Freitag, 12. November 2010

Requiem-Vertonungen: Heinrich Ignaz Franz Biber

Der in Nordböhmen geborene Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704) stand ab 1671 in den Diensten der Fürsterzbischöfe von Salzburg und war hier ab 1684 Hofkapellmeister.
Ein Jahrhundert später wurden Vater Leopold (1719-87) und Sohn Wolfgang Amadé Mozart (1756-91) dann die aus heutiger Sicht wohl berühmtesten "Kollegen" Bibers in der salzburgischen Hofkapelle.

Zu seiner Zeit war Biber allerdings ein mindestens ebenso berühmter und geschätzter Musiker, sein lange unbeachtet in den Archiven schlummerndes kompositorisches Werk ist aber erst im Zuge der Neuentdeckung der Reichtümer und Vielfältigkeit der Barockmusik in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt worden.

Sein Requiem à 15 in A-Dur ist undatiert, wurde aber mit ziemlicher Sicherheit für die Bestattungsfeierlichkeiten des Salzburger Fürsterzbischofs Maximilian Gandolph Graf von Kuenburg (1622-87) komponiert. Graf v. Kuenburg war ab 1668 Erzbischof von Salzburg gewesen und die prunkvollen und aufwendigen mehrtägigen Bestattungsfeierlichkeiten, die im Jahr 1687 für ihn veranstaltet wurden, entsprachen zum einen dem Machtverständnis und -anspruch der Salzburger Kirchenfürsten und sind zum anderen ein schönes Beispiel für den oft verschwenderisch anmutenden Prunk, den ein barocker Fürst zu jener Zeit um sich verbreitete.

Das knapp 40-minütige Requiem Bibers teilt sich ganz klassisch in folgende Einzelsätze auf:

-Introitus
-Kyrie
-Sequenz
-Offertorium
-Sanctus/ Benedictus
-Agnus Dei
-Communio


Die eigentlich zwischen Kyrie und Sequenz stehenden Teile Graduale und Tractus hat Biber, wie die meisten Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts, nicht vertont.

Den feierlichen Grundcharakter dieser Missa pro defunctis beschreibt der Musikwissenschaftler Werner Jaksch knapp und treffend wie folgt: "Nicht Trauer, sondern Repräsentation bestimmt die vorherrschende A-Dur-Klanglichkeit."
Damit ist eigentlich schon alles über die musikalische Wirkung von Bibers Totenmesse gesagt - das Ganze klingt für unsere heutigen Ohren erstaunlich wenig traurig (solche Klänge erwartet man aus heutiger Sicht ja zunächst am ehesten beim Anhören eines Requiems).
Aus Sicht des barocken Menschen war der Tod allerdings ein weit weniger gefürchtetes und beklagenswertes Ereignis, ganz im Gegenteil: Man erinnere sich nur an die in diesem Zusammenhang so gerne zitierte "barocke Todessehnsucht", die in einem Hoffen auf ein baldiges Ende des irdischen Trübsinns und einer darauf folgenden Vereinigung der gläubigen Seele mit Gott gipfelt. So gesehen war ein Begräbnis also tatsächlich eher etwas, das man - im Sinne des nun endlich erlösten Verstorbenen - zu feiern hatte.
Und wenn man dann noch ein geistlicher Landesfürst wie der Fürsterzbischof von Salzburg war, dann bekommt die im Rahmen der Bestattungsfeierlichkeiten abgehaltene Totenmesse eher den Charakter eines Staatsaktes, bei dem es weniger um die Trauer über den verstorbenen Landesherren als vielmehr um die möglichst prachtvolle und beeindruckende Darstellung und Demonstration von dessen Macht und Größe geht.
Und genau so klingt die Musik, die Biber zu diesem Anlass komponiert hat, was man sehr gut auch daran erkennen kann, dass durch den konsequent Einsatz von Blechbläsern die Feierlichkeit und Bedeutung dieses fürstlichen Ereignisses betont wird.


Biber nutzte für seine Musik eine Besonderheit des prachtvoll-barocken Salzburger Doms: In der Vierung unter der mächtigen Kuppel gibt es vier Emporen, die auch alle jeweils mit einer Orgel versehen sind. (Quelle: Dommusik Salzburg)

Die Vokal- und Instrumentalsolisten waren für die Aufführung nun auf diesen 4 Emporen verteilt und nur so konnte sich die vom Komponisten auf diesen Raumklang hin konzipierte Musik wirklich optimal entfalten - es muss ein fantastisches, quasi barockes "Surround-Sound"-Erlebnis gewesen sein, das seine Wirkung ganz gewiss nicht verfehlt hat!
Die einzelnen Gruppen wirken in sich meist kompakt und blockhaft, der eigentliche Effekt entsteht durch den sich abwechselnden Dialog der im Kirchenraum verteilten Musiker.
In der Sequenz herrschen markante, fast schon tänzerische Rhythmen vor - am Ende dieses Teils gibt es einen kurzen, fugierten "Amen"-Teil, ähnlich verhält es sich mit dem "Quam olim Abrahae" im Offertorium und dem "Osanna" im Sanctus, wobei hier auch die markante, quasi bildlich aufsteigende Figur zu den Worten "in excelsis" besonders auffällt.
Das die Communio abschließende "Cum sanctis tuis" gestaltet Biber ebenfalls in Form einer Fuge - hier fallen schon charakteristische kompositorische Gepflogenheiten auf, die noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wie "ungeschriebene Gesetze" Beachtung finden werden!

Ich habe eine Aufnahme dieses Requiems aus dem Jahr 1994 (erschienen beim Label DHM - deutsche harmonia mundi): Der Alte-Musik-Pionier Gustav Leonhardt leitet Koor & Barokorkest van de Nederlandse Bachvereniging (der Chor besteht aus 25 Personen).
Die Solisten sind Marta Almajano und Mieke van der Sluis (Sopran), John Elwes und Mark Padmore (Tenor) Frans Huijts (Bariton) und Harry van der Kamp (Bass).

An dieser Stelle möchte ich noch auf die im Jahr 1682 entstandene sogenannte Missa Salisburgensis verweisen, als deren Verfasser heute ebenfalls Heinrich Ignaz Franz Biber angesehen wird (das Stück ist nur anonym überliefert):
Diese prunkvolle Festmesse zu 53 (!) Stimmen wurde ebenfalls im Salzburger Dom anlässlich des 1100-jährigen Bestehens des Bistums Salzburg aufgeführt und der Komponist setzt hier ebenfalls die schon beschriebene, für dieses Gotteshaus so typische "Raumklangtechnik" ein, um ein überaus prunkvolles Musikstück zu entfalten, das quasi als Demonstration der Macht und Herrlichkeit des Salzburger Erzbistums zu dienen hatte, was Biber mit Sicherheit gelungen sein dürfte!

Vor ein paar Jahren ist hier eine beeindruckende Aufnahme mit den Ensembles von Reinhard Goebel und Paul McCreesh erschienen, die ich als Ergänzung zum hier vorgestellten Requiem nur sehr empfehlen kann - pompöser geht's wirklich nimmer!

1 Kommentar:

  1. "Die verlorene Partitur" ist für Klavierspieler geeignet. An bestimmten Stellen versteht man nicht, wenn man das Klavierspielen nicht gut kennt. Der Autor Roberto Cotroneo hat Klavier studiert. Ich habe das Buch im Haus von Konstantin Wecker in Toscana gefunden. Klar, habe ich seins nicht mitgenommen.

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