Mittwoch, 29. Februar 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Das heutige Mittagskonzert konnte mit einer interessanten Premiere aufwarten:

Unser Organist Wolfgang Abendroth weihte heute den neuen mobilen Fernspieltisch der Beckerath-Orgel der Düsseldorfer Johanneskirche ein, was bedeutete, dass er heute erstmalig ein Konzert vor den Augen seines Publikums spielen konnte, statt wie üblich auf der Empore hinter der großen Orgel verschwinden zu müssen!

Der neue Fernspieltisch verfügt über sämtliche Funktionen und Register, die der Organist auch am "althergebrachten" Spieltisch der Orgel auf der Empore vorfindet, nur, dass die Registereinstellungen sowie die Tasten- und Pedalanschläge jetzt elektronisch und nicht mehr mechanisch an die Pfeifen übermittelt werden.
Das hat allerdings den Nachteil, dass es auf diese Weise eine Verzögerung zwischen Tastenanschlag und eigentlicher Tonerzeugung gibt (ca. eine halbe bis eine Sekunde), worauf man sich beim Spielen natürlich erst einmal einstellen müsse, wie Herr Abendroth uns vor Konzertbeginn erläuterte.
Diese Verzögerung stelle ich mir wirklich gewöhnungsbedürftig vor - gerade bei einer Orgel, wo man ja gleich mehrere Manuale und die Pedale irgendwie in Einklang bringen muss!
Das heute präsentierte Programm ließ allerdings nicht erkennen, dass unser Organist mit diesem Umstand noch irgendwelche Schwierigkeiten hatte. Und so kam es, dass ich heute nach so vielen Jahren regelmäßiger Lunch-Time-Orgel-Konzertbesuche zum allerersten Mal unseren Organisten beim Spielen beobachten konnte!

Folgendes Programm aus Spätbarock bzw. der nachfolgenden Epoche der Empfindsamkeit (oder Vorklassik) hatte Herr Abendroth für diesen Anlass ausgewählt:

J. S. Bach (1685-1750)
Präludium und Fuge h-moll (BWV 544)

Johann Ludwig Krebs (1713-80)
Präludium und Choral "Jesu, meine Freude"

Johann Gottfried Walther (1684-1748)
Partita über "Jesu, meine Freude"


Neben dem verhältnismäßig kurzen Präludium und Choral des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs gefiel mir die abwechslungsreiche Variationenreihe von Johann Gottfried Walther über den bekannten Choral "Jesu, meine Freude" besonders gut.

Eindeutiger Höhepunkt des Konzerts war jedoch definitiv Bachs Präludium und Fuge h-moll (BWV 544) - ein ziemlicher Gegensatz zur Interpretation, die ich vor drei Wochen noch im Konzert von Cameron Carpenter erleben konnte! War der Ansatz des Amerikaners schon fast übertrieben verinnerlicht und zart, so nutzte Herr Abendroth gerade beim einleitenden Präludium durchaus die volltönenden Register der Orgel, ohne jedoch hier zu dick aufzutragen und das Ganze im dramatischen Pomp zu ertränken.
Und diese Interpretation hat mir im direkten Vergleich deutlich besser gefallen.

Vielleicht wird es künftig nicht immer Konzerte geben, die vom neuen Fernspieltisch aus bestritten werden, aber es ist auf jeden Fall eine tolle Ergänzung und Abwechslung, die uns Zuhörern da seit heute geboten wird!

Schaltjahr!

Heute ist er also mal wieder - der berühmte Tag, den es nur (fast) alle vier Jahre einmal gibt (in den sogenannten "Säkularjahren", die nicht durch 400 teilbar sind, fällt der Schalttag nämlich ebenfalls weg - also in den Jahren 1800, 1900, 2100, etc.)!
Als selber im Februar Geborener (zum Glück mit etwas mehr als einer Woche "Sicherheitsabstand" zu diesem vertrackten Datum) kann ich es den unglücklichen Geburtstagskindern, die tatsächlich an einem 29. Februar das Licht der Welt erblickten, gut nachfühlen, dass sie sich mit Sicherheit darauf freuen, in diesem Jahr endlich wieder einmal am richtigen Tag ihren Geburtstag feiern zu können!

Allen Geburtstagskindern des heutigen Tages daher einen herzlichen Glückwunsch!

Sollte man irgendwann einmal in die Verlegenheit kommen, ein prominentes Beispiel für einen solchen "Schalttags-Jubilar" nennen zu müssen, ist man in der Welt der Klassik (wie so oft) natürlich bestens aufgehoben:
Der im Jahr 1792 geborene Gioachino Rossini dürfte hier der wohl mit Abstand prominenteste Kandidat sein - man befindet sich also in bester Gesellschaft an diesem 29. Februar!

1796 durfte der kleine Gioachino dann zum ersten Mal die Wiederkehr seines Geburtstags feiern und musste dann gleich acht Jahre (!) auf das nächste Mal warten, denn - wie erwähnt - das Jahr 1800 war ja kein Schaltjahr.

Immerhin - "Schaltjahreskinder" bleiben lange jung: Rossini war 5 (gut, der 5. Geburtstag kam eine Woche nach der Uraufführung, aber man will ja nicht kleinlich sein), als er mit dem Barbier von Sevilla seinen wohl größten Opernerfolg feierte - das Wunderkind Mozart ist ein Dreck dagegen :-)

Allerdings starb Rossini dann auch ein gutes halbes Jahr nach seinem 18. Geburtstag (Rechenaufgabe - wann war das dann?) und am heutigen 29.02.2012 hätte er seinen 53. Geburtstag feiern können - tanti auguri, maestro!

In einer witzigen Kombination aus dem englischen Begriff für Schaltjahr "leap year" (to leap = springen, hüpfen) und der Darstellung einer Szene aus Rossinis Barbier würdigt Google heute mit einem seiner sogenannten Doodles denn auch das berühmte Geburtstagskind.

©Google

Die Doodle-Frösche führen die Szene zu Beginn des 2. Aktes auf, in der Figaro gerade dabei ist, den misstrauischen Don Bartolo mit gehörig Schaum einzuseifen, um ihn zu rasieren (und damit abzulenken); währenddessen erhält Don Bartolos Schutzbefohlene Rosina (auf deren Geld er es abgesehen hat) gerade eine Gesangsstunde von ihrem inkognito als Musiklehrer auftretenden Verehrer, dem Grafen Almaviva.

Freitag, 24. Februar 2012

Fundstück der Woche - Konzertplakat

Auf der Straße vor unserem Bürogebäude hängt nun schon seit ein paar Wochen ein Plakat der Düsseldorfer Tonhalle, die unter dem Motto „Einfach fühlen“ eine neue Werbekampagne mit mehreren Motiven und Slogans gestartet hat.

Jedes Mal, wenn ich an dem Plakat vorbeigehe und mir der Spruch „Belohn dein Großhirn. Schenk ihm eine Auszeit“ ins Auge fällt, muss ich unwillkürlich an den Otto Waalkes-Sketch denken, in dem es immer heißt „Großhirn an Leber/ Milz/ Magen, etc.“ (kennt den noch jemand?) – das ist mit Sicherheit eine Assoziation, die von den kreativen Köpfen, die sich diese Kampagne ausgedacht haben, nicht so ganz beabsichtigt war. In dem Zusammenhang würde mich mal interessieren, wie vielen Passanten es spontan so geht wie mir, wenn sie an diesem Plakat vorbeigehen.

Wenn ich dann einen Moment länger über diesen Slogan nachdenke, stört mich an „Belohn dein Großhirn. Schenk ihm eine Auszeit“ im Zusammenhang mit dem Besuch eines klassischen Konzerts in der Tonhalle eigentlich vor allem die Tatsache, dass damit offenbar suggeriert wird, dass man bei einem solchen Konzert das Denken komplett abschalten soll (und das auch noch als Belohnung aufgefasst wird!) – ich schätze an Klassik eigentlich gerade den Umstand, dass man es hier mit Musik zu tun hat, bei der man zur Abwechslung auch mal mitdenken kann bzw. muss (andernfalls wird es beim Anhören z. B. einer Bruckner-Symphonie schon etwas schwierig mit dem totalen „Abschalten“). Man entdeckt – auch wenn man manche Stücke schon zum –zigsten Male gehört hat – doch immer wieder irgendetwas Neues, so vielschichtig und ausgefeilt sind viele Kompositionen.

Oder sehe ich das zu eng?

Bei dem Motto „Auszeit fürs Großhirn“ in Verbindung mit Musik denke ich jedenfalls eher an TV-Sendungen wie „Die ultimative Chart-Show“ oder „Musikantenstadl“ (auch wenn man sich bei manch einer dieser Sendungen wohl eher wünschen würde, gar kein Großhirn zu haben…).

Einige weitere Plakate dieser Tonhallen-Werbekampagne habe ich mittlerweile auch noch entdeckt – sie ziert jeweils eine Porträt-Aufnahme einer/s möglichen Konzertbesuchers/ -in, kombiniert mit einem knackigen Satz, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Aussage zumindest kurzzeitig Aufmerksamkeit erregt – mehr kann man von einer Plakataktion wohl nicht erwarten, oder?

Folgende Plakate habe ich noch gefunden:

„Mach einen Ausflug. Besuch deinen inneren Zoo.“ (Bild eines kleinen Mädchens mit seinem Teddybären)

„Vergiss das kleine Schwarze. Trag Gänsehaut.“ (junge Dame, ca. 20 Jahre alt)

„Riskier alles. Leib, Seele, Männlichkeit.“ (älterer Herr, ca. 70 Jahre alt, mit Tränen in den Augen und gezücktem Taschentuch)

„Tu was fürs Herz. Stecke es in Flammen.“ (Dame, ca. 40 Jahre alt)

Die Plakate und die etwas schrägen, aber doch sehr fantasievollen Sprüche fallen ins Auge, das muss man sagen. Und im Großen und Ganzen finde ich den „Großhirn“-Slogan von den hier vorgestellten noch am wenigsten gelungen.

Aber das muss man den Düsseldorfern lassen – im Vergleich zu den Kölnern sind ihnen in den letzten Jahren immer wieder mal witzige bis ungewöhnliche Plakataktionen gelungen.
Ich denke da z. B. an die Plakate, auf denen verschiedene Musiker der Düsseldorfer Symphoniker mit ihren Instrumenten abgebildet waren und die jeweils mit dem Schriftzug „Ich bin ein DÜSY“ verziert waren.
Es dürfte gut und gerne 7 bis 8 Jahre her sein, dass diese Plakate überall in Düsseldorf zu sehen waren – aber der unglaublich griffige Slogan „Ich bin ein DÜSY“ ist bis heute präsent geblieben!

Oder die Konzertplakate, auf denen ein großer schwarzer Hund (bekleidet mit einem roten Strickpullover) am Meeresufer sitzt und aufs Wasser hinausblickt, während am Horizont darüber das Programm des nächsten Konzerts angekündigt steht (in Verbindung mit einer thematisch mehr oder weniger dazu passenden Illustration) – das war schon deshalb ein Hingucker, weil dieses Hunde-Strand-Motiv so rein gar nichts mit einem klassischen Konzert zu tun hatte. Auf so eine Idee muss man erstmal kommen!

Im Gegensatz dazu kann ich mich nicht wirklich an Werbeplakate für die Kölner Philharmonie oder das Gürzenich-Orchester erinnern. Wenn es sie gab (oder gibt), dann waren die allesamt irgendwie „nur“ nüchtern, zweckmäßig und definitiv wenig originell – ob man es in der Domstadt nicht nötig hat, in diesem Bereich auf sich aufmerksam zu machen?

Auch wenn es den Kölner schmerzt - hier geht der Punkt eindeutig an Düsseldorf!

Mittwoch, 22. Februar 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Im heutigen Mittagskonzert spielte Wolfgang Abendroth folgendes Programm für uns:

Girolamo Frescobaldi (1583-1643)
Toccata IX
Toccata XI

Théodore Dubois (1837-1924)
aus den 7 Petites Pièces pour Orgue:
Prélude - Cantilène - Marcietta - Interlude - Prière - Sortie


Weithin bekannte italienische Orgelkomponisten gibt es nicht allzu viele - Girolamo Frescobaldi dürfte da schon der mit Abstand bekannteste unter ihnen sein! Seine Toccaten klingen in ihrer freien, zum Teil wie improvisiert wirkenden Form und mit ihren vielen unerwarteten Tempowechseln und überraschenden Harmonieentwicklungen irgendwie erstaunlich modern, jedenfalls nicht unbedingt wie Musik aus dem Frühbarock, also der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (obwohl man aus dieser Zeit eh nicht so häufig Musik zu hören bekommt wie aus dem 18. oder 19. Jahrhundert und das daher sowieso schwer einschätzen kann)!
Wolfgang Abendroth spielte diese Stücke auf der großen Beckerath-Orgel betont zurückgenommen (die Orgeln des 17. Jahrhunderts waren im Vergleich zu diesem Rieseninstrument eh winzig!) und verwendete verschiedene Registrierungen (also unterschiedliche Klangfarben) auch nur, um die einzelnen Unterabschnitte, aus denen sich beide Toccaten zusammensetzten, besser voneinander abzuheben.

Im Anschluss gab es wieder einmal Musik aus der französischen Romantik - sechs der sieben kleinen Orgelstücke (die sooooo klein gar nicht sind!) von Monsieur Dubois, allesamt abwechslungsreiche, mehrheitlich eher ruhige und gesangliche Sätze, denen am Ende eine lebhaftere Sortie, also ein klassischer musikalischer "Rausschmeißer" (meist für das Ende des Gottesdienstes gedacht) folgte.

Ein interessanter Gegensatz zur vorangegangenen Barockmusik!

Donnerstag, 16. Februar 2012

Philharmonie-Konzert: Cameron Carpenter

Auch im Bereich der Klassik gibt es Musiker, die mit ihrer Art deutlich aus dem Rahmen des Üblichen fallen – gerade in der doch eher konservativen Welt altehrwürdiger Konzertsäle und prunkvoller Opernhäuser erregt man mit einem (wie auch immer) unangepassten Auftreten allerdings nach wie vor deutlich mehr Aufmerksamkeit als im Bereich von Jazz- oder Pop-Musik.

Da gibt es neben den kauzig-exzentrischen Vertreten à la Glenn Gould oder den jugendlich-stürmischen Rebellen vom Typ Ivo Pogorelich auch den – allerdings nicht so häufig wie die beiden zuvor erwähnten Prototypen - im Klassik-Zirkus anzutreffenden „Paradiesvogel“, der vor allem durch seine rein äußerliche Aufmachung für einen klassischen Musiker exotisch wirkt.

Der britische Violinist Nigel Kennedy, der vor allem in den 1980er Jahren beim Konzertpublikum mit seinem Punker-Image für Irritation und Faszination gleichermaßen sorgte, war hier sicherlich ein Vorreiter.

Seitdem ist natürlich viel Zeit vergangen und die seitdem nachgewachsenen Generationen junger klassischer Musiker(innen) gehen mittlerweile viel unverkrampfter mit vielen steif und altbacken erscheinenden Riten oder auch Kleidungsvorschriften im Konzertbetrieb um, was ich ganz sympathisch finde.
Um hier noch auffallen zu können, muss man heutzutage dann schon ein paar wirklich unkonventionelle Ideen an den Tag legen – und dem 1981 geborenen US-amerikanischen Organisten Cameron Carpenter ist hier dann doch noch einiges eingefallen, um schon Aufmerksamkeit zu erregen, bevor er überhaupt seiner eigentlichen musikalischen Beschäftigung nachgehen kann:
Seine von einem gewissen athletischen Körperkult ausgehenden figurbetonten Outfits, die er sowohl privat als auch auf der Bühne trägt, sind mittlerweile schon legendär – wenn er die Konzertbühne in seinen in den Farben schwarz und weiß gehaltenen, reichhaltig mit funkelnden Strass-Steinen bestückten Jacken, Hemden, Hosen und Schuhen betritt, dann umweht ihn schon eine für Besucher klassischer Konzerte ziemlich ungewohnte Aura von Glamour, Broadway oder Las Vegas.

Carpenter hat das Glück, dass er außerdem als Organist auch noch eine echte Marktlücke füllen kann – gerade der „Spezies“ der Organisten unterstellt man ja gerne eine gewisse Verschrobenheit, die mit einem nicht gerade publikumswirksamen Auftreten einhergeht. Das mag zwar in den meisten Fällen kompletter Unsinn sein, aber allein die Tatsache, dass man einen Organisten während seines Konzerts meistens nicht zu sehen bekommt, weil er z. B. in der Kirche auf irgendeiner versteckten Orgelempore seine Register ziehen muss und sich allenfalls am Ende kurz und scheu seinem ihm applaudierenden Publikum an der Brüstung der Empore zeigt, sorgt natürlich für die Entstehung solcher Klischees – ich wüsste keine andere Musikergruppe, die sich während der Ausübung ihrer Tätigkeit (in der Regel durch räumliche Gegebenheiten hierzu genötigt) so gut vor ihrem Publikum verbergen kann oder muss, wie eben die der Organisten.

Nun, Cameron Carpenter zählt ganz gewiss nicht zur Gruppe dieser Klischee-Organisten, was wohl auch ein Grund dafür ist, dass er nicht so gerne in Kirchen spielt. Wann immer es ihm möglich ist, bevorzugt er große, moderne (und entsprechend klanggewaltige) Konzertorgeln - die es in modernen Kirchen allerdings auch gibt - deren Spielpulte sich individuell im Raum positionieren lassen und es auch Organisten ermöglichen, ähnlich wie z. B. Pianisten direkt vor ihrem Publikum in die Tasten (und Pedale!) zu greifen. Gerade die Tatsache, dass das Publikum beim Organisten ja viel mehr zu sehen bekommt, als beim „gewöhnlichen“ Pianisten, spricht für Mr Carpenters Präferenz solcher Orgeln – was er und seine Kolleginnen und Kollegen da mit Armen und Beinen, Händen und Füßen für akrobatische, zum Teil schon tänzerisch anmutende Bewegungen ausführen (müssen), um ihre Musik zu spielen, bietet definitiv mehr optische Abwechslung, als es die meisten anderen Instrumentalisten vermögen!

Und während in den letzten Jahren viele junge Gesichter alle möglichen Instrumentengruppen mit frischem Wind erfüllt haben – man denke neben den zahlreichen Pianisten, Violinisten und Cellisten auch an Bratscher, Harfenisten, Trompeter, Blockflötenspieler, Percussionisten und so weiter (alle Bezeichnungen sind natürlich auch in weiblicher Form zu denken!), die auf dem Klassikmarkt in der letzten Zeit für Aufmerksamkeit und Begeisterung gesorgt haben, ist Cameron Carpenter als weithin bekannt gewordener Jung-Organist irgendwie bislang ein ziemlicher Einzelfall geblieben – das meinte ich vorhin mit der Marktlücke, die allein zu füllen er im Moment das große Glück hat.

Dass nicht alle Organisten sein Auftreten (und vor allem seine unkonventionelle, extrem personalisierte Spielweise) goutieren, versteht sich fast von selbst – aber man muss ihm eines lassen: Es hat es immerhin in relativ kurzer Zeit geschafft, der leider oft vernachlässigten und unterschätzten Orgel als Solo- und Konzertinstrument eine bisher nicht für möglich gehaltene Popularität zu verschaffen und das ist ja auch schon etwas!

Symptomatisch ist wahrscheinlich die Tatsache, dass eine Persönlichkeit wie Cameron Carpenter eigentlich nur ein US-Amerikaner sein kann – irgendwie ist es diese von uns in diesem Punkt wohl immer etwas gehemmten Europäern oft etwas beargwöhnte (aber auch insgeheim bewunderte) Fähigkeit, völlig unvoreingenommen und ohne falsche Ehrfurcht an die vermeintlich „hehre“ und unnahbar erscheinende Hochkultur heranzugehen und sich dort das herauszuholen, was für die individuellen Bedürfnisse geeignet erscheint – ohne dabei den steten Grundsatz des aus amerikanischer Sicht wohl über allem stehenden „Entertainment-“ und „Showbusiness-Gedankens“ aus dem Blick zu verlieren.

Und Mr Carpenter beherrscht diese urtypisch amerikanische Mischung aus Unterhaltung und Ernsthaftigkeit auf höchstem Niveau zu 100% - er ist (ganz unabhängig von seinen exzentrisch-glamourösen Outfits) ein charismatischer und sympathischer Künstler, der sein Publikum mitzureißen und zu begeistern versteht, auch wenn er Stücke aus dem absoluten Pflichtrepertoire eines jeden Organisten (nämlich die Kompositionen von Johann Sebastian Bach) spielt, die man von ihm, das gebe ich gerne zu, nicht unbedingt auf Anhieb erwarten würde, wenn man ihn zum ersten Mal sieht.

Am vergangenen Donnerstag (es war der 9. Februar) war Cameron Carpenter nun zum mittlerweile zweiten Mal zu Gast in der Kölner Philharmonie und da ich als Orgel-Fan von ihm natürlich schon gehört und seinen ersten Auftritt in Köln vor etwas über einem Jahr leider versäumt hatte, war ich natürlich ausgesprochen neugierig darauf, diesen Paradiesvogel unter den Organisten einmal live und in Aktion erleben zu können!

Reine Orgelkonzerte finden in der Kölner Philharmonie nicht allzu häufig, aber doch regelmäßig statt (so ca. drei bis vier Mal pro Saison). Ich habe vor ein paar Jahren bereits einmal ein solches Konzert besucht (damals war der Brite Thomas Trotter zu Gast) und musste damals schon feststellen, dass dieses Konzert nicht besonders gut besucht war. Während damals das weite Rund der Kölner Philharmonie nicht einmal zur Hälfte gefüllt war, war der Saal beim letztwöchigen Konzert immerhin zu fast zwei Dritteln gefüllt – für ein reines Orgelkonzert ganz beachtlich, wie ich finde! Es zeigt, welches Publikumspotenzial Mr Carpenter durch seine Künstlerpersönlichkeit zu mobilisieren und zu interessieren in der Lage ist.

Außerdem war das Konzert im Vorfeld entsprechend beworben und in der Presse angekündigt worden. Mit Artikeln, die sich mit einem so ungewöhnlichen Künstler beschäftigen, weckt man natürlich Neugier und Journalisten schreiben sicherlich auch lieber über solche Persönlichkeiten als über unauffällig-brave Musiker, die sich – zumindest vom äußeren Auftreten her – kaum vom Umfeld ihrer zahllosen Kollegen unterscheiden.

Leider ist die Orgel der Kölner Philharmonie nicht wirklich mein Lieblingsinstrument – zum einen ist die Akustik im Saal ziemlich trocken, was meinem Empfinden nach gerade für den Klang einer Orgel ziemlich nachteilig ist. Man kennt Orgelklänge ja hauptsächlich aus mehr oder weniger großen Kirchenräumen, die einen mehr oder weniger starken Hall erzeugen. Sofern dieser Hall nicht zu groß ist, ist er jedoch geradezu ideal als akustischer Begleiter typischer Orgelklänge: Die raumfüllenden, oft lang ausgehaltenen Klänge aus einem sehr großen Tonspektrum bekommen so erst die richtige Mischung aus Wucht, Fülle und majestätischer Größe. Diese ganze Wirkung verpufft leider fast ganz, wenn die Raumakustik diese aus meiner Sicht so wichtige „Zutat“ für Orgelmusik nicht zulässt und den Zuhörer die Töne der Orgel quasi „nackt“ und unverhüllt direkt „anspringen“, ohne nachzuklingen – das hat für mich etwas ernüchterndes, was schwer zu beschreiben ist – aber irgendwie verliert Orgelmusik in so einem „puristischen“ akustischen Umfeld viel von ihrem besonderen Zauber.

Das zweite Problem der Orgel der Kölner Philharmonie ist, dass selbige meines Wissens für diesen Konzertsaal ursprünglich gar nicht vorgesehen war und man sich erst während der eigentlichen Bauphase Mitte der 1980er Jahre dazu entschieden hatte, die Philharmonie auch mit einer großen Konzertorgel auszustatten (den Auftrag erhielt die bekannte Orgelbaufirma Klais aus Bonn). Das führte dann wohl auch dazu, dass sich sämtliche Pfeifen dieses Instruments ausschließlich auf der linken Seite der Bühne der Philharmonie befinden, platztechnisch konnte offenbar kein anderer Platz mehr hierfür zur Verfügung gestellt werden – optimal wäre sicher eine Aufteilung der zahlreichen Pfeifen zu beiden Seiten des Podiums oder eine mittige Anordnung gewesen.
So stellt sich bei Orgelkonzerten vor Ort leider immer ein gewisser „Mono-Effekt“ ein, da sämtliche Töne ausschließlich von links auf das Publikum einströmen. Damit gehen – neben der unvorteilhaften Akustik – weitere mögliche Klangentfaltungsmöglichkeiten verloren, was sehr schade ist!
Immerhin – wenn die Orgel zusammen mit einem Orchester eingesetzt wird (wie ich es z. B. selber bei unserem Chorkonzert mit dem Berlioz-Te Deum erleben konnte), fallen die beschriebenen Nachteile nicht wirklich ins Gewicht und das ist für eine Philharmonie im Zweifel eben ausreichend.

Diese Situation findet nun also jede(r) Organist(in) vor, der/ die in der Kölner Philharmonie auftreten möchte – eine schwierige Aufgabe, die es da zu lösen gilt!

Überhaupt sind Organisten (und das vergisst man leicht) ja gegenüber ihren Kollegen an fast allen anderen Instrumenten hier eindeutig im Nachteil:
Während diese in der Regel ihre eigenen Instrumente haben, mit denen sie seit Jahren bestens vertraut sind und die sie selbstverständlich auf ihre Konzerttourneen mitnehmen, müssen sich Organisten jeweils vor Ort immer auf ganz unterschiedliche Instrumente einstellen und im Gegensatz z. B. zu einem Steinway-Flügel, der in New York normalerweise ähnlich klingt und reagiert wie in Berlin, gleicht wohl keine Orgel der anderen, da es sich hierbei immer um individuelle Anfertigungen handelt, die jeweils auf die ganz speziellen Wünsche und Gegebenheiten von Auftraggebern und Räumlichkeiten abgestimmt wurden.

Um ein professionelles Konzert abliefern zu können, benötigt ein Organist mit Sicherheit ein paar Stunden, in denen er sich intensiv mit dem Instrument beschäftigt.
Auch Mr Carpenter hat sich im Vorfeld mit der Orgel der Kölner Philharmonie befasst (immerhin kannte er das Instrument ja schon aus dem Vorjahr) und in diesem Zusammenhang am Tag des Konzerts auch die halbstündige öffentliche Probe zur Mittagszeit (unter dem Titel „PhilharmonieLunch“) bestritten.

Ich habe gelesen, dass Cameron Carpenter plant, in nicht allzu ferner Zukunft mit einer eigenen, digitalen Orgel (die also keine Pfeifen zur Tonerzeugung benötigt sondern lediglich eine gute Lautsprecheranlage), die ganz nach seinen persönlichen Wünschen und Erfordernissen gebaut wurde, auf Tournee zu gehen, was natürlich für ihn einen enormen Vorteil bringen würde (vom logistischen Problem des Transports dieses sicher nicht gerade kleinen Instruments einmal abgesehen.) Allerdings hängt diese Idee derzeit wohl noch von der Finanzierung ab – einen Betrag in Höhe von ca. 750.000 USD muss man erstmal zusammenbekommen…

Am Abend des Konzerts war ich sehr erstaunt, dass sich der Künstler noch kurz vor Konzertbeginn freundlich lächelnd und sichtlich entspannt im Zuschauerraum aufhielt, in den vorderen Reihen Zuhörer begrüßte, Hände schüttelte und Autogramme gab – so etwas habe ich auch noch nicht erlebt; es passt aber in das oben gezeichnete Bild vom sympathisch-unkonventionellen Amerikaner.

Zu Beginn seines Konzerts (es gab kein „offizielles“ Programm, die einzelnen Stücke wurden vom Solisten nach kurzer vorheriger Ansage gespielt) bewies Mr Carpenter seine erstaunliche „Fußfertigkeit“, in dem er ein Stück vortrug, das er lediglich auf den Pedalen der Orgel spielte. Berühmt geworden ist ja das Video, auf dem man erleben kann, wie er die bekannte „Revolutionsetüde“ von Chopin, die ja eigentlich fürs Klavier komponiert wurde, ebenfalls nur auf den Pedalen einer Orgel zum Besten gibt. Vergangene Woche spielte er ein Prélude aus einer der Cello-Suiten von Johann Sebastian Bach – das Ganze hatte schon etwas durchaus Akrobatisches, das muss ich sagen!

Danach ging es gleich weiter mit Bach, dem „Hausgott“ wohl aller Organisten, von dem Carpenter nun zunächst die Fantasie und Fuge g-moll (BWV 542) und gleich im Anschluss das Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) spielte.
Während er den dramatischen Beginn der g-moll-Fantasie mit vollem Werk und großer Geste auskostete, nahm er sich ansonsten über weite Strecken sehr zurück und ließ auch die leisen und zarten Stimmen der Orgel zu ihrem Recht kommen, was den vorgetragenen Stücken gut tat. Carpenter ist sicher nicht der Typ, der sich mit Begeisterung an eine historische Barockorgel setzen würde – er braucht die Vielzahl von Manualen und Registern einer modernen Konzertorgel, es spricht aber für ihn, dass er diese schon sehr gezielt einsetzt und nicht der Versuchung erliegt, permanent sämtliches ihm zur Verfügung stehendes „akustisches Pulver“ zu verschießen.
Von einer seiner CDs kenne ich seine Interpretation der berühmten Toccata und Fuge d-moll (BWV 565) und da wird wirklich dick aufgetragen in puncto Dramatik und Klangwucht!
Aber wie gesagt – im Kölner Konzert ging gerade der Bach eher im schlanken Klanggewand über die Bühne, dafür aber in einem generell schon als „sportlich“ zu bezeichnenden Grundtempo, was gerade die Fugen ausgesprochen frisch und lebendig rüberkommen ließ. Carpenters hierfür benötigte Virtuosität ist wirklich beeindruckend!
Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich die Tatsache, dass unser Organist wie in einem Solokonzert kurz vor dem Ende der G-Dur-Fuge eine improvisierte (?) Kadenz einfügte, in der sich plötzlich jazzige Klänge mit immer neuen virtuosen Tonkaskaden mischten, was an sich ganz annehmbar klang, für mich inmitten dieser Bach-Fuge jedoch eindeutig deplatziert wirkte! Mr Carpenter scheint an dieser Stelle offenbar regelmäßig „stilbrüchig“ zu werden – auf seiner CD „Cameron Carpenter – LIVE!“ ist der Mitschnitt eines Konzerts enthalten, in dem er ebenfalls das Präludium und Fuge G-Dur (BWV 541) zum Besten gibt und sich an selber Stelle einer ausufernden Kadenz hingibt, die mir allerdings noch unpassender zu sein scheint, als das, was er sich letzte Woche im Konzert ausgedacht hatte…

Im Kölner Programm folgte nach dieser geballten „Bach-Ladung“ eine Suite, bestehend aus drei eigenhändigen Arrangements von Liedern (für die Gattung des Kunstlieds interessiere er sich in der letzten Zeit ganz besonders, wie Carpenter erläuterte), die mir allerdings etwas zusammenhanglos erschien: Ein Titel aus Robert Schumanns Liederzyklus „Frauenliebe und –leben“, gefolgt von „One of these days“ der Band The Velvet Underground und schließlich der „Erlkönig“ in der berühmten Vertonung von Franz Schubert.
Als er mit dem Erlkönig begonnen hatte (verschiedene Registrierungen für die unterschiedlichen Personen der Ballade nutzend, wobei er auch mit Vorliebe die ganz tiefen Töne schnarren und „rumpeln“ ließ), brach er seinen Vortrag überraschend nach kurzer Zeit ab und entschuldigte sich hierfür, da es offenbar einen Defekt an der Orgel gegeben habe, der mir als Zuhörer gar nicht aufgefallen war. Er setzte erneut an und spielte mit erstaunlicher Gelassenheit dieses Stück nun komplett durch (wobei man ihm schon anmerkte, dass er sich über diesen Vorfall gewaltig ärgerte) und gab danach bekannt, dass die Pause nun vorgezogen werde, da die Orgel zunächst repariert werden müsse, bevor es weitergehen könne.

Zum Glück waren die hierfür erforderlichen beiden Techniker direkt anwesend (vielleicht extra aus dem Hause Klais angereist?) und machten sich sofort über den Spieltisch her – ich habe keine Ahnung, was an der Orgel nun eigentlich kaputt gegangen war (ein Pedal?), zum Glück ließ es sich schnell wieder reparieren, so dass das Konzert nach einer 20-minütigen Pause weitergehen konnte. Durch seinen souveränen und professionellen Umgang mit dieser unvorhergesehenen Panne konnte Cameron Carpenter nun erst recht die Herzen des Kölner Publikums für sich gewinnen.
Nach der Pause ging es mit dem Stück weiter, das eigentlich den ersten Konzertteil beschließen sollte, nämlich das Präludium und Fuge h-moll (BWV 544) – dieses kannte ich bislang vor allem in eher feierlich-wuchtigen Interpretationen, während Carpenter das ganze Stück erneut in betonter Zurückhaltung, fast schon leichtfüßig (und in der nun schon gewohnten erhöhten Geschwindigkeit) interpretierte. Auch eine durchaus überzeugende Interpretationsmöglichkeit, wie man feststellen konnte – Bachs Musik lässt ja viele Lesarten zu und verfehlt ihre Wirkung eigentlich nie.

Den zweiten Teil des Konzerts nahm nun die gewaltige Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad salutarem undam“ von Franz Liszt ein – eine echte Herausforderung für jeden Interpreten, Liszt verlangt seinen Solisten ja häufig körperliche Höchstleistungen ab, die überhaupt erst Voraussetzung für eine interpretatorische Gestaltung sind!

Auch für dieses Mammutwerk (er bezeichnete es als eine Art „Oper für die Orgel“) wählte Carpenter ein zügiges Tempo, was dazu führte, dass er für das Stück statt der eigentlich üblichen knappen halben Stunde nicht einmal 25 Minuten brauchte!
Allerdings sorgte die Orgel dafür, dass gerade die lauten Stellen, in denen Liszt der Orgel wirklich alles abverlangt, doch etwas lärmend wirkten – die Akustik im Saal ist einfach für solche großdimensionierten Orgelwerke nicht wirklich geeignet…

Weitaus besser klang da definitiv die Orgel in der Düsseldorfer Johanneskirche (eben gerade auch in Verbindung mit der Akustik des Kirchenraums), als ich im Rahmen der Lunch-Time-Orgel Liszts „Ad nos“ im vergangenen November zuletzt gehört hatte!
Mr Carpenter gab im letztwöchigen Konzert jedenfalls wirklich alles und holte das aus der Orgel in der Kölner Philharmonie raus, was machbar war – entsprechend wurde er mit frenetischem Applaus belohnt.

Er spielte dann noch drei (!) längere Zugaben: Ein Stück im Stil einer Toccata à la Widor; dann ein hochvirtuoses Stück, das stellenweise an den berühmten „Hummelflug“ oder an mit den Flügeln flatternde Vögel erinnerte und zu guter Letzt einen kleinen Zyklus von Variationen über eine volksliedartige Melodie.

Mr Carpenter mag ein etwas unorthodox auftretender Künstler sein (und damit viele Kritiker auf den Plan rufen), aber er versteht es, sein Publikum auf höchstem technischen Niveau zu begeistern und beweist bravourös, dass auch die gute alte Orgel einen hohen Unterhaltungswert besitzt! Dass gerade seine Bach-Interpretationen nicht unbedingt stilistisch korrekte Wiedergaben barocker Orgelmusik sind, verzeiht man ihm da gerne – diese kann man sich dann ja immer noch bei einer anderen Gelegenheit anhören. Denn eine in jeder Hinsicht erfrischende Abwechslung bietet Mr Carpenter in jedem Fall!

Mittwoch, 15. Februar 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute spielte Wolfgang Abendroth folgendes Programm für uns:

Francois Couperin (1668-1733)
Offertoire pour les Grands Jeux C-Dur

Alexander Glasunow (1865-1936)
Fantaisie op. 110


Nach dem Offertoire in bester französischer Barocktradition dominierte heute Glasunows dreiteilige Fantasie das Konzert.
Ich wusste gar nicht, dass es überhaupt eine solch umfangreiche Orgelkomposition von einem russischen Komponisten gibt. Orgelmusik hat keine nennenswerte Tradition in Russland, da in der orthodoxen Messe keine Instrumente zugelassen sind und hier stattdessen "nur" die bekannten Chorgesänge erklingen dürfen.
Somit gibt es in russischen Kirchen keine Orgeln und damit auch keine Organisten, die selber Orgelmusik schreiben bzw. Komponisten mit solcher Musik beauftragen konnten.
Glasunow hat dann seine wenigen Orgelwerke auch erst geschrieben, nachdem er gegen Ende seines Lebens in Paris mit dem berühmten Organisten (und Komponisten) Marcel Dupré zusammengetroffen war und sich von ihm und seiner Musik inspirieren ließ (daher auch der französische Titel der heute für uns gespielten Fantasie).

Faszinierend hierbei fand ich die Mischung aus traditionellen französischen Orgelmusikelementen und eindeutig an russische Kirchen(chor)musik erinnernden Passagen - vor allem zu Beginn und kurz vor Schluss des Werks!
Gerade diese vom Hörer als "typisch russisch" empfundenen Wendungen passen wirklich gut zur Orgel und man fragt sich, warum diese nicht viel häufiger in Orgelkompositionen integriert wurden.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Auf dem Programmzettel des heutigen Orgelkonzerts, das Wolfgang Abendroth für uns spielte, standen folgende Titel:

Charles Avison (1710-70)
Concerto D-Dur op. 9 Nr. 2

Wolfgang Abendroth (geb. 1978)
Improvisation über den Psalm der Woche (Psalm 31, Verse 20-25)

Niels W. Gade (1817-90)
Tre Tonestykker op. 22


Es ist schon eine Weile her, dass Wolfgang Abendroth zuletzt für uns eine seiner Improvisationen gespielt hat - häufig ließ er sich in der Vergangenheit vom Wochenlied (in der Regel aus dem Evangelischen Gesangbuch) inspirieren; heute waren es die oben angegebenen Verse aus dem 31. Psalm, die ihn zu einem knapp 10-minütigen, spontan entstandenen Orgelwerk angeregt haben. Gerade diese Improvisationen finde ich (gerade weil sie so spontan und damit auch so vergänglich sind) immer ganz besonders spannend und Wolfgang Abendroth löst diese selbst gestellten Aufgaben immer ausgesprochen souverän und versteht es auch regelmäßig, seinen Stücken eine geschlossene Form zu geben - wenn man es nicht wüsste, würde man meinen, dass diese Musik irgendwo notiert und somit als Ergebnis eines ausgeklügelten Kompositionsprozesses entstanden ist!

Nach der aus der Frühklassik datierenden Einleitung (das Concerto des Engländers Charles Avison) ging das heutige Konzert mit den "Drei Tonstücken" des dänischen Komponisten Niels Gade zu Ende - sehr schöne, romantische Musik, die ich noch gar nicht kannte (ich wusste ehrlich gesagt gar nicht, dass Gade überhaupt so etwas Umfangreiches für Orgel komponiert hat).
Ein origineller Zufall, dass ich letzte Woche noch über die beiden berühmtesten dänischen Komponisten Gade und Nielsen geschrieben hatte - und prompt steht Herr Gade in dieser Woche in der Lunch-Time-Orgel auf dem Programm (wo seine Musik meines Wissens bislang noch nicht allzu häufig gespielt wurde)!

Donnerstag, 2. Februar 2012

Philharmonie-Konzert

Vorgestern, also am 31. Januar, hatte ich wieder einmal Gelegenheit, mir eines der Konzerte des Gürzenich-Orchesters in der Kölner Philharmonie anzuhören.

Der Programmzettel des Abends sah wie folgt aus:

Carl Nielsen (1865-1931)
„Helios“ Ouvertüre für Orchester op. 17

W. A. Mozart (1756-91)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur KV 218

Richard Strauss (1864-1949)
„Sinfonia domestica“ für großes Orchester F-Dur op. 53

Patricia Kopatchinskaja, Violine
Gürzenich-Orchester Köln
Dirigent: Ulf Schirmer


Wie eigentlich alle Konzerte des Gürzenich-Orchesters, die ich in der letzten Zeit besucht habe (siehe meine entsprechenden Konzertberichte in diesem Blog), war auch dieses wieder erfreulich gut besucht: In der zu gut 80% ausgelasteten Kölner Philharmonie sah man auch eine ganze Reihe junger Konzertbesucher – sowas freut mich natürlich immer ganz besonders!

Abgesehen davon, dass ich das Programm des Abends ein bisschen wahllos zusammengestellt fand (immerhin sind die Kompositionen von Nielsen und Strauss im selben Jahr 1903 entstanden), gab es an der Leistung des gut aufgelegten Gürzenich-Orchesters nichts auszusetzen.

Vor allem die Strauss-Symphonie, die den 2. Teil des Konzertabends füllte, ließ keine Wünsche offen: Es macht einfach Spaß, ein üppig besetztes, mehr als 100-köpfiges Orchester beim Musizieren beobachten zu können und in den Live-Genuss der sich hieraus ergebenden üppigen Klänge zu kommen! Strauss‘ Tondichtung ist ein sehr dankbares Orchesterstück (in dem Strauss sein Familien- und Eheleben teils augenzwinkernd, teils mit großer Gefühlsgeste in Musik umsetzt), das wirklich alle Stimmgruppen des spätromantischen Orchesterapparats zur Geltung kommen lässt und bei dem ein Spitzenorchester zeigen kann, was alles in ihm steckt!

Ähnlich groß besetzt (aber nicht ganz so üppig wie bei Strauss) war das Gürzenich-Orchester bei der einleitenden Konzertouvertüre „Helios“ des dänischen Komponisten Carl Nielsen. Nielsen dürfte neben Niels Wilhelm Gade (1817-90) wohl der auch im Ausland bekannteste Komponist Dänemarks sein – nützlich für den Fall, dass man mal nach einem dänischen Komponisten gefragt wird und einem nur Namen wie Edvard Grieg (Norwegen) oder Jean Sibelius (Finnland) einfallen sollten! A propos - wie sähe es denn mit einem schwedischen Komponisten aus…? ;-)

Nielsens Ouvertüre, die – der Name des griechischen Sonnengottes lässt es schon vermuten – einen sommerlichen Tag von Sonnenauf- bis –untergang in leuchtenden Orchesterfarben beschreibt, hat mir auch sehr gut gefallen, gerade die freudig-festliche Stimmung, die er erzeugt, wenn die Sonne zu Beginn des Stückes aufgeht, erzeugte schon einen gewissen Gänsehauteffekt! Ich kannte diese Ouvertüre bislang noch gar nicht, sie bestätigte aber meine positive Einstellung gegenüber diesem Komponisten, von dem ich bislang vor allem seine grandiosen Symphonien schätze!

Die junge Violinistin Patricia Kopatchinskaja aus Moldawien bot eine aus meiner Sicht etwas übertriebene (vom besetzungstechnisch stark reduzierten Gürzenich-Orchester gleichwohl souverän begleitete) Interpretation von Mozarts bekanntem 4. Violinkonzert. Sie trat barfuß im bodenlangen Kleid auf und ging vom ersten Takt der Orchestereinleitung an total in der Musik auf: Sie bewegte sich rhythmisch, drehte sich gerne während des Spiels auch einmal zu den hinter ihr sitzenden Orchestermusikern um und unterstrich ihr engagiertes Spiel mit entsprechenden Körperbewegungen - da wurde dann im Affekt auch mal mit dem Fuß aufgestampft, um einer rhythmischen Phrase (die sie gern auch mit entsprechend dynamischem Nachdruck einleitete) weitere Bedeutung zu verleihen.

Für mich machte diese Performance ständig den Eindruck, als wollte die Solistin ihrem Publikum quasi permanent mitteilen, wie leicht, unterhaltsam, „fluffig“ und modern Mozarts Musik doch ist und wieviel Spaß man beim Musizieren dieses in der Tat ja wirklich als reine Unterhaltungsmusik konzipierten Konzerts haben kann…

Ihre (wohl selbst verfassten) Solokadenzen – vor allem die am Ende des ersten Satzes – wirkten eher wie Vorführungen zum Thema „Was kann man aus einer einfachen Geige alles für Klänge herausholen?“, da wurde mit dem Bogen hantiert und abwechselnd dazu mit den Fingern gezupft, was das Zeug hielt! Stilistisch hatte dies jedenfalls mit dem Mozartkonzert nicht mehr allzuviel zu tun (mich erinnerte das Ganze eher an Kunststückchen à la Paganini, bzw. noch viel mehr an zeitgenössische Violinmusik) – gerade die ausgedehnte Kadenz des ersten Satzes stand von ihrer Länge her in keinem Verhältnis zur Länge desselben, noch dazu zerfiel sie in viele kleine artistische Einzelepisoden (jedenfalls habe ich das so empfunden) und der große Bogen fehlte hier einfach.

Patricia Kopatchinskaja verfügt über einen schönen und schlanken Geigenton, den sie wenigstens in den gesanglich-lyrischen Passagen des zweiten Satzes ohne die oben geschilderten „Zutaten“ voll zur Geltung kommen ließ.

Wie gesagt – für mich war diese Darbietung zwar engagiert aber für meinen Geschmack einfach zuviel des Guten! Mozarts Musik hat solche „Unterstützung“ gar nicht nötig – sie erzielt ihre beabsichtigte Wirkung auch ohne das ständige Überbetonen rhythmisch-schwungvoller Solisteneinsätze und den häufigen Wechsel von laut zu leise (und umgekehrt) innerhalb einer einzigen Phrase.

Und meine Meinung zu stilistisch fragwürdigen, zeitlich ausufernden Solokadenzen habe ich an anderer Stelle ja schon einmal kundgetan…

Laut Programmheft fühlt sich Frau Kopatchinskaja vor allem in der zeitgenössischen Musik zuhause, so haben mehrere Komponisten bereits Werke für sie geschrieben. Ganz ehrlich – das hat man der Solistin in jeder Phrase angemerkt! Ihre kurze Solo-Zugabe, die sie dem trotz allem begeisterten Publikum darbot, passte dann auch viel besser zu ihrer ganzen Persönlichkeit als das gesamte zuvor absolvierte Mozart-Konzert: Ein wild-virtuoser Ausbruch, bei dem die Solistin – wie in den Solokadenzen zuvor –abwechselnd die Saiten ihres Instruments mit Bogen und Fingern traktierte und der Geige die abenteuerlichsten Geräusche entlockte, das Ganze begleitet mit vokalen Gurr-, Quietsch-, Brabbel- und Zischlauten. So schräg diese (höchstens zweiminütige) Performance wirkte – irgendwie hatte das etwas, nicht zuletzt, weil man das Gefühl hatte, dass die Künstlerin hier endlich ihre zuvor nur mühsam angelegten Temperamentsbremsen endlich lösen und ganz aus sich herausgehen konnte.

Hätte man nicht für alle Beteiligten ein deutlich mitreißenderes Konzerterlebnis erzielt, wenn man Patricia Kopatchinskaja ein zeitgenössisches Werk hätte aufführen lassen, statt sie ausgerechnet mit Mozart „zähmen“ zu wollen? Das wäre bestimmt spannend geworden, denn ich kann mir vorstellen, dass sie hier wirklich eine überzeugende, mit Herzblut agierende Sachwalterin für diese ja nicht immer so einfach zu verstehende Musik ist.

Mittwoch, 1. Februar 2012

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute spielte Wolfgang Abendroth folgendes Mittagsprogramm an der Beckerath-Orgel der Düsseldorfer Johanneskirche für uns:

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Praeludium a-moll

J. S. Bach (1685-1750)
Choralbearbeitung "Allein Gott in der Höh sei Ehr"

César Franck (1822-90)
Choral Nr. 1 E-Dur


Nach dem vierteiligen Praeludium von Buxtehude bildete die ruhige, fast schon meditative, ausgedehnte Bach-Choralbearbeitung den Mittelpunkt des heutigen Konzerts.

Mit einem Klassiker der französischen Orgelromantik, César Francks Choral Nr. 1 (er hat insgesamt 3 dieser großangelegten Fantasien über selbstverfasste "Choralmelodien" komponiert) ging das Konzert dann gewohnt klangprächtig zu Ende.