Freitag, 5. November 2010

Requiem-Vertonungen: Pierre de la Rue

Pierre de la Rue (ca. 1460 - 1518) stammt aus dem Hennegau, das wiederum ein Teil der Wallonie ist und heute zu Belgien gehört. Wie Johannes Ockeghem ist Monsieur de la Rue auch ein Vertreter der damals so berühmten und gefragten franko-flämischen Musiker und Komponisten.
Er wirkte und arbeitete von ca. 1492 bis 1516 am burgundischen Hof, wo wahrscheinlich auch seine Missa pro defunctis entstanden sein dürfte - auch hier gibt es (wie bei Ockeghem) leider keine konkreten Daten zur Entstehungszeit und zum -anlass...

Das ca. 22 Minuten dauernde Requiem von de la Rue setzt sich aus folgenden Sätzen zusammen:

-Introitus
-Kyrie
-Tractus
(Sicut cervus)
-Offertorium
-Sanctus/ Benedictus
-Agnus Dei
-Communio


Wie Ockeghem hat auch Pierre de la Rue nicht alle Teile der Missa pro defunctis vertont, so fehlt auch bei ihm die Sequenz "Dies irae" und das Graduale. Da auch sein Requiem vor dem Konzil von Trient entstanden ist, findet sich auch hier die ältere Textvariante aus dem 42. Psalm im Tractus.

Das Besondere an dieser Requiem-Vertonung ist die teilweise wirklich extem tiefe Lage der Bassstimme - besonders die flämischen Bässe waren damals wohl ganz besonders berühmt für ihre "schwarzen" Stimmen und Pierre de la Rue nutzt deren Fähigkeiten dann auch, um seiner Missa pro defunctis einen besonders tiefen, "erdverbundenen Grabescharakter" zu verleihen, was ich für eine Totenmesse eigentlich als ganz passend empfinde.

Einen interessanten Kontrast zu den übrigen, von den tiefen Bassstimmen getragenen und klanglich gefärbten Sätzen bildet der Tractus, wo die Tonlage deutlich höher angesiedelt ist, als in den übrigen Sätzen dieses Requiems.

Der Cantus firmus (auch hier wieder der gregorianische Choral) ist bei diesem Werk im Tenor angesiedelt.

Die Besetzung wechselt zwischen zwei- bis hin zu fünfstimmigen Sätzen bzw. Abschnitten, wodurch eine zusätzliche Abwechslung entsteht. Auch dies eine Parallele zum Requiem von Johannes Ockeghem, der ja ebenfalls die Stimmenanzahl innerhalb seiner Messvertonung mehrfach verändert.

Ich habe eine Aufnahme dieser Missa pro defunctis aus dem frühen 16. Jahrhundert vom französischen Ensemble Clément Jannequin, dessen Gründer und Leiter Dominique Visse mir ja bereits in der Opernaufnahme von Hasses Cleofide als Solist so gut gefallen hatte.

Das sehr transparent und lebendig klingende Ensemble Clément Jannequin ist für diese Aufnahme mit 8 Sängern besetzt (Männer übernehmen hier also auch die hohen Stimmen) und wird von einem sehr dezent eingesetzten Orgelpositiv begleitet. Die Bässe, denen in dieser Einspielung ja besondere Aufmerksameit gebührt, ordnen sich harmonisch und dezent in den Gesamtklang des Ensembles ein, bilden aber ein unüberhörbar tiefes Stimmfundament, das diese Totenmesse schon zu etwas Besonderem macht. Besagte Aufnahme entstand 1988 und ist bei harmonia mundi erschienen.

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