Freitag, 4. Februar 2011

Philharmonie-Konzert

Diese Woche Dienstag (01.02.11) bin ich überraschend noch ein weiteres Mal in den Genuss gekommen, nach dem Symphoniekonzert am 11. Januar nun auch noch das nächste Konzert des Kölner Gürzenich-Orchesters besuchen zu können.

Dieses 5. Symphoniekonzert der Spielzeit 2010/11 hatte folgendes Programm:

Hans Werner Henze (geb. 1926):
Elogium Musicum amatissimi amici nunc remoti (für gemischten Chor und Orchester)

Ludwig van Beethoven (1770-1827):
Symphonie Nr. 3 Es-Dur, op. 55 "Eroica"

Colin Matthews (geb. 1946):
Crossing the Alps (für gemischten Chor und Orgel)

MDR Rundfunkchor (Einstudierung Howard Arman)
Roderick Shaw, Orgel

Gürzenich-Orchester Köln
Dirigent: Markus Stenz


Das ungewöhnlich zusammengesetzte Programm dieses fast schon als halbes Chorkonzert zu bezeichnenden Symphoniekonzerts hat mich direkt neugierig gemacht, zumal es sich bei den beiden Chorwerken um ganz neue Kompositionen handelt: Henzes vierteiliges Stück, das einen lateinischen (meinem Empfinden nach etwas verquasten) Text von Franco Serpa als Grundlage hat, ist im Jahr 2008 entstanden, Colin Matthews' Komposition sogar erst 2009!

Während beim letzten Symphoniekonzert des Gürzenich-Orchesters im Januar das Orchester nach dem Beginn mit Mozart nach der Pause für die Schostakowitsch-Symphonie mächtig aufgerüstet wurde, schlug man diesmal den umgekehrten Weg ein:
Für das Henze-Werk waren noch mehr als 90 Musiker (plus Chor) erforderlich - inklusive einer reich besetzten Schlagwerk-Abteilung - für die Beethoven-Symphonie wurde dann im zweiten Konzertteil das Ganze auf die klassische Symphonieorchesterbesetzung (in diesem Fall ca. 50 Ausführende) "abgespeckt", der letzte Teil dieses Gürzenich-Orchester-Konzerts fand dann sogar ganz ohne selbiges statt: Nur der Chor und die Orgel waren im sogenannten "3. Akt" noch auf dem Podium zugange...

Das etwas sperrig betitelte Henze-Chorwerk "Elogium Musicum amatissimi amici nunc remoti" ("Lobgesang auf einen sehr geliebten Freund, der nun weit entfernt ist") ist anlässlich des Todes von Henzes langjährigem Lebensgefährten Fausto Ubaldo Moroni als eine Art Requiem entstanden. Fausto Moroni - 18 Jahre jünger als sein Freund Henze - war 2007 überraschend gestorben und Henze hat in dem viersätzigen, ca. 20-minütigen Werk für Chor und großes Orchester einen abwechslungsreichen Abschiedsgesang auf einen extra für diesen Anlass gedichteten lateinischen Text komponiert. Die Uraufführung fand im Oktober 2008 im Leipziger Gewandhaus statt, der mit dieser Uraufführung betraute Chor war ebenjener in Leipzig ansässige MDR Rundfunkchor, der - somit bestens mit diesem Werk vertraut - dieses Stück nun auch bei uns in Köln präsentieren durfte.

Ich fand Henzes Elogium nicht uninteressant, es gab einige wirklich anrührende Momente - im Großen und Ganzen fehlte mir aber etwas die - vielleicht aber vom Komponisten auch gar nicht beabsichtigte - große Linie in diesem ja nun auch nicht allzu langen Werk: Ständig wechselten Stimmung, Tempo, Besetzung, Lautstärke, am Ende bricht das Ganze sogar mitten in einer großen Steigerung ganz unvermittelt ab! Bei Markus Stenz war die Aufführung dieses Stücks in guten Händen - er pflegt langjährige künstlerische Kontakte zu Henze und hat auch mehrere Werke von ihm uraufgeführt.

Der eindeutige Höhepunkt des Konzerts war - und das gilt sicher nicht nur für mich - hingegen eindeutig die Aufführung von Ludwig van Beethovens symphonischem Meilenstein, seiner weltberühmten, "Eroica" betitelten 3. Symphonie!
Auch in dieser Symphonie geht es (und dies bildete wohl die sinnstiftende Kombination des Henze- mit dem Beethoven-Werk, die man auch im Rahmen der oben erwähnten Uraufführung im Oktober 2008 in Leipzig so gewählt hatte) um die Ehrung eines "großen Mannes", wie die Beethoven'sche Widmung nach der vielzitierten, im Zorn erfolgten Streichung der ursprünglichen Widmung des Werks an Napoléon Bonaparte nun stattdessen vielsagend lautete.

Markus Stenz interpretierte Beethovens Dritte ausgesprochen schwung- und temperamentvoll: Da klang nichts wuchtig und bedeutungsschwanger - im Gegenteil: Auch in seinen ausladenden Gesten beim Dirigieren betonte Stenz die ausgesprochen tänzerischen Elemente der Partitur, die gerade in den Ecksätzen (und im Scherzo) dem Ganzen eine wirklich absolut faszinierende und mitreißende Wirkung verliehen und Beethovens Genie (wieder einmal) eindrucksvoll erstrahlen ließen! Eine echte Sternstunde mit einem großartigen Orchester!

Wenn - wie am Dienstag - Markus Stenz "sein" Gürzenich-Orchester selber dirigiert, gibt es zum Abschluss des Konzerts regelmäßig den als "3. Akt" bezeichneten letzten Teil, dessen Besonderheit darin besteht, dass sein Programm immer erst unmittelbar vor dem Erklingen vom Maestro selbst dem Publikum bekanntgegeben wird.

Als deutsche Erstaufführung gab es nun also das ungefähr 7-minütige Chorstück "Crossing the Alps" des englischen Komponisten Colin Matthews, das als Auftragswerk für das Mahlerjahr 2010 entstanden war und vor fast genau einem Jahr, nämlich am 28. Januar 2010, in Manchester vom Hallé Choir unter der Leitung von Markus Stenz uraufgeführt wurde.

Vertont hat Matthews einen Text des Dichters William Wordsworth (1770-1850), in dem es nur vordergründig um eine Alpenüberquerung geht - eigentlich dreht sich alles um die menschliche Schaffens- und Erfindungsgabe, also erneut eine Art Lob des (kreativen und schöpferisch tätigen) Menschen - und damit wiederum eine irgendwie existente thematische Verbindung zu den beiden vorangegangenen Stücken dieses Konzertabends.

Von Matthews kannte ich bisher nur seinen symphonischen Satz "Pluto, the Renewer", der im Jahr 2000 die berühmte Suite "The Planets" von Gustav Holst (1874-1934) um den damals in Holsts Suite noch fehlenden Planeten ergänzte.

Matthews' Chorstück "Crossing the Alps" mit der sehr dezenten, sich nur im Bassbereich bewegenden Orgelbegleitung wirkt ausgesprochen ruhig und irgendwie geheimnisvoll - mich hat das Stück (ich bin ja eh ein Freund britischer Chormusik) wirklich neugierig gemacht auf weitere Werke dieses englischen Komponisten! Schade, dass es nur knapp 7 Minuten gedauert hat.

Immerhin konnte der MDR Rundfunkchor nach seinem eigentlich viel zu kurzen Einsatz im Henze-Werk hier noch einmal seine exzellente Intonation und seinen sehr homogenen Ensembleklang unter Beweis stellen.

Insgesamt also ein abwechslungsreicher und gelungener Konzertabend (eine gut 80%ige Auslastung der gut besuchten Kölner Philharmonie) mit ein paar überraschend neuen musikalischen Eindrücken und Begegnungen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen