Vorgestern, also am 31. Januar, hatte ich wieder einmal Gelegenheit, mir eines der Konzerte des Gürzenich-Orchesters in der Kölner Philharmonie anzuhören.
Der Programmzettel des Abends sah wie folgt aus:
Carl Nielsen (1865-1931)
„Helios“ Ouvertüre für Orchester op. 17
W. A. Mozart (1756-91)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur KV 218
Richard Strauss (1864-1949)
„Sinfonia domestica“ für großes Orchester F-Dur op. 53
Patricia Kopatchinskaja, Violine
Gürzenich-Orchester Köln
Dirigent: Ulf Schirmer
Wie eigentlich alle Konzerte des Gürzenich-Orchesters, die ich in der letzten Zeit besucht habe (siehe meine entsprechenden Konzertberichte in diesem Blog), war auch dieses wieder erfreulich gut besucht: In der zu gut 80% ausgelasteten Kölner Philharmonie sah man auch eine ganze Reihe junger Konzertbesucher – sowas freut mich natürlich immer ganz besonders!
Abgesehen davon, dass ich das Programm des Abends ein bisschen wahllos zusammengestellt fand (immerhin sind die Kompositionen von Nielsen und Strauss im selben Jahr 1903 entstanden), gab es an der Leistung des gut aufgelegten Gürzenich-Orchesters nichts auszusetzen.
Vor allem die Strauss-Symphonie, die den 2. Teil des Konzertabends füllte, ließ keine Wünsche offen: Es macht einfach Spaß, ein üppig besetztes, mehr als 100-köpfiges Orchester beim Musizieren beobachten zu können und in den Live-Genuss der sich hieraus ergebenden üppigen Klänge zu kommen! Strauss‘ Tondichtung ist ein sehr dankbares Orchesterstück (in dem Strauss sein Familien- und Eheleben teils augenzwinkernd, teils mit großer Gefühlsgeste in Musik umsetzt), das wirklich alle Stimmgruppen des spätromantischen Orchesterapparats zur Geltung kommen lässt und bei dem ein Spitzenorchester zeigen kann, was alles in ihm steckt!
Ähnlich groß besetzt (aber nicht ganz so üppig wie bei Strauss) war das Gürzenich-Orchester bei der einleitenden Konzertouvertüre „Helios“ des dänischen Komponisten Carl Nielsen. Nielsen dürfte neben Niels Wilhelm Gade (1817-90) wohl der auch im Ausland bekannteste Komponist Dänemarks sein – nützlich für den Fall, dass man mal nach einem dänischen Komponisten gefragt wird und einem nur Namen wie Edvard Grieg (Norwegen) oder Jean Sibelius (Finnland) einfallen sollten! A propos - wie sähe es denn mit einem schwedischen Komponisten aus…? ;-)
Nielsens Ouvertüre, die – der Name des griechischen Sonnengottes lässt es schon vermuten – einen sommerlichen Tag von Sonnenauf- bis –untergang in leuchtenden Orchesterfarben beschreibt, hat mir auch sehr gut gefallen, gerade die freudig-festliche Stimmung, die er erzeugt, wenn die Sonne zu Beginn des Stückes aufgeht, erzeugte schon einen gewissen Gänsehauteffekt! Ich kannte diese Ouvertüre bislang noch gar nicht, sie bestätigte aber meine positive Einstellung gegenüber diesem Komponisten, von dem ich bislang vor allem seine grandiosen Symphonien schätze!
Die junge Violinistin Patricia Kopatchinskaja aus Moldawien bot eine aus meiner Sicht etwas übertriebene (vom besetzungstechnisch stark reduzierten Gürzenich-Orchester gleichwohl souverän begleitete) Interpretation von Mozarts bekanntem 4. Violinkonzert. Sie trat barfuß im bodenlangen Kleid auf und ging vom ersten Takt der Orchestereinleitung an total in der Musik auf: Sie bewegte sich rhythmisch, drehte sich gerne während des Spiels auch einmal zu den hinter ihr sitzenden Orchestermusikern um und unterstrich ihr engagiertes Spiel mit entsprechenden Körperbewegungen - da wurde dann im Affekt auch mal mit dem Fuß aufgestampft, um einer rhythmischen Phrase (die sie gern auch mit entsprechend dynamischem Nachdruck einleitete) weitere Bedeutung zu verleihen.
Für mich machte diese Performance ständig den Eindruck, als wollte die Solistin ihrem Publikum quasi permanent mitteilen, wie leicht, unterhaltsam, „fluffig“ und modern Mozarts Musik doch ist und wieviel Spaß man beim Musizieren dieses in der Tat ja wirklich als reine Unterhaltungsmusik konzipierten Konzerts haben kann…
Ihre (wohl selbst verfassten) Solokadenzen – vor allem die am Ende des ersten Satzes – wirkten eher wie Vorführungen zum Thema „Was kann man aus einer einfachen Geige alles für Klänge herausholen?“, da wurde mit dem Bogen hantiert und abwechselnd dazu mit den Fingern gezupft, was das Zeug hielt! Stilistisch hatte dies jedenfalls mit dem Mozartkonzert nicht mehr allzuviel zu tun (mich erinnerte das Ganze eher an Kunststückchen à la Paganini, bzw. noch viel mehr an zeitgenössische Violinmusik) – gerade die ausgedehnte Kadenz des ersten Satzes stand von ihrer Länge her in keinem Verhältnis zur Länge desselben, noch dazu zerfiel sie in viele kleine artistische Einzelepisoden (jedenfalls habe ich das so empfunden) und der große Bogen fehlte hier einfach.
Patricia Kopatchinskaja verfügt über einen schönen und schlanken Geigenton, den sie wenigstens in den gesanglich-lyrischen Passagen des zweiten Satzes ohne die oben geschilderten „Zutaten“ voll zur Geltung kommen ließ.
Wie gesagt – für mich war diese Darbietung zwar engagiert aber für meinen Geschmack einfach zuviel des Guten! Mozarts Musik hat solche „Unterstützung“ gar nicht nötig – sie erzielt ihre beabsichtigte Wirkung auch ohne das ständige Überbetonen rhythmisch-schwungvoller Solisteneinsätze und den häufigen Wechsel von laut zu leise (und umgekehrt) innerhalb einer einzigen Phrase.
Und meine Meinung zu stilistisch fragwürdigen, zeitlich ausufernden Solokadenzen habe ich an anderer Stelle ja schon einmal kundgetan…
Laut Programmheft fühlt sich Frau Kopatchinskaja vor allem in der zeitgenössischen Musik zuhause, so haben mehrere Komponisten bereits Werke für sie geschrieben. Ganz ehrlich – das hat man der Solistin in jeder Phrase angemerkt! Ihre kurze Solo-Zugabe, die sie dem trotz allem begeisterten Publikum darbot, passte dann auch viel besser zu ihrer ganzen Persönlichkeit als das gesamte zuvor absolvierte Mozart-Konzert: Ein wild-virtuoser Ausbruch, bei dem die Solistin – wie in den Solokadenzen zuvor –abwechselnd die Saiten ihres Instruments mit Bogen und Fingern traktierte und der Geige die abenteuerlichsten Geräusche entlockte, das Ganze begleitet mit vokalen Gurr-, Quietsch-, Brabbel- und Zischlauten. So schräg diese (höchstens zweiminütige) Performance wirkte – irgendwie hatte das etwas, nicht zuletzt, weil man das Gefühl hatte, dass die Künstlerin hier endlich ihre zuvor nur mühsam angelegten Temperamentsbremsen endlich lösen und ganz aus sich herausgehen konnte.
Hätte man nicht für alle Beteiligten ein deutlich mitreißenderes Konzerterlebnis erzielt, wenn man Patricia Kopatchinskaja ein zeitgenössisches Werk hätte aufführen lassen, statt sie ausgerechnet mit Mozart „zähmen“ zu wollen? Das wäre bestimmt spannend geworden, denn ich kann mir vorstellen, dass sie hier wirklich eine überzeugende, mit Herzblut agierende Sachwalterin für diese ja nicht immer so einfach zu verstehende Musik ist.
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