Gut zwei Wochen zuvor, am 31. August, ist Kölns neue Opernintendantin Birgit Meyer offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Frau Meyer war bisher die Stellvertreterin des unter so unschönen Umständen aus dem Amt ausgeschiedenen Intendanten Uwe Eric Laufenberg (mit dem sich die Stadt Köln immerhin zwischenzeitlich dahingehend geeinigt hat, dass die fristlose Kündigung in eine vorzeitige Vertragsauflösung inklusive einer Abfindungszahlung umgewandelt wurde) und ist mir, ich gebe es gerne zu, in den vergangenen Jahren bislang in dieser Funktion nicht aufgefallen, geschweige denn, dass mir ihr Name etwas gesagt hätte…
Aber das kann (und wird) sich in den kommenden Monaten ja nun mit Sicherheit ändern – die 51-jährige gebürtige Kölnerin hat zunächst Medizin studiert und als Ärztin gearbeitet, bevor sie dann doch noch ein Studium der Theaterwissenschaften begann und vor ihrem Wechsel an die Kölner Oper zuletzt 10 Jahre lang Direktionsmitglied der Wiener Volksoper (immerhin auch kein gerade kleines Haus!) war.
Ihr Vertrag ist zunächst auf drei Jahre befristet und sie wird (sicherlich auch mangels Erfahrung) anders als ihr Vorgänger keine eigenen Inszenierungen in Köln auf die Bühne bringen, sondern sich auf die verwaltende und organisatorische Ebene der Intendantentätigkeit beschränken, was sicher gerade in der aktuell schwierigen finanziellen wie räumlichen Situation mehr als genug an Aufgaben mit sich bringen dürfte!
Vielleicht ist es ganz gut, dass Frau Meyer (der man für ihre neue Aufgabe nur viel Erfolg und ein wirklich glückliches Händchen wünschen kann!) sich nicht auch noch mit eigenen Inszenierungen hervortut, denn mit den für die kommenden Monate längst geplanten, aber durch die plötzliche und kurzfristige „Entfernung“ des bisherigen Intendanten nun nicht mehr realisierbaren Projekten Laufenbergs hat seine Nachfolgerin in der gerade gestarteten Spielzeit schon das erste handfeste Problem zu lösen – das wird noch spannend werden zu verfolgen, wie hier innerhalb kürzester Zeit ganz neue Inszenierungen für den bereits feststehenden Spielplan aus dem Bühnenbretterboden gestampft werden müssen!
Ein Glücksfall (als ob man es geahnt hätte!), dass die aktuelle Spielzeiteröffnung – im Gegensatz zur ersten Premiere der neuen Saison vor 3 Jahren – von vornherein nicht von Herrn Laufenberg inszeniert werden sollte, sondern vom Franzosen Olivier Py! Wäre dies wie damals eine Arbeit des Hausherrn der Kölner Oper geworden (und damit dann eben kurzfristig zu ersetzen gewesen), man hätte die Spielzeiteröffnung wohl verschieben müssen, denn das wäre in der Kürze der Zeit dann beim besten Willen nicht mehr zu schaffen gewesen, hier noch für einen adäquaten Ersatz zu sorgen! So hat man jetzt jedoch noch einen Monat mehr Zeit, denn erst die Mitte Oktober anstehende Premiere von Le nozze di Figaro wäre Laufenbergs erste Inszenierung in der neuen Spielzeit gewesen.
So konnte nun also am vergangenen Sonntag (16.09.) die neue Opernsaison wie ursprünglich geplant eröffnet werden (ein gutes Omen, wie ich hoffe?!?) – passend zum anstehenden großen Komponistenjubiläum in 2013 mit dem Verdi-Klassiker La forza del destino, der 1862 in Sankt Petersburg seine Uraufführung erlebte (am 10. November ist das dann übrigens genau 150 Jahre her!) und 1869 vom Komponisten für Mailand nochmals an einigen Stellen umgearbeitet wurde (diese "Mailänder Fassung" wird jetzt auch hier in Köln gegeben).
Weitere Infos (Besetzung, Aufführungsdaten, Fotos, etc.) gibt es übrigens hier.
Nachdem ich am Dienstagmorgen dann schon von boulevardesken Schlagzeilen an der Bushaltestelle empfangen wurde
Na, wenn das mal keine Schlagzeile ist, die neugierig macht!? Genau das, was die Leute sehen wollen: Sex, Blut, Oper... :-) |
Zusätzlich gespannt war ich natürlich darauf, wie sich die Kölner Oper im neuen Umfeld des ehemaligen Musical Dome, der nun schon seit 16 Jahren nicht zu übersehenden „blauen Mülltüte“ hinterm Hauptbahnhof, präsentieren würde, in die ich – wie ich gestehen muss – noch nie einen Fuß gesetzt habe (es hat sich bislang einfach nie ergeben), auch wenn ich tagtäglich am unmittelbar davor gelegenen Busbahnhof ankomme und abfahre!
Vor allem auf die akustischen Verhältnisse in diesem „Gebäude“ war ich sehr neugierig, denn neben dem erwähnten Busbahnhof auf der einen Seite der Oper am Dom befindet sich auf der Rückseite die vierspurige Rheinuferstraße und dann direkt daneben natürlich noch der Hauptbahnhof mit allem Drum und Dran! Also eine akustisch ausgesprochen aktive Nachbarschaft, die man sich da ausgesucht hat…
Aber ich muss sagen – ich war wirklich positiv überrascht: Einmal im eigentlichen Theatersaal angekommen, bekommt man von der unruhigen Umgebung dieses ganz besonderen Bauwerks absolut nichts mehr mit! Und im Gegensatz zum Palladium in Köln-Mülheim, das als weitere permanente Ausweichspielstätte der Kölner Oper nun wirklich dermaßen „JWD“ liegt, ist die Oper am Dom verkehrstechnisch ja so perfekt gelegen, dass sich das eigentlich nicht mehr überbieten lässt!
Vom großzügigen und schön gestalteten Foyer aus hat man einen hervorragenden Blick durch die breite Fensterfront auf den direkt vor der Spielstätte vorüberfließenden Rhein – der absolut nüchtern gehaltene Zuschauerraum selbst besteht aus einem Parkettbereich und darüber gibt es noch einen Rang, der sich balkonartig über das hintere Drittel der Parkettreihen und über die gesamte Breite des Saals erstreckt.
Die Bühne selbst scheint mir breiter als die des Opernhauses am Offenbachplatz zu sein, dafür verfügt der Bühnenraum dem Anschein nach nicht über die Tiefe der Bühne im „regulären“ Opernhaus.
Im Rahmen des Umbaus des Musical Dome wurde im Frühjahr ein Orchestergraben angelegt, der hier bislang anscheinend nicht benötigt wurde – da ich zu „Musicalzeiten“ jedoch nie vor Ort gewesen bin, kann ich leider nicht beurteilen, wo man seinerzeit das Orchester/ das Begleitensemble/ die Band (oder wie immer man das bei den verschiedenen Musicalproduktionen, die hier gespielt wurden, genannt haben mag) platziert hatte.
Jedenfalls ist der neu geschaffene Orchestergraben für mein Dafürhalten definitiv zu tief geraten!
Wenn man im Opernhaus am Offenbachplatz einen Platz im Parkett hatte, konnte man trotzdem ansatzweise noch einige Orchestermusiker (zumindest Teile von ihnen) sehen – wenn man auf einem der Ränge saß, hatte man ja sowieso einen Panoramablick auf das ganze Orchester! Aber den Dirigenten (Kopf und Schulterpartie), der ja auf einem Podest vor seinen Musikern steht, sah man von jedem Platz aus.
In der Oper am Dom ist nun der Orchestergraben so tief geraten, dass man vom Orchester nichts zu sehen bekommt (wie es vom Rang aus ist, habe ich allerdings noch nicht nachprüfen können) und vom Dirigenten maximal die Spitze seines Dirigentenstabs, wenn er ihn gerade einmal hoch über seinem Kopf schwenkt!
Das ist eine komische, irgendwie steril anmutende Angelegenheit, dass man optisch vom Orchester so gar nichts mitbekommt (wir sind hier schließlich nicht in Bayreuth!) – es führte dann auch zu der ungewohnten Situation, dass man vom unvermittelten Beginn der Ouvertüre überrascht wurde.
In der Regel ist es ja so, dass der Dirigent, wenn er sich unmittelbar vor Beginn der Vorstellung an seinen Platz begibt, mit einem freundlich-erwartungsvollen Applaus begrüßt wird. Das blieb gestern aus, weil ihn schlichtweg niemand hat kommen sehen!
So begann dieser Opernabend also quasi mit einem unerwarteten „Kaltstart“ – die Akustik in der Oper am Dom ist soweit zufriedenstellend, ich finde sie allerdings furchtbar trocken!
Und was ich am neuen, deutlich „tiefergelegten“ Orchestergraben am bedenklichsten finde, ist die Tatsache, dass das Orchester, das einem da aus der Tiefe entgegenschallt, meinem persönlichen Empfinden nach dadurch deutlich an Schlagkraft eingebüßt hat! Gerade während der berühmten Ouvertüre zur Macht des Schicksals fand ich, dass vor allem die dramatischen Passagen, wo auch Pauken & Co. ordentlich zum Einsatz kommen, irgendwie kraftloser rüberkamen, als ich es bislang vom regulären Opernhaus her kannte, wo einen die unvergleichliche Wucht eines Live-Orchesters in der Regel immer packt und mitreißt. Aber jetzt wirkte alles, was einem da so vom ansonsten tadellos aufspielenden Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Will Humburg (der Anfang 2011 in Köln auch schon die Aida dirigiert hatte) entgegenschallte, seltsam distanziert und das kann ja nicht nur daran gelegen haben, dass man diesmal keinen der Musiker zu Gesicht bekam…
Ob wohl nur ich das so empfunden habe?
Wie war nun die Vorstellung? Um es in einem Wort kurz und bündig auszudrücken: Ernüchternd!
Das lag jetzt nicht unbedingt an der Regiearbeit des Franzosen Olivier Py, der zusammen mit seinem Ausstatter Pierre-André Weitz für eine insgesamt recht solide Inszenierung sorgte – ich vergleiche hier natürlich vor allem mit der letzten Kölner Forza del destino vom Frühjahr 2006 (also vor gar nicht einmal sooo langer Zeit), die dermaßen abstrakt inszeniert war, dass fast nichts mehr von dem, was laut gesungenem Text gerade auf der Bühne passieren sollte, dort auch tatsächlich stattfand. Ich war damals ziemlich enttäuscht und desillusioniert, wie man eine Oper dermaßen gegen ihre eigene Handlung und Musik inszenieren konnte – egal, was ursprünglich an Handlung vorgesehen war, Hauptsache, das einmal gefundene Regiekonzept wurde gnadenlos durchgezogen!
Davon ist die aktuelle Kölner Forza del destino zum Glück weit entfernt: Es gibt ein räumlich fassbares Bühnenbild (und keine abstrakten geometrischen Formen, die sich über die ganze Bühne erstrecken), das in der Hauptsache aus einer Treppe besteht, die sich über die gesamte Bühnenbreite erstreckt und dem in beeindruckend großer Zahl aufgebotenen Personal, bestehend aus Chor, Extrachor und Statisterie der Kölner Oper, genügend Platz bietet, sich in optisch wie akustisch ansprechender Weise immer wieder neu zu postieren. Chor und Extrachor waren gut einstudiert und präzise in den zahlreichen Einsätzen, da gab es nichts zu bemängeln! Etwas überflüssig fand ich es allerdings, dass man Teile des Chors mehrfach - jeweils deutlich erkennbar als Pilger, Soldaten und später dann noch als Kriegsflüchtlinge - durch den Zuschauerraum schickte. Dieses beliebte "Stilmittel" hat meiner Meinung nach wenig Nutzen (soll das Publikum sich dadurch noch mehr in die Handlung einbezogen fühlen, oder was?) und bringt immer unnötige Unruhe in das Ganze.
Auf der Ebene oberhalb der Treppe sind die Kulissen nahezu während der gesamten Vorstellung (immerhin etwas mehr als 3 Stunden inkl. einer Pause!) in einer langsamen, aber steten Bewegung: Da ziehen lautlos an alte Fabrikhallen erinnernde Gebäude und Hallen (oder auch Teile davon, die trist und wie ausgebrannt wirken) von links nach rechts am Zuschauer vorbei und werden regelmäßig ins aktuelle Bühnengeschehen mit einbezogen, dienen also mal als Kloster, mal als Lazarett, mal als Wirtshaus, usw.
In der Ebene dahinter kann man diese Kulissenelemente dann in der entgegengesetzten Richtung vorbeiziehen sehen, bevor sie dann – oft leicht abgewandelt und mit ein paar veränderten Requisiten bestückt – erneut ihren Weg über die Bühne beginnen. An sich eine ziemlich raffinierte Idee.
Dieses Element der steten, schier endlos erscheinenden, sich irgendwie immer wiederholenden Bewegung ist eines der zentralen Stilmittel dieser Inszenierung – nicht ohne Zufall trifft man an verschiedenen Stellen der Bühne oder der Kulissen immer wieder auf große, sich langsam und unaufhörlich drehende Räder (die passend zur Industriekulisse an die großen Räder auf den Fördertürmen von Kohlezechen erinnern): Der Regisseur will damit wohl an so etwas wie das sich unerbittlich drehende Schicksalsrad der Fortuna erinnern (ein Motiv, das man vor allem wohl aus Orffs Carmina burana kennen dürfte) und daran, dass sich zwar alles unaufhörlich und unaufhaltsam immer weiterentwickelt, aber letztlich alles irgendwie immer wiederholt, getreu dem Motto: „Die Menschen lernen nie dazu und ändern sich sowieso nie!“
Das ist eine recht fatalistische Sichtweise, die aber zumindest zu einer Oper wie Die Macht des Schicksals sehr gut passt und die auch optisch ganz treffend umgesetzt wurde, das muss man dem Regisseur schon lassen.
Passend hierzu werden im Bühnenhintergrund auf eine als eine Art Horizont oder Himmel dienende Leinwand ebenfalls sich stets ganz langsam verändernde trostlos-graue Landschaften, mit weiteren Industrieruinen und Strommasten (die beziehungsreich an Kruzifixe erinnern) sowie düsteren, von Blitzen durchzuckten Wolken, projiziert.
Die ganze Bühne ist also –passend zur „schröcklich-grausigen“ Handlung dieser Oper - eine depressiv stimmende Orgie der Trostlosigkeit in den verschiedensten Schwarz- und Grautönen, farblich perfekt passend dazu die an spätes 19. bzw. frühes 20. Jahrhundert erinnernden Kostüme!
Der einzige „Lichtblick“ in dieser Ödnis ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein strahlender Kronleuchter, der ab und an vom Bühnenhimmel in den Vordergrund herabgelassen wird (und die ständig an ihren schicksalhaften Verstrickungen leidenden Protagonisten offenbar an bessere, aber eben unwiederbringlich vergangene Zeiten erinnern soll).
Farblich bringt hingegen allein das gelegentlich an einigen Darstellern mehr oder weniger exzessiv angebrachte Blut eine – mit Sicherheit beabsichtigte – Abwechslung in das triste Einerlei.
Überhaupt – die Handlung!
Musikalisch ist La forza del destino „Verdi at his best“ (um es mal so salopp auszudrücken), da gibt es keine Frage – aber die Handlung dieser Oper strotzt nur so vor dem, was man als typische Opernklischees bezeichnen würde! Ich habe mich hier neulich noch über die Handlung von Ernani mokiert, aber La forza del destino ist eigentlich noch viel schlimmer!
Wenn diese wunderbare Verdi-Musik dazu nicht wäre, würde man dieses Stück heutzutage mit Sicherheit nicht mehr aufführen, denn diese ganze ewige Blutrache-Schwörerei (vor allem die Figur des Don Carlo nervt damit im Verlauf des Stückes mehr und mehr!), das permanente, exzessive Leiden der titelgerecht vom Schicksal mächtig gepeinigten Figuren und nicht zuletzt die völlig unwahrscheinlichen und unlogischen Umstände, unter denen sich die Protagonisten (wie auch die Nebenfiguren) in dieser Oper ständig erneut über den Weg laufen, mögen im 19. Jahrhundert das Publikum ja vielleicht noch beeindruckt haben, heute wirkt das alles nur noch unfreiwillig komisch, anders kann man das leider nicht sagen! Das Pärchen neben mir kommentierte dann auch überflüssigerweise sämtliche besonders skurrilen Aktionen und Szenen regelmäßig mit impertinentem Gekicher… *augenroll*
Daher beneide ich auch keinen Regisseur, der sich dieser zwangsläufig recht undankbar ausfallenden Aufgabe zu widmen hat! Ich wüsste nicht, wie man diese Handlung für ein heutiges Publikum rüberbringen sollte, um hier nicht permanent unfreiwillige Heiterkeit zu erwecken.
Vielleicht als historisches, in bunten Kostümen aufwändig verkleidetes Ausstattungsspektakel, das dadurch eine gewisse geschichtliche Distanz entstehen lässt, die Handlungselemente wie Racheschwüre, Flüche, Zweikämpfe auf Leben und Tod, etc. etwas plausibler erscheinen lassen?
Denn das ist leider eine Falle, in die wohl die meisten Regisseure tappen dürften (so auch Olivier Py), die sich an eine Neuinszenierung dieser Oper wagen: Der Versuch, die eigentlich Mitte des 18. Jahrhunderts spielende Handlung durch Aktualisierungen mehr oder weniger in unsere Gegenwart zu verlegen, kann eigentlich nur schiefgehen und unglaubwürdig bleiben, da viele Elemente, wie zum Beispiel die Klosterszenen, heute so einfach nicht mehr funktionieren, aber weglassen, bzw. einfach ignorieren kann man sie natürlich auch nicht, da sie für den Fortgang der Handlung zu elementar sind.
Hinzu kommt, dass die in dieser Oper ja sehr ausführlichen Szenen, die das Soldaten- und Lagerleben schildern, Verdi eigentlich nur als Vehikel dienen, die wechselvolle Beziehung der beiden männlichen Protagonisten Don Carlo und Alvaro zu schildern. Dass ihm hierbei viele wirklich gelungene musikalische Nummern vor allem für die zahlreichen Nebenfiguren geglückt sind, macht die Oper nur noch hörenswerter, das Problem ist dabei jedoch, dass die ganze (musikalische) Schilderung des Soldatenmilieus von einer für das 19. Jahrhundert nicht untypischen, aus heutiger Sicht jedoch sehr naiv-positiven Grundeinstellung ausgeht: Soldat zu sein und in die Schlacht zu ziehen wird hier als eine Art großes Abenteuer geschildert, zwar gefahrvoll, aber auch voller spannender, abwechslungsreicher Möglichkeiten, die einem auch die Chance bieten, zu Ruhm, Ehre und Ansehen zu gelangen.
Eine solche Ansicht kann in unserer heutigen Zeit wohl niemand mehr nachvollziehen, aber wenn man sich die Musik anhört, die Verdi zu solchen Szenen komponiert hat, dann muss man feststellen, dass sie aus einer Zeit stammt, in der man zu dieser ganzen Thematik noch eine komplett andere Einstellung hatte!
Ein grundsätzliches Problem, das es übrigens nicht nur hier, sondern auch noch in einigen anderen Opern des 19. Jahrhunderts gibt (und das moderne Regisseure wahrscheinlich regelmäßig Schwierigkeiten bereitet), als weiteres Beispiel sei hier nur Donizettis Oper Die Regimentstochter aus dem Jahr 1840 genannt.
Und da wohl die meisten Regisseure mit dieser allzu sorglos-naiven Einstellung der ganzen, wie erwähnt in der Forza del destino eh nur als eine Art Kulisse dienenden Kriegsthematik ganz offensichtlich nicht umgehen können (oder wollen), wird dann das übliche, (viel zu) oft schon auf der Bühne gesehene Kriegsschreckens-Szenario aus dem Beutel gezogen: Raub, Brandschatzung, Vergewaltigung, sinnloses Töten, etc.
So natürlich auch in der aktuellen Kölner Inszenierung von Monsieur Py geschehen…
Ich glaube, man kann davon ausgehen, dass allen heutigen Zuschauern bewusst ist, wie diese ganze Kriegs- und Soldatenthematik moralisch einzuordnen ist – da dürften die meisten wohl auf der gleichen Wellenlänge liegen, wie die Regisseure, die hier gern, mal mehr, mal weniger drastisch den erhobenen Zeigefinger und die Moralkeule schwingen. Deswegen überrascht es mich, dass trotzdem immer wieder der Drang vorzuherrschen scheint, das Publikum hier stets aufs Neue "überzeugen" zu müssen von Dingen, über die sich eh alle längst einig sind – das Ganze ist also eigentlich völlig überflüssig!
Wir hatten mehr oder weniger dieselben Bilder und Szenen allein hier in Köln im vergangenen Jahr schon im Rinaldo oder (natürlich) in Krieg und Frieden. Aber während in letztgenannter Oper zumindest auch der Komponist versucht, den Schrecken und die Sinnlosigkeit des Krieges zu beschreiben, funktionieren dieselben Bilder gerade in der Macht des Schicksals nicht:
Es wirkt albern oder unglaubwürdig – bestenfalls grotesk – wenn zum Beispiel die in der Kölner Inszenierung irgendwo zwischen Wahrsagerin, Marketenderin und Puffmutter changierende Zigeunerin Preziosilla zu ihrer eigenen standrechtlichen Erschießung geführt wird und dabei ein fröhliches, vom Chor begleitetes Soldatenliedchen zu trällern hat – wo bleibt da der Sinn des Ganzen? Wen soll so etwas beeindrucken, so etwas versteht doch niemand, wenn zwischen Musik und szenischer Handlung eine solche Diskrepanz besteht!?!
Ach, was rege ich mich auf, so ist eben das, was man heute als „Regietheater“ bezeichnet – dass aber wirklich fast ausnahmslos jeder Regisseur über solche eigentlich völlig offensichtlichen Fallstricke stolpert, erstaunt schon. Man hat manchmal wirklich den Eindruck, dass solche Leute sich nicht eingehend genug mit der Partitur beschäftigt haben, die so manche Antwort auf manches vermeintliche Inszenierungsproblem liefern würde, wenn man nur mal sorgfältig hinhören würde…
Apropos „Hinhören“ – nun noch schnell ein paar Kommentare zu den Sängerinnen und Sängern des gestrigen Abends:
Adina Aaron, die aus Florida stammende Darstellerin der Leonora (die mir bereits als Vitellia im Titus so gut gefallen und die Anfang 2011 auch als Aida in Köln auf der Bühne gestanden hatte), war wirklich grandios: Eine leidenschaftliche, nie überzogen sondern stets glaubwürdig agierende Darstellerin mit einer raumfüllenden, ganz wundervollen Sopranstimme! Es war eine Freude, sie auf der Bühne zu erleben und man hätte sich noch ein paar Auftritte mehr von ihr gewünscht!
Das konnte man leider, leider von den beiden männlichen Protagonisten, Enrique Ferrer als Alvaro und Anthony Michaels-Moore als Don Carlo, nicht behaupten:
Beide wirkten durchweg sehr angestrengt bis überfordert und mussten des Öfteren forcieren. Anthony Michaels-Moore hatte stellenweise Mühe, sich gegen das Orchester durchzusetzen, seine Solostellen schienen ihn hör- und sichtbar große Anstrengung zu kosten und Enrique Ferrers eigentlich recht kraftvoller Tenor war von einem steten, unangenehm auffallenden Vibrato begleitet. Seine Stimme klang nicht gepresst (was man gern auch als „geknödelt“ bezeichnet), sondern irgendwie gurgelnd (ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll) - es hat mir wahrlich kein allzu großes Vergnügen bereitet, ihm bei seinem Gesang zuzuhören. Vielleicht hatte er auch einfach nur einen schlechten Tag? Ich weiß es nicht...
Von den zahlreichen dankbaren Nebenrollen dieser Oper gefiel mir Patrick Carfizzi als ulkiger Mönch Fra Melitone sängerisch wie darstellerisch sehr gut, aber auch Liang Li als Padre Guardiano war mit seinem sonoren Bass wirklich nicht übel!
Die an der Kölner Oper vielfach in ganz unterschiedlichen Rollen zu erlebende Dalia Schaechter, die ich sonst eigentlich immer ganz gut fand, hat mich in der Rolle der Preziosilla leider eher weniger überzeugt. Ihre Stimme wirkte gestern irgendwie kraftloser und „flattriger“ als ich sie in Erinnerung hatte.
Das Publikum in der höchstens zu zwei Dritteln ausgelasteten Aufführung konnte sich im Übrigen von der präsentierten Vorstellung auch nicht allzu sehr begeistern lassen: Es gab kaum einmal Zwischenapplaus und wenn, dann fiel er, genau wie der Schlussbeifall, eher sparsam und zurückhaltend bis distanziert aus. Der Funke wollte also irgendwie nicht überspringen, was aber, wie ich hier darzustellen versucht habe, an mehreren Faktoren gelegen haben und nicht nur auf die Inszenierung oder die etwas überforderten Herren in den Hauptrollen allein zurückzuführen gewesen sein dürfte.
Deswegen auch mein bereits erwähntes persönliches Fazit „Ernüchternd“!
Ach ja – was die eingangs zitierte Schlagzeile der Boulevard-Presse angeht:
Die „gefeierte blutige Kölner Sex-Oper“ entpuppte sich also als eine wenig begeisternde (und damit feiernswerte) Operninszenierung, in der vielleicht während 10 oder 15 Minuten (von etwas mehr als 3 Stunden) einige leichtgeschürzte, in typischer „Berufsbekleidung“ gewandete Damen die Huren gaben, die im Feldlager den Soldaten ihre Dienste anboten, was auf der Bühne dann auch wieder mal angedeutet wurde (*gähn*) und wobei auch der ein oder andere Busen unverhüllt zu sehen war.
Ach ja – und Theaterblut habe ich in –zig anderen Stücken schon weitaus reichlicher fließen sehen, als gerade in dieser Inszenierung… soviel also zur Erläuterung dieser wirklich maßlos übertriebenen Schlagzeile.
Allerdings – hätte hier irgendjemand ernsthaft etwas anderes erwartet…? ;-)
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