Dienstag, 9. März 2010

Samuel Barber - 100. Geburtstag

... und schon wieder ein runder Geburtstag!

Heute vor 100 Jahren wurde der amerikanische Komponist Samuel Barber in West Chester, Pennsylvania, geboren (er starb im Alter von fast 71 Jahren am 23.01.1981).
Zugegeben - sein Name ist nicht so bekannt, wie die von Frédéric Chopin oder Robert Schumann (um nur zwei weitere Jubilare des Jahres 2010 zu nennen), aber mir persönlich liegt seine Musik sehr am Herzen und ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle ein wenig dafür zu werben, denn es lohnt sich wirklich!
Samuel Barber teilt das Schicksal zahlreicher Komponisten, von denen die Nachwelt oft nur ein einziges Stück kennt (und liebt) und in dessen Schatten deren übriges, oft umfangreiches und vielgestaltiges Oeuvre dann undankbarerweise ein Dasein in fast völligem Vergessen fristet.

In Barbers Fall ist dieses Stück sein weltberühmtes "Adagio for Strings", das ursprünglich der zweite Satz seines Streichquartetts in h-moll, op. 11 aus dem Jahr 1936 war.
Im Jahr 1937 arrangierte Barber diesen langsamen Satz für Streichorchester (die Einzelstimmen des Quartettsatzes werden in der Hauptsache nun also chorisch, das heißt mehrfach, besetzt, was dem Satz eine stärkere Klangfülle und -intensität verleiht), der daraufhin in dieser Form 1938 vom NBC Symphony Orchestra unter der Leitung der Dirigentenlegende Arturo Toscanini in New York im Rahmen einer Radioübertragung erstmals aufgeführt wurde.

Im Jahr 1967 bearbeitete Barber sein Adagio für achtstimmigen Chor a cappella und unterlegte hierfür den aus der lateinischen Messe stammenden Text des "Agnus Dei".
Barbers Adagio ist zu Recht berühmt geworden - es ist eine der intensivsten und schmerzlichsten Klagemusiken der gesamten Literatur und wurde zum Beispiel im Jahr 2004 von den Hörern der BBC zum "traurigsten klassischen Musikstück aller Zeiten" gewählt. Ich persönlich würde das Stück eher als tief melancholisch und schmerzerfüllt beschreiben, was für mich etwas anderes bedeutet als "Traurigkeit", aber das empfindet natürlich jeder anders. Jedenfalls ist es über die Jahrzehnte hinweg immer wieder bei Begräbnissen, Trauer- und Gedenkfeiern gespielt worden, so auch zu Barbers eigener Trauerfeier im Jahr 1981 (Leonard Bernstein dirigierte hierbei die New Yorker Philharmoniker).

Großartig ist der Aufbau des etwa 8 Minuten langen Satzes: Er beginnt leise und unspektakulär in den tiefen Stimmen, steigert sich allmählich in einem großen Bogen, währenddem der weitgespannte Fluss der Melodie sich in einem immer weiter verdichtenden Spannungsbogen intensiviert (auch durch schärfer werdende Harmonien und dissonante Reibungen, die durch die immer engere Zusammenführung der Einzelstimmen erreicht werden) und die Stimmen immer höhere Regionen erklimmen, bis der Höhepunkt in einem lang ausgehaltenen, fast schon schrill zu nennenden Akkord in höchsten Regionen erreicht ist. Dieser "Verzweiflungsschrei" (der noch dazu in fortissimo erklingt - die lauteste Stelle des ganzen Satzes) bricht dann unvermittelt ab, scheint in einer Generalpause nachzuhallen, bevor dann - wie eine Erinnerung an den Beginn des Satzes - die tiefen Stimmen wieder leise einsetzen (jetzt folgt quasi die Entspannung nach der vorangegangenen gewaltigen Steigerung) und der Satz zu einem ruhigen Ende gebracht wird, der - je nachdem, wie man das empfinden möchte - friedlich, vielleicht sogar hoffnungsvoll oder eben melancholisch schließt. Fantastisch!

Wie beliebt Barbers Adagio geworden ist, zeigen die zahllosen Einspielungen des Stücks, seine häufige Verwendung als Filmmusik (bekannt wurde es vor allem in Oliver Stones Antikriegsfilm "Platoon" aus dem Jahr 1986) und die zahlreichen Bearbeitungen und Arrangements. Im letzten Jahr habe ich z. B. eine sehr beeindruckende Version des Stücks für Orgel hören können - das war echt Gänsehaut pur!
In neuerer Zeit haben vor allem die Vertreter der Trance Music wie Ferry Corsten, William Orbit oder Tiësto das Barber-Adagio für sich entdeckt und eigene Bearbeitungen geschaffen, die zum Teil sehr erfolgreich waren.


Wie schon gesagt, so großartig und unverzichtbar das Adagio for Strings auch sein mag, es verstellt leider total den Blick auf Samuel Barbers restliches Werk, das neben Symphonien und weiteren Orchesterwerken (darunter auch das recht bekannte Violinkonzert op. 14 aus dem Jahr 1939) auch Kammermusik, Klavierwerke, Lieder und Opern umfasst.

Barbers bekannteste Oper (für die er auch mit dem Pulitzer-Preis für Musik ausgezeichnet wurde) dürfte Vanessa (op. 32) sein, die im Januar 1958 in New York uraufgeführt wurde. Für diese Oper schrieb Barbers Lebensgefährte, der italienisch-amerikanische Komponist Gian Carlo Menotti (1911–2007) das Libretto. Von der Besetzung der Uraufführung gibt es eine kürzlich wieder neu aufgelegte Einspielung, die bei SONY erschienen ist:
Sehr schön finde ich persönlich auch das melancholische "Knoxville: Summer of 1915" op. 24 für Sopran und Orchester aus dem Jahr 1948, über das ich in der Abteilung "Klassik im Sommer" schon ein paar Worte verloren hatte…

Außerdem gehört für mich als Orgelmusik-Fan die grandiose Toccata Festiva op. 36 für große Konzertorgel und Orchester aus dem Jahr 1960 zu meinen persönlichen Lieblingsstücken von Barber! Das Stück ist eine Auftragskomposition - eine neue Konzertorgel für Philadelphia wurde von einer reichen Mäzenin gespendet und sie wünschte sich, dass Barber ein wirkungsvolles Stück zur feierlichen Einweihung des Instruments komponieren sollte, was dieser dann auch tat.

Besonders empfehlen möchte ich an dieser Stelle die im Rahmen der verdienstvollen Serie "American Classics" bei NAXOS erschienenen Aufnahmen mit Werken von Samuel Barber. in der "American Classics"-Reihe erscheinen seit Jahren überaus interessante Einspielungen von Werken, deren Komponisten (zumindest hier bei uns Europa) fast völlig unbekannt sind - man blickt ja immer gerne etwas herablassend von hier aus auf klassische Komponisten aus der "Neuen Welt"…

Jedenfalls habe ich hier schon einige sehr schöne Werke kennenlernen dürfen (nicht nur von Barber!), von denen man sich nach dem Anhören ernsthaft fragt, warum sie hier bei uns eigentlich nie aufgeführt werden?!
Das Schöne an den NAXOS-CDs ist natürlich wieder einmal der unschlagbar günstige Preis, da kann man dann auch gerne mal "experimentell" sein und sich aus reiner Neugierde (und ohne Reue) auch mal eine CD einfach so zulegen, ohne das darauf eingespielte Werk zu kennen - oft habe ich dabei schon echte "Aha!"-Erlebnisse gehabt :-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen