Als Freund der Barockoper möchte ich keinesfalls den runden Geburtstag eines ihrer berühmtesten Protagonisten aus der Zeit um 1700 unerwähnt lassen:
Am 2. Mai 1660 wurde der aus einer Musikerfamilie stammende Alessandro Scarlatti auf Sizilien geboren (er starb im Jahr 1725 in Neapel) - er gehört also auf jeden Fall zu den prominenten Komponisten-Jubilaren des Jahres 2010, auch wenn er heutzutage vielleicht nicht ganz so populär ist wie ein Chopin oder Schumann...
Ausgebildet wurde er in Rom, wo er auch seine ersten kompositorischen Erfolge verbuchen konnte und zwar in den beiden Bereichen, in denen er später seine größte Bekanntheit erlangen sollte: Die Oper und die (weltliche) Solokantate. Scarlatti konnte in dieser römischen Zeit bereits viele mächtige und wohlhabende Gönner und Förderer bei Kirchenfürsten und weltlichen Aristokraten gewinnen, was ihm zeitlebens einträgliche Stellungen bzw. Kompositionsaufträge einbrachte.
Zwischen 1683 und 1703 war Scarlatti (mit einigen kürzeren Unterbrechungen) in Neapel vor allem als Opernkomponist tätig und wirkte dort äußerst erfolgreich und damit stilprägend für die gesamte Gattung der italienischen Oper im beginnenden 18. Jahrhundert (weswegen man auch von der "neapolitanischen Oper" spricht, wenn man italienische Opern aus dieser Zeit meint, denn dieser Stil wurde bald - außer in Frankreich - in ganz Europa begierig aufgenommen und nachgeahmt).
1685 wurde Scarlattis Sohn Domenico (1685-1757) geboren, der vor allem durch seine zahlreichen Sonaten für das Cembalo berühmt geworden ist.
Der Zeit in Neapel folgte von 1703 bis 1708 nochmals ein Intermezzo in Rom, wo Alessandro Scarlatti aufgrund des in der Heiligen Stadt zu der Zeit vom Papst verhängten "Opernverbots" (diese galten in dessen Augen als äußerst unsittlicher Theaterspuk!) zwangsläufig geistliche Musik und hier vor allem Oratorien komponierte - wie viele seiner im Musikbusiness tätigen Zeitgenossen - die aber letztlich nichts weiter waren als "Opern im geistlichen Tarnlook": Die Musik klang wie Opernmusik, es traten dieselben Sänger auf wie im Opernhaus, lediglich die szenischen Theateraufführungen entfielen (das Publikum wollte schließlich nicht auf aktuelle Musik verzichten und war dementsprechend zu solchen Zugeständnissen bereit!). Außerdem komponierte Scarlatti hier erneut eine große Anzahl der nach wie vor bei seinen Gönnern äußerst beliebten Solokantaten, deren Texte er auch oft selber verfasste.
Seine letzte berufliche Station fand Scarlatti dann wieder ab Ende 1708 in Neapel, wo er weiter Opern komponierte aber auch junge Musiker und Komponisten unterrichtete.
Seine späten Opern sind musikalisch sehr ambitionierte, anspruchsvolle Werke und waren beim Publikum, das stets nach neuer leichter und eingängiger musikalischer Unterhaltung gierte, längst nicht mehr so beliebt und erfolgreich wie seine früheren Opern.
Für heutige Musikfreunde sind gerade diese späten Opern daher besonders interessant, z. B. seine (vor)letzte Oper Griselda aus dem Jahr 1721, die in einer Aufnahme unter der Leitung von René Jacobs im Jahr 2003 erschien.
In Kopplung mit dem Stabat Mater von Pergolesi gibt es auch eine schöne Aufnahme seines Stabat Mater (mit Teresa Berganza und Mirella Freni als Solistinnen) und sechs seiner Concerti grossi - hier sind einmal Werke von Scarlatti aus Gattungen vertreten, die er nicht ganz so intensiv "beackert" hat, wie die Oper und die Solokantate.
Von den -zig Kantaten findet man immer wieder einzelne Werke, zum Beispiel in verschiedenen Recitals von Sängerinnen und Sängern - die Kantate für Solosopran und -trompete "Su le sponde del Tebro" ist beispielsweise in einer sehr schönen Einspielung mit Wynton Marsalis und Kathleen Battle enthalten.
Die Weihnachtskantate "O di Betlemme altera" findet man z. B. in einer Aufnahme mit dem Kölner Kammerorchester unter der Leitung von Helmut Müller-Brühl.
Dies nur zwei Empfehlungen - es gibt hunderte dieser Kantaten von Scarlatti und entsprechend viele Aufnahmen entweder ganzer Kantaten oder einzelner Arien daraus.
Aus der oben erwähnten Zeitspanne des ersten Jahrzehnts des 18. Jahrhunderts, während der Scarlatti in Rom weilte, wo der Papst die Oper verboten hatte, gibt es eine sehr interessante Zusammenstellung verschiedener zu der Zeit dort entstandener Werke, für die Cecilia Bartoli verantwortlich zeichnet. Scarlatti darf hier natürlich nicht fehlen - sehr zu empfehlen...
Alessandro Scarlatti hat für die spätere Entwicklung des Streichquartetts wichtige Vorarbeit geleistet, in dem er für diese Besetzung einige Kompositionen anfertigte und außerdem durch die konsequente Verwendung der "Sinfonia" genannten dreiteiligen Opernouvertüre (Satzfolge schnell - langsam - schnell) quasi auch der späteren Symphonie den Weg bereitet.
Außerdem machte er die dreiteilige Da-Capo-Arie in seinen Opern, Kantaten und Oratorien für Jahrzehnte und Generationen von komponierenden Nachfolgern quasi zum Standard für Solo-Gesangsstücke. Sein Einfluss auf Zeitgenossen und spätere Komponisten ist also nicht zu unterschätzen!
Es lohnt sich, die Musik von Signore Scarlatti (neu) zu entdecken!
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