Montag, 30. April 2012
Heia, Walpurgisnacht!
Es ist ein komischer Zufall, dass die beiden Nächte, in denen man auch heutzutage noch an Geister- und Hexenspuk erinnert (und dies mit zahlreichen Veranstaltungen auch entsprechend feiert), genau ein halbes Jahr auseinanderliegen: Am letzten Oktobertag ist Halloween und heute, am letzten Tag des Monats April Walpurgisnacht, das große Hexentanzfest auf dem Brocken im Harz (bzw. alternativ auch auf dem sprichwörtlichen „Blocksberg“, wo immer der auch liegen mag…)!
Am morgigen 1. Mai ist der Tag der Heiligsprechung von Walburga oder Walpurgis, somit ist (analog zum Abend vor Allerheiligen = Halloween) der Vorabend zu diesem Tag also die Walpurgisnacht.
Im Volksglauben treffen sich in dieser Nacht die Hexen auf dem Brocken (und anderen Bergen) zum sogenannten Hexensabbat, in dessen orgiastischen Verlauf es natürlich auch wilde Tänze um, durch und über lodernde Scheiterhaufen gibt.
Im Gegensatz zu den eher angloamerikanischen Traditionen, die im Rahmen des Halloween-Festes begangen werden (seit einigen Jahren nehmen ja entsprechende Events am 31. Oktober auch hier bei uns kontinuierlich zu), finde ich die Bräuche und Feiern rund um die Walpurgisnacht deutlich passender (außerdem ist der Frühling als Jahreszeit ja auch viel schöner!). Und wer nicht unbedingt als Hexe oder mit ihnen zusammen an diesem Abend um irgendein Feuer tanzen möchte, der kann alternativ ja auch an einer der zahlreichen „Tanz in den Mai“-Veranstaltungen teilnehmen – getanzt wird am heutigen Abend auf jeden Fall vielerorts!
Vielleicht hat der eine oder die andere Lust, sich passend zur Walpurgisnacht auch einmal mit einer klassischen Komposition zu beschäftigen – ich finde es immer besonders stimmungsvoll, wenn man Musik hören kann, die gerade zum jeweiligen (Feier-)Tag oder auch zur Jahreszeit passt!
Zum Einstieg vielleicht zunächst ein kleines Beispiel aus dem Bereich der am Volkslied orientierten, im Verlauf des 19. Jahhrunderts so überaus beliebten Chorsätze: Der bucklichte Fiedler, Op. 93a Nr. 1, eine Komposition von Johannes Brahms (1833-97), in der es in fröhlicher Weise um einen durch einen Buckel verunstalteten jungen Geiger geht, der einigen schönen Frauen (die sich später als Zauberinnen herausstellen) auf ihr Bitten zum Tanze anlässlich der Feier der Walpurgisnacht aufspielt und zum Lohn dafür von seinem garstigen Buckel befreit wird.
So unbekümmert geht es in der Regel allerdings nicht immer zu, wenn man weiter nach musikalischen Beispielen zum Thema Walpurgisnacht sucht. In der Regel wird eher der ausschweifend-orgienhafte, grotesk-bizarre Aspekt dieses Hexentanzvergnügens betont; vor allem auch (aber nicht nur) wenn es um hierzu passende Textvorlagen geht.
Interessanterweise kommt man hierbei vor allem um Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) nicht herum:
Da ist zum einen seine vom ihm bereits bei der Niederschrift 1799 als zur Vertonung vorgesehene Ballade Die erste Walpurgisnacht und dann natürlich die berühmte Walpurgisnacht-Szene aus dem 1. Teil seines Faust-Dramas (veröffentlicht 1808).
Die erste Walpurgisnacht op. 60 hat der junge Felix Mendelssohn (1809-47) zu Beginn der 1830er Jahre in Form einer orchesterbegleiteten Kantate (für Solisten und Chor) vertont (und seine Komposition 1842/43 nochmals überarbeitet).
Das ca. halbstündige Werk, in dem es quasi um die „Erfindung“ des Walpurgisnacht-Brauchtums geht (heidnische Druiden und ihr Gefolge wollen ungestört ihren Frühlingskult – zu dem auch ein großes Feuer gehört – feiern und veranstalten einen sehr erfolgreichen „Spuk“ mit Masken, Klappern und anderen unheimlichen Geräuschen, um die sie verfolgenden christlichen Wächter zu erschrecken und zu vertreiben) ist von Mendelssohn sehr effektvoll vertont worden, gerade der Chor bekommt hier eine sehr dankbare Aufgabe und es wäre schön, wenn man diese Komposition mal etwas häufiger im Konzert erleben könnte (live ist es halt immer am beeindruckendsten)!
Kommen wir zum Faust:
In Charles Gounods (1818-93) im Jahr 1859 uraufgeführter Erfolgsoper Faust nutzt der Komponist die zu Beginn des 5. Akts von ihm vertonte Walpurgisnacht unter anderem für eine wilde Ballettszene, die in einem Bacchanal (also einer zügellosen Orgie) gipfelt.
Eine Szene, in der Darsteller wie Orchester wirklich gut beschäftigt sind und die ihre Wirkung in einer entsprechenden Inszenierung bestimmt nicht verfehlt (gehört im Themenbereich „Musik zur Walpurgisnacht“ zu meinen Lieblingsstücken)!
Diese Walpurgisnachts-Szene im Faust mit ihren zahlreichen auch sexuellen Anspielungen und zügellosen Ausschweifungen war offenbar vielen Komponisten nicht ganz geheuer. So fehlt die Walpurgisnacht zum Beispiel in den von Robert Schumann (1810-56) vertonten Szenen aus „Goethes Faust“, die vom Komponisten selbst ausgewählten Szenen stammen in diesem Werk schwerpunktmäßig eher aus dem 2. Teil des Faust, aus dem 1. Teil übernahm Schumann vor allem Szenen, die sich mit der Gretchen-Tragödie befassen.
Und auch in der irgendwo zwischen Oratorium und Oper anzusiedelnden La Damnation de Faust (UA 1846) von Hector Berlioz (1803-69) fehlt leider die gerade von diesem genialen Klangvisionär sicher ganz besonders effektvoll gewordene Walpurgisnacht - Schade!
Aber gerade von Berlioz gibt es ja – quasi als Ersatz – dessen grandiose Symphonie fantastique op. 14 aus dem Jahr 1830! Nachdem im 4. Satz dieses Werks mit dem Gang zum Schafott schon eine passende „Einstimmung“ stattgefunden hat, folgt im abschließenden 5. Satz mit der musikalischen Schilderung eines „Hexensabbats“ der furiose Abschluss dieses visionären Orchesterwerks, das mit den bis dato gebräuchlichen Vorstellungen einer „ordentlichen“ Symphonie klassischer Prägung nicht mehr viel zu tun hat!
Gerade die durch und durch leidenschaftlichen Interpretationen des Dirigenten Leonard Bernstein kann ich hier nur wärmstens empfehlen – beim Anhören dieser Musik ist die Gänsehaut im Finale fast schon garantiert!
Ein weiteres Orchesterparadestück zu diesem Thema (wenn auch nicht explizit zur Walpurgisnacht) ist Eine Nacht auf dem kahlen Berge des russischen Komponisten Modest Mussorgsky (1839-81): Auch hier toben sich machtvoll-düstere Klänge richtig aus – geschildert wird ein Hexensabbat auf dem Berg Triglav (der liegt in Slowenien) in der Johannisnacht (also vom 23. auf den 24. Juni anlässlich der Sommersonnenwende), aber das Ganze passt natürlich auch wunderbar zur heutigen Walpurgisnacht und ist ein Fest für jedes Sinfonieorchester, das darin sämtliche Register ziehen kann (nicht zuletzt auch wegen des ruhig-besinnlichen Endes dieses Stücks, wo – dominiert von zarten Flötenklängen – die ganze schaurige Aufregung nun einen ausgesprochen friedlichen, aufgrund seiner Kontrastwirkung zum vorangegangenen Wüten und Toben umso effektvolleren Abschluss findet)!
Für einen ersten Überblick mag dies hier zunächst mal genügen – für weitere Tipps und Anregungen bin ich aber jederzeit sehr aufgeschlossen!
Mit einem herzhaften Heia, Walpurgisnacht! wünsche ich allen Tanz-, Musik und Feierfreudigen heute einen wunderschönen Abend und einen guten Start in den diesjährigen Wonnemonat Mai!
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