Bereits zum vierten Mal in diesem Jahr bin ich diese Woche Dienstag (5. Juli) ganz spontan und überraschend an eine Karte für ein Symphoniekonzert des Kölner Gürzenich-Orchesters in der Philharmonie gekommen.
Folgendes stand auf dem Programm:
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Gustav Mahler (1860-1911)
Symphonie Nr. 1 D-Dur
Martin Helmchen, Klavier
Gürzenich-Orchester Köln
Dirigent: Markus Stenz
Mit diesem 12. Symphoniekonzert beschließt das Gürzenich-Orchester seine Konzertsaison 2010/ 2011 - Mitte Oktober beginnt dann die neue Konzertsaison 2011/ 2012.
Obwohl das Konzert am Dienstag der übliche dritte Konzerttermin mit dem oben genannten Programm war (am 3. und 4. Juli fanden bereits ebenfalls Konzerte statt), schien der Publikumszuspruch ungebrochen: Die Philharmonie war tatsächlich ausverkauft, was ich nun auch noch nicht so oft erlebt habe, zumal es sich ja um kein außergewöhnliches "Event" mit irgendwelchen gastierenden Weltstars handelte, sondern "lediglich" um ein reguläres Symphoniekonzert, für das auch zahlreiche Abonnenten ihre Dauerkarten besitzen!
So überraschend die Tatsache war, dass der Konzertsaal tatsächlich bis auf den letzten Platz besetzt war, so erfreulich war das Ganze natürlich (nicht nur für die Künstler): Weder der laue Sommerabend noch das zeitgleich stattfindende Frauen-Fußball-WM-Deutschlandspiel konnten die Konzertbesucher vom Philharmoniebesuch abhalten - auffallend dazu außerdem der verhältnismäßig hohe Anteil junger Leute im Publikum: Nicht nur die unter 30-jährigen, sogar die sehr deutlich vertretenen unter 20-jährigen Zuhörer lassen hoffen, dass das Interesse auch der jüngeren Generation an klassischen Symphoniekonzerten durchaus vorhanden ist - ich habe hier jedenfalls viele sehr aufmerksame und ausgesprochen zufriedene Gesichter während und nach dem Konzert beobachten können.
Und es gab auch jede Menge Gründe, von diesem Konzert begeistert zu sein - das attraktive Programm schien ja bereits wie ein Publikumsmagnet gewirkt zu haben, die überzeugende, ja mitreißende Leistung von Solist, Orchester und Dirigent taten dann ein Übriges!
Den sympathischen 29-jährigen Solisten Martin Helmchen aus Berlin kannte ich bereits von einigen CD-Aufnahmen - im Konzert habe ich ihn am Dienstag erstmalig erleben dürfen (es war zugleich auch sein Debüt mit dem Kölner Gürzenich-Orchester). Helmchen, dessen pianistischer Schwerpunkt wohl im Bereich der Wiener Klassik sowie bei Schubert, Schumann und Brahms liegen dürfte, überzeugte durch sein auf die große Virtuosenattitüde verzichtendes Spiel - so etwas würde wohl auch besser zur Musik von Tschaikowsky oder Rachmaninoff und nun wirklich nicht zu Beethoven & Co. passen. Er gestaltete den anspruchsvollen Klavierpart des 5. Klavierkonzerts (uraufgeführt im Jahr 1809) klar, präzise und schwungvoll, mit der nötigen Eleganz (z. B. direkt zu Beginn des ersten Satzes) und einem guten Gespür für die zarten und leisen Töne, ohne hier zu sehr ins Sentimentale oder Romantisierende abzugleiten, obwohl gerade der Beginn des zweiten Satzes, eines der wohl lyrischsten Satzanfänge, die Beethoven je komponiert hat, zu einer solchen Interpretation verleiten würde. Aber wie der weitere Verlauf dieses zweiten Satzes dann zeigt, ist Beethoven weit davon entfernt, sich in einer quasi endlosen schwärmerischen Stimmung zu verlieren und dies ordentlich auszukosten, wie es z. B. in den langsamen Sätzen der beiden Klavierkonzerte von Chopin der Fall ist - aber diese Musik gehört ja dann auch schon in die Epoche der Romantik!
Mich hat jedenfalls Helmchens Interpretation - gerade auch dieses poetischen Anfangs des 2. Satzes - sehr angesprochen.
Auch die Interaktion zwischen Solist und Orchester klappte tadellos: Markus Stenz ließ dem Solisten an den Solostellen ausreichend Zeit und Gelegenheit, diese sorgfältig auszuspielen und keine drängende Hektik aufkommen zu lassen (es kommt ja vor, dass man mitunter den Eindruck hat, das zahlenmäßig überlegene Orchester würde den oder die Solist[in] vor sich her treiben…) - im Konzert am Dienstag musizierten jedenfalls zwei gleichberechtigte, einander auch klanglich absolut ebenbürtige Partner miteinander und nicht aneinander vorbei.
Das gewählte zügig-leichtfüßige Grundtempo und der transparente Orchesterklang passten gut zum Wiener Klassiker Beethoven (dessen Musik ja früher gerne deutlich schwerfälliger und irgendwie immer ganz besonders "bedeutungsgeschwängert" aufgeführt wurde!) - alles machte einen frischen und lebendigen Eindruck und wirkte im Ganzen wie eine wirklich "runde" Sache!
Als Zugabe und als Dank für den begeisterten Applaus spielte Martin Helmchen für uns noch den Satz "Vogel als Prophet" aus den Waldszenen op. 82 von Robert Schumann (1810-56).
Dass das Gürzenich-Orchester eine bis in die Entstehungszeit der Symphonien zurückreichende Mahler-Tradition besitzt, kann man in jedem Konzertführer nachschlagen - es ist eine erfreuliche Tatsache, dass auch aktuelle Aufführungen nach wie vor die Hingabe aller Beteiligten an und die Begeisterung für die Kompositionen von Gustav Mahler rüberbringen können.
Man spürte z. B. im pompös-wuchtigen Finale der 1. Symphonie geradezu die körperliche Kraft und Energie, die dieser Musik innewohnt - das Orchester hierbei zu beobachten war gleichermaßen faszinierend und begeisternd - im Publikum konnte sich niemand diesem Sog entziehen und was kann man Besseres von der Wiedergabe eines Musikstücks sagen, als wenn man feststellen muss, dass der berühmte "Funke" ganz offensichtlich übergesprungen und die musikalische Botschaft angekommen war?
Den berühmten dritten Satz der im Jahr 1889 uraufgeführten 1. Symphonie, dieser immer wieder in schwungvoll-groteske Klänge umkippende Trauermarsch über die in Moll erklingende Melodie des bekannten Kanons "Frère Jacques", fand ich besonders gelungen: Markus Stenz verstand es prächtig, die schmissigen Einwürfe, die die eigentlich ernste Stimmung des Satzes immer wieder ins Absurde, ja Komische abgleiten lassen, richtig schön auszukosten. Man spürte förmlich das Zukunftsweisende dieser Musik - hier wurde die Tür ins 20. Jahrhundert bereits weit aufgestoßen.
Aber auch schon im ersten Satz wurden die teilweise urplötzlich auftretenden Lautstärke- und Stimmungswechsel richtig schön plastisch und knackig ausgekostet - das eh schon groß besetzte Orchester konnte sich in dieser Symphonie wieder einmal so richtig "austoben" und zeigen, was für ein gut aufeinander eingespieltes Ensemble es darstellt. Vor allem die verschiedenen Blechbläser beeindruckten in diesem für sie so überaus dankbaren Werk (von zwei kleinen Patzern abgesehen) - sehr präsent und strahlend dominierten sie an den entsprechenden Stellen das Ganze und wenn dann im Finale des letzten Satzes traditionell die sieben Hornisten zur Steigerung des Gesamtklangs ihren Part im Stehen spielen, dann bekommt man schon eine Gänsehaut!
Schade, dass es diesmal keinen "3. Akt" gab, also den erst im Konzert selbst unmittelbar vorher bekanntgegebenen letzten Programmpunkt, der traditionell immer auf der Agenda steht, wenn Markus Stenz selber das Gürzenich-Orchester dirigiert. Aber was hätte nach diesem gewaltigen Schlusspunkt am Ende der 1. Symphonie noch kommen können, zumal die Musiker nach dieser "Schlacht" auch sichtlich erschöpft und erleichtert wirkten (und sich vielleicht auch schon auf die Sommerpause freuten, die jetzt wohl anstehen dürfte)?
Ich hätte mich gefreut, wenn auch der von Mahler ursprünglich vorgesehene, "Blumine" betitelte zweite Satz zur Aufführung gekommen wäre - gerade jetzt im "Mahler-Jahr". Man bekommt diesen Satz viel zu selten einmal zu Gehör und da hätte es sich doch angeboten anstatt des "3. Aktes" am Schluss des Konzerts den "Blumine"- Satz vielleicht ganz einfach an der ursprünglichen Stelle (wo er auch in der Uraufführung 1889 noch zu finden war) zu spielen?
Aber das soll den Eindruck dieses tollen Konzertabends nun wirklich nicht schmälern - ich bin noch immer ganz hin und weg und freue mich schon auf die neue Saison!
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