Dienstag, 2. November 2010

Requiem - Missa pro defunctis

So, jetzt haben wir dann also auch mal wieder November - der wohl mit Abstand unpopulärste Monat des ganzen Jahres…
Nix mehr mit sonnig-goldenem und bunten Oktober - und bis zum vorweihnachtlichen Dezember ist es auch noch ein bisschen hin.
Draußen ist es jetzt irgendwie nur noch dunkel, kalt und grau, neblig und feucht - einfach grauslig!
Hinzu kommen beim Blick auf den Kalender dann jede Menge Tage mit Namen wie Totensonntag, Buß- und Bettag, Volkstrauertag, etc. - irgendwie passt sowas dann noch zusätzlich zu der trüben Misere da draußen, der November hat es in dieser Hinsicht wirklich in sich!
Aufgrund dieser Stimmungslage höre ich traditionell im Monat November besonders gerne verschiedene Requiem-Vertonungen - aber keine Sorge, das ist kein Grund, gleich depressiv zu werden, ganz im Gegenteil: Aus diesem Grund möchte ich in diesem Monat ein paar besonders interessante Exemplare dieser Werke etwas näher vorstellen!

Zuvor (ich kann halt nicht aus meiner Haut!) aber noch ein paar grundlegende Informationen über die Missa pro defunctis, also der "Messe für die Verstorbenen", wie die kurz als "Requiem" (nach dem ersten Wort des einleitenden Introitus) bezeichnete Totenmesse der katholischen Kirche offiziell heißt:

Die "klassischen" Bestandteile einer Messe sind zunächst die eigentlich immer in der liturgischen Abfolge enthaltenen Teile Kyrie - Gloria - Credo - Sanctus/ Benedictus - Agnus Dei.
Diese fünf "Standardteile" nennt man das Ordinarium Missae.

Da sich im Verlauf eines (Kirchen-) Jahres natürlich die Anlässe und Inhalte von Messfeiern ständig ändern (Weihnachts-, Passions-, Osterzeit, verschiedene Heiligenfeste, etc.), enthält jede Messe variable liturgische Teile (wie z. B. Psalmverse, Gebete, etc.), die die Sätze des Ordinarium Missae ergänzen. Diese variablen Teile nennt man das Proprium Missae.

Die meisten Komponisten haben in der Regel ihre Messkompositionen auf das Ordinarium Missae beschränkt, was den Vorteil hatte, dass man diese Kompositionen dann variabel einsetzen konnte und nach Bedarf mit separat vertonten, zum jeweiligen Aufführungsanlass passenden Sätzen des Propriums ergänzte.

Eher die Ausnahme bilden sogenannte Plenarmessen - hierbei handelt es sich um Messkompositionen, die sowohl die Ordinariums- wie auch die Propriumsgesänge enthalten.
Diese Vertonungen sind natürlich sehr auf einen konkreten Anlass oder Festtag innerhalb des Kirchenjahres bezogen - die bekannteste Vertreterin einer solchen Plenarmesse ist hierbei nun die Missa pro defunctis (also das Requiem), deren unmittelbarer Anlass eben eine Messe zum Gedenken an und zur Fürbitte für Verstorbene ist.

Im Verlauf des Kirchenjahres ist übrigens der heutige 2. November (Allerseelen) genau der Tag, an dem die Missa pro defunctis die offizielle Liturgie für die "reguläre" Messfeier darstellt (während des restlichen Jahres werden Totenmessen ja eher aus konkretem Anlass angesetzt) - also ein wunderbarer, auch liturgisch sehr passender Auftakt für den Beginn des "Requiem-Novembers"!

In der Regel setzt sich ein solches Requiem aus folgenden Teilen zusammen:

I. Introitus (Requiem aeternam dona eis, Domine)
II. Kyrie eleison
III. Graduale (Requiem aeternam dona eis, Domine)
IV. Tractus (Absolve, Domine, animas omnium fidelium)
V. Sequentia
VI. Offertorium
-Domine Jesu Christe
-Hostias et preces tibi

VII. Sanctus - Benedictus
VIII. Agnus Dei
IX. Communio (Lux aeterna luceat eis, Domine)
(X. Libera me)
(XI. In paradisum)


Es fällt auf, dass die vom Charakter her eher lobpreisenden Ordinariumsteile Gloria und Credo in der Missa pro defunctis fehlen, was für eine Plenarmesse sicher die Ausnahme ist, allerdings fehlt zum Beispiel das Gloria auch in der Liturgie der gesamten vorösterlichen Passionszeit.
Die drei Agnus Dei-Anrufungen enden in der Totenmesse abweichend vom sonstigen Text jeweils mit den Worten "dona eis requiem", was seit dem 11. Jahrhundert so üblich ist.

Das Proprium der Totenmesse wurde im Verlauf des Konzils von Trient (1545-63) endgültig festgelegt - davor setzte sich ein Requiem teilweise auch aus anderen Bestandteilen zusammen, bzw. die Texte von Graduale und Tractus waren noch andere.

Der sicherlich bekannteste (und umfangreichste) Propriumsteil der Missa pro defunctis dürfte die Sequenz sein, die mit den Worten "Dies irae dies illa" beginnt und nicht zuletzt aufgrund zahlreicher spektakulärer Vertonungen (z. B. von Mozart, Berlioz und Verdi) häufig zum dramatischen Höhepunkt eines Requiems wird.
Diese Sequenz wurde im 13. Jahrhundert in das Proprium der Totenmesse eingefügt, man vermutet, dass sie evtl. von dem Franziskaner Thomas von Celano (ca. 1190 - nach 1250) gedichtet wurde.
Die Sequenz besteht aus 19 Strophen à je drei Zeilen (die in der Regel durch einen gleichlautenden Endreim zusammengefasst sind) und einem abschließenden "Amen".
Die Komponisten, die die Sequenz vertont haben, unterteilen diesen doch recht langen Text meist ganz individuell in verschiedene Abschnitte/ Einzelsätze, wobei jedoch häufig die selben Zäsuren bei Strophen wie dem Tuba mirum, Rex tremendae, Recordare, Ingemisco, Confutatis maledictis und dem Lacrimosa gesetzt werden.

Auffällig ist, dass die Sequenz in der Regel erst ab der Barockzeit vertont wurde (davor erklang sie als gregorianischer Choral), im Gegenzug ab dieser Zeit jedoch meist die Vertonungen von Graduale und Tractus entfallen - ich habe keine Ahnung, warum es zu diesem etwas kuriosen "Tausch" gekommen ist…

In der heutigen, "normalen" Liturgie der Totenmesse fällt die Sequenz übrigens jedoch wieder weg - sie wurde im Rahmen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) aus der Liturgie gestrichen, ist aber aufgrund der Tatsache, dass sie in vielen Requiem-Veretonungen auftaucht, in meiner obenstehenden Liste nach wie vor enthalten.

Die Teile X. und XI. in der obenstehenden Aufzählung habe ich eingeklammert, weil sie nicht zu den eigentlichen Messbestandteilen der Missa pro defunctis gehören. Ich habe sie aber trotzdem in diese Liste mit reingenommen, weil viele Komponisten auch diese beiden Teile (oder zumindest einen davon) am Ende ihrer Requiem-Vertonungen mit berücksichtigt haben.

Das Libera me ist ein Responsorium (Antwortgesang) aus der Liturgie der eigentlichen kirchlichen Begräbnisfeier (die Missa pro defunctis ist hingegen ja ein Gottesdienst, der als Fürbitte für die Seelen der Verstorbenen dient) und das In paradisum ist ein Hymnus (Antiphon), der ebenfalls zur Begräbnisfeier gehört und - wenn ich das richtig verstanden habe - in der Regel auf dem Weg zum Grab gesungen wurde.

So - das jetzt zur Einführung, auch um ein paar technische Termini vorab mal geklärt zu haben, die ich in der Folge bei den einzelnen Werken dann nicht jedes Mal separat zu erläutern brauche.

An dieser Stelle fällt mir wieder mal auf, mit was für Fachgebieten man sich als Klassik-Freund so ganz nebenbei alles beschäftigt… *grins*

2 Kommentare:

  1. Könnten Sie mir eventuell Ihre Quellen mitteilen, da ich genau zu diesem Thema eine Seminararbeit schreibe und ich daher vertrauenswürdige/wissenschaftliche Quellen benötige. Vielen Dank bereits im Voraus!

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  2. Die meisten "technischen Fakten" zu diesem Beitrag hier habe ich in "Reclams Führer zur lateinischen Kirchenmusik" von Michael Wersin nachgeschlagen. Dieses Buch müsste erstmals im Jahr 2006 erschienen sein (jedenfalls stammt meine Ausgabe aus diesem Jahr) und lohnt nicht nur in Bezug auf die darin vorgestellten Requiem-Vertonungen!
    Viel Erfolg bei der Seminararbeit!

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