Das Jahr 2010 ist für alle Klaviermusikfreunde ein ganz besonderes:
Heute, am 22. Februar vor genau 200 Jahren (nach manchen Quellen auch erst heute in einer Woche, also am 1. März) wurde Frédéric Chopin im kleinen Ort Zelazowa Wola bei Warschau als Sohn einer Polin und eines französischen Einwanderers geboren.
Nach wie vor gilt er als einer der berühmtesten und beliebtesten Klavier-Komponisten der Welt. Er galt als Wunderkind, verließ mit Anfang 20 seine geliebte polnische Heimat für immer und ließ sich in Paris nieder, wo er nach schaffensreichen Jahren als Komponist, Lehrer und Interpret eigener Werke im Alter von nur 39 Jahren verstarb.
Das Besondere an Chopin ist, dass er sich zeitlebens ausschließlich auf das Klavier als sein musikalisches Ausdrucksmittel beschränkte, wobei "beschränken" eigentlich der falsche Begriff ist - Chopin hatte das Gefühl, dass er mit diesem Instrument alles aussagen konnte, was er als Komponist vermitteln wollte. Es bestand für ihn keine Notwendigkeit, sich mit anderen Kompositionsformen wie z. B. der Symphonie, dem Streichquartett oder gar der Oper zu befassen. Das unterscheidet ihn von anderen Komponisten, deren Herz zwar auch am Pianoforte hing und die bedeutende Werke für dieses Instrument geschaffen haben (wie z. B. Mozart, Beethoven, Schumann, Liszt oder Debussy), die sich aber auch auf anderen Gebieten sehr erfolgreich betätigt haben. Es gibt von Chopin neben seinen Werken für Klavier solo nur ein paar wenige Werke, in denen er neben dem Klavier noch andere Instrumente einsetzt, z. B. seine Sonaten für Cello und Klavier, ein paar Lieder mit Klavierbegleitung und einige Werke für Klavier und Orchester. Aber ganz ohne das geliebte Tasteninstrument ging es für Chopin ganz offensichtlich nicht! Entsprechend bahnbrechende Werke hat er dann auch für Klavier komponiert: Er eröffnete diesem Instrument mit einigen seiner Werke ganz neue, vorher ungekannte Dimensionen, vor allem was die pianistische Technik aber auch die Ausdrucksmöglichkeiten anging.
Viel wird derzeit über Chopin geschrieben, deshalb will ich mich hier kurz fassen und an dieser Stelle nur noch schnell meine persönlichen Lieblingswerke von ihm vorstellen:
Da sind zuallererst seine beiden, noch in Polen entstandenen Klavierkonzerte: Nr. 1 in e-moll op. 11 und Nr. 2 in f-moll op. 21.
Meine Lieblingseinspielung wird von Tamás Vásáry und den Berliner Philharmonikern bestritten und ich liebe neben den grandios-majestätischen ersten Sätzen und den mal schwungvoll, mal melancholisch angehauchten Schluss-Sätzen vor allem die beiden zentralen langsamen Sätze! Obwohl Chopin erst am Beginn seiner Komponisten-Laufbahn stand, klingt hier bereits alles ganz typisch nach ihm: Unendlich scheinende, sehnsuchtsvolle Melodiebögen, groß auftrumpfende Gesten (vor allem in den Eröffnungssätzen), virtuose Passagen - einfach wunderschöne Musik!
In diesem Jahr habe ich mir vorgenommen, mich mal ein bisschen umzuhören, was sich in den letzten Jahren so getan hat in Bezug auf neuere Einspielungen dieser Klavierkonzerte. Gerade von jüngeren Pianisten wie Rafal Blechacz, Lang Lang u. a. scheint es ja durchaus lohnenswerte neue Aufnahmen zu geben, mit denen ich mich mal näher beschäftigen sollte.
Neben Künstlern wie Vladimir Ashkenazy und Martha Argerich gehört seit einigen Jahren auch die zu Unrecht etwas unbekanntere türkische Pianistin Idil Biret zu meinen Lieblings-Chopin-Interpreten.
Ihre in den 1990er Jahren bei NAXOS erschienene, viel gelobte (und wie immer bei diesem Label sensationell günstige) Gesamteinspielung aller Werke Chopins gehört zu meinen Favoritenaufnahmen.
Allein schon die eigentlich naheliegend scheinende Tatsache, dass sie die drei Klaviersonaten opp. 4, 35 und 58 zusammen auf einer CD präsentiert, ist bemerkenswert. Wird doch die erste Klaviersonate von vielen anderen Pianisten als "unreifes Jugendwerk" abgetan, schmählich links liegen gelassen und immer "nur" die beiden später entstandenen Sonaten aufgenommen. Idil Biret macht sich die Mühe und stellt dieses Jugendwerk in direkten Vergleich mit ihren Schwesterwerken - und siehe da: Endlich bekommt man mal die Chance, sich selbst ein Bild zu machen, wie "unreif" diese Sonate des Achtzehnjährigen denn nun wirklich ist und - welch Überraschung: Sooo schlecht und vernachlässigenswert klingt das Stück dann plötzlich gar nicht mehr... Und im Vergleich mit den beiden später entstandenen Sonaten kann man dann auch plötzlich viel besser nachvollziehen, welch großen Schritt Chopin kompositorisch zwischen der ersten und zweiten Sonate gemacht hat: Er überwindet die traditionelle Sonatenform komplett und setzt sich über alles hinweg, was in den vorangegangenen 50 Jahren an "Regeln" für eine "ordentliche Sonate" entstanden war. Um das richtig würdigen und erkennen zu können ist es meiner Meinung nach aber unerlässlich, dass man auch mal die Gelegenheit bekommt, sich diese Entwicklung anhören zu können! Idil Biret gibt einem mit einer großartigen Interpretation auf einer unschlagbar günstigen Aufnahme die Gelegenheit dazu! Aber auch ihre anderen Chopin-Aufnahmen sind (bei gleichem Preis) unbedingt empfehlenswert.
Dann gehört mein Herz noch den wunderbaren Nocturnes, die ich in einer Gesamtaufnahme (21 müssten es sein) von Daniel Barenboim besitze.
Von den übrigen Werkgruppen mag ich die extrem virtuosen Etüden opp. 10 und 25 sehr gerne und dann natürlich die so wunderbar rhythmisch-aufwühlend, trotzig oder heroisch daherkommenden Polonaisen!
Und als Kontrastprogramm dazu dann die unverwüstlichen, federleicht und heiter dahinperlenden Walzer, die so gar nichts mit den zeitgleich entstandenen ersten Wiener Walzern von Joseph Lanner und Johann Strauß Vater zu tun haben: So grundlegend verschieden kann klingen, was doch beides mit "Walzer" betitelt ist!
Es lohnt sich eigentlich immer, sich näher mit Chopins Klaviermusik zu beschäftigen - die Bandbreite des Ausdrucks ist enorm und für jede Stimmungslage ist etwas dabei.
Als Laien-Pianist komme ich leider mit den wenigsten seiner Werke zu Rande, dafür sind sie einfach zu anspruchsvoll und meine Fähigkeiten zu begrenzt: Ein paar Walzer und Nocturnes kriege ich gerade noch so hin, das muss mir wohl reichen :-)
Auf diesem Wege zum heutigen Tage dem lieben Frédéric jedenfalls ein aufrichtiges und von Herzen kommendes
Wszystkiego najlepszego z okazji urodzin!!
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