Mittwoch, 31. Juli 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute Mittag spielte Organist Wolfgang Abendroth folgendes Programm für uns:

Jean-Jacques Beauvarlet-Charpentier (1734-1794)
Messe g-moll
- Kyrie
- Gloria
- Offertoire
- Sanctus
- Agnus Dei


Es ist eine vor allem französische Orgelmusik-Spezialität mit Schwerpunkt im 17. und 18. Jahrhundert: Die Messe für Orgel.
In der Praxis muss man sich das so vorstellen, dass sich die in Form gregorianischer Choräle gesungenen Messteile (also Kyrie, Gloria, Sanctus, etc.) während des Gottesdienstes immer wieder mit kleineren (oder auch etwas ausführlicheren) Orgel-Zwischenspielen abwechselten und sich so den Gläubigen während des Gottesdienstes eine abwechslungsreiche musikalische Darbietung bot.
Vor allem im Frankreich der Barockzeit waren diese „Orgelmessen“ sehr beliebt und kein namhafter Organist (der auch als Komponist tätig war) hat sich die Gelegenheit entgehen lassen, eigene Kompositionen für solche Messen beizusteuern, es gibt hier berühmte Beispiele u. a. von Francois Couperin oder Nicolas de Grigny.
Heute werden in der Regel die Orgelkompositionen, die zu so einem Messe-Zyklus gehören, am Stück (also ohne die gregorianischen Choräle) aufgeführt, so auch die heute zu Gehör gebrachte gut halbstündige Messe g-moll des nicht ganz so bekannten Beauvarlet-Charpentier.

Obwohl sich die Satzbezeichnungen der vielen kleinen Einzelnummern innerhalb der großen Abschnitte Kyrie, Gloria, Sanctus, Agnus Dei, Offertoire (Letzteres traditionell übrigens der musikalisch ausführlichste Teil, da hier eine längere Zeitspanne während der Messe überbrückt werden muss, weswegen auch noch im 19. Jahrhundert gerade die Offertoires die mit Abstand häufigsten Orgelkompositionen für die katholische Messe darstellen!) an den traditionellen, immer einen Hinweis auf die vorzunehmende Registrierung gebenden, barocken Vorbildern aus dem 17. Jahrhundert orientieren, kann Monsieur Beauvarlet-Charpentier (der mir vorher nicht einmal dem Namen nach bekannt war) nicht verleugnen, dass er in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts komponierte, also in der Epoche, die man (vielleicht etwas zu einseitig) als Wiener Klassik bezeichnet – denn dass man diesen Stil auch außerhalb Wiens beherrschte, das bewies diese Orgelmesse in ohrenfälliger Weise:
Viele Wendungen, Begleitfiguren und die meist ausgesprochen fröhlichen, spielfreudig-virtuosen Melodien erinnerten frappant an Ähnliches von Joseph Haydn oder Wolfgang Amadé Mozart - was ja nun weiß Gott nicht das Schlechteste ist!
An die Grundtonart g-moll erinnerte hier eigentlich nicht allzu viel: Allenfalls das ein oder andere Prélude am Beginn von Kyrie, Gloria oder Agnus Dei klang für die Dauer weniger Takte mal etwas wuchtiger und ernsthafter, bevor sich die sonnige, unbändige, melodienselige Musizierfreude dieser Epoche auch schon wieder die Bahn brach – eine echte Offenbarung, die mir wirklich ausgesprochen gut gefallen hat!

Und damit komme ich dann auch noch zu einem eher traurigen Nachsatz in eigener Sache:
Nach ziemlich genau 11 Jahren beruflicher Tätigkeit in Düsseldorf war heute mein letzter Arbeitstag in der Landeshauptstadt von NRW. Ich kann demnächst auf die Pendelei zwischen Köln und Düsseldorf verzichten, da ich eine neue Stelle hier in der Stadt antreten werde – aber das bedeutet eben auch, dass ich die Lunch-Time-Orgel ab sofort mittwochs zur Mittagszeit nicht mehr werde besuchen können und meine wöchentliche Berichterstattung über diese gleichermaßen ambitionierte wie süchtig machende Konzertreihe zwangsläufig mit dem heutigen Beitrag enden muss :-(

Im Mai 2003 (ich meine irgendwo mal gelesen zu haben, dass es die Lunch-Time-Orgel bereits seit 2002 gibt, lasse mich aber gerne eines Besseren belehren) bin ich ganz zufällig auf das Schild vor der Düsseldorfer Johanneskirche (die keine 5 Minuten von meiner bisherigen Arbeitsstelle entfernt liegt) gestoßen, das auf das mittwochmittägliche Konzert hinwies und nach diesem meinem ersten Spontanbesuch hatte ich sofort Feuer gefangen und bin in den vergangenen 10 Jahren, wann immer es mir möglich war (und ich habe es einzurichten gewusst, dass dies fast immer möglich war! Mittwochs um 12:30 Uhr waren für mich keine anderen Termine drin…) zur Stelle gewesen, wenn Kantor und Organist Wolfgang Abendroth oder eine(r) seiner ebenso kompetenten Vertreter(innen) die ganze Bandbreite der Orgelliteratur zum Erklingen brachte – es ist wirklich sehr beachtlich, was da in über 10 Jahren alles zusammengekommen ist und wie abwechslungsreich die Programme immer waren – Wiederholungen innerhalb kürzerer Zeitabstände waren da die absoluten Ausnahmen! Und es ist eine Riesenleistung und alles andere als selbstverständlich über einen so langen Zeitraum Woche für Woche diese Konzerte auf stets gleich hohem Niveau zu organisieren und darzubieten!

So sehr ich mich auch auf die anstehende berufliche Veränderung freue, so sehr bedauere ich es aber auch, dass ich künftig nicht mehr die Lunch-Time-Orgel werde besuchen können – schon nach 2 Wochen Urlaub hatte ich in der Regel bereits „Entzugserscheinungen“ und habe mich immer auf den nächsten Mittwoch und die Überraschung gefreut, was für Stücke wohl auf dem Programm stehen würden. Und dass es viel Überraschendes und Hörenswertes zu entdecken gab und gibt, beweisen Konzertprogramme wie das heutige nachdrücklich!

Meine Hochachtung und mein Dank gehen daher an dieser Stelle an Wolfgang Abendroth, seine Kolleginnen und Kollegen und das ganze sympathische Team der Johanneskirche, die mir in über 10 Jahren immer wieder aufs Neue so viel Freude und musikalische Aha-Erlebnisse ohne Ende beschert haben! Das alles wird mir sehr fehlen (und das schreibt ein Kölner über Düsseldorf!) und ich werde bestimmt versuchen, irgendwann mal wieder eines dieser Konzerte zu besuchen.

Ich kann also nur jede(n) an Musik Interessierte(n) aufrufen, der oder die sich mittwochs um 12:30 Uhr in der Düsseldorfer Innenstadt befindet, unbedingt einmal die in entspannter und ungezwungener Atmosphäre stattfindende Lunch-Time-Orgel in der Johanneskirche zu besuchen – es lohnt sich wirklich und man wird schnell zum „Wiederholungstäter“ :-)

In diesem Sinne: Auf dass diese schöne Konzertreihe noch lange fortbestehen möge!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen