Es ist ein schöner Zufall, dass nach Frédéric Chopin nun auch Robert Schumann (als weiterer großer Klavierkomponist der Romantik) im selben Jahr seinen 200. Geburtstag feiern kann - heute vor genau 200 Jahren wurde Schumann im sächsischen Zwickau geboren.
Schumanns ereignisreiches Leben würde ohne Übertreibung die Grundlage für gleich mehrere hochdramatische und emotionsgeladene Romane und Filme liefern können - was zum Teil (und mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen) auch schon geschehen ist! Wer sich für biographische Details zu diesem Künstlerleben interessiert, dem empfehle ich die Lektüre einer Schumann-Biographie, langweilig dürfte diese bestimmt nicht sein…
Sein jahrelanger (und letztlich erfolgreicher) Kampf um die Verbindung zur innig geliebten Klaviervirtuosin Clara Wieck (1819-96), die unter der Fuchtel ihres kontrollwütigen Vaters Friedrich Wieck stand; der gesundheitsbedingte Abbruch seiner eigenen Pianistenkarriere und der dadurch entstehende Konflikt zu den pianistischen Ambitionen von Clara; die bei ihm immer wieder auftretenden Depressionen, die letztendlich wohl die Einweisung in die Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich bewirkten; die hochspannende, sowohl künstlerisch als auch zwischenmenschlich äußerst komplizierte Dreiecksbeziehung zwischen Robert, Clara und dem jungen Johannes Brahms; die nie ganz geklärten Umstände um den zweijährigen (und damit eigentlich länger als wirklich notwendigen?) Aufenthalt im erwähnten "Irrenhaus" in Endenich, in dem Robert im Juli 1856 dann auch stirbt (Clara besucht ihn in dieser Zeit nur ganz zum Schluss ein einziges Mal) - zu all diesen biographischen Stationen dieses viel zu kurzen Komponistenlebens kommt dann noch das Wichtigste: Ein vielgestaltiges kompositorisches Werk, das auch heute noch in großen Teilen nur selten (bis fast gar nicht) gespielt und meiner Meinung nach bislang nicht wirklich richtig gewürdigt wird als das Werk einer der interessantesten und widersprüchlichsten Komponistenpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts!
Für sein Klavierwerk hat sich übrigens seine Witwe Clara, eine der berühmtesten Pianistinnen ihrer Zeit (die ihren Mann um 40 Jahre überlebte!) zeit ihres Lebens immer leidenschaftlich eingesetzt und es immer wieder in zahlreichen Konzerten gespielt.
Gerade Schumanns unrühmliches Ende in der Nervenheilanstalt hat die Nachwelt bei der Beurteilung seines kompositorischen Werks - gerade das der letzten Lebensjahre - viel zu sehr (zu Schumanns Ungunsten) beeinflusst. Immer wieder stößt man auf Versuche, in den Noten und den Tempo- und Instrumentationsvorgaben bereits nach Spuren des beginnenden Wahnsinns, nach krankheitsbedingten vermeintlichen Schwächen zu suchen - das ist meiner Meinung nach überaus unfair - ich bin sicher, diese ganze sensationslüsterne "Fehlersuche" durch die Nachwelt wäre nie geschehen, wenn Schumann plötzlich und unerwartet verstorben wäre - ohne Klinikeinweisung, ohne Anzeichen eines psychischen Leidens.
Das Ganze hat immer etwas von dem Versuch, Schwachstellen im Werk eines Genies zu finden und dieses somit zumindest in Teilen zu "entzaubern" und damit wieder in den Kreis der "normalen", schwachen Menschen mit all ihren Fehlern und Unzulänglichkeiten zurückzuholen.
Das ist so überflüssig wie unnötig, finde ich. Wer sich mit Schumanns Biographie beschäftigt, wird schnell merken, dass auch er ein ganz normaler Mensch war (der nun wirklich nicht extra "entzaubert" werden muss!), mit allen Schrullen und Unvollkommenheiten - und natürlich auch allen positiven Seiten: Seine Geselligkeit, seine völlig uneitle, selbstlose Einstellung jungen Kollegen gegenüber, die er nach Kräften zu fördern versuchte, seine große schriftstellerische Begabung (hier vor allem auch in der Rolle als Mitbegründer und Herausgeber der heute noch existierenden Neuen Zeitschrift für Musik), usw.
Ein gutes Beispiel für den vermeintlichen "Makel", den Schumanns beginnende Geisteskrankheit angeblich auf die Qualität seiner Kompositionen gehabt haben soll, ist die höchst unglücklich verlaufene Rezeptionsgeschichte seines Violinkonzerts in d-moll WoO 23 aus dem Jahr 1853, seinem letzten vollendeten Orchesterwerk.
Erst im November 1937 (!) wurde dieses Werk dann tatsächlich uraufgeführt - die Veröffentlichung der Partitur war zunächst von Clara abgelehnt, dann vom Erben der Partitur (Schumanns Sohn Johannes) erst für den 100. Todestag (1956) bestimmt worden. Schließlich kam es dann doch zu einer vorzeitigen Uraufführung des Werkes, die allerdings von den Nazis zu propagandistischen Zwecken missbraucht wurde, was der weiteren Rezeption des Werkes in der Nachkriegszeit und im Ausland zusätzlich schadete, so dass dieses Konzert bis heute ein völlig unverdientes Nischendasein führt und - im Gegensatz zum Klavier- und Cellokonzert Schumanns - nach wie vor dem breiten Publikum so gut wie unbekannt ist. Dieser Zustand bessert sich in den letzten Jahren nur sehr langsam, eventuell kann das aktuelle Schumann-Jahr 2010 dazu beitragen, auch diesem Konzert zu der Popularität zu verhelfen, die es eigentlich längst verdient hätte.
Ein weiteres Beispiel ist die (zumindest in der Vergangenheit) oft zu lesende Kritik an der "verbesserungsbedürftigen" Instrumentierung der Sinfonien Schumanns und es hat einige wohlmeinende Versuche gegeben, die vermeintlichen Instrumentierungsfehler zu verbessern und somit die Sinfonien für das Publikum "zu retten".
Allein die Tatsache, dass man solche "Rettungsversuche" überhaupt für notwendig hielt, zeugt von einer ziemlichen Überheblichkeit dem ach so armen, ja offenbar nicht mehr ganz zurechnungsfähigen Komponisten Schumann gegenüber!
Dank der Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis, die sich seit einigen Jahren nicht mehr nur auf den einstigen Forschungsschwerpunkt der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts beschränkt, sondern ihre Fühler längst über das gesamte 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert ausgestreckt hat und sich auch hier intensiv mit damals üblichen Spieltechniken und dem Instrumentenbau und -klang der jeweiligen Epoche beschäftigt, konnten Schumanns vermeintliche "Fehler" zum Glück längst entkräftet werden: So klangen zum Beispiel die Blasinstrumente Mitte des 19. Jahrhunderts längst nicht so kräftig-durchdringend wie heute. Kein Wunder also, dass Schumann Besetzung und Instrumentierung in seinen Sinfonien entsprechend den klanglichen Gegebenheiten seiner Zeit vorschrieb, um die von ihm gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Dass sich in späteren Jahren aufgrund verbesserter Instrumente die "Klanggewichtung" der einzelnen Orchestergruppen dann jedoch verlagerte und die Instrumentierung und Besetzungsvorgaben des Komponisten vielen nun plötzlich als "klanglich unpassend" oder "zu grell" erschienen, kann man ihm aber nun wirklich nicht anlasten!
Außerdem hat man sich erst in den vergangenen Jahren wirklich ernsthaft mit den Tempovorgaben und Metronomangaben Schumanns befasst und festgestellt, dass man über Jahrzehnte viele Sätze viel zu schnell gespielt hatte. Durch das zu schnelle Tempo gingen oft interessante kompositorische Details verloren, wichtige Einzelstimmen gingen im orchestralen Getümmel unter, manches erschien bei der gewählten zu hohen Geschwindigkeit unspielbar (und damit offenbar von einem Komponisten geschrieben, der vielleicht besser wie Chopin beim Klavier geblieben wäre und sich nicht auch noch auf das ihm nicht liegende Feld der Orchestermusik vorgewagt hätte - solche Beurteilungen hat man tatsächlich früher häufiger über Schumann lesen können!).
Seit man sich jedoch tempomäßig ein wenig bremst und zurückhält, klingen viele der früher als "problematisch" geltenden Sätze in Schumanns Orchesterwerken plötzlich ganz anders - man entdeckt Details, die so vorher gar nicht gehört werden konnten, vieles klingt runder und schlüssiger.
Das waren jetzt nur zwei Beispiele, die zeigen, wie man nach intensiver und logischer (!) Beschäftigung mit dieser Musik (und der Zeit ihrer Entstehung) plötzlich jahrzehntealte (Vor-) Urteile entkräften kann - man muss es nur wollen… ;-)
Man sieht also: Es ist in den vergangenen Jahren deutlich Bewegung in die Schumann-Rezeption gekommen, vieles wird heute neu bewertet und man muss sich - zum Glück! - von vielen alten vorurteilsbehafteten Wertungen verabschieden und noch mal anfangen, alles ganz neu anzuhören und zu entdecken! Ein sehr spannender Prozess, der zeigt, wie lebendig "alte Musik" vergangener Jahrhunderte auch heute noch sein kann!
Bevor ich mich weiter aufrege über den jahrelang praktizierten unreflektierten und herablassenden Umgang mit einem der größten Romantiker, möchte ich nun noch meine persönlichen Schumann-Lieblingswerke vorstellen - ein Weiterhören in alle möglichen Richtungen dieses sehr vielseitigen Gesamtwerks möchte ich Interessierten dringend empfehlen! Eingängige und populäre Ausgangs- und Anknüpfungspunkte gibt es bei Schumann überall zu finden:
Das berühmte Klavierkonzert in a-moll op. 54 (entstanden im Zeitraum zwischen 1841 und 1845) ist einer meiner Favoriten - allein schon der "knackige" Beginn und das direkt darauf folgende eingängige 1. Thema bleiben sofort im Gedächtnis! Für viele das romantische Klavierkonzert schlechthin!
Außerdem komponierte Schumann später noch ein paar kürzere (ebenfalls hörenswerte) Stücke für Klavier und Orchester, die er Clara widmete - beispielhaft sei hier das Konzertstück G-Dur (Introduktion und Allegro appassionato) op. 92 aus dem Jahr 1849 erwähnt.
Das Cellokonzert a-moll op. 129 aus dem Jahr 1850 ist für viele Cellisten eine willkommene Ergänzung ihres eh schon schmalen Konzertrepertoires und allein schon deshalb recht häufig in Konzerten anzutreffen.
Wie der gleichaltrige Chopin hat auch Schumann zunächst (fast) ausschließlich für das Klavier komponiert, sich im Gegensatz zu seinem polnischen Altersgenossen dann jedoch auch anderen Formen (Sinfonie, Kammermusik, Lieder, Chorwerke, usw.) zugewandt. Vielleicht, weil er selber seine pianistischen Ambitionen aus gesundheitlichen Gründen schon früh hatte aufgeben müssen?
Jedenfalls mag ich neben den früh entstandenen, eleganten Papillons op. 2 (entstanden zwischen 1829 und 1832) und den Stücken Carnaval op. 9 (1833-35) und dem Faschingsschwank aus Wien op. 26 (1839-40) vor allem die nach wie vor ungeheuer populären Kinderszenen op. 15 (1837-38), nicht zuletzt deshalb, weil man als "pianistischer Laie" hier auch mal die Chance hat, den ein oder anderen dieser wunderbaren Miniaturen selber technisch zu bewältigen und sich den Zauber Schumann'scher Klaviermusik selber erschließen zu können!
Das Gleiche gilt auch für das Album für die Jugend op. 68 (1848), worin auch so manches meiner "Lieblingsstücke zum Selberspielen" schlummert!
Da ich Orgelmusik sehr gerne mag, finde ich auch das schmale, aber dennoch interessante Orgelwerk Schumanns bemerkenswert (es ist in Teilen eigentlich für einen sog. "Pedalflügel" konzipiert, ein damals neu konstruiertes Instrument, das sich in der Folge jedoch nicht durchsetzen konnte) - es zeigt unter anderem auch seine Auseinandersetzung mit der Musik von Johann Sebastian Bach, dessen Klavierkompositionen er jahrelang intensiv studiert hatte.
Als Chorsänger faszinieren mich natürlich auch einige der Chorwerke Schumanns, so zum Beispiel die Szenen aus Goethes Faust WoO 3 (entstanden zwischen 1844 und 1853), das viel zu selten zu hörende, durch und durch romantische Oratorium Der Rose Pilgerfahrt op. 112 (1851), genauso wie das acht Jahre zuvor entstandene Oratorium Das Paradies und die Peri op. 50 (1843) und die c-moll Messe op. 147 (1852-53) sowie das Requiem Des-Dur op. 148 (1852) - wie selten auch diese beiden geistlichen Werke zu hören sind, kann man allein an der Tatsache sehen, wie überrascht viele Musikfreunde meist reagieren, wenn sie erfahren, dass Robert Schumann überhaupt ein Requiem komponiert hat…! :-)
Das Gleiche dürfte auch für die einzige Oper Schumanns (jawohl, auch eine Oper hat er komponiert!) gelten: Genoveva op. 81 (1847-48), die allerdings nie wirklich erfolgreich auf der Bühne war - eine Tatsache, die sich bis heute gehalten hat, der ganzen äußerst hörenswerten Musik zum Trotz, leider!Schumann war halt vor allem Lyriker, nicht Dramatiker - vielleicht leidet die Bühnenwirksamkeit seiner einzigen Oper etwas darunter, aber auch hier hat es in den vergangenen Jahren einige bemerkenswerte Reaktivierungsversuche gegeben, die sich - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht nur hören, sondern eben auch sehen lassen können!
Durch die zahllosen Lieder Schumanns, die er für unterschiedlichste Besetzungen (Solostimmen, Chor a cappella, etc.) komponiert hat, bin ich bis dato noch nicht durch - die Vielfalt erschlägt einen schier! Auf einen seiner populärsten Liederzyklen, die Dichterliebe op. 48 (1840), in dem er Gedichte von Heinrich Heine (1797-1856) vertont hat, möchte ich aber auf jeden Fall hinweisen.
Im Bereich der Kammermusik gehören sein Klavierquartett Es-Dur op. 47 und sein Klavierquintett Es-Dur op. 44 (beide von 1842) zu meinen Favoriten, ebenso wie die Märchenerzählungen für Klarinette, Viola und Klavier op. 132 (1853).
Außerdem gibt es noch ein paar Konzertouvertüren von Schumann, von denen die wohl bekannteste die sogenannte "Manfred"-Ouvertüre op. 115 (entstanden 1848/49) sein dürfte, ein nach vorne drängendes, energiegeladenes Werk, das seinen Titel von Lord Byrons gleichnamigem dramatischem Gedicht hat - eines meiner liebsten Stücke von Schumann!
Und dann sind da natürlich noch die wunderbaren großen vier Sinfonien (die Nr. 1 - "Frühlingssinfonie" genannte - hatte ich bereits hier vorgestellt!), die seit Jahrzehnten zum unverzichtbaren Repertoire aller Sinfonieorchester weltweit gehören!
Bevor meine Aufzählungen hier noch weiter ausufern, möchte ich für heute mal wieder Schluss machen - die Schumann-Rezeption ist und bleibt ein spannendes Thema, das zu verfolgen sich auch in der Zukunft lohnt! Gerade in den letzten Jahren ist - wie erwähnt - viel Bewegung in die Beurteilung des Werks und der Person Robert Schumanns gekommen, man darf gespannt sein, wie das weitergehen wird!
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