Heute vor genau 75 Jahren starb der amerikanische Komponist George Gershwin plötzlich und unerwartet im Alter von nicht einmal 39 Jahren in Hollywood an einem Gehirntumor.
Der 1898 in Brooklyn geborene Sohn russisch-jüdischer Einwanderer reiht sich mit diesem tragisch frühen Tod in eine erschreckend lange Liste berühmter Komponisten ein, die ebenfalls nicht einmal ihren 40. Geburtstag begehen konnten.
Wenn man hierzulande die Leute nach einem bekannten US-amerikanischen Komponisten fragen würde, dann würde wohl der Name Gershwin mit Abstand am häufigsten genannt werden – da bin ich ganz sicher.
Namen anderer Komponisten aus den USA, wie zum Beispiel Charles Ives (1874-1954), Aaron Copland (1900-90) oder Samuel Barber (1910-81) dürften hier bei uns wohl eher den Wenigsten etwas sagen (was zugegebenermaßen schade ist!) – während mit dem Namen George Gershwin hingegen wohl auch der „Nicht-Klassik-Fan“ etwas anfangen können müsste. Leonard Bernstein (1918-90) dürfte eventuell noch einen ähnlich großen Bekanntheitsgrad besitzen, ist aber bei vielen Leuten gerade hier in Deutschland wohl eher als Dirigent in Erinnerung geblieben, denn als Komponist.
Gershwin genießt, nicht zuletzt dank seiner vielen sehr populären und melodiösen Kompositionen voll swingender Rhythmen und typischer Harmonien auch im Bereich der Jazz-Musik große Popularität, eine Tatsache, die für einen US-amerikanischen Komponisten des frühen 20. Jahrhunderts natürlich perfekt zur europäischen Klischeevorstellung über "Musik aus den Staaten" zu passen scheint!
Denn auch Gershwin fand (wie viele seiner komponierenden Landsleute) seine musikalischen Anfänge im Bereich der kommerziellen Massenproduktion von Unterhaltungsmusik. Die legendäre, sogenannte „Tin Pan Alley“ in Manhattan, zu Beginn des 20. Jahhrunderts das Zentrum der US-amerikanischen Musikverlage – bildete nicht nur für ihn den Startpunkt einer leider nicht allzu langen, aber dennoch sehr erfolgreichen Karriere, die stets im Spannungsfeld zwischen Unterhaltungs-, Jazz- und sogenannter „ernsthafter“ Musik stand.
Ich hatte das an anderer Stelle schon mal angemerkt: Amerikaner nehmen die von uns Europäern (und speziell uns Deutschen) mitunter doch sehr unnachgiebig aufrechterhaltene Trennung zwischen U- und E-Musik längst nicht so ernst und gehen viel pragmatischer an so etwas heran: Musik ist gut und gefällt oder sie tut es eben nicht.
Ein Ansatz, den ich bewundernswert entspannt finde, weil er nicht dazu führt, auf Musik der angeblich so leichten Muse herabzublicken und diese nicht ernst zu nehmen. Ist diese gut gemacht, dürfte ihre Komposition mindestens genauso schwer fallen und aufwendig sein, wie die von „E-Musik“. Je leichtfüßiger, unkomplizierter und eingängiger ein Musikstück daherkommt, desto eher vergisst man, wieviel Arbeit oft dahintersteckt. Genau diesen Eindruck der scheinbaren Mühelosigkeit beim Hörer zu erwecken, ist schließlich die Kunst.
Und genau das ist dann das Fatale an der Sache: Man unterschätzt viel zu leicht, wie schwer es ist, jemanden gut zu unterhalten!
Diese ärgerliche Geringschätzung der künstlerischen Leistungen im Bereich guter Unterhaltung hat nicht nur im Fall von George Gershwin dazu geführt, dass man viele seiner Kompositionen lange Zeit nicht besonders ernst genommen hat und ihren Wert nicht wirklich angemessen anerkannte.
Und das gilt eben nicht nur für seine zahlreichen Songs (von denen „Swanee“ aus dem Jahr 1918 sein erster großer Erfolg war) und Musicals wie Oh, Kay!, Girl Crazy oder Lady, Be Good!,
Alles grandiose Kompositionen, die heute längst zum Kanon der Orchesterliteratur gehören, vor allem natürlich der großen Symphonieorchester der Vereinigten Staaten.
Ich persönlich zähle das Concerto in F - Gershwins Klavierkonzert aus dem Jahr 1925 - zu meinen absoluten Lieblingskonzerten: Diese Verbindung von als typisch amerikanisch empfundenen Elementen (wohl auch, weil sie ein wenig jazzig angehaucht sind) mit einer vor allem in den Ecksätzen sehr rhythmusbetonten Herangehensweise ist unwiderstehlich und lässt diese Komposition im großen Feld der Klavierkonzerte als ziemlich einzigartig dastehen! Vor allem der mittlere, langsame Satz hat es mir angetan mit seiner zwischen Melancholie und Optimismus schwankenden Stimmung und der grandiosen dramatischen Zuspitzung kurz vor Schluss bevor dann nochmal die entspannte, leicht melancholische Atmosphäre des Satzbeginns zurückkehrt.
Gershwins ambitionierter Versuch im Jahr 1935 mit Porgy and Bess eine nur von afroamerikanischen Darstellern getragene „American Folk Opera“ zu etablieren, ist ebenfalls über viele Jahre nicht wirklich ernst genommen worden. Als vollwertige Oper wollte man ein solches Stück vielerorts nicht gelten lassen und auch aus Vermarktungsgründen habe ich schon gesehen, dass man Porgy and Bess dem Publikum als Musical verkaufen wollte! Eine völlig unnötige Debatte, wie ich finde! Man sollte sich die Musik anhören, die vielen unsterblich gewordenen Klassiker aus diesem Meisterwerk bewundern (allen voran natürlich „Summertime“!) und sich nicht damit aufhalten, überflüssigerweise darüber zu debattieren, ob das Ganze jetzt eine „richtige Oper“ sein soll oder nicht.
Bemerkenswert an der künstlerischen Vita von George Gershwin finde ich die Tatsache, dass er sich – anders als viele seiner Kollegen aus dem Bereich des Musicals und der Unterhaltungsbranche – eben nicht nur auf diesem Sektor betätigen wollte, sondern weitergehende Ambitionen entwickelte. Der schon erwähnte Leonard Bernstein ist ihm hier sehr ähnlich, denn neben seinen Musical-Kompositionen (allen voran natürlich die West Side Story) hat er ja auch Chor- und Orchesterwerke geschrieben, die allerdings bei Weitem nicht so bekannt geworden sind – vor allem hier bei uns.
Im Gegensatz hierzu könnte man vielleicht Irving Berlin (1888-1989) nennen: Wie Gershwin (und übrigens auch Bernstein!) von russisch-jüdischer Abstammung hatte er ebenfalls im Umfeld der „Tin Pan Alley“ seine Komponistenkarriere (z. B. mit Hits wie „Alexander’s Ragtime Band“) gestartet, ist aber während seiner gesamten Laufbahn ausschließlich dem Unterhaltungs-Showbusiness treu geblieben. Er war immerhin 10 Jahre älter als Gershwin und überlebte seinen Komponistenkollegen dann noch um sagenhafte 52 Jahre!
Wichtig für George Gershwin - das sollte man auf jeden Fall noch erwähnen – war die Zusammenarbeit mit seinem 2 Jahre älteren Bruder Ira Gershwin (1896-1983), an dessen Lebensdaten man ebenfalls erkennen kann, wie tragisch kurz das seines jüngeren Bruders war…
Ira Gershwin schrieb die meisten Libretti und Songtexte für seinen komponierenden Bruder und die beiden bildeten ein legendäres, über viele Jahre hinweg sehr erfolgreiches Kreativgespann.
Wer weiß, was George Gershwin noch alles komponiert hätte, wenn ihm noch ein paar Jahre mehr vergönnt gewesen wären! Seine künstlerische Entwicklung bis zum Zeitpunkt seines frühen Todes war ja sehr vielversprechend.
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