Ich hatte hier ja neulich bereits meine Gedanken zu den auch im Klassik-Sektor zunehmend optisch dominierten Vermarktungsstrategien am Beispiel des neuen Gitarren-Stars Miloš kundgetan.
Jetzt also zur weiteren Untermauerung meiner Thesen quasi als weibliches Gegenstück die junge Hamburger Sopranistin Mojca Erdmann:
Ihre ebenfalls in diesem Jahr bei der Deutsche Grammophon erschienene Debüt-CD "Mostly Mozart" wartet mit zahlreichen (!) Fotos der zierlichen Sängerin auf, die sie - meiner Meinung nach - ein wenig sehr in Richtung "Lolita - die sinnlich singende Kindfrau" abstempeln, was dieser Künstlerin so sicher nicht gerecht wird; im CD-Booklet wird sie gar noch als "Muse für Mozart" angepriesen...
Mojca Erdmann verfügt über eine sehr klare, leichte und angenehm anzuhörende Sopranstimme, wenn sie singt, hat man fast automatisch das - und hier knüpft die Strategie des Marketings wahrscheinlich an - Bild eines unschuldigen jungen Mädchens vor Augen.
Dieses Rollenbild soll wohl auch durch das Programm ihres Arien-Recitals deutlich werden:
Begleitet vom La Cetra Barockorchester Basel unter der Leitung von Andrea Marcon bietet Frau Erdmann eine meiner Meinung nach etwas unglückliche Mischung aus absoluten Mozart-Klassikern und eher selten zu hörenden Raritäten von dessen Zeitgenossen (Salieri, Paisiello & Co.).
Ich muss gestehen, dass ich Arien wie Paminas "Ach, ich fühl's", Susannas Rosenarie, die beiden Zerlina-Arien oder die ersten beiden Ilia-Arien aus dem Idomeneo schon so oft gehört habe, dass ich sie jetzt nicht unbedingt auch noch auf der Debüt-CD von Mojca Erdmann vorfinden musste - das ist weder besonders originell noch hinterlässt es beim Anhören einen besonders nachhaltigen Eindruck: Es klingt nett, aber irgendwie ohne eine persönliche Note, die im Gedächtnis bleibt. Ich halte es für gefährlich, sich schon zu Beginn einer CD-Karriere gleich auf ein derart ausgetretenes und damit entsprechend mit hohen Erwartungen belegtes Pflaster zu begeben, auf dem man eigentlich nur enttäuschen kann, egal, wie man es macht.
Wesentlich besser beraten war Frau Erdmann dann schon eher bei der Auswahl der unbekannteren Nummern auf ihrer Debüt-CD: Angefangen bei 2 Arien aus dem Mozart-Fragment Zaide über Arien aus Salieris "Les Danaïdes" oder Paisiellos "Nina" - das ist Repertoire, aus dem man noch etwas machen kann und von dem der Zuhörer eben noch nicht jede Phrase, jede Note in- und auswendig kennt!
Auf ein solches Repertoire hätte sich Frau Erdmann meiner Meinung nach ausschließlich konzentrieren sollen!
Schade nur, dass der interessierte Hörer im CD-Booklet so gut wie keine verwertbaren Informationen zu diesen selten zu hörenden Werken vorfindet. Es erschien den Verantwortlichen hier offensichtlich wichtiger, etwas über die neue "Muse für Mozart" zu lobhudeln…
Der spannendste Beitrag auf dieser CD besteht für mich jedoch aus den beiden Arien der Pfalzgräfin Anna aus der Oper Günther von Schwarzburg (UA 1777) von Ignaz Holzbauer (1711-1783) - eine der ersten deutschsprachigen Opern der Nach-Barockzeit (wenn nicht neben Anton Schweitzers Alceste von 1773 sogar die erste!), die für sich den Anspruch erhoben, etwas mehr zu sein, als nur ein heiteres Singspiel mit harmlos-liedartigen Gesangsnummern, sondern eine Art deutschsprachiges Pendant zur damals alles dominierenden großen italienischen oder französischen Oper.
Mozart schöpfte für seine deutschsprachigen Opern nachweislich eine immense Inspiration aus Holzbauers Günther von Schwarzburg und hielt große Stücke auf dieses Werk, das ihm bewies, dass eine große, ernste deutsche Oper machbar war und auch beim Publikum ankam! Wer weiß, ob es ohne diese Oper die "Entführung" und die "Zauberflöte" in ihrer heutigen Form so überhaupt geben würde?
Die beiden Arien, die Mojca Erdmann hier interpretiert, wecken jedenfalls gewaltig die Neugier darauf, diesen Günther von Schwarzburg einmal in Gänze kennenzulernen.
Und außerdem sind sie der meines Wissens bislang einzige aktuelle Beitrag im CD-Sektor, um an den 300. Geburtstag (am 17. September) dieses ansonsten fast völlig der Vergessenheit anheim gefallenen Komponisten zu erinnern!
Und das ist ja immerhin auch ein Verdienst, den man dieser neuen CD zuschreiben kann!
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