Dienstag, 10. Januar 2012

Sigismond Thalberg - 200. Geburtstag

Vorgestern, am 8. Januar also, wäre Sigismond (oder auch Sigismund) Thalberg 200 Jahre alt geworden (er starb 1871 im Alter von 59 Jahren) - ein Komponist und Klaviervirtuose, der heute ziemlich in Vergessenheit geraten ist.

Ausgebildet in Wien und dann nahezu rastlos jahrelang auf Tourneen quer durch Europa (und in späteren Jahren auch in Amerika) begeisterte er sein Publikum in den Salons und Konzertsälen der großen Metropolen mit seinen pianistischen Fähigkeiten, die ihn in den Augen vieler Zeitgenossen zum besten Pianisten seiner Zeit machten. Gerade die 1830er und 1840er Jahre sind ja die großen Jahre der berühmten Klaviervirtuosen, vor allem (aber natürlich nicht nur) in Paris!

Thalberg kassierte Traumgagen und konnte es sich leisten, seinen Marktwert noch dadurch zu steigern, in dem er sich rar machte und nicht so häufig öffentlich auftrat.

Natürlich traf er hierbei auch auf berühmte Kolleginnen und Kollegen, wie z. B. Clara Wieck (die spätere Gattin Robert Schumanns) und vor allem Franz Liszt, zu dem er in einem gewissen Konkurrenzverhältnis stand, obwohl man sich künstlerisch wohl sehr schätzte.

Anders als Liszt, der sich in seinen Kompositionen in späteren Jahren (nachdem er seine Karriere als Klaviervirtuose beendet hatte) auch Bereichen jenseits des Pianos zuwandte, komponierte Thalberg bis auf wenige Ausnahmen (hier sind vor allem zwei ziemlich erfolglos gebliebene Opern in den 1850er Jahren zu nennen) fast ausschließlich Musik für das Klavier, worin er seinem berühmten Zeitgenossen Chopin ähnelt, der ja auch im Klavier sein Hauptausdrucksmedium gefunden hatte.

Anders als Chopin komponierte Thalberg jedoch deutlich zeitgebundenere Musik, die sich am jeweils aktuellen Publikumsgeschmack orientierte (Chopins Musik wirkt aus heutiger Sicht viel zeitloser und ist nicht zuletzt deshalb wohl auch nach wie vor beliebter).

So kommt es, dass er - ähnlich wie Liszt - zahlreiche der damals sehr populären Opernfantasien (virtuose Variationen über beliebte Melodien bekannter Opern) komponierte. In diesem Punkt ist ein Vergleich von Opernfantasien beider Komponisten sehr interessant.



Ich kenne von Thalberg eigentlich nur ein paar Aufnahmen (die Diskografie seiner Werke ist leider sehr schmal!) mit solchen Opernfantasien oder -paraphrasen - sehr kunstvoll, aber live im Konzert wahrscheinlich noch wirkungsvoller - bei Stücken wie diesen muss man den Pianisten/ die Pianistin einfach bei der Arbeit beobachten können, um die zur Schau gestellte Virtuosität auch richtig würdigen zu können!

Nachdem diese Art der Virtuosität (und die dazugehörige Präsentation) gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend aus der Mode gekommen war, geriet auch die Musik Thalbergs immer mehr in Vergessenheit, zumal die zu seiner Zeit populären Belcanto-Opern eines Rossini, Bellini oder Donizetti, über deren Melodien er die meisten seiner Fantasien komponiert hatte, ebenfalls kaum noch (bzw. gar nicht mehr) aufgeführt wurden und somit das Publikum immer weniger Bezug zu diesen Stücken hatte - gerade dieser Effekt des Wiedererkennens beliebter Opernmelodien (verbunden mit dem Staunen über die raffinierten Veränderungen und Variationen dieser Themen) trug ja zur großen Popularität dieser Fantasien beim Publikum zu Thalbergs Zeit bei.


Eine vorsichtige Renaissance dieser Opern setzte erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein, so dass auch Thalbergs Kompositionen möglicherweise wieder auf etwas mehr Interesse stoßen könnten - was natürlich zu hoffen wäre!

1 Kommentar:

  1. Clara Schumann schrieb: "Montags besuchte uns Thalberg, und spielte zum Entzücken schön auf meinem Pianoforte. Eine vollendetere Mechanik giebt es nicht, und seine Claviereffekte müssen oft die Kenner hinreißen. Ihm mißglückt kein Ton, seine Läufe kann man mit Perlenreihen vergleichen, seine Octaven sind die schönsten, die ich je gehört".

    Damals galt Friedrich Kalkbrenner als einer der besten Klaviervirtuosen. Chopin widmete ihm sein Klavierkonzert Nr.1.
    Wer weiß? Hätte Clara den Schumann nicht geheiratet, wäre sie auch wohl mit der Zeit gänzlich in Vergessenheit geraten.

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