn diese Musik im maßstabsetzenden Science Fiction-Klassiker von Stanley Kubrick 2001: Odyssee im Weltraum erklingt?

Aber wie es oft so ist: Auch bei Richard Strauss gibt es – trotz seiner im Bereich der klassischen Musik allgegenwärtigen Präsenz und großen Bekanntheit – wohl für jeden noch eine Menge persönlicher Entdeckungen zu machen, so wie es mir jüngst mit den oben erwähnten Bläsersonatinen (dies übrigens auch eine Neuaufnahme!) geschehen ist, in die ich mich sofort verliebt habe…