Dienstag, 10. Dezember 2013

Neuerwerbung: Anne Sophie Mutter - Dvorák: Violinkonzert

Die Karriere von Anne-Sophie Mutter, die im Sommer dieses Jahres ihren 50. Geburtstag feierte, ist eine der bemerkenswertesten im Klassik-Business der letzten Jahrzehnte:
Sie gehört seit ihrem spektakulären Debüt als noch nicht einmal 14-jähriges Wunderkind im Jahr 1977 unter den Fittichen von niemand Geringerem als Herbert von Karajan zweifellos zu den bekanntesten und beliebtesten Klassikkünstlerinnen Deutschlands - und dass nun schon seit immerhin 36 Jahren!
Und nicht nur, dass sie scheinbar mühe- und übergangslos den oft heiklen Wandel vom bestaunten Wunderkind zur erwachsenen, bewusst eigene Akzente setzenden Künstlerin geschafft hat, sie hat zugleich auch den internationalen Olymp der großen Violinistinnen erobern können und gehört seit Jahrzehnten zu den weltweit renommiertesten und gefragtesten Vertreterinnen ihres Fachs – vielfach ausgezeichnet mit Preisen und Ehrungen (auch für ihr vielfältiges soziales Engagement). Und das muss ihr erst mal jemand nachmachen!

Eigentlich hätte man meinen sollen, dass nach dem erwähnten Debüt mit Herbert von Karajan und den von ihm geleiteten Berliner Philharmonikern, mit denen zusammen sie in den Jahren zu Beginn ihrer Karriere eine Reihe der bekanntesten und beliebtesten Violinkonzerte der Musikgeschichte aufnahm, eigentlich bereits die Spitze des für eine junge Violinistin überhaupt Erreichbaren erklommen wäre und es danach eigentlich zwangsläufig nur noch bergab hätte gehen können, aber Anne-Sophie Mutter verstand es, ihre so gewonnene außerordentliche Popularität gezielt für ein konsequentes Engagement für zeitgenössische Musik zu nutzen – sie hat zahlreiche eigens für sie komponierte Werke aus der Taufe gehoben, z. B. von Penderecki, Rihm, Gubaidulina und Dutilleux.
Allein schon für dieses ambitionierte Bestreben, dem in diesem Punkt ja oft sehr skeptischen breiten Publikum die Neue Musik näherzubringen, gebührt ihr Respekt! Mit diesem künstlerischen Anliegen, das ihr sehr am Herzen zu liegen scheint, unterscheidet sie sich von so manch anderem Klassik-Weltstar, der die einmal betretenen (von sicherem Erfolg begleiteten) Pfade ungern bis gar nicht zu verlassen pflegt und ausgiebig Jahr um Jahr die sicheren musikalischen Zugnummern zelebriert. Mit Sicherheit macht auch dieser Aspekt einen Teil ihres langanhaltenden Erfolgs aus!

Im Verlauf einer sich über nun schon fast 4 Jahrzehnte erstreckenden Weltkarriere bleiben und blieben natürlich auch einige künstlerisch vielleicht nicht ganz unumstrittene Projekte nicht aus:
So ist sie beispielsweise für ihre 1984 entstandene Aufnahme von Vivaldis Vier Jahreszeiten, die sie wiederum unter der Leitung Herbert von Karajans mit den Wiener Philharmonikern eingespielt hatte, vielfach kritisiert worden: Die sinfonisch-romantische Herangehensweise an diese Barockkomposition passte einfach nicht mehr in eine Zeit, in der bereits die historische Aufführungspraxis das Heft der Barockmusik-Interpretationsrechte fest in der Hand hatte und man die gleichwohl klangschöne Aufnahme als stilistisch längst nicht mehr „up to date“ empfand.
Trotzdem wurde gerade diese Einspielung für Jahre zu einem der auch kommerziell erfolgreichsten LP- und CD-Titel: Die Leute kauften den illustren Dreiklang „Karajan-Mutter-Wiener Philharmoniker“ sicherlich mit der Erwartungshaltung, hier einfach alles richtig zu machen und damit künstlerisch quasi automatisch beste Qualität erstanden zu haben: Ein Zeichen, wie bekannt und renommiert der Name Anne-Sophie Mutter (sie war damals gerade einmal Anfang 20!) bereits zu diesem Zeitpunkt bereits war! Immerhin hatte sie die ersten Jahre ihrer Karriere unter der schützenden und fördernden Hand eines der berühmtesten Dirigenten des 20. Jahrhunderts verbringen dürfen.

Die Vier Jahreszeiten hat Anne-Sophie Mutter übrigens auch im Oktober 1987 anlässlich der Einweihung des Kammermusiksaals der Berliner Philharmonie wiederum mit Karajan und diesmal den Berliner Philharmonikern in einer ähnlichen Interpretation wie die zuvor erwähnte Einspielung mit den Wiener Philharmonikern dargeboten. Von dieser Aufnahme existiert zwar keine CD-Aufnahme, immerhin ist das damals im TV übertragene Konzert zwischenzeitlich aber auch auf DVD erschienen.

Aber auch in späteren Jahren ist Anne-Sophie Mutters Violinspiel immer wieder mal kritisiert worden, zuletzt im Mozart-Jahr 2006, wo sie im Rahmen ihres „Mozart-Projekts“ Violinkonzerte, -sonaten und Klaviertrios des Salzburger Meisters interpretierte und sie neuerlich wegen ihrer aus heutiger Sicht der Musik Mozarts nicht mehr als angemessen erscheinenden Spielweise in zahlreichen Rezensionen mal mehr mal weniger heftig verrissen wurde.

Man muss sich heute wirklich vorsehen, wenn man sich – aus einer vielleicht eher als sinfonisch-romantisch zu bezeichnenden Stil-Ecke kommend – an Kompositionen der Barockzeit und des 18. Jahrhunderts versuchen möchte! Da lauern ganz offensichtlich etliche heikle Stil-Fallen, auf die sich die vereinte Kritikerschaft dann gerne mit Wollust stürzt! Kein Wunder, dass sich kein „normales“ Sinfonieorchester heute mehr an Bach oder Händel herantraut und selbst schon vor Haydn- oder Mozart-Sinfonien zurückscheut… aber das ist ein anderes Thema!

So gesehen ist Anne-Sophie Mutter sicherlich gut beraten, wenn sie sich repertoiretechnisch ausgiebiger um die Musik des 19. und 20. Jahrhunderts kümmert!

Und das hat sie mit ihrer neuesten Aufnahme, die in diesem Herbst bei ihrem Hauslabel Deutsche Grammophon erschienen ist, dann auch erneut sehr erfolgreich getan:
Sie interpretiert hier das 1879/80 und 1882 entstandene und im Otkober 1883 dann in Prag uraufgeführte Violinkonzert a-moll op. 53 von Antonín Dvorák (1841-1904), begleitet von den Berliner Philharmonikern (erstaunlicherweise ist dies ihre erste Zusammenarbeit für eine Plattenaufnahme seit 30 Jahren!) unter der Leitung von Manfred Honeck.

Und obwohl Dvorák ja nun definitiv zu den bekanntesten Komponisten des 19. Jahrhunderts gehört (und definitiv auch zu meinen ganz persönlichen Lieblingskomponisten – ich erinnere hier nur an sein wunderbares Requiem und Stabat mater!), hat es mit seinem Violin- und auch seinem Klavierkonzert op. 33 von 1876 doch eine ganz besondere Bewandtnis:
Beide Konzerte stehen, so schön sie auch sind, absolut im Schatten des berühmten Cellokonzerts op. 104 (entstanden 1894/95) und werden bis heute – warum auch immer?!? - leider nur sehr selten aufgeführt.
Das ist dann wohl auch der Grund, warum Anne-Sophie Mutter dieses Violinkonzert nicht bereits zu Beginn ihrer Karriere, als sie zusammen mit Herbert von Karajan und den Berliner Philharmonikern den Kanon der großen klassischen und romantischen Violinkonzerte einspielte, mit einer eigenen Aufnahme bedachte.

Um dieses seltsame Popularitätsgefälle bei diesen drei Dvorák-Konzerten an einem ganz simplen Beispiel zu illustrieren, brauche ich nur zum Gesamtkatalog eines bekannten Schallplattenversandhändlers zu greifen (Ausgabe 2012/13) - Dvoráks Cellokonzert op. 104 ist hier gleich mit 16 verschiedenen Einspielungen vertreten, das Violinkonzert op. 53 immerhin noch mit 7, das Klavierkonzert op. 33 gar nur mit 4. Analog zu diesem interessanten (Miss-)Verhältnis im Schallplattenkatalog fallen auch die Aufführungszahlen dieser drei Werke in unseren Konzerthäusern aus. Warum das so ist, dafür habe ich noch keine Erklärung finden können.

Umso erfreulicher ist es daher in jedem Fall, dass sich nun auch Anne-Sophie Mutter im Rahmen einer Neuaufnahme mit dem gut halbstündigen Violinkonzert befasst hat und sich somit nun in eine Diskographie von illustren Kollegen wie z. B. Josef Suk, Itzhak Perlman oder Christian Tetzlaff einreihen kann, die ebenfalls Aufnahmen dieses Konzerts vorgelegt haben!
Im Rahmen zahlreicher Konzerte in den letzten Jahren hat Anne-Sophie Mutter sich immer wieder mit diesem Werk auseinandergesetzt, allerdings ist es tatsächlich dann erst in diesem Jahr zu einer Einspielung gekommen. Dass diese Aufnahme nach unglaublich erscheinenden 30 Jahren erstmals wieder zusammen mit den Berliner Philharmonikern erfolgte, macht einem erneut bewusst, wie lange die Karriere der Mutter nun schon währt – außerdem hat man das Gefühl, dass sich damit irgendwie ein Kreis schließt, nicht zuletzt, weil die Interpretin nach vielen Jahren nun wieder einmal in den Bereich der großen Violinkonzerte der Romantik zurückgekehrt ist, zumindest was ihre mittlerweile ja nun auch schon recht umfangreiche Diskographie betrifft! Und gerade in diesem Bereich hat sie ihre meisten Aufnahmen nun einmal zweifellos mit den Berliner Philharmonikern vorgelegt.

Dieser erfreuliche Lückenschluss in Anne-Sophie Mutters Diskographie mit einem Violinkonzert, das den Vergleich und die Konkurrenz der weitaus bekannteren und beliebteren großen romantischen Violinkonzerte von Mendelssohn, Bruch, Brahms oder Tschaikowsky weiß Gott nicht zu scheuen braucht, kommt klanglich sehr erfreulich rüber – die Berliner Philharmoniker wissen vom dramatisch-markanten Beginn des Konzerts (der mich immer irgendwie an Beethoven erinnert) bis zum furiosen rondoartigen Finale mit gewohnter Qualität zu überzeugen.
Anne-Sophie Mutter interpretiert vor allem die Ecksätze mit virtuoser, wie selbstverständlich wirkender Spielfreude, der man (natürlich) die zahlreichen technischen Herausforderungen des Violinparts nicht im Mindesten anhört, was natürlich das Ganze erst wirklich zum Hörgenuss werden lässt und die Möglichkeiten zu einer echten Interpretation durch die Solistin bietet!
Ihr satter, leidenschaftlich-emotionaler Geigenton passt gerade in diesen Ecksätzen sehr gut zu den dramatisch-leidenschaftlichen Ausbrüchen wie auch zu den durchaus vorhandenen böhmisch-musikantischen Elementen des Konzerts und bettet sich ganz wunderbar in den luxuriösen Orchesterklang der sie begleitenden Berliner Philharmoniker.

Lediglich den langsamen Mittelsatz (ein über weite Passagen wunderbare Ruhe ausströmendes gesangliches Adagio) hätte ich mir etwas kantabler und inniger gewünscht, gerade auch, um den großen Kontrast zu den ihn umgebenden schnellen Ecksätzen wie auch den zwei bewegteren Episoden innerhalb dieses Satzes noch deutlicher hervorzuheben! Irgendwie fehlt mir da in den ruhigen Passagen etwas der große Bogen und die Entspanntheit im Geigenton, das flackert und vibriert mir hier etwas zu sehr!

Aber dennoch: Irgendein Haar in der ansonsten vorzüglichen Suppe findet man ja immer!

Sinnvoll ergänzt wird das Programm dieser CD mit weiteren Kompositionen Dvoráks: Die Romanze f-moll op. 11 und der Mazurek e-moll op. 49 jeweils für Violine und Orchester sowie als Zugabe zum Abschluss (als bekanntestes aber eigentlich nicht wirklich notwendiges Stück auf dieser CD) die Humoresque Ges-Dur op. 101 Nr. 7 in einem Arrangement für Violine und Klavier von Fritz Kreisler - hier wird Anne-Sophie Mutter dann von Ayami Ikeba am Klavier begleitet.

Das macht alles in allem wirklich Freude beim Zuhören und lässt mich zum einen hoffen, dass man künftig auch im Konzert Dvoráks Violin- wie auch seinem Klavierkonzert etwas häufiger begegnen möge und zum anderen, dass sich Frau Mutter - gerne auch zusammen mit den Berliner Philharmonikern – auf weitere Entdeckungsreise nach zu Unrecht vernachlässigten Schätzen der romantischen Violinkonzertliteratur begeben möge. Da gibt es (leider - oder zum Glück?) noch viel Hörenswertes zu entdecken und prominent ins Rampenlicht zu stellen! Und neben der Neuen Musik scheint mir Anne-Sophie Mutters Geigenspiel gerade in diesem Sektor ganz besonders gut aufgehoben und zu Hause zu sein!

1 Kommentar:

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