Dienstag, 9. Februar 2010
KLASSIKers Lieblingsstücke (I): Der Karneval der Tiere
Ich möchte hier in loser Folge ein paar meiner absoluten Klassik-Lieblingswerke vorstellen, die mich schon seit vielen Jahren immer wieder begeistern und die ich mir stets aufs Neue anhören kann, ohne dass ich mich daran je "satt gehört" hätte…
Viele dieser Stücke gehören zu meinen allerersten "Aha-Erlebnissen" im Bereich der klassischen Musik und stammen überraschenderweise neben den in dieser Musiksparte nicht gerade sehr üppig bestückten Plattenschränken meiner Eltern und Großeltern (das ging nicht viel über Beethovens Fünfte oder die Kleine Nachtmusik hinaus) vor allem aus dem Musikunterricht!
Jawohl, der heutzutage so viel geschmähte Musikunterricht hat mir während meiner Schulzeit viele, viele unschätzbare musikalische Anregungen geliefert, die mich auf meiner "Klassikhörer-Laufbahn" sehr geprägt haben. Sowas ist natürlich viel von den richtigen Lehrern abhängig und da hatte ich anscheinend großes Glück. Musik war immer mein Lieblingsfach - wir haben nicht nur klassische Musik angehört und analysiert, sondern auch viel gesungen, was der ganzen Klasse immer viel Spaß gemacht hat. Jahrelang haben wir die "Mundorgel" rauf und runter gesungen (ach ja, die gute alte "Mundorgel" - gibt's die noch? Kennt eigentlich sonst noch jemand dieses Liederbuch?)
Jedenfalls ist das Werk, das ich heute vorstellen möchte, eine solche Anregung aus dem Musikunterricht, wir haben es schätzungsweise in der 5. oder 6. Klasse durchgenommen und ich war von Anfang an total begeistert davon - bei nächster Gelegenheit habe ich mir damals direkt eine LP mit einer Aufnahme dieses Stücks zugelegt:
"Der Karneval der Tiere" ("Le Carnaval des animaux") (Untertitel "Grande fantaisie zoologique") von Camille Saint-Saëns (1835-1921)
Komponiert Anfang 1886 und passenderweise zur Karnevalszeit des gleichen Jahres uraufgeführt, wurde es allerdings erst nach dem Tode des Komponisten veröffentlicht und trat daraufhin seinen Siegeszug um die Welt an.
Man sagt, dass Saint-Saëns wohl geahnt haben soll, dass dieses Stück sein gesamtes übriges Werk in puncto Popularität in den Schatten stellen könnte (was dann ja auch tatsächlich eingetreten ist) und dass er sich deshalb zeit seines Lebens gegen eine Veröffentlichung gewehrt hat. Tatsächlich fristet das umfangreiche übrige Werk von Saint-Saëns (der mit seinen 86 Jahren für einen Komponisten ja auch ungewöhnlich alt geworden ist…) seit langem ein Schattendasein im Vergleich zum quasi omnipräsenten "Carnaval des animaux", was ich sehr schade finde, denn es gibt eine Menge sehr hörenswerter und qualitativ hochwertiger Kompositionen von Saint-Saëns, die ein bisschen mehr Bekanntheit verdient hätten! Stellvertretend möchte ich nur die 5 Klavierkonzerte, die Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 78 („Orgelsinfonie“), das Requiem op. 54 und das herrliche Weihnachtsoratorium ("Oratorio de Noël") op. 12 nennen - die Liste ließe sich fortsetzen…
Vielleicht war Saint-Saëns auch gegen eine Veröffentlichung und damit weitere Verbreitung seines "Karnevals der Tiere", weil er das ganze offensichtlich in kurzer Zeit und mit leichter Hand hingeworfene Werk nur als eine Art humoriger Gelegenheitsarbeit betrachtete, ein Werk, dass sich für einen "ernsthaften" Komponisten eigentlich nicht schickte, zumal es mit der Verwendung zahlreicher musikalischer Zitate (zum Zeitpunkt der Komposition jedoch bereits schon verstorbener Komponisten-Kollegen) einen ziemlich respektlos-anarchischen Humor an den Tag legt, den Monsieur Saint-Saëns ganz offensichtlich nicht als eines seiner "Markenzeichen" verstanden wissen wollte.
Wie dem auch sei - es ist ein Gewinn für die Musikwelt, dass das Stück letztendlich dann doch noch an die Öffentlichkeit gelangte, denn es ist definitiv eines der abwechslungsreichsten, farbigsten und amüsantesten Beispiele für musikalischen Humor und zeigt Camille Saint-Saëns als einen Meister der Lautmalerei - treffender als hier hat man Eselsschreie, gackernde Hühner oder hüpfende Kängurus mit Hilfe von ganz normalen Instrumenten wohl nie wieder zum Erklingen gebracht!
In Sätzen wie zum Beispiel dem Aquarium, dem Vogelhaus und natürlich dem Schwan (dem bekanntesten Stück aus diesem Zyklus) schafft Saint-Saëns es außerdem, mit einfachsten Mitteln eine unglaublich poetische und atmosphärisch überzeugende Stimmung hervorzurufen, die perfekt zur gerade musikalisch beschriebenen Szene passt.
Bezeichnenderweise war der Schwan übrigens das einzige Stück, das dann doch zu Saint-Saëns' Lebzeiten veröffentlicht werden durfte - im Laufe der Zeit hat es unzählige Verwendungen dieses grandiosen Andantinos für Cello und Klavier in Film und Fernsehen, auf "Kuschel-Klassik-CD"-Zusammenstellungen und natürlich -zig Bearbeitungen in oft unerträglich klitschiger Manier gegeben. Sogar getanzt wurde zu diesem Satz - der sprichwörtlich gewordene "sterbende Schwan" ist meines Wissens auf eine choreographierte Version dieses Satzes für die berühmte russische Ballerina Anna Pawlowa (1881-1931) zurückzuführen.
Der musikalische Farbenreichtum und die bunte und humorvolle Abwechslung innerhalb der 14 Sätze haben mich immer schon fasziniert - es gibt zahlreiche Einspielungen, die sich, abgesehen von den gewählten Tempi in manchen Sätzen, vor allem durch die Wahl der Größe des musizierenden Ensembles unterscheiden:
Es ist nämlich von Aufnahme zu Aufnahme ganz unterschiedlich, wie groß das eingesetzte Streichensemble ist, das die zahlreichen Soloinstrumente (2 Klaviere, Klarinette, Flöte, etc.) begleitet.
Es gibt Aufnahmen, in denen - analog zu den übrigen Soloinstrumenten - auch die Streicherstimmen nur mit jeweils einem (oder zwei) Spielern besetzt wurden und das ganze Werk somit einen sehr kammermusikalischen Charakter bekommt. Da gibt es ganz reizvolle Aufnahmen, die sehr transparent und "fluffig" klingen.
Mir gefallen aber auch Aufnahmen, in denen die Streicher chorisch (also mit mehreren Spielern pro Stimme) besetzt sind und das Orchester dadurch eine größere Klangfülle erhält, was gerade Sätzen wie dem "Königlichen Marsch des Löwen" oder dem turbulenten Finale sehr zugute kommt, wie ich finde.
Die oben erwähnte Aufnahme, die ich mir als allererste zugelegt hatte, fällt unter die zuletzt beschriebene Kategorie und gefällt mir nach wie vor mit am besten: Es ist eine bei der Deutschen Grammophon erschienene Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Karl Böhm aus dem Jahre 1975. Die beiden Pianisten sind die Brüder Alfons und Aloys Kontarsky.
Da sich der Karneval der Tiere natürlich bestens dafür eignet, Kinder an die klassische Musik heranzuführen (Kinder und Tiere geht immer *grins*), gibt es unzählige Aufnahmen, die das Stück mit anderen "Klassikern" dieses Genres kombinieren, allen voran natürlich Prokofieffs "Peter und der Wolf". Gerne werden hierfür dann prominente Erzähler(-innen) verpflichtet, die die verbindenden Texte sprechen (und das ist nicht nur im deutschsprachigen Bereich so…).
Das Problem ist, dass der Karneval der Tiere im Gegensatz zu Peter und der Wolf ursprünglich gar keinen Erzählertext vorsieht (schließlich war das Stück eigentlich nicht unbedingt für Kinder konzipiert worden) und es hier deshalb oft ganz unterschiedliche Ansätze gibt, Erläuterungen zwischen den kurzen Sätzen zu vermitteln (da meint jeder und jede, es noch besser und origineller/ kindgerechter zu können als die Vorgänger): Mal ganz sachlich und kurz, mal im Rahmen einer mehr oder weniger geglückten durchgehenden Geschichte, die oft eine Art feierliche Zusammenkunft aller Tiere beschreibt, während der die unterschiedlichen Protagonisten dann (musikalisch) auftreten.
Meiner Meinung nach ist gerade beim Karneval ein Erzähler völlig überflüssig - die plakative (und knapp gefasste) Musik spricht eigentlich für sich und hat keine weiteren Erklärungen nötig. Die Titel der einzelnen Sätze zu kennen und dann beim Zuhören zu erleben, wie die jeweiligen Tiere musikalisch charakterisiert werden (es geht natürlich auch umgekehrt!), macht doch eigentlich viel mehr Spaß!
Wenn es denn unbedingt eine Aufnahme mit Zwischentexten sein muss, dann bitteschön die Version von und natürlich mit Loriot, der die ganze Story der von allen Tieren gemeinsam begangenen Karnevalsfeier mit seinen üblichen skurrilen Ideen ausschmückt und das Ganze als Erzähler dann auch mit seinem berühmten, typisch trockenen Tonfall rüberbringt - in dieser Kombination habe ich dann nichts dagegen :-)
Viel besser als eine der vielen CD-Kombinationen des Karnevals mit Stücken wie Peter und der Wolf finde ich (gerade für Erwachsene) allerdings die Kopplung mit einigen anderen, mehr oder weniger bekannten Werken von Camille Saint-Saëns selber - gerade für Neugierige, die gerne etwas mehr Musik dieses fast unbekannten Franzosen kennenlernen möchten. Da gibt es zum Glück auch einige sehr schöne Ausgaben - gerne auch im oft preisgünstig angebotenen CD-Doppelalbum. Wie gesagt: Es lohnt sich wirklich!
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