Mittwoch, 31. August 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute war Torsten Göbel, Kantor der Auferstehungskirche in Düsseldorf-Oberkassel, unser Gast-Organist und spielte für uns Musik zweier Komponisten des 20. Jahrhunderts, die außerhalb des Bereichs der Orgelmusik leider keine große Bekanntheit erlangt haben:

Gerard Bunk (1888-1958)
Sonate f-moll op. 23
III. Intermezzo cantabile
IV. Finale maestoso

Joseph Jongen (1873-1953)
Sonata Eroïca für große Orgel


Der gebürtige Rotterdamer Gerard Bunk war für viele Jahre als Organist, Kantor und Komponist in Dortmund tätig. Der Belgier Joseph Jongen wirkte unter anderem in seiner Geburtsstadt Lüttich und Brüssel.

Beide Orgelwerke schöpfen die Möglichkeiten einer modernen Konzertorgel voll aus: Wir erlebten ein ausgesprochen klangmächtiges Konzert (das heute sogar fast eine dreiviertel Stunde statt der sonst üblichen 30 Minuten dauerte!) - mir hat diese Musik ausgesprochen gut gefallen und ich hätte auch gerne einmal die beiden ersten Sätze der Bunk-Sonate gehört.

Dienstag, 30. August 2011

"My Fair Lady" in Xanten

Sommerzeit ist ja traditionell Festivalzeit und Open-Air-Saison - und da macht auch der Klassikbereich keine Ausnahme.

In diesem Jahr hatte ich wieder einmal Gelegenheit, eine solche Open-Air-Aufführung im Rahmen der 29. Sommerfestspiele im römischen Amphitheater im Archäologischen Park in Xanten am Niederrhein besuchen zu können (zuletzt war ich dort im Sommer 2004 anlässlich einer "Rigoletto"-Aufführung).
Die ersten Festspielbesucher treffen vor dem Xantener Amphitheater ein
Das Amphitheater von außen
Kaiserliche Begrüßung am Eingang

In diesem Jahr habe ich nun zusammen mit Freunden am vergangenen Samstag (27.08.) eine Aufführung des Musical-Klassikers "My Fair Lady" von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe (in der bekannten deutschen Fassung, in der Eliza Doolittle "berlinert") besucht.
Noch 90 Minuten bis Vorstellungsbeginn

In diesem sogenannten "Sommer" ist bzw. war es wirklich schwierig, im Risikospiel mit der äußerst wankelmütigen Wetterlage wenigstens einigermaßen Glück zu haben, aber getreu dem Motto "Wenn Engel reisen…" war uns Petrus an jenem Samstagabend hold (vielleicht steht er auch auf Broadway-Klassiker, wer weiß…?) und es war zwar frisch mit Temperaturen deutlich unter 20 Grad, aber von Anfang bis Ende unseres gesamten Aufenthalts vor Ort ist nicht ein einziger Tropfen Regen gefallen (und das, obwohl wir während der Anreise aus Köln kommend am Nachmittag noch in zwei mittlere Wolkenbrüche geraten waren und somit schon das Schlimmste für den Abend befürchtet hatten)!!
Nun, auf kühle Temperaturen (die ja auch so vorhergesagt worden waren) kann man sich einrichten und entsprechend wirksam vorbereiten, auf etwaige stundenlange Regengüsse eher weniger - so gesehen waren wir (und alle anderen Zuschauer der schätzungsweise zu 80 % ausverkauften Vorstellung natürlich auch) entsprechend erleichtert, dass dicke Jacken und kuschelige Decken dann ausreichten, um bequem durch diesen "hochsommerlichen" Theaterabend unter freiem Himmel zu kommen!

Wer vielleicht noch nie etwas von diesen mittlerweile seit fast 30 Jahren stattfindenden Sommerfestspielen im Xantener Amphitheater gehört haben mag (mit in der Regel gleich mehreren verschiedenen Aufführungen aus den Sparten Oper, Musical und Konzert), der möge sich einfach eine niederrheinische Version der Festspiele in der Arena di Verona vorstellen (wo ich vor -zig Jahren mal eine "Aida"-Aufführung erleben durfte).
Das Amphitheater ist natürlich deutlich kleiner als das norditalienische Pendant (und das Wetter entsprechend weniger mediterran), aber ansonsten hinkt der Vergleich keineswegs.
Man geht nicht nur wegen der Aufführungen, sondern auch aufgrund der besonderen Atmosphäre in diesem steinernen Rundbau dorthin: Ab 19 Uhr ist Einlass (Vorstellungsbeginn dann um 20:30 Uhr) und um diese Zeit stehen die wirklichen Fans (so auch wir) dann bereits am Eingang, um sich dann vor Ort die jeweiligen Lieblingsplätze auf den steinernen Stufen zu sichern. Wir hatten uns erneut ganz oben direkt vor der das Arenarund abschließenden Brüstungsmauer platziert, was den Vorteil hat, dass man von dort nicht nur den besten Überblick über den Innenraum sondern auch die gesamte Umgebung hat: Den Archäologischen Park im Rücken, den Blick auf das Städtchen Xanten mit den markanten Doppeltürmen des Doms St. Viktor zur Rechten, die weite niederrheinische Ebene zur Linken - das hat schon was!
Der Xantener Dom
Teile des Archäologischen Parks

Und die anderthalb Stunden bis zum Vorstellungsbeginn werden natürlich (das gehört für die wahren Liebhaber solcher Veranstaltungen unbedingt dazu!) stilecht mit einem geschmackvollen Picknick auf den Steinstufen überbrückt… Es wäre zu schade gewesen, wenn das buchstäblich "ins Wasser" gefallen wäre - für uns schien hingegen die untergehende Sonne und man konnte das Ganze entsprechend genießen.
Die Bühne im Abendsonnenschein
Das Orchester sitzt - gleich geht es los!

Um 20:30 Uhr begann dann in der einsetzenden Dämmerung die Vorstellung.

In einer Inszenierung von Leo Decker und unter der musikalischen Leitung von Vadim Perevoznikow spielten, sangen und tanzten Ballett, Chor und Orchester des Nationalen akademischen Operettentheaters Kiew.
Die Ukrainer touren (wie viele andere vor allem osteuropäische Ensembles) während der sommerlichen Spielzeitpausen in ihren Heimathäusern gerne durch verschiedene (vorrangig westeuropäische) Festspielorte und können sich so ihre wahrscheinlich nicht allzu üppigen Budgets mit diesen zusätzlichen Gagen aufbessern.

Zu diesem ukrainischen Ensemble kamen dann die deutschsprachigen Darsteller hinzu - ich nenne hier mal die Wichtigsten:

Eliza Doolittle: Polonca Olszak
Henry Higgins: Charles Elkins
Oberst Pickering: Christian Claaszen
Alfred Doolittle: Wolfgang Welter
Freddy: Maximilian Krummen
Mrs. Higgins: Naemi Priegel
Mrs. Pearce: Friedhilde Filser

Bei Open-Air-Aufführungen wie dieser erwartet niemand eine besonders amibitionierte, künstlerisch ausgefallene Inszenierung - wir wurden durch die zweckmäßige, durchaus als "klassisch" zu bezeichnende Bühnenausstattung dann auch vollkommen zufriedengestellt.

Hinzu kommt natürlich die besondere Atmosphäre, die sich bei solchen Veranstaltungen einstellt und die sich irgendwie auch auf die Mitwirkenden überträgt. So kleine Pannen und Tücken, wie z. B. die Tatsache, dass der immer wieder in leichten Böen durch die Arena gehende Wind es mehrfach verhinderte, dass Professor Higgins eine Kerze auf seinem Schreibtisch entzünden konnte, was nach dem letztendlichen Erfolg dieser Aktion (und entsprechender Improvisation) zu spontanem Szenenapplaus führte, erlebt man halt nur bei Aufführungen wie diesen.

Wolfgang Welter als Alfred Doolittle benötigte etwas, um mit seinem Part zurechtzukommen - seine erste Solonummer ("Mit 'nem kleinen Stückchen Glück") ging stimmlich gesehen doch etwas daneben, aber eine derart dankbare Rolle wie die des unverwüstlichen Müllkutschers ist so publikumswirksam angelegt, dass man hier eigentlich auch die größten Patzer verzeiht - und spätestens bei seinem zweiten Auftritt war man dann schon wieder versöhnt.

Die beiden Hauptdarsteller Polonca Olszak und Charles Elkins überzeugten im Ganzen darstellerisch und stimmlich, auch an den übrigen Mitwirkenden gab es wenig auszusetzen (lediglich Maximilian Krummen als Freddy Eynsford-Hill schien stimmlich an ein paar Stellen ein klein wenig an seine Grenzen zu stoßen...).

Schade, dass in einigen Musiknummern kleinere Kürzungen vorgenommen wurden - so schien es mir zumindest (so z. B. in Higgins' "Kann denn die Kinder keiner lehren, wie man spricht" oder in Elizas "Tu's doch!") - da sich die Striche allerdings in äußerst bescheidenem Umfang ausnahmen, stellt sich die Frage, warum man dann überhaupt hie und da den Rotstift angesetzt hatte?

Ballett und Orchester boten eine routinierte Leistung, lediglich am Chor und den sich hieraus rekrutierenden Nebenrollendarstellern bleibt auszusetzen, dass man sie überhaupt nicht verstehen konnte: Mit der deutschen Fassung der "My Fair Lady"-Texte waren die Ukrainer sprachlich eindeutig überfordert und man war froh, dass sich Chorpart und die Texte der Nebenfiguren in diesem Musical eh nur auf ein Minimum beschränken (fairerweise muss man natürlich berücksichtigen, dass es im umgekehrten Fall wohl auch nicht besser klingen würde, wenn ein deutschsprachiges Ensemble versuchen würde, russische Texte zu deklamieren bzw. zu singen!)

Aber sämtliche (kleinen) Kritikpunkte fallen nicht so ins Gewicht, wenn man dabei die abendliche Arena-Atmosphäre genießen und gleichzeitig ganz gemütlich etwas trinken und sich köstliche kleine Schweinereien wie Datteln im Speckmantel zu Gemüte führen kann *grins*
Vielleicht wäre sowas ja auch mal eine Überlegung für ganz normale Theater wert?

Alles in allem also ein schöner, erst um Mitternacht endender Abend in ganz besonderer (regenfreier!) Atmosphäre am Ende eines mehr als durchwachsenen Sommers!

Mittwoch, 24. August 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute spielte unser Organist Wolfgang Abendroth mal wieder ein reines Barockprogramm für die Mittags-Orgelgemeinde:

Johann Ernst Prinz von Sachsen-Weimar (1696-1715)
Concerto C-Dur

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Partita "O Gott, du frommer Gott" BWV 767

Nicolaus Bruhns (1665-1697)
Präludium G-Dur


Das Concerto des früh verstorbenen Prinzen Johann Ernst wurde von J. S. Bach in der gleichen Form für die Orgel bearbeitet, wie er auch mehrere Concerti von Vivaldi für die Orgel eingerichtet hatte. Die Tutti- und die Solo-Stellen der Orchestervorlage sind auch in der Orgelversion gut voneinander zu unterscheiden. Aber wenn man es nicht wüsste, würde man wirklich nicht darauf kommen, dass es sich bei diesem Stück im Original gar nicht um ein Orgelstück gehandelt hat.

Das Hauptstück heute war dann die 9-sätzige Partita - eine Komposition des jungen Bach, die aus erkennbar aus einer "Experimentierphase" des späteren Thomaskantors stammt. Vor allem, was die verwendeten Harmonien anbetrifft.

Zum Abschluss gab es dann noch das fünfteilige Präludium von Nicolaus Bruhns - ein typisches Stück des norddeutschen Barocks, im sogenannten "Stylus phantasticus" verfasst: Ein bunter Wechsel aus Fugen und freien, toccata-artigen Abschnitten, "gewürzt" mit raffinierten Harmonien bzw. immer wieder effektvoll aufgelösten Dissonanzen.

Freitag, 19. August 2011

Neuerwerbung


Dass ich mich im Sommer irgendwie immer automatisch zu klassischer Gitarrenmusik hingezogen fühle (gibt es was Schöneres an einem lauen Sommerabend?), hatte ich ja schon mal geschrieben.
So gesehen hat die Deutsche Grammophon mit ihrer aktuellen Veröffentlichung des Albums "Mediterráneo" des neuen Label-Stars, dem 28-jährigen Gitarristen Miloš Karadaglić schon mal alles richtig gemacht - aus einer spontanen sommerlichen Stimmung heraus habe ich mir besagte Aufnahme mal zugelegt; bei der Gelegenheit fiel mir auf, wie viele Jahre ich schon keine neue CD mit klassischer Gitarrenmusik mehr gekauft habe. Bislang haben mir die wenigen Exemplare, die ich besitze, Jahr für Jahr gute Dienste geleistet - aber diesmal war meine Neugier dann doch mal geweckt und ich wollte mal hören, was der neue "Wunderknabe" so alles aus seiner Gitarre rausholt…

Ich kann die Firmenpolitik der Deutsche Grammophon (bzw. von Universal Classics) in diesem Fall tatsächlich einmal gut nachvollziehen: In den letzten Jahren wurden ja von so ziemlich allen Klassiklabels jede Menge junger, frischer Gesichter beiderlei Geschlechts promoted (und werbetechnisch entsprechend in den Himmel gehoben…) und dabei systematisch alle Stimmlagen und die gängigsten Instrumente abgearbeitet.
Immer setzte man dabei auf die Neugier des Publikums und den Reiz des Neuen (was sich aber - leider - in der Regel nicht auf das eingespielte Repertoire bezog!) - mittlerweile sind neben tonnenweisen Sängerinnen und Sängern, Pianisten, Violinisten, Cellisten, Flötisten (und -innen selbstverständlich auch!) auch schon etwas abwegigere Regionen wie Trompeter, Bratscher, Blockflötenspieler und sogar Harfenisten gründlich beackert worden.
Und immer sind die neu vorgestellten Künstler nicht nur jung sondern erstaunlicherweise durch die Bank ausgesprochen attraktiv und fotogen - man fragt sich unwillkürlich, ob das wirklich noch Zufall ist…?
Muss man heutzutage neben den technischen und interpretatorischen Fähigkeiten, die einen nicht nur die gewaltige Konkurrenz ausstechen sondern auch noch ein entsprechendes Hochschulstudium überstehen lassen zusätzlich auch noch ein überdurchschnittlich gutes Aussehen mitbringen, um sich überhaupt Hoffnungen auf eine (womöglich sogar internationale) Karriere machen zu können? Ich habe persönlich verstärkt diesen Eindruck, was mich in dieser unserer so dermaßen visuell geprägten Welt eigentlich auch nicht wirklich wundert. Es ist nur ziemlich unfair, wenn gerade solche Kriterien, die eigentlich in gar keinem Zusammenhang mit der künstlerischen Leistung stehen, hier womöglich den Ausschlag geben für die gezielte Förderung einer Karriere - man kann nur froh sein, dass man das in früheren Jahren nicht unbedingt als so wichtig angesehen hat, wie es heute wohl leider der Fall ist, denn sonst wäre uns so manche heute als Klassik-Legende verehrte Persönlichkeit vielleicht völlig unbekannt geblieben...

Bei meiner obigen Aufzählung der verschiedenen in den vergangenen Jahren marketingtechnisch verwursteten Instrumentengattungen fällt auf, dass ein eigentlich doch recht naheliegendes Instrument wie die Gitarre hier tatsächlich bisher nicht vertreten war. Die Zeiten, in denen zuletzt regelmäßig große Namen im Bereich der Gitarre zumindest einer interessierten Gruppe von Musikliebhabern begegneten, sind tatsächlich schon Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte her (ich erinnere z. B. an Narciso Yepes, Julian Bream, John Williams oder Los Romeros).

So gesehen war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis eines der Klassiklabels mit einem jungen Gitarristen aufwarten würde. In diesem Jahr ist es dann also soweit: Der junge Montenegriner Miloš Karadaglić, der in London sein Studium der klassischen Gitarre abgeschlossen hat, wird der Öffentlichkeit als neuer Shooting-Star an diesem Instrument präsentiert. Dass er aussieht wie die perfekte Inkarnation des typischen südländisch-heißblütigen Herzensbrechers überrascht hierbei wohl nicht wirklich…

© Olaf Heine / Deutsche Grammophon

Also aus der Marketingperspektive gesehen die perfekte Verbindung aus Künstlerpersönlichkeit und einem in den letzten Jahren arg unterrepräsentierten Instrument! Herzlichen Glückwunsch an den oder die Entdecker! ;-)

Wie klingt denn nun das Gitarrenspiel von Miloš Karadaglić?
Ich muss sagen, dass ich durchaus angetan war, von dem, was auf seiner Debüt-CD Mediterráneo zu hören ist - der junge Mann beherrscht sein Instrument, keine Frage!

Etwas enttäuscht war ich von der Programmzusammenstellung, die eigentlich nur ein "Best of" der absoluten Gitarrenklassiker darstellt (so z. B. Tárregas "Recuerdos de la Alhambra" oder "Granada" und "Asturias" von Isaac Albéniz), aber das kann man dem Künstler eigentlich nicht vorwerfen - schließlich möchte man sich auf einer Debüt-CD mit einer möglichst großen Bandbreite an Stücken vorstellen (gerade bei Sänger-Debüts ist es ja auch nicht anders, wenn das berüchtigte obligatorische erste Arien-Recital ansteht) und das Feld der Gitarrenmusik ist in den letzten Jahren ja nun wirklich nicht übermäßig beackert worden, so dass hier noch nicht ganz der Übersättigungseffekt vorherrscht, den man z. B. im Klavier- oder Geigensektor längst erreicht hat.
Außerdem - so schätze ich mal - möchte die Deutsche Grammophon vielleicht auch selber erst mal einen Testballon starten, um zu sehen, wie gut ihr neuer Schützling auf dem Musikmarkt so ankommt. Und da geht man programmtechnisch natürlich erst mal kein Risiko ein, sondern setzt auf altbewährte Zugnummern.

So gesehen gewährt die Mediterráneo-CD also nicht nur einen guten ersten Eindruck über das Können des neuen Gitarrenkünstlers, sondern bietet auch denjenigen, die sich erstmals mit dem Repertoire klassischer Gitarrenmusik befassen wollen, einen repräsentativen Überblick über die beliebtesten und populärsten Stücke aus diesem Sektor - zumindest was Kompositionen anbetrifft, die schwerpunktmäßig gegen Ende des 19. bzw. zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind.
Das große Barock-Repertoire für Gitarre, sowie Kompositionen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts (z. B. Mauro Giuliani, Fernando Sor oder Nicolò Paganini) werden leider völlig außen vor gelassen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden…

Etwas bizarr finde ich auch die Tatsache, dass Gitarrist Miloš, der das ganze Programm ansonsten solistisch bestreitet, für eine einzige (lediglich dreiminütige) Nummer auf dieser CD von einem Orchester begleitet wird:
Es handelt sich um die weltberühmte Romance des berüchtigten "Anonymus", die natürlich bei einem solchen Gitarrenprogramm nicht fehlen darf. Warum man Miloš dieses Stück nicht als Solo vortragen lässt (so kannte ich dieses Gitarrenstück, das zugegebenermaßen in -zig Bearbeitungen und teilweise nur schwer erträglichen Arrangements existiert, bislang eigentlich auch), sondern seine Gitarrentöne in ein süßliches Bett schmelzender Violinenklänge hüllt, ist mir allerdings ein Rätsel! Das wäre wirklich nicht nötig gewesen - das Stück wirkt in seiner jetzigen Form wie ein Fremdkörper auf dieser CD. Schade drum.

Naja, vielleicht war diese Nummer ja so eine Art Vorübung für das nächste CD-Projekt mit unserem hoffnungsvollen Jung-Gitarristen.
Ich gehe jede Wette ein, dass - sollte es weitere CDs mit Miloš Karadaglić geben - demnächst auf jeden Fall das "Concierto de Aranjuez" und die "Fantasia para un gentilhombre" von Joaquin Rodrigo eingespielt werden - und das sind ja nun einmal Werke für Gitarre und Orchester!
Und diese Klassiker, die eigentlich auf keinem "Best of Guitar" fehlen dürfen, glänzten auf der in diesem Jahr erschienenen Debüt-CD von Miloš Karadaglić auffällig durch Abwesenheit…

Nun, schau'n mer mal, wie es mit ihm und seiner Karriere weitergeht. Ich drücke dem sympathischen jungen Mann auf jeden Fall beide Daumen!

Mittwoch, 17. August 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Orgelkonzerte, in denen jeweils nur ein großes Werk gespielt wird, mag ich ganz besonders gerne: Ich mag den großen Bogen bei diesen meist mehrsätzigen Stücken, die in der Regel aus dem späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert stammen, oft mit symphonischem Anspruch komponiert wurden und damit normalerweise die Zuhörer mit entsprechend üppigem Ohrenschmaus erfreuen :-)

Heute war es dann mal wieder soweit - Wolfgang Abendroth spielte heute für uns

Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901)
Sonate für Orgel Nr. 14 C-Dur op. 165
1. Präludium (Maestoso)
2. Idyll (Andante)
3. Toccata (Allegro moderato)


Der Tonfall dieser im Jahr 1890 entstandenen 14. Sonate (Rheinberger komponierte insgesamt 20 solcher Orgelsonaten) ist feierlich und optimistisch, ohne dabei ins Pompöse oder Theatralische abzugleiten - es herrscht eine klar strukturierte, schnörkellose Atmosphäre vor, die von ihrer "sonnigen" Stimmung her gut zu diesem freundlich-sommerlichen Tag passte.
Rheinberger hat sich in den Ecksätzen von barocken Vorbildern inspirieren lassen: Im 1. Satz verknüpft er kunstvoll Elemente des klassischen Sonatenhauptsatzes mit einer virtuosen Fuge, im 3. Satz fließen Elemente der barocken Toccata in den Satzaufbau hinein, wobei hier allerdings auch die typischen Passagen mit ihren schnellen Läufen nicht fehlten, die für viele ebenfalls "Toccata" betitelten Schluss-Sätze von Orgelwerken französischer Zeitgenossen Rheinbergers so charakteristisch sind.

Mittwoch, 10. August 2011

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Heute spielte als Gast für uns die junge koreanische Organistin Hyo-Jong Kim. Sie präsentierte uns drei ausgesprochen virtuose Stücke (und ein kleineres ruhiges):

Petr Eben (1929-2007)
"Moto ostinato" aus "Nedelni hudba" ("Sonntagsmusik")

Georg Böhm (1661-1733)
Präludium und Fuge C-Dur
Choralbearbeitung "Vater unser im Himmelreich"

Franz Liszt (1811-86)
Präludium und Fuge über B.A.C.H.


Ich muss zugeben, dass ich bislang nicht wirklich oft mit Orgelmusik des Tschechen Petr Eben konfrontiert worden bin, was, wie ich heute feststellen musste, offenbar ein echtes Versäumnis darstellte!
Die ungefähr halbstündige Sonntagsmusik (entstanden Ende der 1950er Jahre) besteht aus vier Sätzen, "Moto ostinato" (= "andauernde Bewegung") ist hierbei der dritte und ich fand diese Musik sehr ansprechend in ihrer Mischung zwischen traditionellen Elementen und moderner Harmonik und ebensolchen Rhythmen. Es hätte mir nichts ausgemacht, heute gleich die ganze Sonntagsmusik vorgespielt zu bekommen - das heute Gehörte machte echt Lust auf "Mehr"! Naja, vielleicht ergibt sich ja einmal die Gelegenheit...

Georg Böhm gehört auch in die Reihe der Jubilare dieses Jahres: Am 2. September gedenkt die Musikwelt (hoffentlich?) des 350. Geburtstags dieses großen Vertreters der norddeutschen Barockmusik! So gesehen fand ich es schön, im heutigen Konzert Musik von ihm hören zu können.

Dicht gefolgt natürlich von dem Komponistenjubilar dieses Jahres schlechthin, Franz Liszt!
Bei Liszts (ja nicht allzu zahlreichen) großen Orgelwerken finde ich - neben dem ganzen romantischen Pomp, in dem er die Konzertorgeln seiner Zeit erstrahlen lässt - die Tatsache bemerkenswert, dass es ihm tatsächlich gelungen ist, seinen unverkennbaren Klavierstil auf dieses doch so ganz andere Tasteninstrument zu übertragen.
So gesehen war das Präludium und Fuge über B.A.C.H. natürlich in jeder Hinsicht ein gelungener Abschluss des heutigen Mittagskonzerts mit einer ausgesprochen talentierten jungen Organistin!

Montag, 8. August 2011

Ambroise Thomas - 200. Geburtstag

Urlaubsbedingt komme ich leider erst heute dazu, an den runden Geburtstag eines französischen Opernkomponisten zu erinnern, der bereits am 5. August vor genau 200 Jahren in Metz geboren wurde: Ambroise Thomas.
Leider steht der runde Geburtstag dieses Komponisten (er starb 1896 in Paris) in diesem Jahr total im Schatten vor allem des anderen Komponisten, der im selben Jahr 1811 (am 22. Oktober) das Licht der Welt erblickte - Franz Liszt - ich schätze Thomas' Musik aber seit Jahren sehr und finde es ausgesprochen schade, dass man selbst in diesem Jubiläumsjahr nicht wirklich etwas von ihm vernimmt - weder auf der Bühne oder im Konzertsaal, noch im Rahmen neuer (oder neu aufgelegter) Aufnahmen seiner Werke. Ob das wohl in Frankreich (und hier vor allem in seiner Geburtsstadt Metz) auch so traurig aussieht?

Leider ist es so, dass man schon in den letzten Jahren und Jahrzehnten zumindest hierzulande ausgesprochen selten eine der zahlreichen Opern von Ambroise Thomas auf der Bühne erleben konnte.
Ich erinnere mich aber sehr gerne an eine Aufführung seines im Jahr 1868 uraufgeführten Hamlet, die ich vor ca. 5 Jahren in der Düsseldorfer Oper am Rhein besucht habe: Nicht zuletzt die berühmte Wahnsinnsszene der Ophélie (die - zusammen mit dem für französische Opern sozusagen obligatorischen Ballett - den gesamten 4. Akt beansprucht), die psychologisch äußerst eindrücklich und beklemmend in Szene gesetzt wurde, hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen - die ganze Aufführung war ein Plädoyer für eine Renaissance dieser selten zu erlebenden, musikalisch keine Wünsche offen lassenden Oper!

Thomas wurde bereits mit 17 Jahren Student am Pariser Konservatorium und erhielt im Jahre 1832 den berühmten und begehrten Rom-Preis, mit dem ein mehrjähriger kostenloser Aufenthalt in Rom verbunden war, wo Thomas vor Ort im "Land der Musik" seine Studien abschließen und dort vor allem von der italienischen Oper sicherlich nicht zu unterschätzende Inspirationen für seine eigene Musik mitnehmen konnte. Dieser Prix de Rome war für viele junge französische Komponisten der Beginn einer erfolgreichen Musikerkarriere - man denke nur an Preisträger wie z. B. Berlioz, Gounod, Bizet oder Debussy - und auch Thomas hatte nach seiner Rückkehr nach Paris als Rompreisträger sicherlich ein gutes Start-Renommee, auf dem er dann seine langjährige und erfolgreiche Karriere als Opernkomponist aufbauen konnte. Zusammen mit Charles Gounod (1818-93) dürfte er der wohl beliebteste und bekannteste französische Opernkomponist um die Mitte des 19. Jahrhunderts (u. a. in der Nachfolge von Auber, Halévy, Adam und Meyerbeer), bzw. während des 2. Kaiserreichs gewesen sein.

Thomas komponierte sowohl komische wie ernste Opern und war sicher kein großer Neuerer oder Reformer der zu der Zeit aktuellen Opernmusik, aber er beherrschte sowohl den Tonfall der Opéra comique wie den der Opéra lyrique souverän und das kam natürlich beim unterhaltungssüchtigen Pariser Publikum gut an (und trug vielleicht auch dazu bei, dass seine Musik im Verlauf der Jahrzehnte nach seinem Tod im Jahr 1896 dann doch an Beliebtheit einbüsste...?).

Leider ist das Angebot von Thomas' Musik auf dem Tonträgermarkt ausgesprochen überschaubar - da hat sich auch in seinem Jubiläumsjahr nichts dran geändert, wie es ausschaut...


Es gibt eine Aufnahme aus dem Jahr 1956 seiner im Jahr 1850 uraufgeführten Opéra comique "Le songe d'une nuit d'été" (Ein Sommernachtstraum), mit Janine Micheau und Henry Legay, den Choeurs et Orchestre Radio Lyrique de Paris unter der Leitung von Manuel Rosenthal, die zwar einen grauenhaften Klang hat (man könnte meinen, die Aufnahme stamme nicht aus dem Jahr 1956 sondern mindestens aus dem Jahr 1936!), dafür aber immerhin einen guten Eindruck vermittelt, wie elegant Thomas den leichten Tonfall der französischen komischen Oper beherrscht.
Anders, als man bei dem Titel dieser Oper vermuten dürfte, handelt es sich hierbei allerdings nicht um die Opernfassung von Shakespeares berühmter Komödie "A Midsummer Night's Dream", sondern um eine etwas alberne Handlung, in der eine fiktive Liebesgeschichte um William Shakespeare und seine Königin Elisabeth I. dargeboten wird - immerhin hat man hier aber mal die seltene Gelegenheit, Shakespeare als Opernfigur (er singt übrigens Tenor) auf der Bühne zu erleben!


Thomas bekannteste Opern sind allerdings der schon erwähnte Hamlet und natürlich seine Mignon (Uraufführung 1866), in der Goethes "Wilhelm Meisters Lehrjahre" verarbeitet wird.

In Deutschland hat man im 19. Jahrhundert immer mit großem Misstrauen, bzw. mit Geringschätzung und sogar Verachtung auf Opern wie Faust (UA 1859) von Charles Gounod oder Werther (UA 1892) von Jules Massenet (1842-1912) - um nur zwei weitere Beispiele von Vertonungen Goethescher Stoffe zu nennen - geblickt:
Man betrachtete es als Anmaßung, ja als "Sakrileg", den deutschen "Dichterfürsten" schlechthin in die "Niederungen" des "sündigen" Opernbetriebs hinabzuziehen (über die Vertonungen von Schiller-Dramen - z. B. von Verdi - dachte man natürlich genauso), zumal man diese Umsetzungen als "Verunglimpfungen" empfand, die außer den Titeln und einigen groben Handlungssträngen oft nicht mehr viel mit den literarischen Vorlagen gemeinsam hatten. Man hätte sich ja auch einfach mal freuen oder sich geehrt fühlen können über die auch im Ausland existierende Bekanntheit und Beliebtheit der großen deutschen Dichter, aber nein - es wurde direkt wieder negativ gedacht und die mangelnde Hochachtung im ignoranten Ausland vor deutscher Literatur (und damit natürlich auch gleich wieder gegenüber den Deutschen im Allgemeinen) vermutet…

Diese Geringschätzung und Ablehnung solchen Opern gegenüber beruht meiner Meinung nach aber auf einem grundlegenden Missverständnis, denn die französischen (oder italienischen) Textdichter und Komponisten hatten ja gar nicht vor, mit ihren "Veroperungen" berühmter literarischer Vorlagen europäischer Dichtergrößen (wie auch Shakespeare *, Dante, Cervantes, Hugo, Scott, etc.) auch nur annähernd adäquate Umsetzungen dieser Romane und Schauspiele auf die Bühne zu bringen. Man war lediglich auf der Suche nach geeigneten Sujets für eine gute Opernhandlung, die viele dramatische Entfaltungsmöglichkeiten bot und sich passend für die möglichst vorteilhafte (Selbst-)Inszenierung der großen Stars und Diven der damaligen Zeit einrichten ließ. Und natürlich war es ein guter Werbeeffekt für eine neue Opernproduktion, wenn man mit einem weithin bekannten Titel oder Dichternamen auf dem Programmzettel Neugierde und Interesse beim dann hoffentlich auch zahlreich erscheinenden Publikum wecken konnte.
(* In diesem Zusammenhang würde es mich wirklich einmal sehr interessieren, wie die Engländer auf die zahlreichen Adaptionen von Dramen "ihres" William Shakespeare reagierten - ich kann mir aber gut vorstellen, dass sie die zahllosen Veroperungen sicher nicht in demselben Maße als "Versündigungen" an ihrem nationalen Kulturgut angesehen haben, wie es viele pikierte Deutsche zur selben Zeit in Bezug auf Goethe, Schiller & Co. taten…)
Die Ambition, mit der Vertonung einer literarischen Vorlage deren dichterischer Qualität eine weitere, musikalische Ebene hinzuzufügen (was dann etwas schwammig als "Literaturoper" bezeichnet wurde), entstand erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts - und wurde hier (wen wundert's?) vor allem in Deutschland gepflegt.

Überhaupt ist diese sehr ernsthafte Herangehensweise an eigentlich vorrangig der Unterhaltung dienende Opernmusik irgendwie eine typisch deutsche Eigenart, die wohl schon gegen Ende des 18. Jahrhunderts entstanden sein mag (und sich damit komplett von der französischen und vor allem italienischen Einstellung Opern gegenüber unterschied!), sich aber bis heute gehalten hat: Wo sonst gibt es schon diese fatale Unterscheidung zwischen "U-" und "E-Musik" - mit so etwas sollte man heute mal in Großbritannien oder gar erst in den USA ankommen! Da heißt es in der Regel pragmatisch (und frei nach Oscar Wilde): "Es gibt nur zwei Arten von Musik - gute und schlechte…!" *zwinker*

Jedenfalls gehört die berühmte Wahnsinsszene aus Hamlet zu den berühmten Wahnsinnsszenen der Opernliteratur - keine berühmte Koloratursopranistin hat sich die Gelegenheit entgehen lassen, auch einmal die Ophélie zu geben.



Vor allem Joan Sutherland finde ich in dieser Rolle ganz fantastisch!

Daher gehört auch die 1983 entstandene Gesamtaufnahme dieser Oper (mit Sherrill Milnes in der Titelrolle, sowie James Morris, Barbara Conrad, Gösta Winbergh und John Tomlinson, dem Orchestra & Chorus of the Welsh National Opera unter der Leitung von Richard Bonynge) zu meinen absoluten Favoriten!
Im Ballett dieser Oper verwendete Thomas sogar das damals vom Belgier Adolphe Sax (1814-94) ganz neu entwickelte Saxophon - ein interessanter (und unerwarteter) Klangeffekt!

Thomas' berühmteste Oper Mignon, die unter anderem das bekannte "Connais-tu le pays?" ("Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh'n?") enthält, liegt in einer sehr schönen Aufnahme aus dem Jahr 1977 vor, mit der famosen Marilyn Horne in der Titelrolle.

Außerdem wirken Alain Vanzo, Ruth Welting, Frederica von Stade und Nicola Zaccaria und der Ambrosian Opera Chorus mit. Es spielt das Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Antonio de Almeida.


Aus dem Jahr 1964 gibt es zudem noch einen Querschnitt in deutscher Sprache - ein Beleg dafür, wie beliebt diese Oper dann doch auch hierzulande einmal war:


Es singen u. a. Irmgard Seefried, Ernst Haefliger und Kieth Engen, begleitet vom französischen (!) Orchestre des Concerts Lamoureux unter der Leitung von Jean Fournet.

Sehr schön ist auch die Ouvertüre zur Oper Raymond ou le Secret de la Reine (UA 1851): Schmissig und mitreißend wie viele französische Opernouvertüren aus dieser Epoche! Hier kann ich eine hübsche Sammlung solcher Ouvertüren sehr empfehlen, die der legendäre Ernest Ansermet mit seinem Orchestre de la Suisse Romande eingespielt hat (eine meiner Lieblingsaufnahmen für die "einsame Insel")!

Bei soviel schöner und geschmackvoller Opernmusik, voller rhythmischer Raffinesse und eingängiger Melodien wünschte ich mir definitiv noch mehr von Thomas' Kompositionen auf den Bühnen oder zumindest auf Tonträgern...