An verschiedenen Stellen in diesem Blog ist es schon das ein oder andere Mal angeklungen, dass ich seit einigen Jahren eine Schwäche für klassische Musik aus Großbritannien und Irland habe, die hier bei uns auf dem Kontinent trotz ihrer zahlreichen Schönheiten aber leider eher nur am Rande zur Kenntnis genommen und noch viel seltener in hiesigen Konzerten auch tatsächlich einmal aufgeführt wird...
Eine Schlüsselrolle für die Wiederbelebung der britischen Musikszene (die zuvor in der Barockzeit mit Komponisten wie Purcell und Händel ihre letzte Hochphase hatte) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nimmt dabei Sir Arthur Sullivan (1842-1900) ein, der es während seines viel zu kurzen Lebens quasi als Pionier schaffte, in England sowohl in den Gattungen von Symphonie und Konzert, vor allem aber auch im Bereich von Oper und Oratorium qualitativ hochwertige Maßstäbe zu setzen und der Musik aus seinem Heimatland damit auch eine lange überfällige internationale Beachtung und Wertschätzung zu verschaffen.
Ihm folgten dann eine Reihe weiterer, zum Teil auch bei uns etwas bekannterer britischer Komponisten (wie z. B. Elgar, Holst, Vaughan Williams oder Holst), die von Sullivans beachtlicher Lebensleistung profitierten und an das durch seine Werke neu erwachte Interesse an britischer Musik im In- und Ausland anknüpfen konnten.
Sullivans Ruf als ernstzunehmender Komponist, der in vielen Werkgattungen tätig (und erfolgreich) war, hat allerdings relativ schnell nach seinem viel zu frühen Tod einen ziemlichen Schaden genommen, denn bis heute nennt man seinen Namen eigentlich nur in Verbindung mit Sir William Schwenck Gilbert (1836-1911), dem Librettisten der meisten seiner zahlreichen komischen Opern und engt seine kompositorischen Leistungen damit unverdienterweise auf eine einzige (zugegebenermaßen immerhin nicht nur zu seinen Lebzeiten auch erfolgreichste) Musikgattung ein. Das wäre an sich ja noch nicht so schlimm - das Fatale an dieser Fokussierung auf Gilbert and Sullivan (Nennung auch immer in dieser Reihenfolge!) ist jedoch, dass man einen Komponisten, der unterhaltende, komische Opern (bei uns bezeichnet man diese Stücke sogar eher als Operetten, wohl weil ihre Entstehungszeit in die Hochphase der Wiener Operette ["Fledermaus" & Co.!] fällt) vertonte, nicht als seriösen Musiker ernstnahm und diese Werke eher gönnerhaft belächelte...
Dabei wird gerne übersehen, dass wirklich gelungene und wirkungsvolle heitere Musik eigentlich viel schwerer zu komponieren ist, als getragene, ernste Musik! Eine solche, würdig-bedeutungsschwere Atmosphäre ist musikalisch meiner Meinung nach viel eher zu erzeugen als Musik, die die Menschen in gute Laune versetzt und die zum Mitsummen und -wippen animiert. Es spricht für Sullivans Meisterschaft, dass seine Musik zu den komischen Opern anscheinend so selbstverständlich und leichtfüßig daherkommt, dass man ihr die dahintersteckende Arbeit gar nicht mehr anmerkt.
Jedenfalls hat diese herablassende Einschätzung von Sullivans Zeitgenossen und der dann nachfolgenden Generationen in Bezug auf den Wert seiner Musik insgesamt viel dazu beigetragen, dass man ihn als den eigentlichen Wegbereiter für die ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts auch international recht erfolgreichen britischen Komponisten gar nicht mehr richtig wahrgenommen und gewürdigt hat. Man spielte (und spielt) die gerade in den englischsprachigen Ländern sehr populären Werke von Gilbert and Sullivan und das war's...
Bereits (oder erst?) im Jahr 1977 wurde in England die Sir Arthur Sullivan Society gegründet, um daran zu arbeiten, den Blickwinkel auf diesen Komponisten wieder etwas zurechtzurücken und sich auch für die Aufführung anderer, heute zu Unrecht in Vergessenheit geratener Werke einzusetzen.
Durch Zufall bin ich vor ein paar Wochen auf die Mitte 2009 gegründete Deutsche Sullivan-Gesellschaft e.V. (DSG) gestoßen, die hier bei uns mit derselben Zielsetzung für diesen Komponisten eintreten möchte.
Im Gegensatz zu den britischen "Kollegen" ist hier bei uns in Deutschland die Situation allerdings nicht nur in Bezug auf die Person von Sir Sullivan deutlich verbesserungsbedürftig, sondern sie bezieht sich wohl eher auf die gesamte klassische Musik, die von den Britischen Inseln stammt. Da scheint mir noch eine Menge an Überzeugungs- und Lobbyarbeit vonnöten, aber es lohnt sich, das weiß ich aus eigener jahrelanger Erfahrung!
Ich bin der DSG spontan beigetreten, weil ich die ganze Sache überaus sympathisch und ausgesprochen interessant fand und man auch als Liebhaber britischer Klassik hierzulande weiß Gott nicht mit Hintergrundinformationen zu diesem Thema gesegnet ist (man suche nur einmal in Konzert- oder Opernführern Werke von britischen oder irischen Komponisten!).
Irgendwie sucht sich ja jeder Gleichgesinnte und ich fand, dass diese Initiative Unterstützer verdient hat - auf interessante Kontakte zu und Austauschmöglichkeiten über diese ganze musikalische Thematik war ich immer schon aus...
Bisher bin ich nicht enttäuscht worden - allein die hier regelmäßig erscheinenden Sullivan-Journale bieten eine Fülle an Materialien und Hintergrundwissen!
Ich bin ausgesprochen angetan und kann die ganze Sache Interessierten nur wärmstens empfehlen!
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