Freitag, 25. Februar 2011

Neuerwerbung

Vor ungefähr zwei Wochen habe ich mir die bei NAXOS neu erschienene Gesamtaufnahme von Gioachino Rossinis (1792-1868) komischer Oper La gazzetta zugelegt - eine Entscheidung, die mir dank der bei NAXOS üblichen günstigen Preise leicht gemacht wurde und die ich nicht bereut habe!

Ehrlich gesagt war mir bis dato eine Rossini-Oper dieses Namens noch gar nicht untergekommen, umso überraschter war ich, als ich feststellen musste, dass La gazzetta sogar im Jahr 1816 komponiert und uraufgeführt (26.09.1816) wurde, also genau in dem Zeitraum, in dem auch Rossinis zwei berühmteste und beliebteste komische Opern, Il barbiere di Siviglia und La Cenerentola, entstanden waren.

Im interessant geschriebenen Booklet-Text (das vollständige Libretto kann man sich über die NAXOS-Homepage herunterladen - allerdings nur im italienischen Original) wird die Entstehungsgeschichte dieser ziemlich in Vergessenheit geratenen Opera buffa anschaulich beschrieben.
Die Handlung basiert auf der Komödie Il matrimonio per concorso des venezianischen Erfolgsautors Carlo Goldoni (1707-93) und Rossini hatte für die Uraufführung der Opernfassung dieses Theaterstücks im neapolitanischen Teatro dei Fiorentini eine ungewohnte Herausforderung zu bewältigen: Eine der Hauptrollen war in neapolitanischem Dialekt verfasst und Rossini, der sich mit dem Verstehen dieser Mundart eigenem Benkunden zufolge recht schwer tat, bewältigte diese Aufgabe dann aber mit bewundernswerter Eleganz, die beim örtlichen Publikum verständlicherweise viel Anklang fand.
Ähnlich wie beim Barbier von Sevilla hat Rossini - bewusst oder unbewusst - auch bei La gazzetta eine Textvorlage erneut vertont, die bereits als Oper existierte und wohl auch recht erfolgreich war (wenn auch nicht vergleichbar mit dem Erfolg des älteren Barbiers von Paisiello). Aus diesem Grund benannte Rossini seine Goldoni-Vertonung dann auch nicht Il matrimonio per concorso, sondern eben La gazzetta. Vielleicht reizte ihn die Herausforderung, erfolgreiche und beliebte Opernstoffe neu zu vertonen und dann das Publikum entscheiden zu lassen, wessen Version erfolgreicher und beliebter war? Erfolgsverwöhnt wie er war (zu der Zeit schien ja nahezu jede neue Rossini-Oper ein großer Publikumsrenner zu werden), könnte ich mir gut vorstellen, dass er diese "sportliche" Herausforderung sich selbst gegenüber durchaus als eine Art Ansporn aufgefasst haben könnte.

Wie zu Beginn der besonders produktiven mittleren Schaffensphase Rossinis (die ich von 1813 bis 1823 festlegen würde) üblich, verwertete der Maestro auch in La gazzetta mehrfach Musik älterer eigener Opern, während er wiederum die neu komponierte Ouvertüre zu dieser Oper fünf Monate später für seine nächste Opera buffa La Cenerentola erneut einsetzte (als Vorspiel zu dieser letztgenannten Oper kennt man sie heutzutage dann auch fast ausschließlich).

Vielleicht liegt es an den zahlreichen Anleihen aus seinen früheren Opern, dass man La gazzetta jahrzehntelang als eher zweitrangiges Werk betrachtete, das Rossini nur widerwillig komponiert (bzw. aus älterer Musik lediglich zusammengestellt) hatte und das dementsprechend selten aufgeführt wurde.

Außerdem machte das Fehlen von Partiturseiten eines doch recht umfangreichen Abschnitts in der Mitte des ersten Aktes eine Aufführung in späteren Jahren nicht gerade einfacher, zumal das bloße Weglassen dieser dramaturgisch wichtigen Szenen das Verständnis der weiteren Handlung der Oper für das Publikum nahezu unmöglich machte.

Für die Wiederaufführung von La gazzetta im Rahmen des 19. Festivals "Rossini in Wildbad" im Juli 2007 (die auf der vorliegenden NAXOS-Liveaufnahme dokumentiert ist) gab die Deutsche Rossini Gesellschaft bei dem Komponisten Stefano Piana dann auch eine entsprechende Rekonstruktion der fehlenden Szenen (inklusive eines sich in diesem Szenenkomplex befindlichen Quintetts) in Auftrag, die dieser - ganz nach Rossinis Vorbild - aus älteren Opern des Meisters sowie der kurz danach entstandenen Oper La Cenerentola sehr geschickt (wie ich finde) zusammensetzte, so das für diese empfindliche Lücke nunmehr eine überzeugende Lösung gefunden werden konnte, die hoffentlich diesem charmanten Werk weitere Aufführungen auch an anderen Orten ermöglicht!

Denn - wer die Musik von Barbiere und Cenerentola mag, der wird auch beim Anhören von La gazzetta voll auf seine Kosten kommen (zumal heutzutage ja sowieso Rossinis komische Opern in puncto Beliebtheit und Aufführungshäufigkeit weit vor seinen ernsten Opern liegen)!

Bei NAXOS-Opernaufnahmen bin ich zunächst immer ein bisschen skeptisch, denn bei diesem Label gibt es auch einige (zumeist schon etwas ältere) Opern-Einspielungen, die ich nicht als besonders gelungen bezeichnen würde - aber diese neuerschienene Aufnahme kann ich uneingeschränkt empfehlen, wie es in den letzten Jahren überhaupt zunehmend ausgesprochen erfreuliche neue Opernaufnahmen bei NAXOS gegeben hat!

Die Liveatmosphäre im Kurhaus von Bad Wildbad lässt einiges von der Spielfreude des Ensembles rüberkommen und die typische Rossini-Musik verbreitet von Anfang an gute Laune beim Zuhören.

Mit dem Bariton Marco Cristarella Orestano konnte man zudem einen waschechten Neapolitaner für die Rolle des Don Pomponio gewinnen - er singt die Partie, die im neapolitanischen Dialekt verfasst wurde.

Am besten hat mir jedoch der Tenor Michael Spyres gefallen, der den Alberto singt: Seine helle und flexible Stimme hat mich derart frappant an den ja ebenfalls mit Vorliebe im Rossini-Repertoire beheimateten Juan Diego Flórez erinnert, dass ich das ein oder andere Mal dachte, der berühmte Peruaner wäre es tatsächlich selber!
Mit dem US-Amerikaner Michael Spyres dürfte Flórez jedenfalls eine ernsthafte Konkurrenz im Rossini-Repertoire erwachsen, da bin ich mir ziemlich sicher. Obwohl es natürlich toll ist, dass es auch andere Tenöre gibt, die derartig knifflige, hoch gelegene Partien mit einer wunderbaren und wie selbstverständlich erscheinenden Leichtigkeit bewältigen! Jedenfalls ein Name, den man sich merken sollte - unbedingt mal anhören!

Auch die übrigen Solisten dieser Produktion (die in Koproduktion mit dem SWR entstand), inklusive Chor (ebenfalls aus Neapel importiert) und Orchester unter der Leitung von Christopher Franklin können sich hören lassen - das Ganze hinterlässt einen runden, sehr gelungenen Gesamteindruck!
Außerdem dürfte bei dem schon erwähnten supergünstigen Preis dieser Doppel-CD das Risiko, mit dem Kauf dieser Aufnahme eine Enttäuschung zu erleben, gegen Null tendieren!

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