Freitag, 27. Juli 2012

25 Jahre NAXOS

Vor ein paar Tagen erhielt ich überraschend ein Päckchen – wie sich herausstellte, hatte ich in diesem Jahr nun schon zum zweiten Mal bei einem Preisausschreiben gewonnen (vielleicht sollte ich die Teilnahme hier mal intensivieren – das scheint sich ja richtig zu lohnen)!

In diesem Fall handelte es sich um ein Preisausschreiben der Klassik-Zeitschrift Fono Forum, der Anlass war das 25-jährige Jubiläum des Labels NAXOS und es gab mehrere der CD-Boxen zu gewinnen, die NAXOS aus diesem Anlass herausgegeben hat und die jeweils verschiedenen Themenbereichen (z. B. Klavierkonzerte, russische Sinfonien, Ballettmusik, etc.) gewidmet sind. Ich habe eine Box mit Sinfonien der Klassik (also von Haydn, Mozart und Beethoven) gewonnen.

Das 25-jährige NAXOS-Jubiläum ist, so denke ich, ein guter Anlass, dieses wohl jedem Klassikfreund bekannte Label einmal etwas ausführlicher zu würdigen.

NAXOS begleitet mich, seit ich mich mit Klassik-CDs beschäftige, also seit etwas mehr als immerhin schon 20 Jahren!

Links eine meiner ältesten NAXOS-CDs: Die Aufnahme mit Ouvertüren von Berlioz (und weiteren Orchesterstücken aus dessen Bühnenwerken) aus dem Jahr 1988, die bereits seit Jahren aus dem NAXOS-Katalog gestrichen ist und (was bei NAXOS auch nicht so häufig vorkommt) durch die rechts zu sehende Aufnahme mit Berlioz-Ouvertüren aus dem Jahr 1994 ersetzt wurde.
Damals waren mir diese mit ihrer weißen Grundfarbe relativ schmucklos und einfach daherkommenden CDs aufgefallen, weil sie im Vergleich zu den meisten anderen CDs im Klassik-Sortiment so günstig waren (9,99 DM, wenn ich mich nicht irre). Natürlich gab es auch damals schon andere „Billig-Labels“ bzw. „Low Budget-Serien“ der großen Firmen wie Deutsche Grammophon oder Decca. Und damals unterschied sich NAXOS – zumindest war das mein Eindruck - noch nicht wirklich von diesen anderen „No Name“-Klassikanbietern, deren Gemeinsamkeit eine recht billig wirkende und somit einfach gemachte Ausstattung ihrer Produkte war, so existierten z. B. Booklets mit Erläuterungen zur jeweiligen Aufnahme entweder gar nicht, oder sie waren extrem knapp gehalten und meist auch nur auf Englisch verfasst.
In den Anfangsjahren wirkten die kargen CD-Booklets noch ziemlich billig und enthielten meist nur sehr knappe Einführungstexte ausschließlich in Englisch 
Außerdem waren die an den Aufnahmen beteiligten Solisten, Orchester und Dirigenten im Vergleich zu den vielen prominenten Namen, mit denen die sogenannten „Majors“ aufwarteten allesamt totale Unbekannte, mit schwerpunktmäßiger Herkunft aus Osteuropa.

Also fiel mir NAXOS zunächst nicht als etwas Besonderes auf, sondern schien nur ein Low Budget-Label unter mehreren anderen zu sein. Als junger Klassik-Fan mit nicht allzu üppig gefülltem Geldbeutel freute ich mich lediglich über die Möglichkeit, hier besonders günstige Aufnahmen erstehen zu können.

Typisches NAXOS-Cover im Design der 1990er Jahre: Die Farbe Weiß dominiert, dazu gibt es die Abbildung eines Gemäldes, gelegentlich auch mal ein dekoratives Foto (in der Regel eine Landschaft oder ein Gebäude)  
Irgendwann in den folgenden Jahren änderte sich dann aber meine Einstellung zu NAXOS und den unter diesem Label erscheinenden Aufnahmen ziemlich gründlich.
Zum einen war mir schon recht bald aufgefallen, dass viele Aufnahmen zwar billig waren, aber eben nicht billig klangen - ganz im Gegensatz zu so manch anderem „Schleuderpreis-Anbieter“, wo man mitunter Aufnahmen zu hören bekam, die wirklich unterirdisch waren – klanglich wie interpretatorisch – und man damit dann eine ohrenfällige Begründung geliefert bekam, warum man diese CD für einen Schnäppchenpreis angeboten bekommen hatte! Wie gesagt, das war so bei den Aufnahmen, die ich von NAXOS zu dem Zeitpunkt besaß, nie wirklich der Fall gewesen.

Ein weiterer Punkt, der mir bei NAXOS gut gefiel, war die Tatsache, dass man hier eben nicht nur das sonst überall auch erhältliche 0815-Standard-Repertoire angeboten bekam, sondern eine faszinierende Vielfalt selten gespielter Werke von zum Teil völlig unbekannten oder mir lediglich dem Namen nach bekannten Komponisten! Und auch diese CDs gab es zum selben günstigen Preis wie die Aufnahmen der allseits bekannten Werke von Mozart, Beethoven oder Chopin. Bei anderen Labels war es nämlich häufig so, dass die sich ihre Produktionen von Repertoireraritäten (und damit verbunden meist auch deutlich geringerer Käuferzahlen) vom Kunden gut bezahlen ließen und solche Aufnahmen in der Regel im Hochpreissegment angesiedelt waren.

Irgendwie war NAXOS da anders – und kristallisierte sich so allmählich aus der Masse der günstigen „No Name-Label“ (von denen viele auch nach oft nur kurzer Zeit wieder von der Bildfläche verschwanden) als etwas wirklich Besonderes heraus und wurde – wahrscheinlich nicht nur für mich – zu einem echten Sympathieträger, dessen Angebot, das im Übrigen auch deutlich schneller zu wachsen schien, als das der Konkurrenz, man immer gern und voller Spannung im Auge behielt.
Der große Vorteil war ja, dass man hier als Käufer auch ohne Probleme mal „wagemutig“ sein konnte, in dem man sich eine CD mit einem Repertoire zulegte, das man überhaupt nicht kannte – was konnte man bei diesen günstigen Preisen schon für ein Risiko eingehen? Ich bin in all den Jahren bei derartigen Experimenten im „NAXOS-Universum“ noch nie wirklich enttäuscht worden und habe im Gegenteil hier schon so viele interessante und wirklich lohnende Entdeckungen von mir bis dato völlig unbekannter Musik machen können, dass NAXOS allein schon deswegen zu einem meiner absoluten Lieblingslabel geworden ist!

Die CD-Booklets wurden schon recht bald deutlich umfangreicher und enthalten nun meist ausführlichere Texte in drei Sprachen
Die zunehmende Akzeptanz bei Klassikfreunden und –sammlern und der damit verbundene wirtschaftliche Erfolg führte ziemlich rasch dazu, dass auch die Ausstattung der NAXOS-CDs im Lauf der CD deutlich weniger billig rüberkam, als noch in den ersten Jahren. So waren die Booklets deutlich umfangreicher geworden (mit Einführungstexten, die in der Regel auf Englisch, Deutsch und Französisch erschienen) und auch die Interpreten rekrutierten sich nicht mehr nur aus osteuropäischen Unbekannten (wobei das wohlgemerkt ja nicht unbedingt bedeuten muss, dass die Qualität dieser Interpretationen deswegen gleich schlechter sein muss als die bekannterer Künstler und Orchester!), sondern es kamen peu à peu auch Namen von Orchestern, Dirigenten und Solisten hinzu, von denen man auch vorher schon einmal etwas gehört hatte! Da der Firmensitz von NAXOS in Hongkong liegt, sind an den Aufnahmen interessanterweise oft auch asiatische, bzw. australische und neuseeländische Orchester und Künstler beteiligt - wann hat man hier bei uns schon mal Gelegenheit, solche aus unserer Sicht ja ziemlich "exotischen" Ensembles zu hören?

Das Design der CD-Cover entwickelte sich weiter: Ungefähr ab dem Jahr 2005 wurde nicht nur das NAXOS-Label blau hinterlegt...
... auch die CDs wechselten parallel dazu ihre Farbe von klassischem Silber zum neuen, charakteristischen NAXOS-Blau
Auch nach der Umstellung der Währung von D-Mark auf Euro blieb NAXOS erwartungsgemäß seiner Preispolitik treu (der Preis von 4,99 EUR wirkte jetzt sogar noch verführerischer, als es die 9,99 DM jemals waren…). Preiserhöhungen hat es seitdem zwar (leider) wohl geben müssen, aber auch mit dem aktuellen CD-Preis, der mal 5,99 EUR aber auch schon mal 6,99 EUR beträgt, kann man leben, da die übrigen Kriterien, die eine NAXOS-CD auszeichnen, nach wie vor gegeben sind und die Angebotsbreite des NAXOS-Katalogs mittlerweile wirklich ihresgleichen sucht:
Von der Musik des frühen Mittelalters bis zu zeitgenössischer "E-Musik" ist hier wirklich alles vertreten - und eben nicht nur die bekannten Komponisten-Namen!
Dieser „Allround-Anspruch“, den man hier verfolgt (im Gegensatz zu so manchem Klassik-Label, das sich mehr oder weniger auf eine Epoche spezialisiert hat), ist mir besonders sympathisch – ich persönlich habe als Musikfreund ja so meine Lieblingssparten und –epochen, bin aber grundsätzlich auch für alle Epochen und Stilrichtungen offen und immer interessiert, Neues zu entdecken. So gesehen ist die NAXOS-Philosophie in Bezug auf die epochenübergreifende Angebotsbreite auch genau die meine! *grins*

Pünktlich zum Firmenjubiläum ist nun auch ein Buch über NAXOS und dessen aus Hessen stammenden Gründer Klaus Heymann erschienen (der Autor ist Nicolas Soames).
Ich habe mir die englische Version zugelegt und musste wenige Wochen später feststellen, dass es auch eine deutsche Übersetzung gegeben hätte…
Aber die englische Version ist gut verständlich geschrieben und bereitet bei der Lektüre keine größeren Probleme.

In dem Buch werden neben biographischen Details des Firmengründers und der NAXOS-Historie (inklusive einiger wirklich interessanter Beschreibungen des Klassik-Marktes damals und heute) auch viele der Künstlerinnen und Künstler vorgestellt, die zum Teil über Jahre Aufnahmen für NAXOS gemacht und dafür zum Teil auch renommierte Preise gewonnen haben. Außerdem werden – neben vielen anderen Themen – auch einige der ambitionierten Programm-Reihen von NAXOS vorgestellt, wie z. B. die Guitar Collection, die American Classics oder die Organ Encyclopedia.

Ich muss zugeben, dass ich NAXOS-Chef Heymann für sein Engagement und seine Leidenschaft bewundere. Er hat im Verlaufe der Geschichte seines Labels mehr als einmal strategisch kluge und weitsichtige Entscheidungen getroffen und umgesetzt, wobei ihm – wie er auch selber zugibt – durchaus auch der Umstand entgegenkam, dass er nach wie vor der Eigentümer von NAXOS ist und damit letztendlich alleinverantwortlich die Kursrichtung vorgeben kann!
Nicht zuletzt mit seinem sicheren Gespür für kommende technische Entwicklungen konnte Heymann bislang dafür sorgen, dass NAXOS stets auch auf diesem Gebiet mit zu den Trendsettern gehörte (als Stichwort möge hier die bereits seit den 1990er Jahren im Internet existierende Music Library dienen), was für eine kontinuierliche Weiterentwicklung wie auch für die gesunde Basis eines Medienkonzerns (den NAXOS nach 25 Jahren mittlerweile zweifelsohne darstellt) unerlässlich ist. Digitalen Musik-Downloads aus dem Internet in möglichst hoher Klangqualität gehört, so zeichnet es sich seit einigen Jahren nun schon ab, die Zukunft – und auch dies ist bei NAXOS bereits seit Jahren selbstverständlicher Teil der Angebotspalette!

Seit Beginn dieses Jahrzehnts trifft man immer häufiger auf völlig neu gestaltete NAXOS-Cover - das charakteristische Weiß als Grundfarbe entfällt zu Gunsten von Abbildungen, die das gesamte Cover abdecken. Ab und an sind nun auch schon mal Interpreten auf den Covers zu sehen - früher bei NAXOS undenkbar!
Anders als viele deutlich ältere Klassiklabel, die sich mit vielen berühmten Künstlernamen in ihren Katalogen schmücken können, hat NAXOS aus dem Umstand, genau mit solcher Prominenz nicht aufwarten zu können, ganz unbekümmert eine Tugend gemacht: Nicht der berühmte Interpret steht im Vordergrund, sondern das eingespielte Werk! Das wird schon an dem Umstand deutlich, dass jahrelang weder auf den Covern noch in den Booklets von NAXOS-CDs irgendwelche Bilder der Interpreten einer Aufnahme zu sehen waren. Wozu auch, mag man sich gefragt haben – die Namen der verschiedenen Solisten, Orchester und Dirigenten sagten eh den meisten Käufern nichts.
Künstlerfotos findet man mittlerweile regelmäßig auf den Rückseiten der CD-Cover (links), bzw. sogar in den Booklets (rechts), die - bislang lediglich mit den Einführungstexten versehen - nun zunehmend auch mit Fotos erscheinen
Erst im Verlauf der Jahre, nachdem auch schon einige renommierte Preise der Klassikbranche an NAXOS-Künstler gegangen waren, schien man zu merken, dass man sich mit den eigenen Interpreten keineswegs zu verstecken braucht – und seit ein paar Jahren findet man nun auch schon mal Fotos der Interpreten auf den CD-Covern, seltener auf dem Titel (was aber auch gelegentlich vorkommt), dafür aber umso regelmäßiger auf den CD-Cover-Rückseiten unter der Trackliste. Ich finde diese in den Anfangsjahren von NAXOS vielleicht noch nicht ganz freiwillige Bescheidenheit in Bezug auf das Promoten der eigenen Interpreten ziemlich sympathisch – ich hatte immer den Eindruck, dass es bei NAXOS vorrangig um das jeweils eingespielte Werk und nicht um den jeweiligen Künstler ging (bei anderen Klassik-Labels bin ich mir da nicht immer so sicher) und genauso sollte die Wertigkeit hier meiner Meinung nach auch verteilt sein. Es spricht für sich, dass sich mittlerweile viele verdiente Künstler, die im Lauf der Jahre zahlreiche Aufnahmen für NAXOS eingespielt haben, auch ganz ohne großen Hochglanz-Marketingrummel einen guten Namen gemacht haben und sich allein aufgrund der von ihnen abgelieferten Qualität ein Renommee aufbauen konnten!
Und siehe da: Immer wieder stellt man fest, dass nun schon seit einigen Jahren prominente Künstler, die zunächst von anderen Klassik-Labels aufgebaut und bekannt gemacht wurden, plötzlich auch bei NAXOS-Aufnahmen mit auf den Interpretenlisten stehen…

So ist es im Übrigen auch nur logisch, dass es im NAXOS-Katalog in der Regel von allen dort enthaltenen Werken (und mögen sie auch noch so bekannt sein) immer nur eine Einspielung gibt. Ab und an wird auch schon mal eine ältere durch eine neuere Aufnahme ersetzt, trotzdem ist der NAXOS-Katalog nicht mit dem vieler anderer Labels zu vergleichen, wo man von prominenten Standardwerken mitunter zehn oder mehr verschiedene Einspielungen antrifft (was zweifelsohne natürlich auch seinen Reiz hat, wenn man Interpretationen miteinander vergleichen möchte).

Für mich als Klassik-Freund und –Sammler besteht daher der besondere Reiz bei NAXOS in der großen Vielfalt des musikalischen Angebots aus so vielen Jahrhunderten und Stilrichtungen – gepaart mit den günstigen Preisen lädt das ja geradezu zum Entdecken und Ausprobieren ein!

Tatsächlich habe ich daher auch kaum Werke des „Standardrepertoires“ aus dem Hause NAXOS in meiner Sammlung – da greife ich dann gerne auch mal zu Interpretationsklassikern aus weiter zurückliegenden Jahrzehnten und großen Namen berühmter Interpreten, die Mischung macht es eben. Bei mir ist NAXOS hauptsächlich zuverlässiger Lieferant für meine Entdeckungen spannender Nebenpfade abseits der ausgetretenen Wege der allseits bekannten Standardwerke.

Auch wenn NAXOS nach wie vor eine ungebrochen hohe Anzahl monatlicher Neuveröffentlichungen vorweisen kann – nach wie vor gibt es noch Lücken im Repertoire, die erst noch geschlossen werden müssen. Es gibt also noch viel zu tun – und nach wie vor sehr ambitionierte Projekte gerade im Hinblick auf die Einspielung von Gesamtwerken verschiedener Komponisten, die ich mit großem Interesse verfolge.

Der einzige Bereich, in dem NAXOS sich nach wie vor ein wenig schwer tut, ist meiner Meinung nach der Bereich der Oper. Hier gibt es mittlerweile zum Glück auch schon eine Menge schöner und gelungener Aufnahmen (vor allem wiederum auch selten zu hörender Werke), aber gerade im Bereich der absoluten Opernklassiker von Mozart, Verdi, Wagner & Co. tut sich NAXOS (begreiflicherweise) etwas schwer, um gegen die übermächtige Konkurrenz der großen, traditionsreichen Label anzukommen, die mit weltberühmten Interpretationen und namhaften Ensembles und zum Teil legendären Solistinnen und Solisten aufwarten können. Hier habe ich dann auch schon ein paar Aufnahmen aus dem Hause NAXOS gehört, die mich denn auch nicht wirklich überzeugen und begeistern konnten (z. B. die Einspielungen von Verdis Aida und Don Carlos). Dafür gibt es aber auch mehrere Glückstreffer, wie z. B. die Aufnahme von Rossinis Tancredi oder der selten gespielten Opera buffa La gazzetta.

Bleibt zum Abschluss eigentlich nur, dem Label NAXOS und dessen findigem Chef Klaus Heymann auch weiterhin viel Glück und künstlerischen wie auch wirtschaftlichen Erfolg zu wünschen! Klassik- und Musikfreunde in aller Welt danken es ihm mit Sicherheit!

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