Mittwoch, 28. September 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wie schon vor 2 Wochen spielte heute Andreas Petersen, Organist der Düsseldorfer Friedens-Kirchengemeinde, für uns das Mittagskonzert:

Francois Couperin (1668-1733)
Kyrie aus der "Messe solemnelle à l'usage des paroisses"

Jan Pieterszoon Sweelinck (1562-1621)
Echofantasie in d-moll

Charles-Marie Widor (1844-1937)
Adagio und Toccata
aus der 5. Orgelsinfonie f-moll op. 42


Couperins "Kyrie" wurde ursprünglich innerhalb der Messfeier im Wechsel mit den entsprechenden gregorianischen Chorälen vorgetragen. Zwischen den heute uns zu Gehör gebrachten 5 Teilen dieses Kyrie für Orgel wurden demnach seinerzeit 4 gregorianische "Kyrie"- bzw. "Christe eleison"-Rufe angestimmt. Würde ich mir gern in diesem Wechsel auch mal anhören!

Der Niederländer Sweelinck (dessen 450. Geburtstag im kommenden Jahr hoffentlich nicht ebenso unter den Tisch fällt, wie so viele andere runde Komponisten-Jubiläen in diesem Jahr!) spielte seine dreiteilige Echofantasie - so Herr Petersen in seiner kurzen Programmeinführung zu Beginn des Konzerts - seinerzeit auch im Rahmen mittäglicher Orgelkonzerte in der Grote Kerk in Amsterdam. Eine schöne Parallele!
Das dreiteilige Stück besteht aus zwei schnelleren Rahmensätzen, während der ruhigere Mittelsatz den "Echoeffekt" (eine Stimme imitiert die unmittelbar zuvor erklungene) genüsslich auskostet.

Zum Abschluss gab es dann noch die beiden letzten Sätze aus Widors grandioser 5. Orgelsinfonie, wobei die abschließende, hochvirtuose Toccata wohl nach Bachs Toccata und Fuge d-moll (BWV 565) das zweitberühmteste Orgelstück überhaupt sein dürfte.
Damit hat Herr Petersen uns innerhalb von 14 Tagen beide "All-time"-Klassiker der Orgel-Literatur präsentiert.
Und es ist immer wieder schön, auch so bekannte Stücke wie diese live im Konzert erleben zu dürfen!

Freitag, 23. September 2011

Ein Abend in der Oper - "Krieg und Frieden" in Köln

Vorgestern (also am 21.09.11) war ich in der Kölner Oper und habe dort die erste Produktion der neuen Spielzeit 2011/ 12 besucht: "Krieg und Frieden" von Sergej Prokofjew (1891-1953), die Premiere dieser Inszenierung war am 16. September, die von mir besuchte Vorstellung (Dauer gut dreieinhalb Stunden inkl. einer Pause) am Mittwoch war zu ca. 70-80% ausverkauft.
Weitere Infos, Bilder und Pressestimmen gibt es hier.

Meine Neugier auf diese ziemlich selten auf der Bühne zu erlebende Oper war groß. Paradoxerweise kennt den Titel dieser Oper irgendwie jeder, was sich natürlich auf die literarische Vorlage, den 1867 erstmalig erschienenen gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi (1828-1910), bezieht - aber ganz ehrlich: Wer kann schon von sich behaupten, dieses - je nach Fassung - zwischen ca. 1.300 bis an die 2.000 Seiten umfassende Mammut-Epos tatsächlich gelesen zu haben? Es erscheint unter dieser Perspektive schon als der pure Wahnsinn, dass diese Vorlage überhaupt in einen Opernstoff umgewandelt wurde!

Also habe ich mich vor dem Opernbesuch zunächst einmal durch einen Blick in den Opernführer über das zu Erwartende informiert. Und was man da im Opernführer allein schon an "technischen Daten" dieses Stücks zu lesen bekommt, ist schon beeindruckend - eine Spieldauer von vier bis viereinhalb Stunden und allein die Liste der auftretenden Personen füllt schon mehrere Spalten! Kunststück, bei so einer gewaltigen Textvorlage!
Es wird für diese Opernumsetzung eh schon notwendig gewesen sein, -zig Figuren und Handlungsstränge aus dem Roman zu tilgen (einen Vorgang, dessen Umsetzung ich im Übrigen immer sehr spannend finde, aber dafür müsste man natürlich auch die literarische Vorlage kennen…).

Die Oper ist jedenfalls in zwei Abschnitte zu unterteilen: Die ersten sieben Szenen spielen im Frieden, die restlichen sechs im Krieg (Napoleons Russlandfeldzug 1812).

Krieg und Frieden kann man wohl als Prokofjews Schmerzenskind bezeichnen, denn er hat die Partitur, an der er ab Anfang 1941 zu arbeiten begonnen hatte, immer wieder überarbeitet, erweitert, gekürzt und umgestellt, um irgendwie doch noch eine vollständige Aufführung des Werks, das ihm persönlich wohl am meisten am Herz lag, zu ermöglichen, was in der stalinistischen Sowjetunion der 1940er Jahre mit ihrer willkürlichen Zensur allerdings quasi ein Ding der Unmöglichkeit war. Nach mehreren Teil- oder lediglich klavierbegleiteten Aufführungen erlebte die komplette Oper dann erst im Jahre 1959 ihre Uraufführung (allerdings waren auch hier einige Kürzungen und Striche vorgenommen worden), nur da war Prokofjew leider bereits 6 Jahre tot…

Jedenfalls gehört dieses Werk in die - für mich persönlich hochinteressante - Kategorie der Opern, von denen es mehrere Fassungen und Versionen gibt und die für jede Aufführung oder Einspielung quasi nach den individuellen Möglichkeiten und Vorlieben der Ausführenden neu zusammengestellt werden, so dass eigentlich keine Produktion der anderen gleicht (Mozarts Idomeneo ist beispielsweise auch so ein Kandidat aus der Gruppe der "Baukasten-Opern", wie ich sie nenne)!

Prokofjews Krieg und Frieden zeichnet sich durch eine recht gelungene Kombination zweier klassischer russischer Operntypen aus - Elemente des intimeren, lyrischen Gesellschaftsdramas nach Vorbildern wie z. B. Tschaikowskys Eugen Onegin (UA 1879) oder Pique Dame (UA 1890) und das große, oft vom Chor dominierte Volksdrama à la Mussorgskys Boris Godunow (UA 1874) und Chowanschtschina (UA 1879).

Als Ironie des Schicksals kann man die Tatsache bezeichnen, dass sich - noch während Prokofjew an der Komposition von Krieg und Frieden arbeitete - die historische Situation, um die sich die Opernhandlung dreht (Invasion Russlands durch feindliche Armee) wiederholte: Im Juni 1941 überfiel Hitlers Wehrmacht die Sowjetunion.
So gesehen ist die Entwicklung nachvollziehbar, dass aus der ursprünglich eher als lyrisches Gesellschaftsdrama konzipierten Oper, in der die privaten Beziehungen und Gefühle der Hauptfiguren im Mittelpunkt stehen sollten, nun auch noch ein patriotisch motiviertes "Mutmachstück" werden sollte.
Dies war so allerdings offensichtlich nicht vorrangig von Prokofjew intendiert, sondern natürlich von der Politik, die an derartiger "funktionaler Musik" sehr interessiert war.
Da es Prokofjew in jenen Jahren daran gelegen sein musste, es sich mit den Mächtigen nicht zu verscherzen (oder gar in Ungnade zu fallen), dürfte er den Wünschen, den Teil der Oper mit den Kriegsszenen entsprechend auszudehnen und mit zusätzlichen musikalisch schlagkräftigen Massenszenen zu versehen, vielleicht gar nicht mal so ungern nachgekommen sein - das Ganze bot sich bei diesem Opernstoff ja geradezu an!

Die Maßnahme führte allerdings zu einem nicht zu leugnenden Ungleichgewicht zum Nachteil des vorangehenden Friedensteils - bis auf wenige Anknüpfungspunkte (vor allem die tragische Wiederbegegnung des Protagonistenpaars in den Kriegswirren) bestehen eigentlich keine weiteren bedeutsamen Verbindungen zwischen den beiden Teilen dieser Oper.

An dieser Stelle setzt dann auch in der Kölner Neuinszenierung Regisseur Nicolas Brieger an - er steht auf dem (im Programmheft auch ausführlich begründeten) Standpunkt, dass die ganzen viel zu offensichtlich auf "Hurra-Patriotismus" getrimmten Abschnitte im Kriegsteil der Oper aufgrund der Tatsache, dass sie quasi auf Druck der unmenschlichen Stalin-Diktatur zustande kamen, der ursprünglichen Absicht des Komponisten, Krieg und Frieden wie erwähnt eher als eine Art Reminiszenz an die "Lyrischen Szenen" von Tschaikowskys Eugen Onegin zu komponieren, total zuwiderlaufen.

Und deshalb wurden für die Kölner Produktion wohl ziemlich radikale Striche im zweiten Teil der Oper durchgeführt. Wenn ich das richtig nachvollziehe, wurde sogar eine komplette Szene weggelassen und die für diesen Teil so zentrale Bass-Partie des Anführers des russischen Heeres, Feldmarschall Kutusow, gleich ganz eliminiert.

Man kann ja von Strichen, Umstellungen oder Kürzungen halten was man will, aber gleich derart radikal in die Struktur eines Werks einzugreifen, finde ich dann auch wieder ein bisschen viel des Guten!
Klar, die kriegerischen Durchhaltechöre mögen aufgrund der Wünsche der Sowjetdiktatur entstanden sein, aber ich denke schon, dass auch das Kölner Publikum vor solch "politisch motivierter" Musik nicht geschützt werden muss, sondern im Gegenteil auch die Chance bekommen sollte, sich hierüber selbst ein Bild machen zu können!
Ich hätte es persönlich sehr interessant gefunden, zumindest ein bisschen von dieser Musik einmal anhören zu können - das wäre sicher ein aufschlussreiches Lehrstück zum uralten Thema "Kunst und Politik" geworden!
Denn wie viele Musikstücke (von anderen Kunstformen ganz zu schweigen) gibt es nicht, die zur Verherrlichung irgendwelcher Fürsten und Potentaten geschaffen wurden? Wenn man die nun auch alle nicht aufführen würde, weil ihr Zustandekommen ja möglicherweise den ursprünglichen Intentionen des Komponisten entgegenlief, dann würden uns aber eine ganze Reihe weltberühmter Meisterwerke vorenthalten bleiben!
Man sollte nicht vergessen, dass immerhin die Musik (auch die kriegerischen "Auftragsnummern") in Gänze von Prokofjew stammt - der Fall sähe sicher anders aus, wenn sich ein anderer Komponist durch entsprechende Hinzufügungen an der Oper vergangen hätte (was zur damaligen Zeit ja durchaus auch hätte passieren können, wenn ich mir die Verhältnisse unter Stalin so ansehe). Und auch nach dem Ende des "Großen Vaterländischen Krieges" behielt Prokofjew diese musikalischen "Kriegszutaten" ja bei - er hätte sie dann ja auch wieder endgültig streichen können, wenn er sie als so unsagbar unpassend empfunden hätte.

Ich verlange ja gar nicht, dass man die Oper ohne jede Kürzung in Köln hätte geben sollen (was bei diesem Werk anscheinend weltweit eh so gut wie nie vorkommt), aber zumindest ein paar "Kostproben" der jetzt aus den oben erläuterten Gründen so großzügig gestrichenen Musik hätte ich mir schon gerne angehört, zumal es sich dabei offenbar um einen Großteil an Chorstücken gehandelt hätte (und da spricht dann halt der Chorfan aus mir)!

In meinem Opernführer ist vermerkt, dass Krieg und Frieden sich durch einen großen Chorpart auszeichnet. Das, was nun in Köln zu sehen und zu hören war, würde ich vom Anteil an der gesamten Nettospieldauer (von immerhin noch gut 3 Stunden) jedoch eher als einen mittleren Chorpart bezeichnen wollen…

So hätte es sich zum Beispiel gut angeboten, die als "Epitaph" betitelte reine Chorszene, die in der Regel zwischen Friedens- und Kriegsteil steht, zusätzlich ins Programm mit aufzunehmen. Das wäre sicher ein Ohrenschmaus geworden, denn dass Prokofjew tolle und mitreißende Chormusik komponieren konnte, habe ich im Rahmen einer Aufführung seiner Kantate Alexander Newski op. 78 vor ein paar Jahren in der Kölner Philharmonie miterleben dürfen.

Wirklich schade drum - da hat man eine seltene Gelegenheit nicht zu nutzen verstanden…

So - jetzt aber genug mit dem Kritisieren!

Ich bin ansonsten mit den durchweg positiven, ja begeisterten Kritiken in der Presse völlig eins, dass das, was im Rahmen dieser Produktion nun tatsächlich auf der Bühne zu erleben ist, ein inszenatorisch und musikalisch rundum gelungenes Opernerlebnis ist, das wirklich einen Besuch lohnt!
Nach dem großen Erfolg der wunderbaren Inszenierung von Prokofjews 1921 uraufgeführter französischsprachiger "Liebe zu den drei Orangen" vor ungefähr 10 Jahren gibt es damit bei uns in Köln nun also eine weitere wirklich bemerkenswerte Inszenierung einer Oper dieses berühmten Russen!

Wo fängt man da mit Loben an?

Allen voran war das groß besetzte Kölner Gürzenich-Orchester in ausgesprochen exzellenter Verfassung! Das klang alles wirklich absolut spitzenmäßig - vor allem an den zahlreichen dramatischen Stellen, wo der auch mit reichem Schlagwerk ausgestattete Klangkörper so richtig auftrumpfen konnte, gab es etliche Gänsehautstellen, die wirklich beeindruckten! Die musikalische Leitung des Abends hatte Michael Sanderling, ein sehr sympathischer Künstler, dessen Leistung mich im Januar bereits im Rahmen eines Philharmonie-Konzerts sehr angesprochen hatte.
Gerade das russische Repertoire scheint Sanderling ganz besonders am Herzen zu liegen, wie ich feststellen muss!

Auch in der ja doch recht ordentlich "eingedampften" Fassung, die nun in Köln auf der Bühne zu erleben ist, wird immer noch ein großer Teil des Ensembles gefordert - auf dem Programmzettel werden immerhin 30 Solistinnen und Solisten namentlich genannt, von denen die meisten gleich zwei (der meist eher kleinen) Rollen übernehmen.

Johannes Martin Kränzle (Bariton) - mir vor 2 Jahren bereits in Köln als Beckmesser in den Meistersingern ausgesprochen positiv in Erinnerung geblieben - als Fürst Andrej Bolkonski und Matthias Klink (Tenor) als Graf Pierre Besuchow überzeugten nicht nur mit ausgesprochen tragfähigen und ausdrucksstarken Stimmen - sie lieferten auch eine darstellerisch überzeugende Leistung ab.

Besonders gut gefiel mir aber vor allem die russische Sopranistin Olesya Golovneva in der weiblichen Hauptrolle der Natascha Rostowa - eine wunderbar mädchenhafte Stimme, gepaart mit einer entsprechenden Bühnenpräsenz! Das verlieh dieser zentralen Figur dann nochmals eine Intensivierung, weil man ihr sowohl optisch wie akustisch die junge, schwärmerische und naiv-gutgläubige Frau abnimmt, die erst durch die urplötzlich hereinbrechenden Kriegsereignisse heranreift bzw. heranreifen muss.

Aber auch etliche bewährte Kräfte des Kölner Ensembles, wie z. B. der auch wunderbar schauspielernde Miljenko Turk als grell überzeichneter Napoleon (bei dieser Figur kommt der beißende Spötter Prokofjew, den man z. B. aus Die Liebe zu den drei Orangen kennt, ganz besonders deutlich durch!) oder Dalia Schaechter als beeindruckend hysterische Patentante Achrossimowa, trugen einen großen Teil zum Gelingen des Abends bei!
Es gäbe hier noch viele weitere Namen zu nennen (die Solistenliste ist - wie erwähnt - lang), aber ich möchte jetzt nicht zu sehr ausufern :-)

Zu den Solisten kommen dann natürlich noch die umfangreiche Statisterie sowie Chor und Herrenextrachor der Kölner Oper (die allesamt gut singen und für die ich mir persönlich wie erwähnt ein paar mehr Einsatzmöglichkeiten gewünscht hätte).

Durch das Fehlen der Rolle des russischen Feldmarschalls Kutusow hat man in der Kölner Produktion irgendwie den Eindruck, dass die russische Seite im Kriegsteil der Oper völlig führungslos ist, weil dem allseits bekannten Napoleon so gar keine zentrale Figur der Gegenseite zur Orientierung für die Zuschauer präsentiert werden kann.
So gesehen wundert man sich dann schon, dass sich die plötzlich irgendwie allgegenwärtigen Franzosen (die konsequenterweise auch komplett auf französisch sangen - die Sprache beherrschte Prokofjew ja bestens!) am Ende der Oper dann doch vernichtend geschlagen wieder zurückziehen müssen…
Die Russen treten in diesem Teil der Oper (zumindest in der in Köln gezeigten Fassung) nämlich nur noch als in grauen Einheitsdrillich gekleidete Kriegsgefangene auf, die misshandelt und erschossen werden.

Diese Kostümierung erinnerte mich dann doch etwas sehr an das Klischeebild "sowjetischer Betriebskampfgruppen", was sicherlich eine Reminiszenz der Kostümbildnerin Andrea Schmidt-Futterer an die Entstehungszeit der Oper darstellen sollte, während die übrigen Kostüme (gerade im Friedensteil) doch eindeutig dem 19. Jahrhundert zuzuordnen waren, wenn auch nicht ganz der Epoche, in der die Handlung eigentlich spielt (die Jahre 1809-12).

Das Bühnenbild stellte einen die ganze Bühnentiefe einnehmenden Ballsaal dar (die Größe des Raumes war aufgrund der auftretenden Menschenmengen auch erforderlich!), der im Kriegsteil dann entsprechend verwüstet und in einem "Verbrannte-Erde-Look" rüberkam.
Dieser Saal solle auch den Zustand der menschlichen Gesellschaft in Friedens- und Kriegszeiten widerspiegeln, wie es im Rahmen der Publikumseinführung zu Beginn des Abends hieß. Ansonsten wurden auf der Bühne außer ein paar Stühlen, Kissen, Sofas oder Tischen keine weiteren Requisiten benötigt.
Seitlich herein- und wieder herausfahrende Kulissenelemente (Mauern mit Fenstern, Tor- und Türöffnungen), die eigentlich fast ständig in Bewegung sind (und im Kriegsteil wie der Rest der Bühne ebenfalls entsprechend demoliert wirken), ergänzen die Bühnenausstattung und bringen so auch optisch stets neue, sich immer wieder verändernde Einblicke auf das Bühnengeschehen.
Alles in allem also eine ganz gelungene Idee, die zahlreichen Schauplätze der Oper mit relativ einfachen (aber wirkungsvollen) Hilfsmitteln ohne weitere zeitraubende Umbaupausen zu realisieren. Das war so schon ganz in Ordnung.

Ganz besonders gelungen fand ich hierbei den Brand Moskaus - die Kombination aus einigen wirklich brennenden Requisiten und Kulissenteilen auf der Bühne, einer entsprechend "feurigen" Beleuchtung der ganzen Szenerie, einer Menge Dampf und dazu die passend dramatische Musik - das hatte wirklich eine ziemlich beeindruckende Wirkung. Da konnte man schon Gänsehaut bekommen!

Was mir nicht so gefallen hat?

Hmm (*überleg*) - ich hatte den Eindruck, dass es im Friedensteil ein paar Längen gab, was aber vielleicht eher in der Musik, die Prokofjew hierzu komponiert hat, begründet liegt: In diesen Szenen dominiert ein musikalischer Konversationsstil, der an sich zwar gut anhörbar ist, von dem aber im Nachhinein leider nicht allzu viel im Ohr bleibt (lediglich der als Liebesmotiv Nataschas und Andrejs dienende melancholische Walzer in h-moll blieb "hängen"). Nach einiger Zeit ermüdet man als Zuhörer dieser gesungenen Dialoge allerdings etwas - jedenfalls ging es mir so. Da hätten mich ein paar mehr Chöre im zweiten Teil der Oper - gewissermaßen als musikalisches Kontrastprogramm - schon sehr erfreut, aber ich wiederhole mich… *zwinker*
Ich glaube, die Dominanz langer Passagen in diesem dahinfließenden "Deklamationsstil" ist ein Kritikpunkt, den man Prokofjew offenbar auch schon für die Komposition seiner Oper Der Spieler (UA 1929) machte - offenbar kommt das nicht bei jedem gleich gut an…

Allerdings ist das wirklich Jammern auf hohem Niveau (sonst lässt sich wirklich kein Haar in der Suppe finden) - es war wieder einmal ein ausgesprochen gelungener Spielzeitauftakt, in diesem Fall für die letzte Saison, bevor die lang erwartete (und ersehnte) Grundsanierung des Kölner Opernhauses (und angrenzenden Schauspiels) nun endlich, endlich beginnen wird!

Ach so - an dieser Stelle möchte ich auch auf die sehr lesenwerte Rezension von Thomas Molke vom Online Musik Magazin verweisen, der sich - für alle, die mit der Handlung des Stücks nicht ganz so vertraut sind - neben vielen anderen sehr treffenden Beobachtungen auch etwas intensiver mit dem Inhalt von Prokofjews Krieg und Frieden befasst, als ich es hier getan habe!

Donnerstag, 22. September 2011

Gestern in der Lunch-Time-Orgel

Gestern Mittag spielte Wolfgang Abendroth für uns ein besonders üppiges Orgelkonzert, das deutlich über die sonst übliche halbstündige Dauer hinausging.

Los ging es mit einer seiner immer wieder gern gehörten, gut gemachten Improvisationen und zwar über den Psalm Nr. 1, der auch der Psalm der aktuellen Woche ist. Knapp 10 Minuten konnten wir seine spannende Umsetzung der Worte dieses Psalms in Töne und Klangfarben erleben.

Es folgten fünf Stücke des französischen Romantikers León Boëllmann (1862-97): Aus seiner Sammlung "Heures Mystiques" op. 29 erklangen 2 Offertoires (in C-Dur und d-moll) und 3 Elévations (in Es-, G- und C-Dur).

Und zum Abschluss gab es dann noch das längste Werk des gestrigen Konzerts - César Francks (1822-90) wunderbaren und virtuosen Choral Nr. 3 in a-moll!

Bei solch einem tollen Programm habe ich absolut nichts gegen zeitliche "Überziehungen" einzuwenden! ;-)

Mittwoch, 14. September 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute spielte Andreas Petersen, Kantor und Organist der Düsseldorfer Friedens-Kirchengemeinde, ein reines Bach-Programm für uns.
Er hatte das Ganze unter das Motto "Basically Bach" gestellt, was wohl schick neudeutsch und trendy klingen sollte und auch eine griffige Alliteration darstellte, ins Deutsche übersetzt aber nicht sooo besonders viel Sinn ergab, denn "hauptsächlich Bach" oder "im Wesentlichen Bach" würde ja implizieren, dass wir heute doch kein reines Bach-Konzert erleben konnten.

Naja - Wortklaubereien. Hauptsache, die Musik war schön...

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Präludium C-Dur BWV 547,1

Largo BWV 529,2
aus der 5. Triosonate C-Dur

Choralvorspiel
"Wer nur den lieben Gott lässt walten" BWV 647
aus den Schübler-Chorälen

Choralvorspiel "O Mensch, bewein dein Sünde groß" BWV 622
aus dem Orgelbüchlein

Toccata und Fuge d-moll BWV 565


Zum Abschluss und Höhepunkt des Konzerts gab es heute mal wieder den Orgelklassiker schlechthin. Und zumindest in Bezug auf dieses Stück passte der Konzert-Titel dann doch wieder irgendwie, denn "Basically Bach" könnte man ja auch als "Grundlegend Bach" übersetzen - denn zu den absoluten und weltberühmten Bach-Grundlagen gehört die berühmte Toccata d-moll BWV 565 ja nun auf jeden Fall unbedingt zu!

Montag, 12. September 2011

Zuletzt gehört...

Ich hatte hier ja neulich bereits meine Gedanken zu den auch im Klassik-Sektor zunehmend optisch dominierten Vermarktungsstrategien am Beispiel des neuen Gitarren-Stars Miloš kundgetan.

Jetzt also zur weiteren Untermauerung meiner Thesen quasi als weibliches Gegenstück die junge Hamburger Sopranistin Mojca Erdmann:
Ihre ebenfalls in diesem Jahr bei der Deutsche Grammophon erschienene Debüt-CD "Mostly Mozart" wartet mit zahlreichen (!) Fotos der zierlichen Sängerin auf, die sie - meiner Meinung nach - ein wenig sehr in Richtung "Lolita - die sinnlich singende Kindfrau" abstempeln, was dieser Künstlerin so sicher nicht gerecht wird; im CD-Booklet wird sie gar noch als "Muse für Mozart" angepriesen...

Mojca Erdmann verfügt über eine sehr klare, leichte und angenehm anzuhörende Sopranstimme, wenn sie singt, hat man fast automatisch das - und hier knüpft die Strategie des Marketings wahrscheinlich an - Bild eines unschuldigen jungen Mädchens vor Augen.

Dieses Rollenbild soll wohl auch durch das Programm ihres Arien-Recitals deutlich werden:
Begleitet vom La Cetra Barockorchester Basel unter der Leitung von Andrea Marcon bietet Frau Erdmann eine meiner Meinung nach etwas unglückliche Mischung aus absoluten Mozart-Klassikern und eher selten zu hörenden Raritäten von dessen Zeitgenossen (Salieri, Paisiello & Co.).

Ich muss gestehen, dass ich Arien wie Paminas "Ach, ich fühl's", Susannas Rosenarie, die beiden Zerlina-Arien oder die ersten beiden Ilia-Arien aus dem Idomeneo schon so oft gehört habe, dass ich sie jetzt nicht unbedingt auch noch auf der Debüt-CD von Mojca Erdmann vorfinden musste - das ist weder besonders originell noch hinterlässt es beim Anhören einen besonders nachhaltigen Eindruck: Es klingt nett, aber irgendwie ohne eine persönliche Note, die im Gedächtnis bleibt. Ich halte es für gefährlich, sich schon zu Beginn einer CD-Karriere gleich auf ein derart ausgetretenes und damit entsprechend mit hohen Erwartungen belegtes Pflaster zu begeben, auf dem man eigentlich nur enttäuschen kann, egal, wie man es macht.

Wesentlich besser beraten war Frau Erdmann dann schon eher bei der Auswahl der unbekannteren Nummern auf ihrer Debüt-CD: Angefangen bei 2 Arien aus dem Mozart-Fragment Zaide über Arien aus Salieris "Les Danaïdes" oder Paisiellos "Nina" - das ist Repertoire, aus dem man noch etwas machen kann und von dem der Zuhörer eben noch nicht jede Phrase, jede Note in- und auswendig kennt!
Auf ein solches Repertoire hätte sich Frau Erdmann meiner Meinung nach ausschließlich konzentrieren sollen!

Schade nur, dass der interessierte Hörer im CD-Booklet so gut wie keine verwertbaren Informationen zu diesen selten zu hörenden Werken vorfindet. Es erschien den Verantwortlichen hier offensichtlich wichtiger, etwas über die neue "Muse für Mozart" zu lobhudeln…

Der spannendste Beitrag auf dieser CD besteht für mich jedoch aus den beiden Arien der Pfalzgräfin Anna aus der Oper Günther von Schwarzburg (UA 1777) von Ignaz Holzbauer (1711-1783) - eine der ersten deutschsprachigen Opern der Nach-Barockzeit (wenn nicht neben Anton Schweitzers Alceste von 1773 sogar die erste!), die für sich den Anspruch erhoben, etwas mehr zu sein, als nur ein heiteres Singspiel mit harmlos-liedartigen Gesangsnummern, sondern eine Art deutschsprachiges Pendant zur damals alles dominierenden großen italienischen oder französischen Oper.

Mozart schöpfte für seine deutschsprachigen Opern nachweislich eine immense Inspiration aus Holzbauers Günther von Schwarzburg und hielt große Stücke auf dieses Werk, das ihm bewies, dass eine große, ernste deutsche Oper machbar war und auch beim Publikum ankam! Wer weiß, ob es ohne diese Oper die "Entführung" und die "Zauberflöte" in ihrer heutigen Form so überhaupt geben würde?

Die beiden Arien, die Mojca Erdmann hier interpretiert, wecken jedenfalls gewaltig die Neugier darauf, diesen Günther von Schwarzburg einmal in Gänze kennenzulernen.

Und außerdem sind sie der meines Wissens bislang einzige aktuelle Beitrag im CD-Sektor, um an den 300. Geburtstag (am 17. September) dieses ansonsten fast völlig der Vergessenheit anheim gefallenen Komponisten zu erinnern!

Und das ist ja immerhin auch ein Verdienst, den man dieser neuen CD zuschreiben kann!

Freitag, 9. September 2011

Das Bonmot für Zwischendurch...

Von meinem Lieblingsautor Oscar Wilde habe hier ich schon seit Längerem nichts mehr präsentiert. Da ich im Moment allerdings wieder mal etwas von ihm lese - zuerst Salome, jetzt Dorian Gray - und mich gerade im letztgenannten Roman vor wunderbaren Aussprüchen kaum retten kann, wollte ich heute zur Abwechslung mal wieder einen geschliffenen kleinen Dialog made by Oscar präsentieren, in dem es (natürlich!) um Musik im Allgemeinen, sowie Wagner und Pianisten im Besonderen geht…

Viel Vergnügen!

"Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andere. Sie ist so laut, dass man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne dass andere Menschen hören, was man sagt. Das ist ein großer Vorteil, meinen Sie nicht auch?" […]
"Ich fürchte, da bin ich anderer Ansicht. Ich spreche nie während der Musik - wenigstens nicht während guter Musik. Wenn man schlechte Musik hört, hat man die Pflicht, sie im Gespräch zu ertränken." […]
"Aber Sie dürfen nicht denken, dass ich gute Musik nicht liebe. Ich verehre sie, aber ich habe Angst davor. Sie macht mich zu romantisch. Ich habe Pianisten geradezu angebetet - manchmal zwei zu gleicher Zeit. […] Ich weiß nicht, was sie an sich haben. Vielleicht kommt es daher, dass sie Ausländer sind. Sie sind es alle, nicht wahr? Selbst die, die in England geboren sind, werden nach einiger Zeit Ausländer, nicht wahr? Das ist so klug von ihnen und für die Kunst so schmeichelhaft. Das macht sie kosmopolitisch, nicht wahr? Sie sind nie bei einer meiner Gesellschaften gewesen. […] Sie müssen kommen. Orchideen kann ich mir nicht leisten, aber für Ausländer ist mir nichts zu teuer. Sie machen ein Haus so malerisch!"

Mittwoch, 7. September 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Orgelmusik von drei relativ unbekannten Komponisten spielte Wolfgang Abendroth heute Mittag für uns:

Vincent Lübeck (1654-1740)
Praeludium d-moll

John Stanley (1713-86)
Voluntary d-moll

August Gottfried Ritter (1811-85)
Sonate Nr. 2 e-moll op. 19


Vincent Lübeck war ein Zeitgenosse Dietrich Buxtehudes wie auch J. S. Bachs und ein Vertreter der norddeutschen Barockschule. Er wirkte vor allem als Organist in Stade und in Hamburg (Nikolaikirche). Sein dreiteiliges, knapp 10-minütiges Präludium in d-moll wirkt in den beiden Eckteilen sehr wuchtig und wunderbar dramatisch-theatralisch, der Mittelteil besteht aus einer recht virtuosen Fuge. Ein ausgesprochen wirkungsvolles Stück!

In der gleichen Tonart d-moll, aber vom Ausdruck her völlig anders kommt das kürzere Voluntary von John Stanley, einem englischen Zeitgenossen Händels und Johann Christian Bachs, daher: Das Ganze wirkt viel freundlicher und weitaus weniger dramatisch, wenngleich auch im abschließenden schnellen Teil des Stücks ebenfalls eine gewisse Virtuosität vom Organisten erwartet wird.

Mit dem gebürtigen Erfurter August Gottfried Ritter wurde dann heute mal wieder einer der zahlreichen unbekannten Jubilare des Jahres 2011 in Erinnerung gerufen (was mich natürlich sehr gefreut hat) - Ritter wurde am 25. August vor 200 Jahren geboren und wirkte als Organist vor allem in seiner Geburtsstadt und am Magdeburger Dom. Er gilt - neben Mendelssohn - als einer der Pioniere, die im 19. Jahrhundert das Interesse an anspruchsvoller Orgelmusik (das während der Jahre der Wiener Klassik und der frühen Romantik deutlich erlahmt war) neu geweckt und Komponisten wie z. B. Liszt oder Reger als Inspirationsquelle für ihre eigenen Orgelkompositionen gedient haben.
Ritters 2. Orgelsonate ist einsätzig, jedoch in fünf Teilabschnitte gegliedert. Der erste und letzte Abschnitt bilden einen Rahmen für die ganze Sonate und greifen beide auf das selbe markante Motiv zurück - sehr virtuos, das Ganze! Vom arg vernachlässigten Herrn Ritter würde ich sehr gern noch mehr zu hören bekommen!