Heute vor genau 200 Jahren wurde der Komponist Friedrich von Flotow in Teutendorf geboren. Er entstammte einer alten mecklenburgischen Adelsfamilie und stieß – wie aber auch viele andere bürgerliche Kollegen von ihm – natürlich auf familiäre Vorbehalte, als sich abzeichnete, dass er Musiker werden wollte. Von seinem offensichtlichen Talent dann aber doch überzeugt, begleitete ihn schließlich sein Vater im Jahr 1828 persönlich nach Paris, wo Friedrich in den folgenden 2 Jahren bei Peter Johann Pixis Klavier und bei Anton Reicha Komposition studierte.
1830 vorübergehend in die Heimat zurückgekehrt (er hatte seine fast vollendete erste Oper Pierre et Cathérine im Gepäck, die aber erst 1835 ihre Uraufführung erleben sollte), konnte er Ende des Jahres in Güstrow sein erstes Klavierkonzert (in c-moll) präsentieren.
Schon im Frühjahr 1831 kehrte von Flotow wieder nach Paris zurück, wo er sich künstlerisch offenbar am wohlsten fühlte. Hier entstand sein zweites Klavierkonzert (in a-moll), dessen originelle Besonderheit die der Symphonie abgeschaute Viersätzigkeit ist – eine Idee, die allerdings erst durch das 2. Klavierkonzert (aus dem Jahr 1881) von Johannes Brahms (1833-97) wirklich bekannt werden sollte.
Vor allem als Opernkomponist trat Friedrich von Flotow in Paris aber nun in Erscheinung – sein Stil ist hier deutlich von den großen Namen der französischen Opernszene jener Zeit beeinflusst, so z. B. von Daniel-François-Esprit Auber (1782-1871) oder Adolphe Adam (1803-56). Gerade die heiteren und unterhaltsamen Werke der Gattung der Opéra comique lagen ihm besonders.
Er traf in Paris viele der berühmtesten Künstler, Dichter und Musiker der damaligen Zeit (z. B. Gounod, Berlioz, Meyerbeer, Rossini, Chopin, Hugo, Balzac, Merimée und Heine). Außerdem verband ihn eine Freundschaft und künstlerische Partnerschaft mit dem jungen Jacques Offenbach (1819-80), der – das ist heutzutage fast unbekannt – zu Beginn seiner Karriere in Paris vor allem als Cello-Virtuose Furore machte und dort auch als „Paganini des Cellos“ betitelt wurde, bevor er in späteren Jahren mit seinen komischen Opern weltbekannt wurde. Zusammen mit v. Flotow, der ihn am Klavier begleitete, trat Offenbach 1838/39 im Rahmen zahlreicher Soiréen in den Pariser Salons auf.
Richtig große Erfolge mit seinen Opernkompositionen konnte Friedrich von Flotow allerdings dann vor allem im deutschsprachigen Raum erzielen:
Mit seiner am 30.12.1844 im Hamburg uraufgeführten romantischen Oper Alessandro Stradella und seiner am 25.11.1847 in Wien uraufgeführten Romantisch-komischen Oper Martha oder Der Markt zu Richmond konnte er die größten Erfolge seiner Laufbahn erzielen - beide Titel sind bis heute die bekanntesten Werke Friedrich von Flotows.
Es fällt auf, dass dieser Erfolg wohl auch in entscheidendem Maße mit der Wahl des Librettisten zusammenhing: In beiden Fällen war Wilhelm Friedrich – ein Pseudonym für den damals sehr erfolgreichen Bühnenautor Friedrich Wilhelm Riese (ca. 1805-79) – für die Textdichtung zuständig und dieses Beispiel zeigt wieder mal sehr schön, dass die Qualität eines Operntextes nicht zu unterschätzen ist und bei einem schlechten Textbuch auch die beste Musik nicht mehr allzuviel retten kann...
Leider überwarf sich v. Flotow in der Folge mit seinem Librettisten und sämtliche später entstandenen Opern sind heute (leider!) in absolute Vergessenheit geraten – was sicher auch (aber natürlich nicht ausschließlich) darauf zurückzuführen ist, dass v. Flotow keinen so talentierten Textdichter mehr finden konnte.
Von 1855 bis 1863 war v. Flotow als Intendant des Hoftheaters in Schwerin tätig, in dieser Zeit komponierte er unter anderem auch die Jubel-Ouvertüre und die Oper Johann Albrecht anlässlich der festlichen Wiedereröffnung des umgebauten Schweriner Schlosses im Jahr 1857.
Nach seiner Intendantenzeit zog es ihn dann aber wieder einmal nach Paris, eine Stadt, deren (künstlerische) Atmosphäre er sehr geliebt haben muss! In Paris entstanden dann weitere, französischsprachige Opern.
Am 24. Januar 1883 verstarb Friedrich von Flotow im Alter von 70 Jahren an seinem Alterswohnsitz in Darmstadt. Im Jahr zuvor konnte er in Wien noch Zeuge der immerhin 500. Aufführung seines Meisterwerks Martha oder Der Markt zu Richmond werden.
Ich finde die Parallelen der Künstlerbiographien von Friedrich von Flotow mit der des fast gleichaltrigen (aber viel zu früh verstorbenen) Otto Nicolai sehr interessant:
Auch wenn Nicolai – im Gegensatz zu v. Flotow - während seines ganzen kurzen Lebens fast ständig mit Geldsorgen und dann auch noch mit seiner häufig angegriffenen Gesundheit zu kämpfen hatte, so fällt auf, dass auch er zunächst im Ausland (in diesem Fall in Italien) als Opernkomponist zum Teil recht beachtliche Erfolge verbuchen konnte, bevor ihm in Deutschland mit einer Oper ein großer (und in seinem Fall leider auch einziger) Erfolg beschieden war – nämlich 1849 mit den „Lustigen Weibern von Windsor“. Diese Oper wird bewundert wegen ihrer so noch nicht dagewesenen ausgesprochen gelungenen Verschmelzung typisch italienischer Elemente mit dem deutschen Opernstil der Biedermeierzeit (was abwertender klingen mag, als es gemeint ist), wie ihn zum Beispiel Albert Lortzing (1801-51) praktiziert hatte.
Gerade Friedrich von Flotows Erfolgsoper Martha wiederum enthält Elemente (gerade in den leichtfüßig-spritzigen Ensemblenummern) der französischen Opéra comique (eine weitere Besonderheit ist, dass es sich hierbei um die erste deutschsprachige komische Oper handelt, die ausschließlich Rezitative und keine Dialoge enthält) und ist allein schon deshalb ein weiteres Beispiel für die erfolgreiche Verschmelzung verschiedener europäischer Stilrichtungen, die auch dazu beitrug, dass eine Oper wie diese auch außerhalb ihres eigentlichen Entstehungslandes erfolgreich sein konnte. So ist die Martha nach ihrem Siegeszug durch nahezu sämtliche deutschen Opernhäuser 1858 zunächst in einer italienischen Übersetzung (unter dem Titel Marta, also mit ohne das „h“) im Pariser Théâtre Italien und dort schließlich 1865 auch in französischer Sprache im Théâtre lyrique aufgeführt worden. Weitere internationale Aufführungen folgten (z. B. London 1858, New York 1859).
Gerade die Tatsache, dass es die erwähnte italienische Version Marta gibt, hat dazu geführt, dass die dankbare Tenorpartie des Lyonel auch von italienischen Operntenören (u. a. Enrico Caruso) gerne gesungen wurde!
Vor allem die wunderschöne Tenor-Arie „Ach so fromm, ach so traut“ wurde in ihrer italienischen Fassung „M’appari tutt‘amor“ zu einem absoluten Klassiker, der auch heute noch gerne von international gefragten Tenören im Rahmen geschmackvoller Recitals dargeboten wird – auf dem Programm steht dann oft diese einsame Arie als einziger Beitrag eines deutschen Komponisten inmitten von zahlreichen Rossini-, Verdi- und Puccini-Klassikern!
Immerhin hat der deutsche Star-Tenor Jonas Kaufmann (um ein aktuelles Beispiel aus dem Inland zu nennen) auf seinem entsprechend international ausgerichteten Arien-Recital diese Arie mit ihrem deutschsprachigen Originaltext aufgenommen…
Aus heutiger Perspektive betrachtet, ist Friedrich von Flotow genauso ein klassischer „One-Opera-Hit-Wonder“-Komponist wie es - neben vielen anderen Kollegen - eben auch Otto Nicolai war. Flotows schon erwähnter Alessandro Stradella hat sich nämlich auf Dauer nicht auf den Bühnen halten können, so dass man heute – wenn überhaupt - Flotow als den Komponisten der Martha identifiziert.
Aber selbst diese Oper wird – wie so viele einstmals über Jahrzehnte hinweg aus dem Repertoire deutscher Opernhäuser nicht wegzudenkenden Stücke – in den letzten 20 oder 30 Jahren zunehmend seltener gespielt. Sie teilt damit das Schicksal nicht nur der Lustigen Weiber von Windsor sondern auch der vielen anderen Werke z. B. von Lortzing, Conradin Kreutzer (1780-1849) oder Heinrich Marschner.
Ihnen allen ist – meiner Meinung nach – der aus heutiger Perspektive zumindest im deutschsprachigen Opernkosmos alles überstrahlende Richard Wagner (1813-83) „zum Verhängnis“ geworden. Während seine Opern weltweit rauf und runter gespielt werden, fristen seine Zeitgenossen bestenfalls ein Nischendasein, wobei ein Vergleich zwischen dem künstlerisch-weltanschaulichen Anspruch, der von einer Oper von Wagner ausgeht, mit den vorrangig zur geist- und niveauvollen Publikumsunterhaltung konzipierten Opern eines v. Flotow oder Lortzing allein schon aufgrund der ganz anderen Konzeption dieser Werke völlig deplatziert ist und natürlich aus „Bayreuther Perspektive“ deutlich zu Ungunsten der Letztgenannten ausfallen muss!
Wobei ich es ungerecht finde, den Wert eines Werkes nur deshalb als niedriger anzusehen, weil es „bloß“ unterhalten möchte – so etwas hinzubekommen, ist schließlich eine Kunst, die keinesfalls unterschätzt werden sollte!
In Abwandlung eines Ausspruchs meines Lieblingsautors Oscar Wilde kann ich dazu nur sagen: „Es gibt weder höherwertige noch geringzuschätzende Opern. Opern sind entweder gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts.“
Wie im Fall von Nicolai ist die Diskographie der Werke Friedrich von Flotows erwartungsgemäß sehr übersichtlich. Aufnahmen neueren Datums fehlen fast gänzlich (was leider nur einmal mehr beweist, dass das Interesse an seiner Musik in den letzten Jahrzehnten weiter nachgelassen hat).
In dieser Hinsicht erscheint es fast wie ein Wunder, dass es im Jahr 2004 beim Label CAPRICCIO tatsächlich eine Neuaufnahme des Alessandro Stradella gegeben hat! Unter der Leitung von Helmuth Froschauer spielen und singen WDR Rundfunkchor und –orchester, zu den Solisten gehören unter anderem Jörg Dürmüller in der Titelrolle sowie Johannes Martin Kränzle und Sabine Paßow.
Und –welche Überraschung! – auf eine SACD-Aufnahme dieser Oper vom Wexford Festival bin ich bei meinen Recherchen auch noch gestoßen – das hätte ich wirklich nicht erwartet! Keine Ahnung, ob man diese Oper dort auf Deutsch oder eher auf Englisch gesungen hat, das Ganze scheint ja eine ziemlich internationale Produktion gewesen zu sein…
Erfreulich ist außerdem das Erscheinen einer Aufnahme aus dem Jahr 2007 (beim Label STERLING), auf der neben den beiden interessanten Klavierkonzerten v. Flotows auch die erwähnte Jubel-Ouvertüre sowie eine Schauspielmusik aus seiner Zeit am Schweriner Hoftheater zu hören sind! Es spielen die Pilsener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Peter Wiesheu, der Klaviersolist ist Carl Petersson .
Die meiste Auswahl hat man natürlich noch bei Aufnahmen der Oper Martha, wobei der Begriff „Auswahl“ nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass er sich hierbei auf drei oder vier mehr oder weniger verfügbare (aber immerhin in regelmäßigen Abständen immer wieder mal neu herausgebrachte) Einspielungen dieser Oper bezieht! Allesamt sind aber älter als 30 Jahre und man fragt sich schon, warum eine solch bekannte und populäre Oper seit Jahren nicht mehr neu auf Tonträgern eingespielt wurde!?
Aus dem Jahr 1977 stammt eine Aufnahme mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Heinz Wallberg.
Mit Lucia Popp in der Titelrolle, Siegfried Jerusalem als Lyonel, Siegmund Nimsgern als Lord Tristan und Karl Ridderbusch als Plumkett ist sie prominent besetzt und gefällt mir im Großen und Ganzen ziemlich gut.
Im Rahmen der Wiederveröffentlichung alter und älterer Aufnahmen aus den Archiven der EMI steht demnächst die von mir schon mit Spannung erwartete Martha-Einspielung mit Anneliese Rothenberger und Nicolai Gedda aus den frühen 1970er Jahren (?) an, die ich bislang noch nicht kenne.
Mit Anneliese Rothenberger in der Titelrolle ist mir auch ein Querschnitt der Oper aus den 1960er Jahren bekannt, in der Fritz Wunderlich als Lyonel brilliert. Ich bin nicht sicher, ob es seinerzeit bei dem Querschnitt geblieben ist, oder ob es mit dieser tollen Besetzung auch eine Gesamtaufnahme der Oper gegeben hat?
Und dann war da natürlich noch Loriot, der 1986 ausgerechnet mit der Martha sein Debüt als Opernregisseur bei den Schwetzinger Festspielen gegeben hatte! Ihm schien, so sagte er in Interviews in Bezug auf diese Wahl, eine Oper wie diese gut geeignet, weil sie unverfänglich war – was hätte man von ihm nicht alles erwartet, wenn er als bekennender Wagnerianer gleich eine Oper seines Lieblingskomponisten inszeniert hätte! Und um das elegant zu umgehen, entschied er sich für eine komische Oper (natürlich!), die zudem ein deutschsprachiges Werk sein sollte, weil er sich bei der künstlerischen Auseinandersetzung mit einem Werk in seiner Muttersprache naturgemäß am sichersten fühlen würde.
Herausgekommen ist dabei nun ausgerechnet Flotows Martha - was einen echten Loriot-Fan eigentlich nicht wirklich überrascht haben dürfte – immerhin heißt es in seinem bekannten Sketch An der Opernkasse ja so schön „Martha ist meine Schwägerin!“ – welche Oper hätte es also sonst werden sollen? *grins*
Vor zwei Jahren ist nun erfreulicherweise eine DVD-Box erschienen (auf die ich hier bereits hingewiesen hatte), die unter anderem auch die damals fürs Fernsehen aufgezeichnete Aufführung enthält. Bild und Ton entsprechen der Qualität damaliger Fernsehproduktionen und das Ganze stellt in jedem Fall eine nette Ergänzung für Loriot- wie für Flotow-Freunde dar!
Natürlich würde ich mir wünschen, dass irgendein Operntheater (es dürfen gerne auch mehrere sein!) sich zumindest in diesem Jahr wieder einmal einer der zahlreichen Opern unseres heutigen Jubilars annehmen würde – verdient hätte er es allemal!
Allerdings ist mir bis dato leider keine Bühne bekannt, die sich hier hervortun möchte. Aber man soll die Hoffnung ja nicht aufgeben…
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