Freitag, 28. Mai 2010

Frühlings-Klassik (3. Teil)

Langsam neigt sich der Frühling seinem Ende entgegen und geht fließend in den Frühsommer über. Eine gute Gelegenheit also, vorher noch ein paar weitere "Frühlings-Klassiker" vorzustellen!

Hatte ich beim letzten Mal eine Reihe wirklich sehr bekannter Stücke präsentiert, möchte ich heute die Gelegenheit nutzen, auch ein paar Frühlingsbeiträge (hierzulande) eher unbekannter Komponisten ins Rampenlicht zu stellen:

Beginnen wir mit dem aus dem damaligen Österreich-Ungarn stammenden Karl (oder Károly) Goldmark (1830-1915), der sich in vielen musikalischen Sparten betätigte (Opern, Sinfonien, Chorwerke, Kammermusik) und vor allem in seiner Heimat sehr erfolgreich war.
So finden sich in seinem Oeuvre unter anderem die zwei Chorstücke

Frühlingsnetz op. 15 (für Männerchor, 4 Hörner und Klavier)
Frühlingshymne op. 23 (für Alt, Chor und Orchester)

und außerdem die Konzertouvertüre

Im Frühling op. 36 (1887)

ein knapp zehnminütiges Orchesterwerk, in dem die für viele Frühlingsstücke übliche fröhlich-überschwängliche Stimmung vorherrscht und der Freude über die zu neuem Leben erwachte Natur breiter Raum eingeräumt wird.

Fragt man jemanden nach bekannten skandinavischen Komponisten, dürften mit Sicherheit Edvard Grieg (Norwegen) und wohl auch Jean Sibelius (Finnland) genannt werden. Fragt man aber gezielt nach einem dänischen Komponisten, erntet man meist nur ratloses Schulterzucken.

Carl Nielsen (1865-1931) dürfte neben Niels Wilhelm Gade (1817-90) wohl der bekannteste dänische Komponist sein.
Auch Nielsen betätigte sich äußerst erfolgreich auf vielen musikalischen Gebieten - so wird zum Beispiel seine Oper "Maskarade" (UA 1906), so habe ich es mal gelesen, auch als "dänische Nationaloper" bezeichnet.

Fynsk Foraar (Frühling auf Fünen) op. 42 (1921) (Kantate für Sopran, Tenor, Bariton, gemischten Chor, Kinderchor u. Orchester)

Das knapp zwanzigminütige Chorwerk entstand gleichzeitig mit Nielsens 5. Symphonie (seiner wohl ambitioniertesten), in der er die musikalischen Strömungen der anbrechenden Moderne aufgreift und Tonalität und Harmonik bis an ihre Grenzen ausreizt (bzw. auch darüber hinausgeht). Es spricht für Nielsen, dass er ohne weiteres "zweigleisig" fahren konnte und parallel dazu mit dem Auftragswerk "Frühling auf Fünen" ein überaus folkloristisches, bewusst melodienhaft-einfach gestaltetes Werk komponieren konnte - und dies auch nicht als Widerspruch empfand.
Die Dänische Chorvereinigung hatte einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem sie eine Dichtung über dänische Traditionen, Folklore und Natur suchte. Der Dichter (und Arzt) Aage Berntsen (1885-1952) gewann diesen Wettbewerb und kein Geringerer als Nielsen bekam daraufhin den Auftrag, diesen "Frühling auf Fünen" zu vertonen, was für diesen sicherlich besonders inspirierend gewesen sein dürfte, war er doch auf der Insel Fünen geboren und aufgewachsen.

Ins Deutsche übersetzt beginnt die Kantate mit folgenden, poetischen Worten:
Wie ein grasgrüner Fleck, wenn der Schnee geschmolzen ist, wie das Blatt einer Wasserrose auf dem tiefen See liegt die Insel Fünen im Frühling da.


Im Juli 1922 erfolgte dann die festliche (und erfolgreiche) Uraufführung des Chorwerks in Odense, allein der Chor bestand aus ca. 900 Sängerinnen und Sängern aus allen Teilen Dänemarks und im Publikum (darunter auch König und Königin) saßen an die 8.000 Zuhörer.
Auch für Nicht-Dänen ein echter Geheimtipp!

Bleiben wir in Skandinavien - beim bereits erwähnten, auch bei uns deutlich bekannteren Norweger Edvard Grieg (1843-1907):

Letzter Frühling (Elegische Melodie op. 34 Nr.2)

Beide "elegische Melodien" waren ursprünglich Klavierstücke, die Grieg später für Streichorchester bearbeitete. Der "Letzte Frühling" ist eines der wenigen Stücke, in denen einmal nicht die sonst übliche Frühjahrs-Fröhlichkeit vorherrscht, sondern - der Bezug auf die "Elegie" (= Klagegedicht) legt es nahe - eine tiefe Melancholie ausgedrückt wird. Allerdings geht es bei der zum Ausdruck gebrachten Trauer weniger um den Frühling an sich, sondern ganz offensichtlich um die Tatsache, dass der Frühling vom Vortragenden als sein letzter angesehen wird. Sehr berührend und mal eine gelungene Abwechslung zur ansonsten allgegenwärtigen Frühjahrsjubelstimmung!

Leider ist Griegs 2. Symphonie ein Fragment geblieben, denn sie sollte offenbar den Titel "Im Frühjahr" tragen - das wäre sicher ein interessantes Stück Musik geworden…

Von dem von mir sehr geschätzten Briten Sir Arnold Bax (1883-1953), von dem ich auch in anderen "Jahreszeiten-Klassik"-Beiträgen schon Werke vorgestellt habe, gibt es auch ein großes Frühlingswerk:

Spring Fire (sinfonische Dichtung, komponiert 1913)

Das fünfteilige Werk ist zu Bax' Lebzeiten nie aufgeführt worden, eine Reihe unglücklicher Umstände verhinderte immer wieder eine Uraufführung - so musste zum Beispiel im Jahr 1914 die geplante Erstaufführung wegen des Ausbruchs der Ersten Weltkriegs abgesagt werden.

Bax bezeichnete sein "Frühlingsfeuer" als "eine Art frei gearbeitete Symphonie" und verfasste zu den einzelnen Abschnitten dieses gut halbstündigen Werks sehr stimmungs- und fantasievolle Erläuterungen, die teilweise auch Zitate des Dichters Algernon Swinburne (1837-1909) enthalten.
Das Werk beginnt mit geheimnisvollem Tagesanbruch und strahlendem Sonnenaufgang im Wald, schwelgt in romantischen Stimmungen einer von Elfen und Nymphen bevölkerten Waldszenerie, um dann in einem wilden Kehraus zu enden: "Es ist, als nähme die ganze Natur an der sorglosen und rastlosen Orgie von Jugend und Sonnenlicht teil", kommentiert Bax diesen letzten Abschnitt sehr treffend!
Ein üppig und farbig instrumentiertes Werk, das für mich eine echte Entdeckung war!

Zum Abschluss für heute noch ein weiterer Engländer:

Benjamin Britten (1913-1976)
Spring Symphony op. 44 (für Sopran, Alt, Tenor, gemischten Chor, Knabenchor u. Orchester) (1949)

Brittens "Frühlings-Symphonie" gehört - anders als das gleichnamige Werk von Robert Schumann - nicht zu den populärsten Werken ihres Komponisten.
Diese Chor-Symphonie ist kompositorisch sehr ambitioniert und stellt hohe Ansprüche an Ausführende und auch an die Zuhörer. Britten vertont hierin Texte von englischen Dichtern aus verschiedenen Epochen - thematisch dreht sich alles um das Erwachen des Frühlings nach dem langen Winter und schließlich der Übergang dieser Jahreszeit in den Frühsommer. Formal ist die Symphonie - ganz klassisch - in vier Sätze aufgeteilt. Innerhalb dieser Sätze werden dann aber jeweils mehrere Gedichte vertont.
Ein - wie ich finde - zu Unrecht (gerade hierzulande) vernachlässigtes Werk und selbst die englischen Gesangstexte dürften heutzutage eigentlich niemanden mehr abschrecken...

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