Irgendwie habe ich dieses Jahr wirklich Glück mit Gelegenheiten, kostenlos an Karten für interessante Konzerte zu kommen! Nachdem ich Anfang des Jahres mehrfach als "Vertretung" eine Abokarte für Konzerte des Kölner Gürzenichorchesters nutzen konnte, hatte ich nun gestern Abend das Glück, dass ich mit einem Kollegen zu einem Abend mit Hans Liberg in die Düsseldorfer Tonhalle gehen konnte (er hatte 2 Karten gewonnen und suchte noch nach einer Begleitung)!
Foto: © Thomas Mayer
Hans Liberg kannte ich bislang nur von kurzen TV-Ausschnitten aus seinen diversen Programmen und ich hatte mir schon seit einiger Zeit vorgenommen, ihn mal live zu erleben - umso schöner, dass sich das Ganze nun auf diese Art und Weise ergeben hat!
Wie soll man Hans Liberg und das, was er auf der Bühne so macht, beschreiben?
Schwierig - mir fällt nicht einmal eine passende "Berufsbezeichnung" für den 57-jährigen Niederländer (und gebürtigen Amsterdamer) ein: Musik-Kabarettist oder Musik-Komödiant, Multi-Instrumentalist, Jazz- und Klassik-Entertainer - das wären so am ehesten noch Charakterisierungen, die einem zu diesem ziemlich singulären Künstler in den Sinn kämen, ohne jedoch das Gesamt-Phänomen Hans Liberg wirklich treffend und umfassend zu beschreiben. Man muss ihn einfach mal in Aktion erlebt haben, um die Faszination, die von ihm ausgeht, wirklich verstehen zu können.
Klassik, Jazz, Rock, Pop, Kinder- und Volkslieder, TV-Melodien, Werbejingles - alles, was sich irgendwie als Musik bezeichnen lässt, ist für Hans Liberg eine einzige große, genreübergreifende Spielwiese, auf der er sich, einmal in Fahrt gekommen (und das passiert bei diesem Energiebündel eigentlich ab der ersten Minute auf der Bühne) mit geradezu irrwitziger Geschwindigkeit und verblüffender Leichtigkeit tummelt, wie eine wildgewordene Hummel.
Eine Melodie jagt die nächste, da wird scheinbar mühelos das zusammengefügt, was nüchtern betrachtet eigentlich überhaupt nicht zusammenzugehören scheint (wer hätte z. B. gedacht, dass es verblüffende Gemeinsamkeiten zwischen "Fuchs, du hast die Gans gestohlen", Smetanas "Moldau" und dem Beginn der israelischen Nationalhymne gibt?), wenn Liberg einmal am Flügel sitzt und schwungvoll in die Tasten haut, dann kommt man kaum noch hinterher, so flink sprühen die Ideen, werden Melodiezitate aneinandergereiht, zusammengefügt, variiert, verjazzt, verrockt - die zweieinhalb Stunden (inkl. einer knapp 20-minütigen Pause) gestern Abend vergingen wie im Fluge!
Und Liberg bearbeitet nicht nur den Flügel, er beherrscht auch noch zahlreiche andere Instrumente - gestern bekamen wir Kostproben seiner Fähigkeiten am Banjo, der E-Gitarre, der Blockflöte und der Snare Drum geboten.
Sein musikalischer Vortrag wird zeitweise ergänzt durch zwei Kollegen am Kontrabass und am Schlagzeug - in dieser klassischen Jazzbesetzung fühlt man sich während mancher Nummer plötzlich, als würde man dem Jacques Loussier-Trio bei einer seiner legendären "Play Bach"-Sessions lauschen! Diese Flexibilität, Virtuosität und Improvisationsfähigkeit im musikalischen Bereich ist natürlich unbedingte Voraussetzung für das gesamte Konzept, in rasendem Tempo von einem Thema zum nächsten springen zu können (mich würde interessieren, wie sehr eine der zurzeit wieder fast allabendlich an anderen Orten in Deutschland und den Niederlanden stattfindenden Shows der anderen gleicht?!) - das sieht alles so leichthändig und spielerisch aus, dass man fast sofort vergisst, wie viel Arbeit hinter dem Ganzen stecken muss!
Zwischen den zahllosen musikalischen Einlagen moderiert Hans Liberg wie selbstverständlich auf Deutsch (und spricht dabei mit deutlich weniger Akzent als es z. B. Rudi Carrell oder Marijke Amado je getan haben), bezieht fast pausenlos das Publikum mit ein (Mitsingen ist absolut erwünscht!) und bringt es sogar noch fertig, aktuelle politische Seitenhiebe (wohlgemerkt auf deutsche, nicht auf niederländische Politiker und Parteien) und lokale Anspielungen (in diesem Fall also über die Düsseldorfer und die Nachbarn aus Köln und Neuss) einfließen zu lassen - Respekt!
In seinem aktuellen Programm "Ick Hans Liberg" gibt es außerdem eine Szene, in der sich Liberg mit seinem Alter-Ego in Marionettengestalt kabbelt und mehrere größere und kleinere Tanzeinlagen, zu denen auch ein weiterer Assistent (der von Liberg als "Praktikant" und Freund seines Sohnes, der "unbedingt mal auf die Bühne wollte" vorgestellt wurde) seinen - teilweise recht akrobatischen - Beitrag abliefert.
Foto: © Thomas Mayer
Der Bezug zur Klassik bleibt aber bei allen Einlagen und musikalischen Ausflügen wie eh und je der Dreh- und Angelpunkt in Libergs Programm und sein Publikum ist auf diesem Gebiet durchaus sachkundig, auch, wenn es mal etwas kniffligere Themen und Melodien (jenseits von "Für Elise" oder "Eine kleine Nachtmusik") zu erraten gibt.
Sehr schön die Definition der gerade von Schubert gepflegten Gattung des Impromptus: "Eine Komposition, bei der der Komponist keine Ahnung hat, wie sie ausgehen wird!" - am Beispiel von Chopins "Tristesse"-Etüde op. 10 Nr. 3 wird das sogleich vorgeführt - das berühmte Thema geht nach kurzer Zeit nahtlos in "Strangers in the night" über und man hat beim Zuhören das Gefühl, dass das Ganze eigentlich nur so und nicht anders klingen müsste…
Auch der Hinweis, dass die englische Bezeichnung für die Tonart B-Dur ja "B flat" lautet, was übersetzt nichts anderes als "sei flach!" bedeutet (woraus man nun einige aufschlussreiche Schlussfolgerungen ziehen kann), war ebenso vergnüglich, wie die zahlreichen Beispiele, mit denen Liberg demonstrierte, dass Komponisten aller Jahrhunderte immer wieder munter voneinander abgekupfert haben (auch die Älteren von den zum Teil deutlich später Geborenen…), oder die eindrückliche Vorführung des Fakts, dass auch die besten Melodien nichts taugen, wenn man sie immer und immer wieder stumpfsinnig aneinanderreiht - jedenfalls, solange dazu noch Platz auf der Klaviatur (nach oben wie nach unten) ist…!
Als zweite Zugabe gab es dann noch eine sehr treffende Parodie der kanadischen Klavierlegende Glenn Gould - inklusive klapprigem Holzschemel, dem obligatorischen Mitsingen während des Vortrags (natürlich der Beginn der Goldberg-Variationen von Bach - das Stück, mit dem Glenn Gould wohl am bekanntesten geworden ist) und der absonderlichen Körperhaltung während des Spiels, wo trotz dicht über die Tastatur gebeugtem Kopf der ein oder andere mit äußerster Vorsicht hingetupfte Ton schon mal verloren gehen kann… ganz wunderbar!
Ein wirklich amüsanter Abend, der viel zu schnell vorüberging - die aktuelle Liberg-Tour geht noch bis zum Mai 2012 und führt durch diverse Städte, wer Spaß an geistreich-musikalischem Humor in der Tradition von legendären Künstlern wie Gerard Hoffnung oder Victor Borge hat und mit dem Namen Hans Liberg bislang noch nichts anfangen konnte, sollte sich unbedingt einmal eine seiner Shows ansehen!
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen