Donnerstag, 16. Februar 2012

Philharmonie-Konzert: Cameron Carpenter

Auch im Bereich der Klassik gibt es Musiker, die mit ihrer Art deutlich aus dem Rahmen des Üblichen fallen – gerade in der doch eher konservativen Welt altehrwürdiger Konzertsäle und prunkvoller Opernhäuser erregt man mit einem (wie auch immer) unangepassten Auftreten allerdings nach wie vor deutlich mehr Aufmerksamkeit als im Bereich von Jazz- oder Pop-Musik.

Da gibt es neben den kauzig-exzentrischen Vertreten à la Glenn Gould oder den jugendlich-stürmischen Rebellen vom Typ Ivo Pogorelich auch den – allerdings nicht so häufig wie die beiden zuvor erwähnten Prototypen - im Klassik-Zirkus anzutreffenden „Paradiesvogel“, der vor allem durch seine rein äußerliche Aufmachung für einen klassischen Musiker exotisch wirkt.

Der britische Violinist Nigel Kennedy, der vor allem in den 1980er Jahren beim Konzertpublikum mit seinem Punker-Image für Irritation und Faszination gleichermaßen sorgte, war hier sicherlich ein Vorreiter.

Seitdem ist natürlich viel Zeit vergangen und die seitdem nachgewachsenen Generationen junger klassischer Musiker(innen) gehen mittlerweile viel unverkrampfter mit vielen steif und altbacken erscheinenden Riten oder auch Kleidungsvorschriften im Konzertbetrieb um, was ich ganz sympathisch finde.
Um hier noch auffallen zu können, muss man heutzutage dann schon ein paar wirklich unkonventionelle Ideen an den Tag legen – und dem 1981 geborenen US-amerikanischen Organisten Cameron Carpenter ist hier dann doch noch einiges eingefallen, um schon Aufmerksamkeit zu erregen, bevor er überhaupt seiner eigentlichen musikalischen Beschäftigung nachgehen kann:
Seine von einem gewissen athletischen Körperkult ausgehenden figurbetonten Outfits, die er sowohl privat als auch auf der Bühne trägt, sind mittlerweile schon legendär – wenn er die Konzertbühne in seinen in den Farben schwarz und weiß gehaltenen, reichhaltig mit funkelnden Strass-Steinen bestückten Jacken, Hemden, Hosen und Schuhen betritt, dann umweht ihn schon eine für Besucher klassischer Konzerte ziemlich ungewohnte Aura von Glamour, Broadway oder Las Vegas.

Carpenter hat das Glück, dass er außerdem als Organist auch noch eine echte Marktlücke füllen kann – gerade der „Spezies“ der Organisten unterstellt man ja gerne eine gewisse Verschrobenheit, die mit einem nicht gerade publikumswirksamen Auftreten einhergeht. Das mag zwar in den meisten Fällen kompletter Unsinn sein, aber allein die Tatsache, dass man einen Organisten während seines Konzerts meistens nicht zu sehen bekommt, weil er z. B. in der Kirche auf irgendeiner versteckten Orgelempore seine Register ziehen muss und sich allenfalls am Ende kurz und scheu seinem ihm applaudierenden Publikum an der Brüstung der Empore zeigt, sorgt natürlich für die Entstehung solcher Klischees – ich wüsste keine andere Musikergruppe, die sich während der Ausübung ihrer Tätigkeit (in der Regel durch räumliche Gegebenheiten hierzu genötigt) so gut vor ihrem Publikum verbergen kann oder muss, wie eben die der Organisten.

Nun, Cameron Carpenter zählt ganz gewiss nicht zur Gruppe dieser Klischee-Organisten, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass er nicht so gerne in Kirchen spielt. Wann immer es ihm möglich ist, bevorzugt er große, moderne (und entsprechend klanggewaltige) Konzertorgeln - die es in modernen Kirchen allerdings auch gibt - deren Spielpulte sich individuell im Raum positionieren lassen und es auch Organisten ermöglichen, ähnlich wie z. B. Pianisten direkt vor ihrem Publikum in die Tasten (und Pedale!) zu greifen. Gerade die Tatsache, dass das Publikum beim Organisten ja viel mehr zu sehen bekommt, als beim „gewöhnlichen“ Pianisten, spricht für Mr Carpenters Präferenz solcher Orgeln – was er und seine Kolleginnen und Kollegen da mit Armen und Beinen, Händen und Füßen für akrobatische, zum Teil schon tänzerisch anmutende Bewegungen ausführen (müssen), um ihre Musik zu spielen, bietet definitiv mehr optische Abwechslung, als es die meisten anderen Instrumentalisten vermögen!

Und während in den letzten Jahren viele junge Gesichter alle möglichen Instrumentengruppen mit frischem Wind erfüllt haben – man denke neben den zahlreichen Pianisten, Violinisten und Cellisten auch an Bratscher, Harfenisten, Trompeter, Blockflötenspieler, Percussionisten und so weiter (alle Bezeichnungen sind natürlich auch in weiblicher Form zu denken!), die auf dem Klassikmarkt in der letzten Zeit für Aufmerksamkeit und Begeisterung gesorgt haben, ist Cameron Carpenter als weithin bekannt gewordener Jung-Organist irgendwie bislang ein ziemlicher Einzelfall geblieben – das meinte ich vorhin mit der Marktlücke, die allein zu füllen er im Moment das große Glück hat.

Dass nicht alle Organisten sein Auftreten (und vor allem seine unkonventionelle, extrem personalisierte Spielweise) goutieren, versteht sich fast von selbst – aber man muss ihm eines lassen: Es hat es immerhin in relativ kurzer Zeit geschafft, der leider oft vernachlässigten und unterschätzten Orgel als Solo- und Konzertinstrument eine bisher nicht für möglich gehaltene Popularität zu verschaffen und das ist ja auch schon etwas!

Symptomatisch ist wahrscheinlich die Tatsache, dass eine Persönlichkeit wie Cameron Carpenter eigentlich nur ein US-Amerikaner sein kann – irgendwie ist es diese von uns in diesem Punkt wohl immer etwas gehemmten Europäern oft etwas beargwöhnte (aber auch insgeheim bewunderte) Fähigkeit, völlig unvoreingenommen und ohne falsche Ehrfurcht an die vermeintlich „hehre“ und unnahbar erscheinende Hochkultur heranzugehen und sich dort das herauszuholen, was für die individuellen Bedürfnisse geeignet erscheint – ohne dabei den steten Grundsatz des aus amerikanischer Sicht wohl über allem stehenden „Entertainment-“ und „Showbusiness-Gedankens“ aus dem Blick zu verlieren.

Und Mr Carpenter beherrscht diese urtypisch amerikanische Mischung aus Unterhaltung und Ernsthaftigkeit auf höchstem Niveau zu 100% - er ist (ganz unabhängig von seinen exzentrisch-glamourösen Outfits) ein charismatischer und sympathischer Künstler, der sein Publikum mitzureißen und zu begeistern versteht, auch wenn er Stücke aus dem absoluten Pflichtrepertoire eines jeden Organisten (nämlich die Kompositionen von Johann Sebastian Bach) spielt, die man von ihm, das gebe ich gerne zu, nicht unbedingt auf Anhieb erwarten würde, wenn man ihn zum ersten Mal sieht.

Am vergangenen Donnerstag (es war der 9. Februar) war Cameron Carpenter nun zum mittlerweile zweiten Mal zu Gast in der Kölner Philharmonie und da ich als Orgel-Fan von ihm natürlich schon gehört und seinen ersten Auftritt in Köln vor etwas über einem Jahr leider versäumt hatte, war ich natürlich ausgesprochen neugierig darauf, diesen Paradiesvogel unter den Organisten einmal live und in Aktion erleben zu können!

Reine Orgelkonzerte finden in der Kölner Philharmonie nicht allzu häufig, aber doch regelmäßig statt (so ca. drei bis vier Mal pro Saison). Ich habe vor ein paar Jahren bereits einmal ein solches Konzert besucht (damals war der Brite Thomas Trotter zu Gast) und musste damals schon feststellen, dass dieses Konzert nicht besonders gut besucht war. Während damals das weite Rund der Kölner Philharmonie nicht einmal zur Hälfte gefüllt war, war der Saal beim letztwöchigen Konzert immerhin zu fast zwei Dritteln gefüllt – für ein reines Orgelkonzert ganz beachtlich, wie ich finde! Es zeigt, welches Publikumspotenzial Mr Carpenter durch seine Künstlerpersönlichkeit zu mobilisieren und zu interessieren in der Lage ist.

Außerdem war das Konzert im Vorfeld entsprechend beworben und in der Presse angekündigt worden. Mit Artikeln, die sich mit einem so ungewöhnlichen Künstler beschäftigen, weckt man natürlich Neugier und Journalisten schreiben sicherlich auch lieber über solche Persönlichkeiten als über unauffällig-brave Musiker, die sich – zumindest vom äußeren Auftreten her – kaum vom Umfeld ihrer zahllosen Kollegen unterscheiden.

Leider ist die Orgel der Kölner Philharmonie nicht wirklich mein Lieblingsinstrument – zum einen ist die Akustik im Saal ziemlich trocken, was meinem Empfinden nach gerade für den Klang einer Orgel ziemlich nachteilig ist. Man kennt Orgelklänge ja hauptsächlich aus mehr oder weniger großen Kirchenräumen, die einen mehr oder weniger starken Hall erzeugen. Sofern dieser Hall nicht zu groß ist, ist er jedoch geradezu ideal als akustischer Begleiter typischer Orgelklänge: Die raumfüllenden, oft lang ausgehaltenen Klänge aus einem sehr großen Tonspektrum bekommen so erst die richtige Mischung aus Wucht, Fülle und majestätischer Größe. Diese ganze Wirkung verpufft leider fast ganz, wenn die Raumakustik diese aus meiner Sicht so wichtige „Zutat“ für Orgelmusik nicht zulässt und den Zuhörer die Töne der Orgel quasi „nackt“ und unverhüllt direkt „anspringen“, ohne nachzuklingen – das hat für mich etwas ernüchterndes, was schwer zu beschreiben ist – aber irgendwie verliert Orgelmusik in so einem „puristischen“ akustischen Umfeld viel von ihrem besonderen Zauber.

Das zweite Problem der Orgel der Kölner Philharmonie ist, dass selbige meines Wissens für diesen Konzertsaal ursprünglich gar nicht vorgesehen war und man sich erst während der eigentlichen Bauphase Mitte der 1980er Jahre dazu entschieden hatte, die Philharmonie auch mit einer großen Konzertorgel auszustatten (den Auftrag erhielt die bekannte Orgelbaufirma Klais aus Bonn). Das führte dann wohl auch dazu, dass sich sämtliche Pfeifen dieses Instruments ausschließlich auf der linken Seite der Bühne der Philharmonie befinden, platztechnisch konnte offenbar kein anderer Platz mehr hierfür zur Verfügung gestellt werden – optimal wäre sicher eine Aufteilung der zahlreichen Pfeifen zu beiden Seiten des Podiums oder eine mittige Anordnung gewesen.
So stellt sich bei Orgelkonzerten vor Ort leider immer ein gewisser „Mono-Effekt“ ein, da sämtliche Töne ausschließlich von links auf das Publikum einströmen. Damit gehen – neben der unvorteilhaften Akustik – weitere mögliche Klangentfaltungsmöglichkeiten verloren, was sehr schade ist!
Immerhin – wenn die Orgel zusammen mit einem Orchester eingesetzt wird (wie ich es z. B. selber bei unserem Chorkonzert mit dem Berlioz-Te Deum erleben konnte), fallen die beschriebenen Nachteile nicht wirklich ins Gewicht und das ist für eine Philharmonie im Zweifel eben ausreichend.

Diese Situation findet nun also jede(r) Organist(in) vor, der/ die in der Kölner Philharmonie auftreten möchte – eine schwierige Aufgabe, die es da zu lösen gilt!

Überhaupt sind Organisten (und das vergisst man leicht) ja gegenüber ihren Kollegen an fast allen anderen Instrumenten hier eindeutig im Nachteil:
Während diese in der Regel ihre eigenen Instrumente haben, mit denen sie seit Jahren bestens vertraut sind und die sie selbstverständlich auf ihre Konzerttourneen mitnehmen, müssen sich Organisten jeweils vor Ort immer auf ganz unterschiedliche Instrumente einstellen und im Gegensatz z. B. zu einem Steinway-Flügel, der in New York normalerweise ähnlich klingt und reagiert wie in Berlin, gleicht wohl keine Orgel der anderen, da es sich hierbei immer um individuelle Anfertigungen handelt, die jeweils auf die ganz speziellen Wünsche und Gegebenheiten von Auftraggebern und Räumlichkeiten abgestimmt wurden.

Um ein professionelles Konzert abliefern zu können, benötigt ein Organist mit Sicherheit ein paar Stunden, in denen er sich intensiv mit dem Instrument beschäftigt.
Auch Mr Carpenter hat sich im Vorfeld mit der Orgel der Kölner Philharmonie befasst (immerhin kannte er das Instrument ja schon aus dem Vorjahr) und in diesem Zusammenhang am Tag des Konzerts auch die halbstündige öffentliche Probe zur Mittagszeit (unter dem Titel „PhilharmonieLunch“) bestritten.

Ich habe gelesen, dass Cameron Carpenter plant, in nicht allzu ferner Zukunft mit einer eigenen, digitalen Orgel (die also keine Pfeifen zur Tonerzeugung benötigt sondern lediglich eine gute Lautsprecheranlage), die ganz nach seinen persönlichen Wünschen und Erfordernissen gebaut wurde, auf Tournee zu gehen, was natürlich für ihn einen enormen Vorteil bringen würde (vom logistischen Problem des Transports dieses sicher nicht gerade kleinen Instruments einmal abgesehen.) Allerdings hängt diese Idee derzeit wohl noch von der Finanzierung ab – einen Betrag in Höhe von ca. 750.000 USD muss man erstmal zusammenbekommen…

Am Abend des Konzerts war ich sehr erstaunt, dass sich der Künstler noch kurz vor Konzertbeginn freundlich lächelnd und sichtlich entspannt im Zuschauerraum aufhielt, in den vorderen Reihen Zuhörer begrüßte, Hände schüttelte und Autogramme gab – so etwas habe ich auch noch nicht erlebt; es passt aber in das oben gezeichnete Bild vom sympathisch-unkonventionellen Amerikaner.

Zu Beginn seines Konzerts (es gab kein „offizielles“ Programm, die einzelnen Stücke wurden vom Solisten nach kurzer vorheriger Ansage gespielt) bewies Mr Carpenter seine erstaunliche „Fußfertigkeit“, in dem er ein Stück vortrug, das er lediglich auf den Pedalen der Orgel spielte. Berühmt geworden ist ja das Video, auf dem man erleben kann, wie er die bekannte „Revolutionsetüde“ von Chopin, die ja eigentlich fürs Klavier komponiert wurde, ebenfalls nur auf den Pedalen einer Orgel zum Besten gibt. Vergangene Woche spielte er ein Prélude aus einer der Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach – das Ganze hatte schon etwas durchaus Akrobatisches, das muss ich sagen!

Danach ging es gleich weiter mit Bach, dem „Hausgott“ wohl aller Organisten, von dem Carpenter nun zunächst die Fantasie und Fuge g-moll (BWV 542) und gleich im Anschluss das Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) spielte.
Während er den dramatischen Beginn der g-moll-Fantasie mit vollem Werk und großer Geste auskostete, nahm er sich ansonsten über weite Strecken sehr zurück und ließ auch die leisen und zarten Stimmen der Orgel zu ihrem Recht kommen, was den vorgetragenen Stücken gut tat. Carpenter ist sicher nicht der Typ, der sich mit Begeisterung an eine historische Barockorgel setzen würde – er braucht die Vielzahl von Manualen und Registern einer modernen Konzertorgel, es spricht aber für ihn, dass er diese schon sehr gezielt einsetzt und nicht der Versuchung erliegt, permanent sämtliches ihm zur Verfügung stehendes „akustisches Pulver“ zu verschießen.
Von einer seiner CDs kenne ich seine Interpretation der berühmten Toccata und Fuge d-moll (BWV 565) und da wird wirklich dick aufgetragen in puncto Dramatik und Klangwucht!
Aber wie gesagt – im Kölner Konzert ging gerade der Bach eher im schlanken Klanggewand über die Bühne, dafür aber in einem generell schon als „sportlich“ zu bezeichnenden Grundtempo, was gerade die Fugen ausgesprochen frisch und lebendig rüberkommen ließ. Carpenters hierfür benötigte Virtuosität ist wirklich beeindruckend!
Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich die Tatsache, dass unser Organist wie in einem Solokonzert kurz vor dem Ende der G-Dur-Fuge eine improvisierte (?) Kadenz einfügte, in der sich plötzlich jazzige Klänge mit immer neuen virtuosen Tonkaskaden mischten, was an sich ganz annehmbar klang, für mich inmitten dieser Bach-Fuge jedoch eindeutig deplatziert wirkte! Mr Carpenter scheint an dieser Stelle offenbar regelmäßig „stilbrüchig“ zu werden – auf seiner CD „Cameron Carpenter – LIVE!“ ist der Mitschnitt eines Konzerts enthalten, in dem er ebenfalls das Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) zum Besten gibt und sich an selber Stelle einer ausufernden Kadenz hingibt, die mir allerdings noch unpassender zu sein scheint, als das, was er sich letzte Woche im Konzert ausgedacht hatte…

Im Kölner Programm folgte nach dieser geballten „Bach-Ladung“ eine Suite, bestehend aus drei eigenhändigen Arrangements von Liedern (für die Gattung des Kunstlieds interessiere er sich in der letzten Zeit ganz besonders, wie Carpenter erläuterte), die mir allerdings etwas zusammenhanglos erschien: Ein Titel aus Robert Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und –leben“, gefolgt von „One of these days“ der Band The Velvet Underground und schließlich der „Erlkönig“ in der berühmten Vertonung von Franz Schubert.
Als er mit dem Erlkönig begonnen hatte (verschiedene Registrierungen für die unterschiedlichen Personen der Ballade nutzend, wobei er auch mit Vorliebe die ganz tiefen Töne schnarren und „rumpeln“ ließ), brach er seinen Vortrag überraschend nach kurzer Zeit ab und entschuldigte sich hierfür, da es offenbar einen Defekt an der Orgel gegeben habe, der mir als Zuhörer gar nicht aufgefallen war. Er setzte erneut an und spielte mit erstaunlicher Gelassenheit dieses Stück nun komplett durch (wobei man ihm schon anmerkte, dass er sich über diesen Vorfall gewaltig ärgerte) und gab danach bekannt, dass die Pause nun vorgezogen werde, da die Orgel zunächst repariert werden müsse, bevor es weitergehen könne.

Zum Glück waren die hierfür erforderlichen beiden Techniker direkt anwesend (vielleicht extra aus dem Hause Klais angereist?) und machten sich sofort über den Spieltisch her – ich habe keine Ahnung, was an der Orgel nun eigentlich kaputt gegangen war (ein Pedal?), zum Glück ließ es sich schnell wieder reparieren, so dass das Konzert nach einer 20-minütigen Pause weitergehen konnte. Durch seinen souveränen und professionellen Umgang mit dieser unvorhergesehenen Panne konnte Cameron Carpenter nun erst recht die Herzen des Kölner Publikums für sich gewinnen.
Nach der Pause ging es mit dem Stück weiter, das eigentlich den ersten Konzertteil beschließen sollte, nämlich das Präludium und Fuge h-moll (BWV 544) – dieses kannte ich bislang vor allem in eher feierlich-wuchtigen Interpretationen, während Carpenter das ganze Stück erneut in betonter Zurückhaltung, fast schon leichtfüßig (und in der nun schon gewohnten erhöhten Geschwindigkeit) interpretierte. Auch eine durchaus überzeugende Interpretationsmöglichkeit, wie man feststellen konnte – Bachs Musik lässt ja viele Lesarten zu und verfehlt ihre Wirkung eigentlich nie.

Den zweiten Teil des Konzerts nahm nun die gewaltige Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“ von Franz Liszt ein – eine echte Herausforderung für jeden Interpreten, Liszt verlangt seinen Solisten ja häufig körperliche Höchstleistungen ab, die überhaupt erst Voraussetzung für eine interpretatorische Gestaltung sind!

Auch für dieses Mammutwerk (er bezeichnete es als eine Art „Oper für die Orgel“) wählte Carpenter ein zügiges Tempo, was dazu führte, dass er für das Stück statt der eigentlich üblichen knappen halben Stunde nicht einmal 25 Minuten brauchte!
Allerdings sorgte die Orgel dafür, dass gerade die lauten Stellen, in denen Liszt der Orgel wirklich alles abverlangt, doch etwas lärmend wirkten – die Akustik im Saal ist einfach für solche großdimensionierten Orgelwerke nicht wirklich geeignet…

Weitaus besser klang da definitiv die Orgel in der Düsseldorfer Johanneskirche (eben gerade auch in Verbindung mit der Akustik des Kirchenraums), als ich im Rahmen der Lunch-Time-Orgel Liszts „Ad nos“ im vergangenen November zuletzt gehört hatte!
Mr Carpenter gab im letztwöchigen Konzert jedenfalls wirklich alles und holte das aus der Orgel in der Kölner Philharmonie raus, was machbar war – entsprechend wurde er mit frenetischem Applaus belohnt.

Er spielte dann noch drei (!) längere Zugaben: Ein Stück im Stil einer Toccata à la Widor; dann ein hochvirtuoses Stück, das stellenweise an den berühmten „Hummelflug“ oder an mit den Flügeln flatternde Vögel erinnerte und zu guter Letzt einen kleinen Zyklus von Variationen über eine volksliedartige Melodie.

Mr Carpenter mag ein etwas unorthodox auftretender Künstler sein (und damit viele Kritiker auf den Plan rufen), aber er versteht es, sein Publikum auf höchstem technischen Niveau zu begeistern und beweist bravourös, dass auch die gute alte Orgel einen hohen Unterhaltungswert besitzt! Dass gerade seine Bach-Interpretationen nicht unbedingt stilistisch korrekte Wiedergaben barocker Orgelmusik sind, verzeiht man ihm da gerne – diese kann man sich dann ja immer noch bei einer anderen Gelegenheit anhören. Denn eine in jeder Hinsicht erfrischende Abwechslung bietet Mr Carpenter in jedem Fall!

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