Mittwoch, 30. Januar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Lunch-Time-Gastorganistin in dieser Woche war Mechthild Scholz, Studentin an der evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Herford.

Sie hatte für uns ein buntes Programm zusammengestellt, das Orgelwerke aus gleich vier Jahrhunderten enthielt:

Johann Jakob Froberger (1616-67)
Toccata II in d

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47)
Orgelsonate c-moll op. 65 Nr. 2

John Stanley (1712-86)
Voluntary IV aus Ten Organ Voluntaries op. 5

Léon Boëllmann (1862-97)
aus der Suite gothique:
III. Prière à Notre Dame

Hans Friedrich Micheelsen (1902-73)
aus Choralmusik für Orgel:
Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren


Sehr schön, dass nach der 6. Orgelsonate in der Vorwoche heute nun die 2. Orgelsonate von Felix Mendelssohn zu hören war.

Francis Poulenc - 50. Todestag

Heute vor genau 50 Jahren verstarb in Paris im Alter von 64 Jahren der französische Komponist Francis Poulenc (er war dort am 7. Januar 1899 als Sohn einer wohlhabenden Familie geboren worden).

Poulenc ist ein Komponist, der – obwohl er vielen musikalischen Strömungen seiner Zeit gegenüber sehr aufgeschlossen war und auch einiges davon seine Werke hat einfließen lassen – doch seinen ganz eigenen, charakteristischen Tonfall gefunden hat, der geprägt ist von einem klaren, transparenten Klangbild sowie einer betont melodiösen Stimmführung und auch vor der Verwendung eingängiger Rhythmen nicht zurückschreckt.

Zu Beginn seiner Karriere wurde er unter anderem von Künstlern wie Erik Satie oder Igor Strawinsky (1882-1971) geprägt – es war auch die Zeit des Neoklassizismus, eine Stilrichtung, die eine an vorromantischen, klassischen Klangidealen orientierte Einfachheit und Transparenz sowohl in der musikalischen Textur wie auch in den verwendeten musikalischen Themen und Motiven propagierte und sich damit von der in jeder Hinsicht üppig-überbordenden Musik der (Spät-)Romantik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts distanzierte. Es überrascht daher nicht, dass Poulenc zeitlebens ein großer Bewunderer der Musik Mozarts war, von der er sich immer wieder inspirieren ließ.

Neben seinem Interesse an den Werken zeitgenössischer französischer Dichter wie Guillaume Apollinaire (1880-1918) oder Paul Éluard (1895-1952) (von denen er dann auch zahlreiche Texte vertonte) fasziniert an Poulenc vor allem dessen Changieren zwischen weltlichem (man denke nur an das Pariser Nachtleben der 1920er Jahre!) und geistlichem Milieu. Überspitzt formuliert kann man sagen, dass sich sein Leben und Wirken zwischen den Polen „Kokotten und Klosternonnen“ abspielte – beiden war er mit aufrichtiger Leidenschaft und Faszination zugetan, allerdings wohl eher selten gleichzeitig…

Ab der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wendete er sich dem Katholizismus zu und komponierte in der Folge eine Reihe tiefempfundener (gleichwohl origineller und für ihn typischer) geistlicher Werke, die ohne Zweifel zu den schönsten und meistgespielten kirchenmusikalischen Werken des 20. Jahrhunderts gehören, darunter das Stabat mater (1950), die Messe G-Dur (1937), das 1961 uraufgeführte (und 1959 entstandene) Gloria oder die wunderschönen Quatre motets pour le temps de Noël (Vier Motetten für die Weihnachtszeit) von 1952, von denen die erste, das geheimnisvoll-wehmütige O magnum mysterium zu meinen liebsten Chorsätzen überhaupt gehört!

Das aus sechs Sätzen bestehende Gloria habe ich im Chor bereits mehrfach im Konzert singen dürfen – es ist mir im Rahmen eingehender Probenarbeit sehr ans Herz gewachsen und gehört daher ebenfalls zu meinen Lieblingswerken von Francis Poulenc:
Dieses Werk ist ein gutes Beispiel für die charakteristische Mischung weltlicher Lebensfreude und tiefempfundener Religiosität dieses Komponisten:
Es besteht aus rhythmisch teilweise unerwartet modern und tänzerisch klingenden Abschnitten – das einleitende Gloria in excelsis deo und vor allem der zweite Satz, das Laudamus te (das in dieser musikalischen Form seinerzeit sicher nicht unbedingt auf einhellige Begeisterung bei der Kirche stieß…) – und hierzu kontrastierenden, sehr meditativ-innigen Sätzen (hier vor allem das wunderschöne Domine Deus, Agnus Dei!), in denen ein Solosopran zu Chor und Orchester hinzukommt!
Ein tolles Werk, das, was die Einbeziehung der rhythmusbetonten Elemente anbetrifft, seiner Zeit durchaus voraus war – ein paar Jahre später öffnete sich die Kirchenmusik modernen musikalischen Einflüssen ja dann auch viel bereitwilliger, als es zur Zeit der Entstehung des Gloria von Poulenc noch der Fall gewesen sein dürfte!

Die von Poulenc komponierten insgesamt vier Konzerte gefallen mir auch sehr gut: Es gibt je eines für Orgel (mit Streichern und Pauke), für Klavier, für zwei Klaviere und eines für Cembalo (mit dem Titel Concert champêtre), das Poulenc 1927-28 für die polnische Pionierin des modernen Cembalospiels, Wanda Landowska (1879-1959) geschrieben hatte und das seinen neoklassizistischen Ambitionen wohl sehr entgegengekommen sein dürfte. Allein die Tatsache, dass zu jener Zeit das Cembalo als ein ernstzunehmendes Instrument (und nicht nur als bloßer Vorläufer des modernen Pianofortes) wiederentdeckt wurde, zeigt schon, wie sehr sich der „musikalische Wind“ wieder einmal gedreht hatte…

Poulenc war in vielen Bereichen kompositorisch tätig – neben seiner weltlichen und geistlichen Chormusik, seinen Liedern und Orchesterwerken, sollte seine vielfältige Kammermusik (er schrieb für die unterschiedlichsten Besetzungen, hegte als Pianist neben dem Klavier aber auch eine besondere Vorliebe für Holzblasinstrumente wie Flöte, Oboe und Klarinette) nicht unerwähnt bleiben.

Seine zumindest hierzulande nicht so besonders häufig gespielten Bühnenwerke sind ebenfalls einer Entdeckung wert – neben der grotesk-komischen, mit traditionellen Geschlechterrollen kokettierenden Oper Les mamelles de Tirésias (Die Brüste des Thiresias) aus dem Jahr 1947 meine ich vor allem die 1957 entstandene Oper Dialogues des Carmélites (Gespräche der Karmeliterinnen), einer spannend gestalteten Klostergeschichte aus der Zeit der Französischen Revolution.

Vor ca. 6 oder 7 Jahren war diese wohl bekannteste Oper Poulencs auch bei uns in Köln zu erleben – und hat mich seinerzeit sehr beeindruckt, vor allem das musikalisch eindringlich gestaltete Finale, wenn eine Nonne nach der anderen zum Schafott schreitet und dort dann hingerichtet wird.

Auch im Bereich „Klassik für Kinder“ hat Poulenc mit seiner musikalischen Umsetzung der Histoire du Babar (Die Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten), die er zu Beginn der 1940er Jahre nach dem bekannten Kinderbuch von Jean de Brunhoff (1899-1937) komponierte, einen Repertoireklassiker geschaffen, der zum Beispiel gerne mit Peter und der Wolf von Sergei Prokofjew (1891-1953) kombiniert wird.

Man kann, so glaube ich, sagen, dass Francis Poulenc den Anspruch an sich selbst hatte, sein Publikum stets niveauvoll, geistreich und mitunter auch tiefgründig unterhalten zu wollen und das ist ihm auf seine ganz eigene Art auch wirklich ausgesprochen gut gelungen!

Mittwoch, 23. Januar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Auch in dieser Woche war erneut Wiltrud Fuchs aus Weimar unsere Lunch-Time-Gastorganistin.
Wie in der vergangenen Woche hatte sie das Konzert unter ein Motto gestellt, diesmal war es das Vater unser, konkret der von Martin Luther nach dem Text des wohl bekanntesten christlichen Gebets verfasste Choral „Vater unser im Himmelreich“, der über die Jahrhunderte hinweg immer wieder Komponisten zu ganz unterschiedlichen künstlerischen Auseinandersetzungen in Form von Variationen, Choralvorspielen, etc. inspiriert hat.
Folgendes Programm gab es heute Mittag zu hören:

Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621)
3 Versetten über „Vater unser im Himmelreich“

Manfred Kluge (1928-71)
Variation 6 aus „Vater unser im Himmelreich“

Georg Böhm (1661-1733)
Orgelchoral „Vater unser im Himmelreich“

Manfred Kluge (1928-71)
Variation 9 aus „Vater unser im Himmelreich“

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-47)
Orgelsonate d-moll op. 65 Nr. 6
mit Choralvariationen über „Vater unser im Himmelreich“


Mit den drei Bearbeitungen des heutigen „Motto-Chorals“ des Niederländers Jan Pieterszoon Sweelinck rückte nochmal einer der (zumindest hier bei uns) viel zu wenig gewürdigten Jubilare des vergangenen Jahres ins Rampenlicht.

Während ich mit den unverkennbar dem 20. Jahrhundert entstammenden beiden Choralvariationen von Manfred Kluge nicht so viel anfangen konnte (obwohl sie natürlich das im heutigen Konzert dargebotene Stilspektrum ganz erheblich ausweiteten!), gefiel mir hingegen das Stück von Georg Böhm ausgesprochen gut mit seinem ruhigen, stetig dahinschreitenden Grundrhythmus und der in bester „Böhmscher Manier“ mit allerlei kunstvollen Verzierungen angereicherten Melodiestimme, die wunderbar sanglich über der Bassstimme einherschwebte – wunderschön!

Die zweite Konzerthälfte wurde dann mit der wohl beliebtesten und (auch im Rahmen der Luch-Time-Orgel) am häufigsten gespielten der sechs Orgelsonaten Opus 65 von Felix Mendelssohn Bartholdy aus dem Jahr 1844 gefüllt – die Wahl gerade dieser Sonate lag auf der Hand, da sie hauptsächlich aus Variationen über den für dieses Konzert gewählten „Motto-Choral“ besteht.
Nach fünf abwechslungsreichen Variationen (die letzte ist eine Fuge), in der der Komponist beweist, was er satztechnisch nicht zuletzt von den Barockmeistern alles gelernt hat, folgt als Abschluss dieser ungewöhnlich konzipierten Sonate dann noch ein weihevoll-entspanntes Andante.
Und so fand das heutige Mittagskonzert einen eher ungewohnt ruhigen Ausklang – viel Beifall für die Organistin vom wieder recht zahlreich erschienenen Publikum.

Mittwoch, 16. Januar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Unsere Gastorganistin war heute Wiltrud Fuchs aus Weimar.
Sie hatte folgendes Programm für das heutige Mittagskonzert vorbereitet:

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
„Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ BuxWV 75

Georg Böhm (1661-1733)
Praeludium g-moll

J. S. Bach (1685-1750)
„Mit Fried und Freud ich fahr dahin“
aus dem „Orgelbüchlein“ BWV 616

Fantasie und Fuge g-moll BWV 542


Wiltrud Fuchs stellte das Konzert unter das Motto Der Lobgesang des Simeon, denn der an zwei Stellen im heutigen Programm zu hörende Choral „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ ist ebendieser von Martin Luther höchstpersönlich in Lied- und Strophenform gebrachte Lobgesang Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, der im 2. Kapitel des Lukasevangelium (Verse 22-32) zu finden ist und der vor allem in seiner lateinischen Version als Nunc dimittis von vielen Komponisten vertont worden ist, oft im Zusammenhang mit Begräbnismusiken.

Von Johann Sebastian Bach gibt es sogar eine ganze Kantate Mit Fried und Freud ich fahr dahin (BWV 125), die sich musikalisch wie textlich mit diesem alten Choral befasst.

Liturgisch passt das heutige Motto auch ganz gut in die Jahreszeit, denn die Begebenheit, bei der der alte Simeon diesen seinen Lobgesang erklingen lässt, gehört noch in die Weihnachtszeit:
Viele Jahrhunderte lang bildete nämlich der 2. Februar, also der Tag, an dem dieser Abschnitt aus dem Evangelium im Gottesdienst gelesen wird und der auch Mariae Reinigung oder Mariae Lichtmess genannt wird, sogar den Abschluss des Weihnachtsfestkreises; ihm folgte dann die (Vor-)Fastenzeit, die bekanntermaßen am Aschermittwoch beginnt.

Buxtehudes mehrsätzige Choralbearbeitung ist ein Musterbeispiel in puncto kontrapunktischer Satzkunst; berührend dann vor allem der letzte Satz, das Klag-Lied über den Tod des Vaters, in dem der Komponist – völlig losgelöst vom bisher verarbeiteten Choralthema, wohl aber anspielend auf die Todesthematik, mit der sich Simeons Lobgesang befasst – seiner Trauer über den Tod seines Vaters Ausdruck verleiht.

Das mehrteilige Praeludium von Georg Böhm war wieder einmal ein gutes Beispiel für den sogenannten „norddeutschen Orgelbarock“, ihm folgte das relativ kurze Choralvorspiel von Bach, bevor wir zum Abschluss wieder einmal die berühmte (und wunderschöne!) Fantasie und Fuge g-moll BWV 542 dargeboten bekamen, die kurioserweise im Moment monatlich im Programm der Lunch-Time-Orgel zu finden ist…
Naja, schaun mer mal, was der Februar hier programmtechnisch bringen wird – also ich könnte das Stück auch bereits dann wieder hören :-)

Mittwoch, 9. Januar 2013

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Traditionell gönnt sich Wolfgang Abendroth, Kantor und Organist der Düsseldorfer Johanneskirche, nach den sicherlich anstrengenden und arbeitsreichen Weihnachtsfeiertagen Anfang Januar einen wohlverdienten Urlaub.
Das scheint auch in diesem Jahr so zu sein, denn das erste Lunch-Time-Orgelkonzert des neuen Jahres wurde heute von Raphael Nigbur bestritten, der kurz vor dem Abschluss seines Studiums an der evangelischen Hochschule für Kirchenmusik in Herford steht (Wolfgang Abendroth ist dort einer seiner Dozenten) und der vor den bald anstehenden Abschlussprüfungen dankbar die Gelegenheit ergriffen hat, im heutigen Mittagskonzert noch ein wenig Spielpraxis unter Aufführungsbedingungen (vor einem wie immer sehr aufgeschlossenen und dankbaren Publikum) zu sammeln.

Folgende Stücke spielte er heute für uns:

Raphael Nigbur (geb. 1983)
Improvisation einer barocken Choralpartita
über den Choral „Helft mir Gotts Güte preisen“

J. S. Bach (1685-1750)
Triosonate e-moll BWV 528

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Toccata d-moll BuxWV 155


Die einleitende, aus fünf kleineren Einzelsätzen bestehende improvisierte Choralpartita klang wirklich so, als wäre sie von Bach oder einem seiner Zeitgenossen so aufgeschrieben worden – wenn man nicht gewusst hätte, dass die zu hörenden Variationen und unterschiedlichen Vortragsweisen (so wanderte die Choralmelodie beispielsweise in den einzelnen Sätzen von der höchsten bis zur tiefsten Stimme) im Moment des Vortrags gerade erst entstanden waren, hätte wohl niemand im Publikum unseren 29-jährigen Organisten als Urheber dieser gut 15-minütigen Partita im Verdacht gehabt!

Sehr schön auch die etwas intimer gehaltene dreisätzige Triosonate (diesmal aber wirklich vom „echten“ Bach!), bevor mit der abschließenden großen Toccata Buxtehudes der überbordende und virtuose „Stylus Phantasticus“, der für die Musik des norddeutschen Orgelbarock am Ende des 17. Jahrhunderts so charakteristisch ist, für einen wirkungsvollen Abschluss sorgte!

Viel Applaus am Ende für einen sympathischen und talentierten jungen Organisten!

Dienstag, 8. Januar 2013

Arcangelo Corelli - 300. Todestag

Kaum ist das neue Jahr eine Woche alt, da steht auch schon der erste Komponistengedenktag auf der Agenda:

Heute vor genau 300 Jahren verstarb Arcangelo Corelli in Rom im Alter von fast 60 Jahren (geboren wurde er am 17. Februar 1653) – und was man (leider) nicht von jedem seiner Kollegen behaupten kann, trifft auf ihn zu:

Er starb als einer der berühmtesten, einflussreichsten (und wohlhabendsten) Komponisten und Violinisten seiner Zeit. Sein Ruhm strahlte bereits zu seinen Lebzeiten von Italien aus über ganz Europa, was nicht zuletzt daran lag, dass seine Kompositionen meines Wissens fast vollständig im Druck erschienen und somit eine weite Verbreitung dieser Werke gewährleistet war. Eine Tatsache, die für einen Komponisten zu Beginn des 18. Jahrhunderts keineswegs selbstverständlich war – wenn man allein mal vergleicht, wie wenig Werke zum Beispiel von Bach zu dessen Lebzeiten gedruckt wurden!

Aber dies ist nicht die einzige ungewöhnliche Tatsache, die man mit Arcangelo Corelli (übrigens ein sehr klangvoller Vorname, wie ich finde – der „Erzengel“!) in Verbindung bringen kann:

Gerade für einen italienischen Komponisten seiner Zeit ist es absolut ungewöhnlich, dass er ausschließlich Instrumentalwerke verfasste – hier vor allem Kammermusik in der für seine Zeit üblichen Besetzung als Triosonate oder als Violinsonate (für Violine und Continuo) – keine Opern, keine geistliche Vokalmusik!

Er muss ein exzellenter Geigenspieler gewesen sein und naturgemäß ist die Violine in seinen Kompositionen auch das wichtigste Instrument.

Ungewöhnlich für einen Komponisten des Barock ist auch, dass er – trotz seiner für die damalige Zeit verhältnismäßig langen Lebensspanne – ein recht schmales Gesamtwerk hinterließ. Es gibt mittlerweile CD-Boxen mit sämtlichen seiner Kompositionen (wobei ich nicht sicher bin, ob da nicht dann doch immer noch jeweils ein paar Werke in diesen Zusammenstellungen fehlen…), die in der Regel so um die 10 CDs füllen. Wenn man da den teilweise schwindelerregenden kompositorischen „Output“ mancher seiner Zeitgenossen anschaut, bleibt im Falle von Corellinur die Vermutung, dass er wohl in seiner täglichen Musizierpraxis viel improvisierte (was in der Zeit wohl auch üblich war) und längst nicht alles aufschrieb, was ihm so in den Sinn kam.

Ganz im Gegenteil: Da der Notendruck vor 300 Jahren noch eine extrem kostspielige, weil aufwendige Arbeit war, kann ich mir gut vorstellen, dass Signor Corelli sich im Vorfeld sehr sorgfältig mit diesen Kompositionen auseinandersetzte und hier vermutlich lange herumprobierte, um das optimale Ergebnis dann schriftlich zu fixieren und in den Druck zu geben.

Auch dies eine für die damalige Zeit im Bereich des „Musikerhandwerks“ (denn als ein solches wurde Musizieren zu der Zeit in der Regel noch betrachtet!) eine nicht unbedingt alltägliche Einstellung – wurde Musik doch meist als „Gebrauchsware“ immer wieder neu und damit en masse für aktuelle Anlässe und den täglichen Bedarf verfertigt!
Genau diese Tatsache, dass Corellis Kompositionen eben eine besondere Qualität besaßen und in gedruckter Form eine weite Verbreitung fanden (und aufgrund ihrer meist kammermusikalischen Besetzung auch fast überall und in kleinem Kreise aufgeführt werden konnten), erklärt dann auch seine zunehmende Berühmtheit und seinen großen Einfluss, den er auf die noch junge Gattung der eigenständigen Instrumentalmusik hatte.

In den Jahrhunderten zuvor war zunächst die Gesangsstimme fast ausschließlich das einzige „Instrument“, für das „seriöse“ Komponisten überhaupt Werke schriftlich notierten und somit der Nachwelt ein „Nachspielen“ erst ermöglichten. Instrumentalmusik diente entweder als Begleitung der Gesangsstimmen oder hatte als Tanzmusik rein unterhaltenden Charakter und beschränkte sich auf bloßes Nachspielen und Variieren bekannter Weisen, bzw. auf freie Improvisationen (was aber auch damals schon ein gewisses Talent voraussetzte…). „Niedere“ Gebrauchs- und Unterhaltungsmusik wie diese hielt offenbar lange niemand für besonders wichtig, weshalb solche Musik in Regel nicht oder allenfalls in rudimentärer Form (quasi als Gedächtnisstütze für die ausführenden Musiker) aufgeschrieben wurde, während die immer komplexer (und umfangreicher) werdenden Gesangskompositionen gerade der Renaissance (Motetten, Madrigale, Messvertonungen, etc.) wohl nur die wenigsten auswendig hätten darbieten können…
Vor allem mit der Orgelmusik und der zunehmenden Beliebtheit kunstvoller Lautenmusik etablierte sich dann so ca. im 15. und 16. Jahrhundert erstmals eine eigenständige Form der Instrumentalmusik.
Im 17. Jahrhundert wurde die Instrumentalmusik dann immer vielfältiger – die ersten Ensembles und Orchester in ganz unterschiedlichen, noch keinesfalls festgelegten Besetzungen (das hing wohl eher von den jeweils vor Ort vorhandenen Musikern und Instrumenten ab) dürften zu der Zeit entstanden sein – auch hier gingen viele Impulse von Italien, vor allem von Venedig - aus, aber auch in Frankreich am prachtvollen Hofe Ludwigs XIV. spielte Orchestermusik (nicht zuletzt zur Begleitung der von seiner Majestät so geschätzten Ballette!) nun eine wichtige, repräsentative Rolle.

Corelli, der fast sein ganzes Leben lang im Dienste einflussreicher und kunstsinniger römischer Kardinäle stand, prägte im späten 17. Jahrhundert die Kammer- wie die Orchestermusik entscheidend mit und hob sie durch seine Kompositionen auf eine ganz neue Qualitätsstufe.
Nachfolgenden Komponisten in ganz Europa, wie Vivaldi, Bach, Telemann oder Händel (um nur einige wenige zu nennen) dienten seine Werke als Inspirationsquelle für eigene Instrumentalwerke und Corellis Kompositionen waren noch für Jahrzehnte nach seinem Tod die am meisten nachgedruckten Werke überhaupt!

Heute am beliebtesten und bekanntesten dürften die 12 Concerti grossi op. 6 sein, die allerdings erst ein Jahr nach Corellis Tod, also 1714, im Druck erschienen – verlegt vom berühmten Amsterdamer Drucker Estienne Roger (der später unter anderem auch Konzerte von Antonio Vivaldi verlegen sollte).

Diese Kompositionen sind für ein mit Streichern besetztes Orchester gedacht, wobei sich hier einzelne Instrumente (das Concertino) mit dem restlichen Ensemble (dem Ripieno) einen musikalischen Dialog liefern, was für die Gattung des im frühen 18. Jahrhunderts sehr populären Concerto grosso typisch ist und welches quasi den Vorläufer für das Solokonzert darstellt.

Da auch Corelli nicht allzu viele Concerti grossi komponiert hat, stellt die Sammlung der 12 Konzerte seines Opus 6 auch in seinem Oeuvre etwas Besonderes dar.
Am bekanntesten dürfte das g-moll-Konzert Nr. 8 sein, das aufgrund seines abschließenden Satzes, einer als "Pastorale" betitelten Hirtenmusik auch den Titel Weihnachtskonzert bekam und heute in keiner weihnachtlichen Klassiksammlung fehlen dürfte!

Aber nicht nur das Konzert Nr. 8 sondern auch seine übrigen 11 Geschwister sind sehr schön anzuhören – und mit Abstand am häufigsten von allen Werken Corellis eingespielt worden.
Meine liebste Aufnahme der Concerti grossi op. 6 ist die vom Ensemble 415 unter der Leitung von Chiara Banchini und Jesper Christensen im Jahr 1991 eingespielte - ganz exzellent, ausgesprochen klangschön und sehr abwechslungsreich!

Dienstag, 1. Januar 2013

Komponisten-Jubiläen 2013

Auf diesem Weg wünsche ich zunächst einmal allen Leserinnen und Lesern dieses Blogs ein gutes, möglichst gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2013 – möglichst reich gefüllt mit wunderbaren musikalischen Erlebnissen, Inspirationen, und Entdeckungen!

Wie immer zu Beginn eines neuen Jahres eröffne ich die neue Runde mit einer Übersicht über die wichtigsten anstehenden Jubiläums- und Gedenktage der kommenden 12 Monate.

Und wer meint, im letzten Jahr habe es nicht genügend wirklich „wichtige“ und prominente Jubilare gegeben, der dürfte in diesem Jahr vielleicht eher auf seine Kosten kommen:

06.01.1838 Max Bruch (175. Geburtstag) -> ein "kölscher Jung'!"
08.01.1713 Arcangelo Corelli (300. Todestag)
11.01.1763 Giovanni Benedetto Platti (250. Todestag)
25.01.1913 Witold Lutoslawski (100. Geburtstag)
30.01.1963 Francis Poulenc (50. Todestag)
14.02.1813 Alexander Dargomyschski (200. Geburtstag)
14.02.1513 Domenico Ferrabosco (500. Geburtstag)
26.02.1913 Felix Draeseke (100. Todestag)
02.03.1813 George Alexander Macfarren (200. Geburtstag)
12.03.1913 Josef Bayer (100. Todestag)
11.05.1888 Irving Berlin (125. Geburtstag)
15.05.1763 Franz Danzi (250. Geburtstag)
22.05.1813 Richard Wagner (200. Geburtstag)
28.05.1923 György Ligeti (90. Geburtstag)
14.06.1763 Johann Simon Mayr (250. Geburtstag)
16.06.1863 Paul Vidal (150. Geburtstag)
22.06.1763 Étienne-Nicolas Méhul (250. Geburtstag)
16.07.1763 Jacques-Martin Hotteterre (250. Todestag)
10.08.1813 William Henry Fry (200. Geburtstag)
16.08.1863 Gabriel Pierné (150. Geburtstag)
20.08.1813 Johann Baptist Vanhal (200. Todestag)
30.08.1713 Johann Georg Benda (300. Geburtstag)
08.09.1613 Carlo Gesualdo (400. Todestag)
24.09.1813 André-Ernest-Modeste Grétry (200. Todestag)
04.10.1713 Antoine Dauvergne (300. Geburtstag)
09.10.1813 Giuseppe Verdi (200. Geburtstag)
getauft 12.10.1713 Johann Ludwig Krebs (300. Geburtstag)
16.10.1913 Cesar Bresgen (100. Geburtstag)
25.10.1838 Georges Bizet (175. Geburtstag)
getauft 14.11.1663 Friedrich Wilhelm Zachow (350. Geburtstag)
22.11.1913 Benjamin Britten (100. Geburtstag)
23.11.1933 Krzysztof Penderecki (80. Geburtstag)
30.11.1813 Charles Valentin Alkan (200. Geburtstag)
05.12.1963 Karl Amadeus Hartmann (50. Todestag)
07.12.1863 Pietro Mascagni (150. Geburtstag)
10.12.1913 Morton Gould (100. Geburtstag)
28.12.1963 Paul Hindemith (50. Todestag)
1563 John Dowland (450. Geburtstag)
1563 Jean Titelouze (450. Geburtstag)

Man sieht es schon – in 2013 kommen auch wieder eine Reihe bekannter (und natürlich eine Menge nicht ganz so bekannter) Komponisten auf die „Jubiläumsagenda“, wobei wir – wie zuletzt in 2010 mit Chopin und Schumann – mit den Herren Verdi und Wagner gleich zwei „Spitzenprominente“ auf Liste stehen haben, die in diesem Jahr beide ihren 200. Geburtstag feiern könnten…

Und während wir zuletzt im Jahr 2001 ein „Verdi-Jahr“ hatten (100. Todestag), so scheint mir die bekanntermaßen ja nicht gerade kleine Wagner-Fangemeinde jubiläumstechnisch völlig ausgehungert zu sein, schließlich gab es seit 1983 (ebenfalls 100. Todestag) keinen wirklich erwähnenswerten runden Jahrestag des „Bayreuther Götterdämmerers“ mehr zu feiern!
Dies war jedenfalls der Eindruck, den ich schon im Herbst 2012 gewonnen hatte, als bereits zu dem Zeitpunkt eine unerwartet frühe und erstaunlich große Anzahl neuer (und wiederaufgelegter) Aufnahmen und Buchtitel auf den Markt geworfen wurde – und die nächsten Neuerscheinungen stehen bereits in den Startlöchern! Naja, warten wir mal ab, was das neue Jahr noch so bringt – in Bayreuth werden sie in diesem Sommer jedenfalls vor lauter „Hojotoho!“ kaum noch zur Besinnung kommen… ;-)

Und während sich die meiste Aufmerksamkeit in diesem Jahr dann also erwartungsgemäß um diese beiden „Opern-Titanen“ des 19. Jahrhunderts drehen wird (also ob sie das nötig hätten, schließlich kommt seither kein Opernhaus auf dieser Welt ohne ihre Werke aus!), bleibt zu befürchten, dass einige Komponisten, die ebenfalls ein wenig mehr Beachtung verdient hätten, total in deren Schatten geraten werden…

Mein Herz gehört daher auch in diesem Jahr wieder den ungerechterweise in der 2. oder gar 3. Reihe stehenden Komponisten, denn auch der 100. Geburtstag eines Benjamin Britten, der 150. von Pietro Mascagni oder der 50. Todestag von Francis Poulenc verdienen mehr als nur eine Erwähnung!

Ich werde daher versuchen, in diesem Jahr wie gewohnt auch ein paar Hinweise zu solchen Jahrestagen hier einzustellen.

In diesem Sinne: 2013 kann starten!