Freitag, 31. August 2012

Die CD-Cover-Galerie (1)

Auch wenn die CD aufgrund ihres deutlich kleineren Umfangs ja längst nicht so viel Platz für künstlerische Entfaltung in puncto Coverdesign bietet, wie es die gute alte LP getan hat, so gibt es doch auch im Reich der kleinen Silberlinge das ein oder andere besonders gelungene Cover und – natürlich – auch eine ganze Reihe an ziemlich misslungenen, skurrilen, total lieblos gestalteten oder auch eher unabsichtlich komischen Covermotiven.

Im Laufe der Jahre kommt bei einem Klassik-Sammler wie mir schon so die ein oder andere CD zusammen und ich dachte mir, ich durchstöbere mein Archiv mal zur Abwechslung nicht auf der Suche nach passender Musik sondern nach für meinen Geschmack besonders gelungenen und eher weniger geglückten CD-Covern.

In loser Folge werde ich hier dann mal das ein oder andere Exemplar präsentieren.

Ein vom Aufbau her ganz simples Motiv, das die Versinnbildlichung des Themas "Die vier Jahreszeiten" in einer sehr sinnfälligen und - was den "Winter" betrifft - auch witzigen Umsetzung zeigt.
Heute möchte ich den Anfang machen mit einem in seiner einfachen und gleichzeitig so naheliegenden Gestaltung sehr ansprechenden Motiv zum Thema Die vier Jahreszeiten – es schmückt eine im Jahr 1985 erstmals erschienene CD der Deutschen Grammophon, die die 1972 entstandene Aufnahme von Vivaldis Klassiker mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Herbert von Karajan enthält, der sich zu dieser Zeit in so etwas wie seiner „Barockphase“ befand und in diesen Jahren noch weitere Werke von Bach, Vivaldi, Händel und Co. einspielte. Violinsolist ist Michel Schwalbé, der damals Konzertmeister der Berliner Philharmoniker war.

Über die Qualität dieser Einspielung, die vielleicht streckenweise vielleicht etwas allzu üppig und mit eher spätromantisch-symphonischem Orchesterklang daherkommt, mag man sicher streiten können (an der Leistung des Solisten gibt es hingegen absolut nichts auszusetzen!) – das plakative CD-Cover finde ich jedenfalls klasse!

Das Cover der im Jahr 1994 bei Philips Classics erschienenen CD, auf der der aus Oklahoma stammende Tenor Chris Merritt Arien aus selten zu hörenden Opern der „Belcanto-Fürsten“ Rossini und Donizetti zum Besten gibt (begleitet vom Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung von John Fiore), gehört für meinen Geschmack dann doch eher in die Kategorie „unfreiwillig komisch“…

Musste diese Aufmachung wirklich sein? Sie bestätigt doch nur wieder sämtliche Klischees, die man so über "Opernaufführungen an sich" hat. Zum Glück trägt er nicht auch noch einen Hörnerhelm...
Ist diese übertrieben aufgedonnerte Kostümierung, in der sich der amerikanische Tenor da präsentiert und der man die Herkunft aus der Theater-Requisitenkammer förmlich ansieht, wirklich ernst gemeint? Dieses Foto kann doch eigentlich nur in einem Anflug von Selbstironie aufgenommen worden sein, oder?

Naja, wie dem auch sei – auf jeden Fall bereitet dieses Cover dem Betrachter sicherlich eine gewisse Freude (wenn wohl auch nicht in der Art und Weise, wie es vielleicht ursprünglich beabsichtigt war) und auch Mr. Merritt schlägt sich im Übrigen ganz wacker in den hier vorgestellten Arien; ganz gut anhören kann man diese Aufnahme also obendrein auch noch…

Fortsetzung folgt…

Mittwoch, 29. August 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute gab es zur Abwechslung einmal ein Programm, das sich aus Einzelstücken zusammensetzte, die allesamt aus derselben Epoche stammen.
Wolfgang Abendroth spielte für uns Werke von vier Komponisten, deren Musik man dem sogenannten norddeutschen Orgelbarock zurechnet. Die heute gespielten Kompositionen entstanden zwischen der Mitte des 17. und dem Beginn des 18. Jahrhunderts und zeigten sehr schön die stilistische Bandbreite der Musik aus dieser Zeit:

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Choralbearbeitung „Lob Gott getrost mit Singen“

Matthias Weckmann (1616-74)
Fantasie d-moll

Georg Böhm (1661-1733)
Choralpartita „Wer nur den lieben Gott lässt walten“

Johann Adam Reincken (1643-1722)
Toccata G-Dur

Mittwoch, 22. August 2012

Claude Debussy - 150. Geburtstag

So – und damit sind wir dann beim wohl prominentesten Komponistenjubilar des Jahres 2012 angekommen:
Nach Jules Massenets 100. Todestag gilt es mit Claude Debussy einen weiteren großen französischen Musiker zu würdigen, der heute vor 150 Jahren in Saint-Germain-en-Laye das Licht der Welt erblickte (und am 25. März 1918 in Paris starb) und als Komponist den Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert, von der (Spät-) Romantik zur frühen Moderne stark geprägt hat.

Wenn man an Debussy und seine Musik denkt, fällt einem fast unweigerlich sofort der Begriff des Impressionismus ein, also die eigentlich vorrangig mit der Malerei verbundene, Ende des 19. Jahrhunderts so unglaublich neue und enorm zukunftsweisende Stilrichtung, deren Vertreter so radikal mit den über Jahrhunderten etablierten Techniken (wie Farbgebung, Proportionen und Perspektiven) brachen und diese als zu akademisch und unkreativ ablehnten. Vielleicht lag es auch am Siegeszug der Fotografie zu jener Zeit, dass Maler sich nicht mehr bemühen mussten, Menschen und Landschaften so realistisch wie möglich abzubilden (weil es hierfür nun einen vergleichsweise leicht verfügbaren Ersatz gab) sondern ihre Kreativität nun in neue Bahnen lenken konnten. Statt der möglichst naturgetreuen Nachbildung war nun die ganz individuelle Wahrnehmung der Umwelt das Maß aller Dinge bei der Entstehung impressionistischer Gemälde – der Einfluss des Lichts, die Hervorhebung bestimmter Details, die Erzeugung einer konkreten Stimmung beim Betrachter unter Zuhilfenahme aufeinander abgestimmter Farben und Maltechniken, dies und vieles mehr (unter Inkaufnahme der Tatsache, dass für die beabsichtigte Wirkung traditionelle Techniken wie zum Beispiel korrekte Perspektiven oder eine realistische Farbgebung teilweise oder komplett aufgegeben wurden) führte naturgemäß zu teils heftiger Ablehnung dieser Stilrichtung beim „etablierten“ Publikum, hatte aus künstlerischer Sicht jedoch einen gewaltigen Einfluss auf die gesamte Entwicklung der Malerei im 20. Jahrhundert!

Warum ich das jetzt alles über die impressionistische Malerei schreibe? Nun, man hört immer wieder Stimmen, die sich dagegen wehren, Debussy als „musikalischen Impressionisten“ zu bezeichnen, weil diese Zuordnung diesen vielseitigen Komponisten zu sehr einschränken würde.

Da mag sicher etwas dran sein, trotzdem finde ich, dass allein die Betrachtung der künstlerischen Ansätze der ja gerade im Frankreich zur Zeit Debussys so zahlreich vertretenen malenden Impressionisten schon eine nicht von der Hand zu weisende Parallele zum kompositorischen Ausdruck Debussys aufweist – nicht zuletzt auch dessen Einfluss auf jüngere, den Beginn des 20. Jahrhunderts ebenfalls stark prägende Komponisten, wie zum Beispiel seinen 13 Jahre jüngeren Landsmann Maurice Ravel (1875-1937).

Vielleicht noch mehr als der Impressionismus – um vorrangig einmal bei Stilrichtungen der Malerei zur Zeit Debussys zu bleiben – dürfte auch der Symbolismus eine ästhetische Ausrichtung gehabt haben, die ihn durchaus beeinflusst haben könnte: Allein schon der Anspruch der symbolistischen Kunst, konkrete Ideen oder Ansichten nie eindeutig festzulegen, sondern diese auf vielfältige Weise anzudeuten und dem Betrachter/ Zuhörer/ Leser, etc. Gelegenheit zu geben (bzw. ihn herauszufordern), sich selber Gedanken zu möglichen Aussagen und künstlerischen Absichten der jeweiligen Schöpfer zu machen, passt für mich ebenfalls sehr gut zu vielen Werken Debussys – so basiert zum Beispiel seine einzige vollendete Oper Pelléas et Mélisande (Uraufführung 1902 in Paris) auf dem gleichnamigen Schauspiel des fast auf den Tag genau gleichaltrigen belgischen Schriftstellers Maurice Maeterlinck (29.08.1862-6.05.1949), der wohl als berühmtester Dichter des Symbolismus gelten darf.

In der Handlung dieser Oper bleibt vieles unausgesprochen, geheimnisvoll, lediglich angedeutet – aber Debussys Komposition ist ein Meisterwerk der mit zartesten Farben malenden musikalischen Stimmungsschilderung; die handelnden Figuren werden psychologisch raffiniert und subtil gezeichnet und so ist es eigentlich kein Wunder, dass diese nicht gerade einfach zu konsumierende Oper dennoch zu einem Repertoirestück wurde – in einem 20. Jahrhundert, das auch das Jahrhundert der Psychoanalyse werden sollte…

Debussy war bereits als hochbegabter 10-Jähriger zum Studium ans Pariser Konservatorium gekommen und seine Karriere begann auch er (wie viele andere berühmte französische Komponisten) noch ganz traditionell mit dem Gewinn des renommierten Prix de Rome (im Jahr 1884), der ihm einen dreijährigen Aufenthalt in der Villa Medici in Rom als Stipendiat ermöglichte.

Mit dem im Jahr 1894 uraufgeführten Prélude à l’après-midi d’un faune („Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns“), diesem nur gut zehnminütigen Orchesterstück, der neben La Mer zweifellos berühmtesten Komposition Debussys, kommt seine Karriere endgültig ins Rollen. Er ist einige Zeit übrigens auch als Musikschriftsteller tätig und verfasst unter anderem Rezensionen. Interessant ist – wie ich finde - gerade hier auch ein Vergleich mit seinem Zeitgenossen Erik Satie (1866-1925), mit dem Debussy auch befreundet war: Zwei Musiker, die nebenbei auch schriftstellerisches Talent besaßen und von denen jeder seinen eigenen, unverwechselbaren und gänzlich neuen Weg ging, um zu einem individuellen künstlerischen Ausdruck zu finden, für den es bis dahin keine Vorbilder gab.

Das erwähnte Prélude à l’après-midi d’un faune ist übrigens mein persönliches Lieblingsstück von Debussy – unverzichtbarer Bestandteil meines Soundtracks für einen heißen Sommertag! Hierzu gehören für mich aber auch die „drei sinfonischen Skizzen“ (so der Untertitel) La Mer, die im Jahr 1905 uraufgeführt wurden und in denen Debussy erneut ungemein raffinierte Stimmungsbilder entstehen lässt, für die das Stilmittel einer steten, unaufhörlichen Bewegung und Veränderung charakteristisch ist – ganz so wie für das auf diese Weise musikalisch porträtierte Meer auch.

Meine Lieblingsaufnahmen dieser (und anderer) Orchesterwerke stammen übrigens vom Concertgebouworkest unter der Leitung von Bernard Haitink.

Wichtig zu erwähnen ist der Einfluss und die Inspiration, die Debussy aus dem Kontakt mit außereuropäischer (insbesondere fernöstlicher) Musik schöpfte – Ende des 19. Jahrhunderts war das Interesse in Europa an allem Exotischen ja gerade erst richtig erwacht und Debussy konnte hiervon profitieren, in dem er zum Beispiel im Rahmen der Pariser Weltausstellung 1889 Gelegenheit hatte, dort auftretende asiatische Musiker zu hören.

Neben den beiden erwähnten sehr populären Kompositionen Debussys gibt es hier aber noch eine Reihe weiterer Juwelen in seinen Orchesterwerken, die weitaus weniger bekannt sind und – warum auch immer – viel seltener aufgeführt werden: Die drei Nocturnes (UA 1900), die drei Images (UA 1910/ 13), die als Ballettstücke konzipierten Werke Khamma (UA erst 1924) und Jeux (UA 1913) oder auch die beiden poetischen Danses (Danse sacrée & Danse profane) für Harfe und Orchester (UA 1904) – um nur ein paar Titel zu nennen.

Hier finde ich nun wiederum einen Vergleich mit seinem gleichaltrigen englischen Kollegen Frederick Delius (1862-1934) (der hierzulande im Vergleich zu Debussy leider fast unbekannt geblieben ist) sehr aufschlussreich – auch er steht für mich mit seinen zahlreichen stimmungsvollen und poetischen Orchestergemälden für so etwas wie einen „musikalischen Impressionismus“ und auch wenn man diesen Begriff kaum konkreter fassen kann (und ihn daher aus der Sicht mancher Musikwissenschaftler besser meiden sollte), so finde ich, dass man beim Anhören gerade der Orchesterkompositionen dieser beiden Zeitgenossen – so unterschiedlich diese im Einzelnen auch sein mögen – doch einen Eindruck davon bekommt, was man sich unter "Impressionismus in der Musik" vorstellen könnte - und mit welch vielleicht unerwarteter Bandbreite diese „Stilrichtung“ aufwartet…

Anlässlich des diesjährigen runden Debussy-Jubiläums haben gleich mehrere Label der Klassik-Branche in den vergangenen Monaten gut gefüllte und interessant zusammengestellte CD-Boxen herausgebracht, in denen jeweils die bekanntesten Klassiker (aber auch einige eher selten gespielte Raritäten wie z. B. die 1911 entstandene Schauspielmusik zu Le Martyre de Saint Sébastien, der man auch die Bewunderung Debussys für Richard Wagner anhören kann) versammelt sind. Gerade in Bezug auf die ganz unterschiedlichen Interpreten lohnt sich daher hier auch für Debussy-Neueinsteiger ein genauerer Vergleich der einzelnen Boxen. Ein richtiger Fehlgriff scheint mir aber keine dieser meist erfreulich preisgünstigen Kollektionen zu sein!

Neben der Orchestermusik ist bei Debussy natürlich auch und vor allem die Klaviermusik ein unverzichtbarer Teil seines Schaffens – wobei ich aber auch sein (einziges) Streichquartett g-moll op. 10 aus dem Jahr 1893 nicht unerwähnt lassen möchte.

Während Debussy in seinen Orchesterwerken virtuos und meisterhaft mit den verschiedenen Klangfarben der unterschiedlichen Instrumente spielen kann, ist er in seinen Klavierkompositionen zwar „nur“ auf dieses eine Instrument beschränkt – aber wenn man diese Musik hört, kann man beim besten Willen nicht von einer Beschränkung sprechen: Es ist unglaublich, welche Möglichkeiten der Klangentfaltung in feinsten Nuancen Debussy dem Klavier zu entlocken versteht!

Für Pianisten ist seine Musik eine echte Herausforderung: Zum einen muss man die zum Teil erheblichen technischen Anforderungen meistern (davon darf der Zuhörer beim Vortrag dann aber natürlich absolut nichts mehr merken!) und gleichzeitig größten Wert auf feinste dynamische Abstufungen und eine hochsensible Interpretation dieser poetischen Klangkunstwerke legen!

Neben Kompositionen wie Estampes, der Suite bergamasque, der L’isle joyeuse oder Masques haben es mir vor allem die 1904-07 enstandenen Images, und natürlich die 24 Préludes (entstanden zwischen 1909 und 1912) angetan.


Das verträumte Clair de lune, die mit Abstand populärste Klavierkomposition Debussys, entstammt übrigens der erwähnten Suite bergamasque (erschienen 1905). Als dritter von insgesamt vier Sätzen ist diese unverwüstliche „Mondscheinmusik“ immer und immer wieder als Soundtrack in zahllosen Filmen und auf –zig Klassik-Kompilationen zu finden.

Auffällig ist, dass Debussy fast ausnahmslos seinen Kompositionen (vor allem auch den einzelnen Sätzen in Zyklen wie z. B. den Préludes) ausgesprochen fantasievolle und poetische Überschriften verleiht.
Wenn man Titel wie Jardins sous la pluie („Gärten im Regen“), Les sons et les parfums tournent dans l’air du soir („Die Klänge und Düfte drehen sich in der Abendluft“) oder The snow is dancing liest, dann hat man quasi schon vage Bilder oder zumindest einigermaßen konkrete Stimmungen vorm inneren Auge, die dann durch Debussys zugehörige Musik quasi unsichtbar illustriert werden. Seine auffällige Vorliebe für Elemente wie Licht und Wasser (die man unter anderem auch häufiger in den Titeln von Klavierwerken Maurice Ravels antrifft!) ist auch für die impressionistische Malerei recht typisch.

Genau dieses Heraufbeschwören von Stimmungen und Szenerien, die zwar grob angedeutet werden, aber dem Zuhörer dennoch stets genug Spielraum für seine ganz eigenen Fantasien und inneren Bilder geben, das Ganze angereichert mit raffinierten Harmonien (gern auch durch exotische Einflüsse inspiriert) und einer aparten Instrumentierung (sofern ein Orchester ins Spiel kommt, natürlich) - das ist für mich „musikalischer Impressionismus“!
Weit ist der Weg von hier zu Bildern (bzw. zur dahinterstehenden Kunstauffassung) von Künstlern wie Monet & Co. dann nun wirklich nicht mehr, finde ich…

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Das heutige Mittagsprogramm, das unser Organist Wolfgang Abendroth für uns spielte, sah wie folgt aus:

Johann Gottfried Walther (1684-1748)
Choralbearbeitung "Meinen Jesum lass ich nicht"
Choraltrio "Mein Gott, das Herze bring ich dir"
Choralbearbeitung "Warum betrübst du dich, mein Herz"

Wolfgang Abendroth
Improvisation über den Psalm der Woche (Psalm 113)

Jehan Alain (1911-40)
Deuxième Fantaisie
Berceuse sur deux Notes qui cornent ("Wiegenlied über zwei Noten, die hängen")

Nach den einleitenden drei Choralbearbeitungen des Bach-Zeitgenossen und -Freundes J. G. Walther (der obendrein auch noch entfernt mit Johann Sebastian verwandt war) gab es heute wieder einmal eine Improvisation unseres Organisten zu hören!

Wolfgang Abendroth hatte sich diesmal nicht mit dem Lied, sondern mit dem Psalm der Woche beschäftigt und was er daraus machte, erinnerte mich spontan an klangprächtige und festliche Musik, die so um das Jahr 1900 herum beispielsweise von einem britischen Komponisten hätte verfasst werden können - anders ausgedrückt: Es hat mir sehr gut gefallen, was wir heute an Improvisatorischem zu hören bekommen haben!
Raffiniert auch das kleine melodische Zitat, das Herr Abendroth in seine Musik einfließen ließ - zum Vers 3 des Psalms 113 gibt es nämlich einen recht bekannten Kanon ("Vom Aufgang der Sone bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn!") und der Beginn dieses Kanons fand sich in der heutigen Improvisation dann auch wieder.

Zum Abschluss gab es dann noch zwei kleinere Stücke des früh verstorbenen Franzosen Jehan Alain: Eine recht exotisch anmutende Fantasie (mit zum Teil ziemlich unerwarteten Harmonien!) und ein kleines Stück, dass Alain aus dem Anlass komponierte - wie Herr Abendroth uns zu Beginn des Konzerts erzählte - dass zwei Töne auf der kleinen Orgel, die sein Vater besaß, "hingen" (also permanent gleichzeitig ertönten und sich nicht mehr abstellen ließen - ein Defekt, der bei Orgeln offenbar häufiger mal vorkommt).
Alain machte jedoch aus der Not eine Tugend und komponierte kurzerhand ein kleines Wiegenlied ("Berceuse"), in dem (zwangsläufig) von Anfang bis Ende die beiden "hängenden" Töne erklingen und sich der melodische und harmonische Rest des Stückes einfach drumherum gruppiert!
Eine originelle Idee, die - zumindest in diesem Stück - erstaunlich gut funktioniert - man muss sich halt zu helfen wissen...

Mittwoch, 15. August 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Passend zur schwül-heißen Witterung draußen, spielte unser Organist Wolfgang Abendroth heute ein ausgesprochen „gewittriges“ Programm für uns:

Justin Heinrich Knecht (1752-1817)
Die durch ein Donnerwetter unterbrochne Hirtenwonne
Eine musikalische Schilderung auf der Orgel

INHALT
I. Die Hirtenwonne in angenehmen, mannigfaltig abwechselnden Gesängen

II. Die allmähliche Herannahung eines Donnerwetters, welches sich sowohl durch ein fernes Donnern, als durch die schwüle (mit dumpfen Harmonien ausgedrückte) Luft ankündigt und die frohen Gesänge der Hirten störet

III. Der heftige Ausbruch des Donnerwetters selbst, unter welchem einigemale die in Jammern gekehrte Lieder der Hirten vernommen werden

IV. Der langsame Abzug desselben und die folgende Aufheiterung der Luft, endlich

V. Die Fortsetzung und der Beschluss der vorher unterbrochnen, wonnevollen Hirtengesänge.


Gewittermusiken der verschiedensten Art begegnen einem immer wieder in der Musikgeschichte – die musikalische Darstellung dieses eindrücklichen Naturereignisses scheint Komponisten der unterschiedlichsten Epochen stets aufs Neue inspiriert zu haben. Ich erinnere nur an Vivaldis Sommer aus seinen Quattro stagioni oder Beethovens 6. Symphonie, die Pastorale (UA 1808), die mit ihrer Thematik „Gewitter und darauf folgende dankerfüllte Hirtengesänge nach dem Sturm“ eine frappante Ähnlichkeit (allerdings nicht unbedingt musikalischer Art) zum heute gespielten „Orgelgewitter“ aufweist. Außerdem fallen mir noch die Gewittermusiken in Rossinis Opern Il barbiere di Siviglia (UA 1816) und La cenerentola (UA 1817) ein und nicht zu vergessen Richard Strauss‘ grandiose Alpensinfonie aus dem Jahr 1915, in der ein zünftiges Gewitter natürlich auch nicht fehlen darf!

Und um im Orgelbereich zu bleiben: Der Franzose Louis James Alfred Lefébure-Wély (1817-69), ein Komponist, von dem ich mir mehr Musik in unseren Orgelkonzerten wünschen würde, komponierte Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls eine Scène pastorale, also eine Hirtenidylle, in die plötzlich ein Gewitter hereinbricht, das eine Weile herumtobt, wobei die Orgel effektvoll einige grollende „Klangwolken“ von sich geben darf, bevor am Ende wieder die friedliche Szenerie des Beginns zurückkehrt.
Stücke wie dieses, in denen die Orgel wirklich zeigen kann, was sie „drauf hat“, wurden übrigens – wen wundert es – häufig für Orgeleinweihungen komponiert. Spektakulärer kann man ein neues Instrument wohl kaum dem Publikum vorstellen, würde ich mal sagen!

Während nun die erwähnte französische Scène pastorale gut 10 Minuten ihren Zauber und ihre Effekte verbreiten darf, benötigt das im heutigen Konzert zu Gehör gebrachte, im Jahr 1794 veröffentlichte Donnerwetter des Organisten und Stuttgarter Hofkapellmeisters Justin Heinrich Knecht, eines Zeitgenossen Mozarts und Beethovens (und mir bis dato völlig unbekannt), dann doch immerhin eine halbe Stunde, um – die ausführliche Beschreibung der fünf Abschnitte durch den Komponisten zeigt es – in aller Ausführlichkeit heraufzuziehen, herumzuwüten und danach allmählich wieder von dannen zu ziehen und die von Furcht gepeinigten Hirten voll Erleichterung zurückzulassen.

Das Stück beginnt mit einer Reihe von Variationen über eine volkstümlich-einfache Melodie, die den Gesang der Hirten darstellen soll. Der Komponist wählt hierfür – wie eigentlich fast schon zu erwarten war – den für solche Pastoralmusiken charakteristischen 6/8-Takt, also einem wiegenden Dreierrhythmus, wie er vor allem im 18. Jahrhundert immer wieder verwendet wurde, um bei den Zuhörern Assoziationen musizierender Hirten zu erwecken (vor allem natürlich in weihnachtlichen Musikstücken!). Ein Stilmittel, das damals beim Publikum in der Regel auch sofort richtig gedeutet wurde.

Sehr wirkungsvoll verdüstert sich nun allmählich die Umgebung, man spürt förmlich die drückende, lastende Schwüle, die die bislang so heitere Stimmung erlahmen und eine ängstliche Atmosphäre aufkommen lässt, wenn zum ersten Mal dumpfes Donnergrollen (geht mit der Orgel wirklich gut!) in der Ferne zu hören ist.
Diesen Teil hat der Komponist wirklich ausgesprochen raffiniert hinbekommen!

Das eigentliche Gewitter wird zum einen durch schnelle hohe Tonfolgen (Blitze) und fast schon modern anmutende clusterartige Zusammenballungen der tiefsten Basstöne (Donner) musikalisch hervorgerufen, während dazwischen quasi die Gewittersturmböen anhand zahlreicher virtuoser Läufe dargestellt werden. Unterbrochen wird das Ganze zeitweise durch das schon im Programm erwähnte Jammern der Hirten: Das zu Beginn fast schon ein bisschen zu ausführlich vorgestellte heitere Thema klingt nun auf einmal ganz verzagt und steht nun natürlich in Moll.

Wenn dann das Donnerwetter sich endlich beruhigt hat, folgen noch einige weitere Variationen des nun bereits sattsam bekannten Themas, bevor das Ganze dann friedlich und heiter schließt und der Bogen zum Beginn dieser umfangreichen Komposition geschlagen wurde.

Das war heute wirklich ein wunderbar zur Jahreszeit passendes „Naturerlebnis“ der etwas anderen Art!

Montag, 13. August 2012

Jules Massenet - 100. Todestag

Heute vor genau 100 Jahren verstarb mit Jules Massenet der wohl erfolgreichste und produktivste französische Opernkomponist des späten 19. bzw. frühen 20. Jahrhunderts.

Massenet, geboren am 12.05.1842, war am Pariser Konservatorium unter anderem Schüler der berühmten Opernkomponisten Ambroise Thomas (1811-96) und Charles Gounod (1818-93), deren inoffizielle Nachfolge er dann als führender französischer Opernkomponist seiner Zeit antrat.

Wie bei vielen berühmten französischen Komponisten (darunter auch seine Lehrer Gounod und Thomas) bildete auch für Massenet der Gewinn des Prix de Rome (im Jahr 1863) den Grundstock für seine spätere Karriere. Das mit dem Gewinn dieses renommierten Preises verbundene Stipendium, das einen dreijährigen Aufenthalt in der Villa Medici in Rom beinhaltete, nutzte er, um seinen künstlerischen Horizont zu erweitern und auch italienische Einflüsse in seine Musik zu integrieren.
Erwähnenswert finde ich die Tatsache, dass Massenet seine ersten Erfahrungen im Theatermetier als Schlagzeuger (Pauker) im Orchester des Pariser Théâtre-Lyrique sammelte. Meist hört man von Komponisten, die irgendein Streichinstrument in größeren oder kleineren Ensembles gespielt haben, ein Schlagzeuger wie Massenet ist mir jedenfalls noch nie begegnet! Darüber hinaus spielte er aber zu Beginn seiner Karriere auch noch Klavier in Kaffeehäusern, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Neben mehreren anderen Funktionen und Mitgliedschaften in einflussreichen französischen Künstler- und Musikergesellschaften war er von 1878 bis 1893 als Professor für Komposition am Pariser Konservatorium tätig und somit auch einflussreicher Lehrer einer ganzen Generation nachfolgender Musiker und Komponisten.

Neben einigen Orchesterwerken, darunter auch ein Klavierkonzert, sowie zahlreichen Liedern (Gesangsstimme mit Klavierbegleitung) und Oratorien (u. a. Marie-Magdeleine [1873], Ève [1875], La vierge [1880]), die heute jedoch leider allesamt eher selten aufgeführt werden, ist Massenet bis heute vor allem durch seine zahlreichen Opernkompositionen im Gedächtnis geblieben.

Auch wenn viele davon heute leider nicht mehr (oder lediglich sehr selten) aufgeführt werden, gehören zumindest seine 1884 entstandene Oper Manon und sein 1892 uraufgeführter Werther bis heute zum Standardrepertoire der Opernhäuser weltweit (auch wenn sie nicht so häufig auf den Spielplänen stehen wie Opern von Mozart, Verdi oder Puccini).

Während sich über viele Jahre hinweg hierbei die Manon an der Spitze der Beliebtheit seiner Opern hielt, habe ich persönlich den Eindruck, dass der Werther ihr mittlerweile den Rang abgelaufen hat – gerade auch hier in Deutschland, wo man ja lange die Nase rümpfte über das Sakrileg, dass ausgerechnet die Franzosen es wagten, immer wieder neue Veroperungen von Stoffen des deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang Goethe auf die Bühne zu bringen, was man als respektlos und in der Regel den literarischen Vorlagen gegenüber als unangemessen betrachtete (ich verweise unter anderm auf Gounods Faust von 1859 oder Thomas‘ Mignon von 1866)!
Aber in der heutigen Zeit (wo sowieso niemand mehr Goethe freiwillig selber liest *hüstel*) ist man am Ende vielleicht sogar ganz dankbar, den berühmten Werther-Stoff nun – versehen mit einfühlsamer Musik – auf der Opernbühne erleben zu können und ein prominenter Werktitel wie dieser zieht natürlich fast schon automatisch Aufmerksamkeit auf sich!

Bei der Wahl seiner Opernsujets folgt Massenet durchaus einem Trend seiner Zeit: Zum einen gibt es viele Stoffe, die an exotischen Orten spielen (bevorzugt an orientalischen Schauplätzen), es werden aber auch bevorzugt große Werke der Weltliteratur „veropert“
sowie Märchen- und Sagenstoffe aufgegriffen, so zum Beispiel die Aschenputtel-Oper Cendrillon (uraufgeführt 1899).

Massenets Opernstil greift den der gefühlsbetonten Opéra lyrique (auch die Bezeichnung Drame lyrique findet man häufiger) seines Lehrers Gounod auf – das Hauptinteresse dieser Opernstilrichtung gilt hier der ausführlichen Schilderung der verschiedenen Gefühlszustände der Hauptfiguren, während „dramatische Knalleffekte“ oder pompöse Massenszenen, wie sie noch in der älteren Grand opéra um die Mitte des 19. Jahrhunderts üblich waren, eher in den Hintergrund treten.

Dabei integrierte Massenet durchaus auch Einflüsse aus der italienischen Oper seiner Zeit und auch von der damals ja extrem einflussreichen Opernästhetik Richard Wagners (1813-83) ließ er sich zu seinem ganz eigenen, eleganten Stil inspirieren, der krasse und grelle Effekte vermeidet, wie sie der im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts vor allem in Italien aufkommende Verismus mit seinen möglichst realistischen Milieuschilderungen propagiert – ein Metier, das bei Massenet in dieser Form gar nicht vorkommt.

In diesem Zusammenhang ist ein Vergleich mit seinem italienischen Zeitgenossen Giacomo Puccini (1858-1924) interessant und aufschlussreich.
Gerade wenn man Massenets Oper Manon mit Puccinis nur acht Jahre später entstandener (und am 01.02.1893 in Turin uraufgeführten) Manon Lescaut vergleicht – beide Oper basieren auf dem 1731 veröffentlichten gleichnamigen Roman des Abbé Prévost (1697-1763) – fällt einem sehr deutlich die ganz unterschiedliche Herangehensweise beider Komponisten an die Vertonung dieses Stoffes auf: Bei Massenet ist es die psychologisch feinfühlige Charakterschilderung der beiden Hauptfiguren Manon und Des Grieux, bei Puccini das mit dramatischen Wendungen gespickte, leidenschaftliche Liebesdrama dieses ungleichen Paares.

Von Puccini habe ich ein etwas despektierliches Zitat über Massenets Umsetzung des Manon-Stoffs gefunden, in dem der grundverschiedene ästhetische Ansatz beider Komponisten deutlich wird:
"Massenet empfindet als Franzose, mit Puder und Menuetten. Ich als Italiener spüre die rasende Leidenschaft darin.“

Vielleicht liegt es daran, dass Puccini mit seiner Nähe zum damals sehr modernen Verismus und seiner italienisch-südländischen Neigung zu Dramatik und Liebensleidenschaft bis heute eindeutig der erfolgreichere und mit Abstand häufiger gespielte Komponist geblieben ist (und das bezieht sich ja nicht nur auf den Manon Lescaut-Stoff!) – die psychologisch raffinierte, aber eben auch lyrischere und elegantere Musik Massenets kam eben nicht immer beim Publikum in diesem Maße an.

Von der (Opern-)Musik Massenets ist es dann auch nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt zu den psychologisch oft ebenfalls sehr ausgeklügelten Opern des frühen 20. Jahrhunderts, wie zum Beispiel Pelléas et Mélisande (Uraufführung im Jahr 1902) von Claude Debussy (1862-1918), in der auch fast vollständig auf eine äußere Handlung zu Gunsten der musikalischen Schilderung der Seelenzustände der auftretenden Figuren verzichtet wird.

Genau dieser aus heutiger Sicht (im Gegensatz zur Entstehungszeit) vielleicht viel interessanter erscheinende psychologische Aspekt dieser Opernmusik hat so ca. seit den 1970er Jahren allmählich zu einer spürbaren Renaissance der Musik dieser Epoche geführt, von der auch Massenets Opern profitieren.

So ist zum Beispiel Massenets 1910 in Monte Carlo uraufgeführter (und über Jahrzehnte fast vollständig in der Versenkung verschwundener) Don Quichotte in den letzten Jahren häufiger auf den Opernbühnen anzutreffen (vor ca. 6 Jahren habe ich diese wirklich schöne Oper auch mal bei uns in Köln erleben können!), oder auch die 1894 uraufgeführte Thaïs hat seit den 1990er Jahren einen neuen Popularitätsschub erlebt, nicht zuletzt dank der prominenten und viel bejubelten Besetzung mit Renée Fleming und Thomas Hampson in den Hauptrollen.


Aus Thaïs stammt dann übrigens auch die bis heute wohl berühmteste und beliebteste Komposition Massenets, die in dieser Oper als instrumentales Zwischenspiel fungierende Méditation für Violine und Orchester, die auf so gut wie keinem „Best of Klassik“-Album oder den unzähligen „Die schönsten Melodien für romantische Stunden zu zweit“-Kompilationen fehlen darf! Kein(e) namhafte(r) Geiger(in), der dieses auch gerne als Zugabe gespielte Stück nicht im Repertoire hätte!


Die wohl bekannteste Arie Massenets (um mal bei den Gesangsstücken zu bleiben) dürfte wohl das vom Tenor-Titelhelden vorgetragene, leidenschaftliche „Pourquoi me réveiller“ aus dem Werther sein.

Erfreulicherweise ist die Diskographie vor allem von Massenets Opern recht reichhaltig – hier finden sich auch selten gespielte Werke in durchaus prominenten Besetzungen auf dem Markt!

Eine Entdeckungstour durch diesen poetischen Opernkosmos lohnt auf jeden Fall!

Anders als bei zahlreichen Gedenktagen anderer Komponisten sind in diesem Jahr tatsächlich entweder Wiederveröffentlichungen länger vergriffener Aufnahmen erschienen, aber auch ausgesprochen interessante Neueinspielungen wie zum Beispiel eine Auswahl aus den zahlreichen Klavierliedern Massenets!

Mittwoch, 8. August 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Nachdem die Lunch-Time-Orgel in der vergangenen Woche leider kurzfristig ausfallen musste, wurden wir dafür im heutigen Mittagskonzert mit verschiedenen musikalischen Umsetzungen von Psalmen (bzw. deren Texten) entschädigt.

Wolfgang Abendroth spielte folgendes Programm für uns:

Anthoni van Noordt (1619-75)
Psalm 7 (in drei Versen)

J. S. Bach (1685-1750)
Choralbearbeitung "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" (Psalm 130)
aus dem "Dritten Teil der Klavierübung"
Choralbearbeitung "An Wasserflüssen Babylon" (Psalm 137)
aus den "Leipziger Chorälen"

Otto Malling (1848-1915)
Der 33. Psalm
Der 23. Psalm


Ich finde es immer besonders interessant, wenn einem im Konzert Komponisten begegnen, von denen man bisher noch nie etwas gehört hat - heute war es wieder mal soweit:
Weder der Niederländer Anthoni van Noordt, der in Amsterdam wirkte und unter dem Einfluss des berühmten Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621) ausgebildet wurde und komponierte, noch der Däne Otto Malling, ein Schüler des berühmten Niels Wilhelm Gade (1817-90) und später unter anderem Organist an verschiedenen Kirchen Kopenhagens waren mir bislang ein Begriff.

Während Anthoni van Noordts dreiteilige Variationen über eine Choralmelodie, die zu den Worten des 7. Psalms verfasst wurde und in der die Melodiestimme in verschiedenen Stimmlagen auftaucht, wohl als ein recht typisches (Orgel-)Werk aus der Mitte des 17. Jahrhunderts bezeichnet werden kann, ließen die beiden Psalmvertonungen des "spätromantischen Dänen" Malling aufhorchen:
Was es hier an zum Teil überraschenden Harmonien, melodischen Wendungen und Rhythmen zu hören gab, hätte ohne Weiteres auch aus Jahren stammen können, die nach Mallings Todesjahr 1915 liegen!
Der Mann schien seiner Zeit voraus zu sein (so habe ich das jedenfalls empfunden) und nahm bereits einiges musikalisch vorweg, was Jahre später erst kommen sollte.
Die leicht exotisch-orientalischen Anklänge des 33. Psalms mit ihren rhythmisch zum Teil unerwarteten aber genau deshalb gerade so faszinierend fremdartig klingenden Passagen fand ich sehr apart, während die Vertonung des bekannten 23. Psalms vor allem die im Text formulierte Geborgenheit und die friedliche Stimmung musikalisch ausdrückte - ein etwas unruhigerer und düsterer Mittelteil sollte kontrastierend dazu wohl die im Text erwähnten "Feinde" und das sprichwörtliche "finstere Tal", durch das gewandelt wird, symbolisieren.

Wieder einmal eine echte Entdeckung!

Dienstag, 7. August 2012

Neuerwerbung

Da der Sommer in diesem Jahr hier bei uns irgendwie nicht wirklich stattfinden will, habe ich beschlossen, mich an das zu halten, was schon die Wise Guys vor ein paar Jahren so schön formuliert haben: Ganz egal, ob es stürmt oder friert, Sommer ist, was in deinem Kopf passiert!

Naja – und da ich für mein sommerliches „Kopfkino“ gerne die entsprechende Stimmung evozierende Musik hinzuziehe (ich erinnere an meine Ausführungen zum Thema Klassik im Sommer), ergab sich vor ein paar Tagen nun quasi wie von selbst die Gelegenheit, sich einmal etwas eingehender mit der kürzlich erschienenen zweiten Solo-CD des neuen Gitarren-Beaus Miloš Karadaglić zu befassen.

Latino heißt sie und das auf ihr enthaltene Programm stellt eine bunte Mischung klassischer Gitarrenkompositionen des 20. Jahrhunderts aus Lateinamerika dar.

Nach seiner im Vorjahr erschienen Debüt-CD mit dem Titel Mediterráneo (und ihrem entsprechend mit Kompositionen aus dieser Region zusammengestellten Programm) ist es eigentlich nur konsequent, dass Miloš Karadaglić sich nun der zweiten Region zuwendet, in der die Gitarre ebenfalls so etwas wie das unverzichtbare Universalinstrument darstellt und es entsprechend viel interessante Musik zu entdecken gibt!

Und so finden sich neben bekannten Größen wie Astor Piazzolla (1921-92) oder Heitor Villa-Lobos (1887-1959) auf der neuen CD dann auch eine Menge dem durchschnittlichen mitteleuropäischen Musikfreund gänzlich unbekannte Komponistennamen.

Und neben ein paar recht bekannten Melodien wie z. B. der des Tango-Klassikers La cumparsita, den wohl jeder schon einmal irgendwo gehört hat, bekommt man dann auch eine Reihe schöner und stimmungsvoller Kompositionen zu hören, die für uns Hiesige wohl eher völliges Neuland bedeuten dürften und die mit Sicherheit neugierig auf Mehr machen dürften – so ging es mir jedenfalls beim Anhören: Die angestrebte (und erhoffte) Assoziation mit Sommer, Sonne, feurigen lateinamerikanischen Tänzern in exotischer Kulisse hat jedenfalls relativ problemlos funktioniert…

„Mission erfüllt!“ könnte man dem jungen, souverän und scheinbar mühelos aufspielenden Solisten und dem auf dieser CD vorgestellten Programm also zurufen.
Etwas ärgerlich, weil eigentlich völlig überflüssig, sind allerdings die vier der insgesamt sechzehn Stücke, in denen der Gitarrist von einem Orchester (dem Studioorchester der Europäischen FilmPhilharmonie) begleitet wird: Sie wirken in dem ansonsten rein solistischen Programm wie Fremdkörper, zumal das Orchester in keinem der vier Stücke wirklich Substantielles beitragen kann und eine reine Begleitfunktion ausübt. Da es sich bei sämtlichen Stücken laut CD-Booklet auch noch um Orchester-Arrangements handelt, die offenbar eigens für diese Aufnahme entstanden sind, fragt man sich schon, warum man sich überhaupt diese Mühe gemacht hat? Wollte man überflüssigerweise etwas Abwechslung in das ansonsten reine Gitarren-Soloprogramm bringen?
Das Ganze hätte man sich meiner Meinung nach wirklich sparen können – immerhin: Auf der letztjährigen Debüt-CD von Miloš Karadaglić gab es ja ebenfalls ein solches orchesterbegleitetes Stück zu hören – und da es dort tatsächlich nur ein Titel war, muss man bei der neuen CD wohl schon von einem echten Fortschritt sprechen…

Es wird wohl Absicht der Marketingstrategen sein, dass derartige CDs mit Gitarrenmusik immer rechtzeitig vor dem Sommer (oder dem, was sich zumindest so nennt…) neu erscheinen – offenbar geht es nicht nur mir so, dass ich Gitarrenmusik am liebsten (oder eigentlich fast ausschließlich) während der heißen Jahreszeit höre.

Ich bin gespannt, was man als nächstes Projekt mit dem sympathischen Miloš plant (wahrscheinlich erfahren wir es aber nicht vor dem Frühsommer 2013) – meine ja schon im Vorjahr abgegebene Prognose in Richtung Concierto de Aranjuez von Joaquin Rodrigo halte ich nach wie vor aufrecht, wenn ich auch in diesem Jahr (noch) enttäuscht worden bin, allerdings auf positive Art und Weise… *zwinker*