Montag, 26. Juli 2010

KLASSIKers Lieblingsopern: Tosca

Schon vor ein paar Monaten hatte ich meine - nach einem Prozess geradezu übermenschlich-grausamer Selbstbeschränkung - 15 Lieblingsopern hier aufgelistet und angekündigt, diese peu à peu auch mal etwas näher vorzustellen (vor allem auch meine jeweiligen Lieblingsaufnahmen!)…

Heute möchte ich dann nun mal einen Anfang machen (um hier endlich mal zu Potte zu kommen… *grins* ) und eine meiner absoluten Lieblingsopern aus besagten "Top 15" präsentieren (allerdings werde ich die seinerzeit vorgestellte Liste nicht chronologisch abarbeiten!), die ich mir in den letzten Tagen wieder einmal angehört habe:

Es handelt sich um Giacomo Puccinis (1858-1924) dreiaktige Oper TOSCA (Uraufführung am 14.01.1900 in Rom). Das Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica basiert auf dem französischen Theaterstück "La Tosca" von Victorien Sardou.
Puccinis Opern sind für mich persönlich ein ganz spezieller Fall: Viele von ihnen haben starke Momente und unvergessliche Melodien, aber auch etliche Passagen, die mir - zumindest bislang - nicht wirklich zusagen und die sich ziemlich hinziehen können…
Außerdem sprechen mich Puccinis "intimere" Opern (wenn ich das mal so nennen darf), deren Schwerpunkt eher auf der nach innen gerichteten psychologischen Entwicklung der Hauptpersonen liegt und die eher als eine Art Kammerspiel konzipiert sind (vor allem La Bohème [UA 1896], Madame Butterfly [UA 1904] oder Suor Angelica [UA 1918]), nicht so sehr an wie die auch auf äußere Repräsentation und großen szenischen Aufwand setzenden Opern Turandot (posthume UA 1926) und eben die Tosca. Irgendwie überzeugen mich hier Puccinis musikalische Einfälle und auch die gesamte dramaturgische Konzeption (gerade bei Tosca!) viel mehr!
Aber gut, das ist mein persönlicher Eindruck - das liegt vielleicht auch daran, dass ich bislang noch keinen rechten Zugang zu den drei oben erwähnten Opern finden konnte, während mich Tosca und Turandot sofort begeistert haben.

Viele Opern werden heutzutage nur noch deshalb aufgeführt, weil ihre Musik so grandios ist und nach wie vor das Publikum begeistert. Würde man hingegen ausschließlich nach der eigentlichen Handlung dieser Stücke gehen, wäre wohl ein Großteil der Klassiker des Musiktheaters längst in der Versenkung verschwunden - was da so alles auf der Bühne passiert ist häufig einfach nur haarsträubend unlogisch, unwahrscheinlich und viel zu oft viel zu ungeschickt lediglich auf die Bühnenwirksamkeit einzelner Szenen hin zurechtgezimmert worden!
Zum Glück gibt es natürlich auch einige Ausnahmen hiervon - und Tosca gehört definitiv dazu: Eine wirklich ausgesprochen spannende, geschickt konstruierte und logisch aufgebaute Sex-and-crime-Story, mit einer geradezu klassischen Stimmverteilung: Das leidenschaftliche, aber tragisch an äußeren Umständen scheiternde Liebespaar (Sopran und Tenor) und der so richtig schön fies-gemeine Gegenspieler (Bariton). Da das Ganze wie erwähnt auf einem Theaterstück von Victorien Sardou basiert, kann man sich gut vorstellen, dass die Story auch ohne Musik und Gesang auf der Bühne funktioniert und die Zuschauer zu fesseln vermag - und das kann man sich weiß Gott nun wirklich nicht von vielen Opernhandlungen vorstellen!

Ich finde es immer gut, wenn eine Oper zumindest einen populären "Hit" enthält - das bietet dann auch den nicht ganz so häufig mit der Oper befassten Zuhörern eine nette "Aha"-Stelle, die allgemein bekannt und beliebt ist und immer mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht wird.
Tosca hat nun gleich drei dieser Hits zu bieten: Die beiden berühmten Tenor-Arien des männlichen Helden Mario Cavaradossi aus dem ersten Akt ("Recondita armonia") und aus dem dritten Akt ("E lucevan le stelle") und Toscas großes Solo aus dem zweiten Akt ("Vissi d'arte, vissi d'amore") - diese Arien, in denen Puccini sein Talent für weitgeschwungene, leidenschaftliche Melodiebögen eindrucksvoll unter Beweis stellt, fehlen eigentlich auf keiner "Best of Opera"-Kompilation!

Aber auch ansonsten bietet Tosca jede Menge beeindruckender Musik: Gleich zu Beginn der Oper (die wie die meisten Opern aus der Zeit um 1900 keine Ouvertüre hat) erklingt im vollen Orchester ein gravitätisches Motiv (mit dem auch der erste Akt enden wird), das in seiner Wucht ziemlich bedrohlich wirkt und sich spätestens bei dessen erstem Auftritt als das Motiv des fiesen Polizeichefs Scarpia entpuppt (ein Opern-Fiesling, wie er im Buche steht!).
Einen schönen Kontrast zur sich abzeichnenden dramatischen Entwicklung bieten die im ersten Akt eingestreuten kleinen Szenen, in denen der drollige Sagrestano (also der Küster oder Mesner der Kirche, in der dieser Akt spielt) auftritt. Puccini beweist hier mit scheinbar leichter Hand, dass er auch das komische Metier beherrscht - und an diesem raschen Wechsel von Lustigem und Dramatischem zeigt sich eindrucksvoll, wie nah beides im Leben oft beieinander liegt.

Ein besonderes Highlight für mich ist der Schluss des ersten Aktes: Nach einer Szene zwischen Tosca und Scarpia (in der Puccini verschwenderisch auch an ganz unscheinbaren Stellen völlig unerwartet wunderbare Melodien einbaut!) bleibt Scarpia allein am Ort des Geschehens zurück und berauscht sich mit zunehmender Erregung an der Tatsache, dass die schöne Tosca bald ihm gehören werde (weil er sich sicher ist, dass seine soeben angezettelte Intrige erfolgreich sein wird), während im Hintergrund dieser Soloszene (wir befinden uns ja immer noch in einer Kirche) der Chor im Rahmen einer soeben beginnenden Messe ein feierliches Te Deum anstimmt. Beide eigentlich so völlig gegensätzlichen Lobeshymnen hat Puccini genial miteinander kombiniert (die römische Geistlichkeit war ob dieser ganzen kirchlichen Szene sicherlich "not amused" - galt die Oper doch immer noch als weltlicher "Sündenpfuhl"!) und am Ende des sich immer mehr steigernden Gesangs stimmt Scarpia schließlich in den Chorhymnus mit ein und der Akt schließt mit bombastischen Klängen - das ist wirklich ganz großes Kino und verursacht bei mir regelmäßig eine Gänsehaut!
In diesem Zusammenhang kann man eigentlich nur bedauern, dass Puccini (ganz in der Tradition seiner Vorfahren, die über mehrere Generationen hinweg Kirchenmusiker waren) nicht auch ein wirklich für die Kirche gedachtes vollständiges Te Deum oder Requiem komponiert hat!

Die erste Hälfte des zweiten Tosca-Akts gehört für mich persönlich zum einzig schwächeren Moment dieser Oper - dieser Teil der Oper hat mich bislang noch nicht so wirklich überzeugen und mitreißen können. Aber sobald Scarpia Tosca dann dermaßen in die Enge getrieben hat mit seinen Drohungen und sie - für einen Moment allein gelassen - ihre schon erwähnte, sehr berührende Arie "Vissi d'arte" anstimmt, dann ist die besondere Faszination dieser Oper für mich bereits wieder da!
Auch die sich unmittelbar anschließende Szene, in der Tosca den zudringlichen Scarpia dann erdolcht und ihn, der ganz "unheldenhaft" (auf jeden Fall anders, als er sich das als "großer Zampano Roms" sicher mal vorgestellt hat!) auf dem Fußboden sein Leben ausgeröchelt hat, zurücklässt, ist musikalisch wieder äußerst spannend und intensiv gestaltet: Zum einen beeindruckt, wie Puccini Scarpias Ende, sein Schwächerwerden und schließlich jämmerliches Krepieren komponiert hat und dann spricht es auch sehr für den Komponisten, dass er diesen zweiten Akt nicht, wie es angesichts der Geschehnisse ja durchaus auch denkbar wäre, mit einem wuchtig-dramatischen Schluss versieht, sondern ihn - genau wie Scarpia zuvor - musikalisch auch immer schwächer und leiser werden lässt, so dass dieser Akt sein musikalisches Leben quasi auch aushaucht und die Musik ganz leise verklingt. Ein wirkungsvoller Gegensatz zu den "Paukenschlägen" (im wahrsten Sinne des Wortes) am Ende der beiden anderen Tosca-Akte!
Neben der geschilderten "Te Deum"-Szene gehört der Beginn des dritten Aktes zu meiner zweiten absoluten Lieblingsszene dieser Oper: In einer längeren Einleitung wird die ganz sacht einsetzende Morgendämmerung über der Ewigen Stadt geschildert. Aus der Ferne erklingt das fremdartig anmutende Lied eines Hirtenjungen, dann beginnen, immer untermalt von zarten Orchesterklängen, verschiedene Kirchenglocken (Rom hat ja nun wahrlich genug davon innerhalb seiner Stadtmauern!) zu läuten - ganz zaghaft, nur ganz vereinzelt, stets einander abwechselnd. Das ist eine unglaublich poetische und idyllisch anmutende Szene, die einen wirkungsvollen Ruhepunkt vor die nun anstehenden dramatischen Ereignisse setzt, die sich im dritten Akt oben auf der Plattform der als Gefängnis dienenden Engelsburg abspielen werden. Und tatsächlich währt die Idylle nicht lange, denn zum Ende dieser Glockenszene stimmt das Orchester mit ganz tiefen und düsteren Stimmen (auch wieder so ein "Gänsehaut-Moment"!) das hier sehr bedrohlich wirkende Thema aus der in Kürze folgenden Arie "E lucevan le stelle" an!
Nachdem Mario nun auch diese seine zweite weltberühmte Arie zum Besten gegeben hat, folgt die letzte große Duett-Szene mit Tosca, in der sich das Paar trügerischen Zukunftshoffnungen hingibt - die Opernbesucher wissen es natürlich besser, dass daraus nichts werden wird!
Mich berührt die vermeintlich fingierte Erschießungsszene Marios immer wieder sehr, denn Scarpias letzte Gemeinheit führt ja dazu, dass Mario natürlich doch hingerichtet wird - so hatten die beiden Liebenden noch nicht einmal die Chance, sich voneinander zu verabschieden, weil sie sich ja in Gedanken schon auf der Flucht sahen, sobald das Erschießungskommando die Plattform wieder geräumt hätte. Entsprechend hochdramatisch vertont Puccini dann auch die letzten Minuten dieser Oper, die in Toscas Sprung über die Zinnen in die Tiefe endet, wobei das erwähnte Thema aus Marios letzter Arie noch einmal zitiert wird, das nun doch noch zu einem Todesthema gleich für beide Hauptpersonen geworden ist!

Es gibt unzählige Anekdoten über missglückte Tosca-Sprünge (Sängerin landet wie vorgesehen auf dem nur wenig tiefer hinter der Kulisse bereitstehenden Trampolin, wird aber aufgrund ihres Gewichts wieder hochgeschleudert und taucht somit für das Publikum gut sichtbar erneut hinter den Zinnen der Engelsburg wieder auf, etc.) - ich selber habe mal erlebt, wie der Zipfel des bodenlangen Kleides, das die Tosca-Darstellerin zu tragen hatte, nach deren Sprung hinter die Kulissen an einer Ecke der Zinne hängen blieb und die gute Tosca (bereits von der Szene verschwunden), noch einmal energisch daran ziehen musste, um auch diesen letzten Zipfel endgültig verschwinden zu lassen. *lach* Ich liiiiebe solche Theateranekdoten!!!

Zu meiner Favoriteneinspielung dieser Oper:
Mir ist durchaus bekannt, dass die am meisten gelobte Tosca-Referenzaufnahme aus den frühen 1950er Jahren stammt (mit Maria Callas in der Titelrolle) - und genau da liegt für mich das Hauptproblem: Ich bin weiß Gott kein Klangfanatiker, der ausschließlich Surround-Sound und SACDs und derlei Schnickschnack für seine heimische HiFi-Anlage bevorzugt. Ganz im Gegenteil! Aber wenigstens eine Aufnahme in Stereo und ohne allzu lästiges Knacken und Rauschen (wie es oft bei Überspielungen alter Schellack-Aufnahmen aus den 1930er und 1940er Jahren vorkommt) sollte es für mich dann schon sein. Das finde ich nicht zu viel verlangt! Und da mich diese alte Monoaufnahme der Tosca mit der Callas klanglich nach einem Probehören nicht wirklich überzeugt hat, können die Lobeshymnen ringsum noch so hymnisch ausfallen, aber dann ist so eine Aufnahme für mich nicht akzeptabel.
Es gibt schließlich in den meisten Fällen auch von strengen Kritikern durchaus anerkannte und empfohlene Einspielungen aus neuerer Zeit - und die klingen dann auch gleich viel ansprechender (gerade bei dieser Oper mit ihrem üppigen Orchesterklang und zusätzlichen Effekten wie den Kanonenschüssen und der Orgel im ersten Akt ist mir das dann schon besonders wichtig!) und ich muss mich nicht zwei Stunden lang über Dauerrauschen oder scheppernden Orchesterklang ärgern - bei so was vergeht mir nämlich die Freude an noch so brillanten Sängerleistungen völlig - und dann lasse ich es lieber gleich ganz!

So habe ich meine persönliche Tosca-Lieblingseinspielung denn auch vor über 10 Jahren recht schnell gefunden. Sie stammt aus dem Jahr 1976, ist beim Label PHILIPS Classics (heute UNIVERSAL Classics) erschienen und die Besetzungsliste sieht wie folgt aus:

Tosca: Montserrat Caballé
Cavaradossi: José Carreras
Scarpia: Ingvar Wixell
Angelotti: Samuel Ramey
Spoletta: Piero De Palma
Sciarrone: William Elvin
Sagrestano: Domenico Trimarchi
Ein Hirtenknabe: Ann Murray
Chor und Orchester des Royal Opera House, Covent Garden
Dir.: Sir Colin Davis


Auch wenn diese Aufnahme mittlerweile nun auch schon knapp 35 Jahre auf dem Buckel hat, ist der Klang wirklich exzellent: Vor allem im Finale des ersten Aktes, wenn es akustisch so richtig zur Sache geht und neben Sänger, Chor und Orchester auch noch die Orgel und - ganz im Hintergrund - auch die Böllerschüsse zur Feier des (vermeintlichen) Siegs über Napoleon hörbar sind. Und das alles zusammen klingt hier wirklich sehr beeindruckend!

Montserrat Caballé legt ihre Tosca nicht wie die legendäre Maria Callas als durch und durch leidenschaftlich-dramatische, sondern eher als eine lyrisch-(er)leidende Figur an, die durchaus auch zu emotionalen Ausbrüchen fähig ist (z. B. wenn sie im ersten Akt ihre Eifersucht kaum beherrschen kann), aber doch viel unschuldiger klingt als die glühend-heftige Tosca, die die Callas verkörpert. Die 1970er Jahre sind das Jahrzehnt, in dem die Caballé meiner Meinung nach den absoluten Zenit ihrer langen Laufbahn erreicht hat und sie ist stimmlich in dieser Aufnahme wirklich in Top-Form, man höre nur im "Vissi d'arte" die lang ausgehaltene Note, die die Caballé ohne jeden Bruch im selben Atemzug vom Forte ins Piano zurückfallen und diese dabei von jetzt auf gleich von einem leidenschaftlichen in einen höchst tragischen Tonfall umfärben lässt!

Für José Carreras gilt dasselbe: Auch er hatte in den späten Siebzigern sängerisch seine absolute Spitzenphase - er klingt als Mario jugendlich, kraftvoll und leidenschaftlich. Seine Stimme kommt in dieser Aufnahme unglaublich plastisch rüber und man kann ihn sich wirklich gut als jugendlich-tragischen Liebhaber vorstellen!

Der schwedische Bariton Ingvar Wixell gefällt mir als schurkischer Baron Scarpia auch sehr gut - er kann bösartig-elegant und auch richtig schön sadistisch klingen und den seinem raschen Ende entgegenröchelnden Bösewicht im zweiten Akt bringt er auch sehr intensiv rüber - ohne sie zu sehen, kann man sich die Szene quasi bildlich vorstellen.

Selbst kleinere Rollen dieser Einspielung sind mit prominenten Namen besetzt: Samuel Ramey und die später vor allem als Mozart-Interpretin bekannt gewordene Ann Murray standen damals noch relativ am Beginn ihrer sich dann vor allem in den Achtzigern entwickelnden Weltkarrieren.

Alles in allem bin ich mit dieser einmal gefundenen Aufnahme so zufrieden, dass ich seither nicht das Bedürfnis hatte, mir eine Alternativeinspielung zuzulegen!

1 Kommentar:

  1. Guten Tag.

    Ein wirklich sehr interessanter Bericht über "Tosca" - auch einer von meinen Lieblingsopern.

    Im Gegensatz zu Ihnen empfinde ich jedoch nach wie vor die Aufnahme von 1956 unter Victor de Sabata mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Tito Gobbi als die beste.

    Ich gebe zu, dass die Klangqualität natürlich nicht an die von Ihnen genannte Aufnahme heranreicht; allerdings gibt es mittlerweile auch sehr gute Remasterings dieser Aufnahme, sodass es vielleicht auch eine Version der Sabata-Aufnahme gibt, die Ihren klangtechnischen Erwartungen gerecht wird.

    Gruß Egon aus Wien

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