Die Meldung geisterte irgendwann in den vergangenen Tagen durch die Medien:
Einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Thema Musikkonsum zufolge wollen knapp 90% der Befragten hierzulande klassische Musik und Oper als musikalisches Erbe für kommende Generationen gewahrt wissen. Sogar 96% der Befragten finden Musikunterricht an Kindergärten und Schulen sehr wichtig.
Rund 25% der Musikhörer unter 30 Jahren hört einmal in der Woche klassische Musik entweder im Konzert oder auf CD, im Radio oder im TV.
Je älter die Befragten, desto höher wird dieser Prozentsatz: Bei den über 60-Jährigen sind wir schon bei einer Quote von knapp 50%.
Die beliebtesten Komponisten sind übrigens (welch Überraschung!) Mozart, Beethoven und Bach.
Wagner, Verdi oder Tschaikowski sind dagegen eher nur den älteren Hörern ein Begriff.
Diese ganzen sensationellen Erkenntnisse werden in diversen Pressemeldungen als "ermutigende Ergebnisse" verkauft...
Im Gegensatz zu denjenigen, die diese lächerlichen Erkenntnisse als durchweg positive Fakten betrachten wollen, finde ich das Ganze eher erschreckend - man muss sich Aussagen und Zahlen wie die oben erwähnten nur mal etwas genauer betrachten:
Was bedeutet es denn schon, wenn knapp 90% der Befragten hierzulande klassische Musik und Oper als musikalisches Erbe für kommende Generationen gewahrt wissen wollen? Das sind doch reine Lippenbekenntnisse! Viel interessanter wäre es doch in Zusammenhang hiermit, einmal den Prozentsatz derjenigen zu betrachten, der auch aktiv etwas dafür tut, den kommenden Generationen diese musikalischen Kulturgüter auch vorzuleben und damit weiterzugeben? Lediglich den Wunsch zu äußern, diesen ganzen "Klassik-Kram" als eine Art Kulturerbe irgendwie bewahrt und erhalten zu wissen, bedeutet ja noch lange nicht, dass den oder die Befragten selber irgend etwas mit der ganzen Sache verbindet.
Ich würde mich im Rahmen einer Umfrage wahrscheinlich auch für den Erhalt der monegassischen Schreispechte aussprechen, ohne jemals zuvor in näheren Kontakt zu dieser mir persönlich eigentlich unbekannten (aber sicher schon irgendwie mit einer Art Existenzberechtigung versehenen) Spezies gekommen zu sein...!
Daher überrascht es dann auch wieder überhaupt nicht, wenn man weiterliest und feststellt, dass 96% der Befragten hier vor allem mal wieder die Schule in der Pflicht sehen (Stichwort: Musikunterricht) - wie bequem: Sollen es die Lehrer mal wieder richten und den lieben Kleinen nun auch noch die Begeisterung für Mozart, Beethoven & Co. einpflanzen, dann müssen es Papi und Mami nicht tun, die sich für solchen Tingeltangel eh nicht interessieren...!
Dabei weiß ich aus eigener Erfahrung, dass auch der engagierteste Musikunterricht (und ich kann mich wahrlich nicht beschweren in Hinblick auf meine eigene Schulzeit) nichts (oder zumindest nicht viel) erreichen kann, wenn die Schüler an der Materie nicht irgendwie wenigstens grundlegend interessiert sind. Und hier ist eine aufgeschlossene Prägung durch das Elternhaus meiner Meinung nach unerlässlich. Sprich: Wenn die Eltern sich nicht schon im Vorfeld wenigstens ein bisschen in dieser ganzen Sache engagieren (und z. B. mal mit der ganzen Familie in Oper oder Konzert gehen oder sich mal gemeinsam klassische Musik auf CD anhören), warum sollten es dann ihre Kinder von sich aus tun? (Aber mit diesem Thema habe ich mich ja schon einmal beschäftigt...!)
Zumindest finde ich es begrüßenswert, dass in Bezug auf das Standing des Musikunterrichts als solchen ein offenkundiger Wertewandel stattgefunden hat: Noch vor sagen wir mal 10 Jahren schienen musische Fächer wie dieses im Vergleich zu Fremdsprachen und ganz besonders Naturwissenschaften doch eindeutig auf verlorenem Posten zu stehen! Ich hatte manchmal den Eindruck (ich verfolge diese Diskussion seit längerem mit großem Interesse), dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis der Musikunterricht komplett ausgedient hätte: Standardargumente wie keine messbaren Ergebnisse, kein erkennbarer Nutzen für das spätere Berufsleben, nur verklimperte Zeitverschwendung, etc. bekam man da immer häufiger zu hören und zu lesen.
Schön, dass man offenbar endlich erkannt hat, dass musische Fächer unbedingt zum Schulalltag dazugehören müssen und dass sie, wenn sie angeblich schon keinen sonstigen Nutzen für "später" haben sollen (das würde ich persönlich übrigens bis heute auch von Dingen wie dem in allen Einzelheiten eingepaukten Zitronensäurezyklus und der Integralrechnung behaupten...) doch wenigstens die jugendlichen Köpfe mal auf andere Weise fordern und Kreativität wecken, was dann wiederum die Aufnahmebereitschaft für die wirklich wichtigen Fächer (ha!) fördert.
Die Aussage, dass rund 25% der Musikhörer unter 30 Jahren einmal in der Woche klassische Musik entweder im Konzert oder auf CD, im Radio oder im TV hört, halte ich statt für eine Erfolgsmeldung eher für eine Bankrotterklärung. Was ist denn schon bitteschön "rund ein Viertel"? Und dann auch gerade mal einmal in der Woche (damit es auch nicht zu sehr wehtut...!) - hätte man hier die Hör-Häufigkeit auf "mehrmals in der Woche" oder gar "alle zwei Tage" heraufgesetzt, dann würde ich diesen Prozentsatz mal sehr gerne sehen wollen! Ob das dann auch noch
als "ermutigend" bezeichnet werden würde?
Naja - und dass Mozart, Bach und Beethoven den meisten Menschen (auch den Nicht-Klassikhörern) zumindest vom Namen her bekannt sind, ist ja nun auch nicht wirklich eine Überraschung (das sähe im Literaturbereich mit Goethe und Schiller doch ganz genauso aus - aber wer liest diese Herren heute noch freiwillig??), viel bedenklicher finde ich dagegen dann den nächsten Hammer, nämlich die Tatsache, dass Komponisten wie Wagner, Verdi oder Tschaikowski offensichtlich schon wieder kaum jemand der jüngeren Befragten kennt...
Wenn man jetzt nach Musikern wie Bellini, Donizetti, Weber, Mahler oder Richard Strauss gefragt hätte, dann könnte ich das ja noch eventuell irgendwie verstehen, aber Verdi und Wagner??? Ich will nicht hoffen, dass unter den Befragten auch Angehörige der 25% wöchentlich-jugendlichen Klassikhörern waren, denn dann müsste man sich fragen, was die da eigentlich einmal die Woche hören... wahrscheinlich Kuschelklassik oder so einen Schmus, der einem heutzutage schon via "Klassik-Radio" und dergleichen als "Klassik" verkauft wird!
Und bei Barock zum Backen, Beethoven zum Bügeln oder Klassik zum Kochen (wahlweise auch zum Klöppeln, Kacken, Kopulieren, oder wie diese unerträglich originell betitelten CD-Reihen im Handel noch alle heißen mögen!) ist es ja eigentlich auch völlig egal, was da eigentlich erklingt, Hauptsache, es passt ins Schema der immer präsenten "üblichen Verdächtigen": Klingt schick und einschmeichelnd, tut niemandem weh, geht schnell ins Ohr und genauso schnell wieder raus - bis man es beim Italiener um die Ecke oder im nächsten Aufzug wiederhört...
Und eine Studie, die solch deprimierende Ergebnisse zutage fördert, wird einem dann auch noch als "ermutigend" und "positive Entwicklung" verkauft - oh Mann!
Darauf erstmal eine Runde "Gegorianik zum Gruseln" oder doch lieber "Händel zum Heulen", oder...?
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