Fast hätte ich vergessen, von meinem letzten Opernbesuch zu berichten:
Vergangenen Freitag (30.04.10) war ich endlich wieder mal (seit März!) in der Kölner Oper - es gab Verdis "La Traviata" (eine meiner absoluten Lieblingsopern!), die ich seit Jahren nicht mehr live gesehen (und natürlich gehört) habe.
Die Neuinszenierung von Dietrich Hilsdorf (die Premiere war am 28.11.2009) hatte ganz gute Kritiken bekommen und vor allem die Tatsache, dass man diesmal - ganz untypisch für Kölner Verhältnisse der letzte Jahre - weder besonders abstrakte oder schräge Bühnenbilder und Kostüme, sondern im Gegenteil konkret vorstellbare Räumlichkeiten und ganz hübsch anzusehende Kostüme präsentiert bekam, hat mich dazu bewogen, mir nun endlich mal wieder (im anscheinend komplett ausverkauften Haus) eine Traviata live und in Farbe zu gönnen!
Vor ungefähr 10 Jahren hatte es in Köln die letzte Traviata-Inszenierung gegeben, die - so der brillante Einfall des Regisseurs - auf einem Tennisplatz (!) spielte… Auf diese in meinen Augen etwas alberne Idee hatte ich dann aber keine Lust (stirbt Violetta schon im Tie-Break oder schafft sie es doch bis zum Matchball im dritten Satz…?!?!) und so blieb ich der letzten Kölner Traviata eben fern.
Nun, diesmal gab es absolut keinen Grund, sich über die Inszenierung zu ärgern: Das Ganze spielte schätzungsweise in den 1930er Jahren im "Restaurant Coquet" (nomen est omen!) "westlich von Paris", wie es zu Beginn in den über der Bühne eingeblendeten Übertiteln zu Lesen stand. Violetta Valéry ist ganz offensichtlich die Hausherrin dieses Etablissements, in dem man neben gepflegter Küche auch dem Billardspiel und ausgiebigen Tanzvergnügungen frönt. Neben dem wirklich aufwendig und sehr realistisch gestalteten Bühnenbild (eigentlich ist so etwas nicht besonders erwähnenswert, aber hier in Köln ist man so eine Tatsache schon fast gar nicht mehr gewöhnt!) trugen die zahlreichen Darsteller (Solisten, Chor und Statisten) denn auch entsprechende Ballgarderobe aus jener Zeit. Das war wirklich schön anzusehen und passte für mein Gefühl tausend Mal besser zu der Musik und der eigentlichen Handlung als alle schiefen Ebenen und kahlen Bühnenräume (also das, was man von Regisseuren leider heutzutage meist "serviert" bekommt) zusammen…
Die Drehbühne zeigte vier verschiedene Räume des Etablissements: Eingangsbereich mit bröckelnder Außenfassade, Speisesaal, Ball- bzw. Billardsaal und der mit (schönen alten) Waschbecken ausgestattete Vorraum zu den Toiletten. Alle Räume waren durch mehrere Türen miteinander verbunden, so dass man mitunter den Gang einzelner Figuren von einem zum anderen Raum bei sich gleichzeitig lautlos drehender Bühne mitverfolgen konnte - solche Effekte finde ich immer faszinierend!
Raffiniert war, dass im Hintergrund der beiden großen Säle eine Leinwand stand, auf der teils aufgezeichnete, teils live aufgenommene Bilder der Bühnenräumlichkeiten (und der sich dort tummelnden Personen) zu sehen waren, was dem Ganzen zum einen den Effekt gab, dass die stets amüsierwillige, stets präsente Festgesellschaft in Violettas Restaurant im Bühnenhintergrund gleich noch mal zu sehen war und somit noch größer (und austauschbarer) wirkte, zum anderen zeitweise (vor allem während der Soloszenen Violettas) dazu genutzt wurde, quasi ihr imaginäres Spiegelbild als sinnfällige Illustration ihres Seelenzustandes ruhe- und pausenlos im Hintergrund durch die leeren Säle und Türen hasten zu lassen oder auch den bekannten "Spiegelbild-im-Spiegelbild-Endlos-Effekt" zu nutzen, um unendlich viele einsame Violettas gleichzeitig vorführen zu können.
Diese technische Spielerei fügte sich nahtlos in die ansonsten - wie bereits erwähnt - sehr realistisch gestaltete Szenerie ein und wirkte weder wie ein Bruch noch wie ein Störelement.
Ziemlich störend hingegen war der Gazevorhang, der zu Beginn des dritten Aktes eine ganze Zeit die ja bereits bekannte Szenerie verhüllte und kaum Durchblicke auf das Bühnengeschehen zuließ, zumal er mit einer etwas amateurhaft-naiv wirkenden Restaurantaußenansicht bepinselt war. Was mit diesem Vorhangeffekt bezweckt werden sollte, erschloss sich wohl niemandem so recht - das Ding störte einfach nur!
Ganz am Schluss der wohl stärkste Effekt der ganzen Inszenierung: Noch während Violetta im Waschraum tot zusammenbricht, dreht sich die Bühne ein letztes Mal in Richtung des angrenzenden Festsaals, wo sich bereits wieder die zahlreichen Paare amüsieren, tanzen und Billard spielen, also ihren üblichen, sinnentleerten und nicht enden wollenden Vergnügungen nachgehen - und von dem tragischen Geschehen nebenan überhaupt nichts mitbekommen (wollen?). Beim Schlussakkord friert diese ganze plötzlich so gespenstisch wirkende Festgemeinschaft mitten in der Bewegung ein - Licht aus, Vorhang, Schluss! Klasse gemacht - dieses Bild bleibt hängen!
Wie anscheinend mittlerweile überall üblich und selbstverständlich wurden auch in der Kölner Aufführung in beiden großen Soloarien Violettas die von Verdi eigentlich vorgesehenen, "baugleichen" zweiten Strophen weggelassen (warum eigentlich???), was diesmal allein schon deshalb schade war, weil die Darstellerin der Violetta, die junge Russin Evelina Dobraceva eine wirklich angenehme, lyrische und klare Stimme besitzt und es wirklich Vergnügen bereitete, ihr zuzuhören! Entsprechend groß war am Schluss auch der Beifall für diese auch schön anzusehende Hauptdarstellerin. Wenn man berücksichtigt, dass die Kölner Violetta gleichzeitig ihr Rollendebüt bedeutete, muss man sagen: Alle Achtung! Ok - ein paar kleinere "Stolperer" gab es, aber das ist nun wirklich nicht schlimm, wenn man noch nicht so viel Praxis mit dieser Rolle hat (ausgerechnet an der Stelle, wo Violetta das einzige Mal von sich selbst als der "Traviata", also der "vom rechten Wege Abgekommenen" singt, schien die Sängerin den Kontakt zum Orchester für einen Moment völlig verloren zu haben - man fand aber zum Glück schnell wieder zueinander!)
Der Darsteller des Alfredo, der junge Russe Daniil Shtoda, verfügt zwar über eine schöne, leicht metallisch glänzende Tenorstimme, hatte jedoch (zumindest an dem Abend?) leider Probleme, sich an lauteren Stellen gegen das Orchester durchzusetzen: Kaum wurde es etwas lauter, war vom guten Alfredo fast nichts mehr zu vernehmen - schade! An den lyrisch-zarten Stellen jedoch vermochte dieser Tenor jedoch durchaus für sich einzunehmen: Angenehme Stimmfärbung, kein Geknödel oder störendes Tremolo - nur die Lautstärke fehlt halt zuweilen. Aber vielleicht wird das ja noch - auch Herr Shtoda steht noch am Beginn seiner Laufbahn.
Den Vater Germont gab der Armenier Mikael Babajanyan - streckenweise war mir sein Bariton etwas zu röhrig, jedenfalls hatte er keine Schwierigkeiten, sich gegen das Orchester durchzusetzen. Insgesamt fand ich seine Gesangsdarbietung aber ganz in Ordnung.
Alle übrigen (gut besetzten) Nebenrollen sind in La Traviata ja so klein, dass sie eigentlich keiner besonderen Erwähnung bedürfen, der Kölner Opernchor war wirklich gut drauf und auch das Gürzenich-Orchester unter der Leitung des jungen Dirigenten Markus Poschner ließ keine Wünsche offen: Die Tempi waren gut gewählt, da schleppte nichts und die Einsätze kamen auch recht präzise.
Also alles in allem ein gelungener Opernabend mit einer Inszenierung, wie ich sie für eine Kölner Traviata nicht (mehr) für möglich gehalten hätte!! Weiter so!
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