Donnerstag, 29. April 2010

Frühlings-Klassik (2. Teil)

Nach einem etwas verhaltenen Beginn ist mittlerweile der Frühling überall voll ausgebrochen - es blüht und grünt ungehemmt und in voller Pracht! Draußen ist es herrlich warm (und noch nicht so unerträglich drückend wie so oft im Sommer), die Sonne lacht vom strahlend blauen Himmel - härrrlisch! - wie der Rheinländer zu sagen pflegt *grins*
Höchste Zeit also, mit ein paar weiteren musikalischen Frühlingsklassikern aufzuwarten:



Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Sonate für Klavier u. Violine F-Dur op. 24 "Frühlingssonate"
(komponiert 1800/1801)

Beethovens Frühlingssonate dürfte neben der sogenannten "Kreutzer-Sonate" die wohl bekannteste und populärste seiner 10 Violinsonaten sein. Wie bei vielen Werken mit illustrativen Titeln stammt auch hier der Name "Frühlingssonate" nicht vom Komponisten selber - ich vermute mal wieder einen findigen Verleger hinter dieser Benennung (Werke mit "griffigen" Titeln verkauften und verkaufen sich einfach besser)!
Trotzdem passt die Frühlings-Assoziation bei diesem Werk ganz gut - es ist ein optimistisch-kraftvolles Stück, dessen fröhliche Stimmung gut zur Stimmung eines sonnigen Frühlingstages passt. Gerade auf den ersten (Allegro) und den letzten der vier Sätze (Rondo. Allegro man non troppo) der Sonate trifft das zu.



Robert Schumann (1810-1856)
Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 "Frühlingssinfonie"
(1841)

Robert Schumanns erste Sinfonie entstand innerhalb kürzester Zeit in einer Art Schaffensrausch (Schumann spricht von einem "Frühlingsdrang") während eines der glücklichsten Abschnitte seines Lebens.

Inspiriert wurde Schumann durch ein Gedicht des sächsischen Dichters Adolf Böttger (1815-70), in dem es am Ende heißt
„O wende, wende deinen Lauf
Im Tale blüht der Frühling auf!“

Zu Beginn des ersten Satzes der insgesamt viersätzigen Sinfonie intonieren die Blechbläser wie eine Fanfare dieses "Im Tale blüht der Frühling auf!" in einem der Sprache nachempfundenen Rhythmus, so dass man die Zeile an dieser Stelle auch mitsingen könnte. Dieses Motiv wird zur musikalischen "Keimzelle" der Sinfonie, so erkennt man zum Beispiel seinen charakteristischen Rhythmus in deutlich schneller vorgetragener Form direkt wieder, sobald die feierliche, langsame Einleitung (Andante un poco maestoso) in das eigentliche Tempo des ersten Satzes (Allegro molto vivace) übergeht.
Die Sinfonie hat - ähnlich wie Beethovens "Frühlingssonate" - einen sehr optimistischen, energiegeladenen Grundcharakter. Das Zuhören macht einfach gute Laune und nicht nur Schumann sondern auch das Publikum war sehr angetan von diesem Werk, dessen Uraufführung am 31. März 1841 übrigens von Felix Mendelssohn Bartholdy dirigiert wurde.
Schumann hatte ursprünglich den vier Sätzen noch illustrierende Überschriften vorangestellt (Frühlingsbeginn - Abend - Frohe Gespielen - Voller Frühling), diese aber wieder zurückgezogen, da sie (sicherlich zu Recht) die Aussage der einzelnen Sätze zu sehr festlegen und einengen würden. Die Sinfonie bereitet dem Publikum seither auch ohne jegliche programmatische Vorgaben mindestens genauso viel Freude!

Frederick Delius (1862-1934)
Idylle de Printemps
(1889)
Spring Morning - aus den "Three Small Tone Poems" (1888-90)

On Hearing the First Cuckoo in Spring (1911-12)


Diese drei Orchesterstücke des englischen Klangzauberers Frederick Delius thematisieren ganz individuell verschiedene frühlingshafte Stimmungen. Der Kuckuck im dritten Stück wird - wie in Saint-Saëns' Karneval der Tiere - durch eine Klarinette zum Erklingen gebracht, wobei seine Kuckucksrufe bei Delius eher dezent im Hintergrund stehen und den Satz nicht dominieren. Der "Spring Morning" erinnert zu Beginn ein wenig an Edvard Griegs berühmte "Morgenstimmung" (beide Komponisten waren miteinander befreundet und der knapp 20 Jahre ältere Norweger beeinflusste Delius' frühe Kompositionen zum Teil deutlich). Delius' stimmungsvoller "Frühlingsmorgen" wird von dem Klang der Flöten und der Oboe dominiert und hat einen streckenweise etwas melancholischen, im Ganzen aber optimistischen Charakter.



Ralph Vaughan Williams (1872-1958)
The Lark Ascending - Romance for Violin and Orchestra
(komponiert 1914, UA 1920)

"Die Lerche steigt auf" gehört zu den populärsten Kompositionen des bei uns immernoch ziemlich unbekannten Engländers Vaughan Williams, der sich bei der Komposition von dem gleichnamigen Gedicht von George Meredith (1828-1909) inspirieren ließ. Das Werk wurde vor seiner Uraufführung nochmals überarbeitet und hat einen impressionistischen und eher meditativen Charakter, wobei die Solo-Violine die sich in den blauen Himmel emporschwingende Lerche repräsentiert.

Vielleicht nicht unbedingt ein Stück, das ausschließlich nur zum holden Lenz passt - für mich persönlich gehört es aber an so wunderbar sonnigen Frühlingstagen wie heute einfach dazu!

Mittwoch, 28. April 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Gast-Organist Andreas Petersen demonstrierte uns heute eindrucksvoll durch die Kombination völlig unterschiedlicher Stilrichtungen und Epochen, wie vielseitig die Orgel ist:
Er spielte zwei Choralvorspiele über den Osterchoral "Christ lag in Todesbanden" von den deutschen protestantischen Komponisten Georg Böhm (1661-1733) und Heinrich Scheidemann (1596-1663) und spielte im Wechsel dazu drei Stücke des katholischen Franzosen Olivier Messiaen (1908-92), in denen sich der große Klangmystiker zum Thema "Ostern" und "Auferstehung" mit Stimmungen wie Freude, Verklärung, Klarheit und Kraft auf seine eigene, unverwechselbare Art auseinandergesetzt hat.
Ich finde Messiaens Musik sehr spannend, weil er - unabhängig von sämtlichen kompositorischen Strömungen seiner Zeit - wirklich seine ganz individuelle Tonsprache gefunden hat.
Ich brauche in der Regel immer ein paar Minuten, um mich da reinzuhören, aber dann finde ich das Ganze jedes Mal sehr stimmig und ansprechend!
Dass im heutigen Konzert endlich mal wieder etwas von Messiaen gespielt wurde, hat mich daher auch sehr gefreut, denn von ihm gab es nun schon länger nichts mehr zu hören in der Luch-Time-Orgel.
Messiaens Musik ist für mich die typische "Live-Musik", die ich nur im Konzert hören möchte - irgendwie verliert sie auf CD (oder sonstigen Klangkonserven) ihre unmittelbare Wirkung.

Montag, 26. April 2010

Zwei Bonmots für Zwischendurch...

... es ist mal wieder höchste Zeit für zwei kleine geistreiche Äußerungen von Monsieur Oscar W., heute zum Thema "Bücher und Literatur":

So etwas wie moralische oder unmoralische Bücher gibt es nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Weiter nichts.


Früher wurden Bücher von Literaten geschrieben und vom Publikum gelesen. Heute werden sie vom Publikum geschrieben und von niemandem gelesen.

Mittwoch, 21. April 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth spielte heute für uns Orgelwerke von drei Komponisten aus drei Epochen (Klassik, Barock und Romantik):
"Three short pieces" (Prelude, Air, Gavotte) von dem Briten Samuel Wesley (1766-1837), dann zwei Choralbearbeitungen über den Osterchoral "Christ lag den Todesbanden" von Georg Böhm (1661-1733) sowie zum krönenden Abschluss den vierten und letzten Satz ("Finale") aus der 10. Orgelsymphonie ("Symphonie romane") von Charles-Marie Widor (1844-1937).
Eine wirklich abwechslungsreiche Mischung heute Mittag!

Montag, 19. April 2010

Klassik in der Krise?

Klassik in der Krise
Ein Trend der Zeit: Das Publikum der ernsten Musik wird immer älter und immer weniger


Im Kölner Stadt-Anzeiger erschien unter der obigen Überschrift am 30. März ein interessanter Artikel des Kulturredakteurs Markus Schwering, in dem er sich mit der Zukunft der Präsentation und der abnehmenden gesellschaftlichen Bedeutung von klassischer Musik auseinandersetzt.

Markus Schwering ist bereits seit ein paar Jahren beim Kölner Stadt-Anzeiger der für Konzerte und Operninszenierungen hauptverantwortliche Redakteur, der aber auch immer wieder einmal persönliche Kommentare zu Gesellschaft und Zeitgeschichte veröffentlicht. Was ich in den vergangenen Jahren so alles von ihm gelesen habe, fand ich immer wohlüberlegt, gut begründet und formuliert.

Besonders interessant fand ich aktuell den besagten Artikel vom 30.03. zu diesem, "meinem" Thema, daher möchte ich im Folgenden auch ein paar Sätze hieraus zitieren und einige der erwähnten Aussagen aufgreifen und aus meiner Sicht kommentieren.

Markus Schwering bezieht sich zunächst auf ein vom Kulturwissenschaftler Martin Tröndle herausgegebenes Buch mit dem Titel "Das Konzert", in dem es unter anderem um die Gründe für das seit einigen Jahren in unserer Gesellschaft anhaltende Phänomen immer weniger (und zugleich immer älter) werdender klassikinteressierter Musikfreunde geht.

Es ist die rasante Expansion der Popmusik in den vergangenen Jahrzehnten, die der klassischen Musik von Bach über Schönberg bis zur Avantgarde das Wasser abgräbt; der massive normative Druck der "Peer Groups" in der Jugendkultur, der Zusammenbruch der Vermittlung von klassischer Musik durch die Elternhäuser, die katastrophale Situation des Musikunterrichts an allgemeinbildenden Schulen. Angesichts dieses universalen Trends ist die beruhigende Auskunft mancher Adepten [Anhänger] des Klassik-Betriebs, die Jungen würden, wenn sie das gewisse Alter erreichten, schon noch "kommen", nicht besonders triftig. Tatsächlich altert das Konzertpublikum in exakt demselben Maße, wie diejenigen, die es stellen, älter werden. Das Ergebnis ist das bekannte Silbersee-Phänomen, der Blick auf die Reihen der 60- bis 90-jährigen Köpfe im philharmonischen Rund. Und dass eine Ansammlung von Oldies die Jungen nicht gerade zur Teilnahme animiert, liegt auf der Hand - hier verstärken sich die Effekte wechselseitig im Teufelskreis.


Die Hoffnung, dass dieser Überalterungstrend aufgehalten werden könnte durch die mittlerweile an zahlreichen Konzert- und Opernhäusern laufenden Kinder- und Jugendprogramme (wo unter anderem in Schulen und anhand konkreter Projekte versucht werden soll, Schüler und Teenies für Klassik zu interessieren und hier überhaupt zunächst einmal "Erstkontakte" zu dieser Musikform herzustellen) aufgehalten werden könnte, wird allerdings "angesichts der übermächtig durch den Pop geprägten Alltagskultur" eher skeptisch gesehen.

Zudem besteht die Gefahr, dass besagte Programme genau diejenigen, die sie erreichen wollen und sollen - die Kinder aus kultur- und bildungs- und also auch "klassikfernen" Schichten - gerade nicht erreichen.


Die traditionelle Art und Weise, wie ein klassisches Konzert in der Philharmonie heutzutage "zelebriert" wird, mag auch viele potenziell Aufgeschlossene und Interessierte abschrecken; das "Ritual des etablierten Klassik-Konzerts" müsse sich ändern - zwei (oder mehr) Stunden im abgedunkelten Saal stillsitzen und den Mund halten, nicht husten, nicht zwischen den Sätzen klatschen, sich ganz und ausschließlich auf die dargebotene Musik konzentrieren ("weihevolle Versenkung im Kreis der Gleichgesinnten") - das sei die wahre Abschreckung für die Jugend (und andere grundsätzlich interessierte Zuhörer), nicht die klassische Musik an sich.

Aber wie sollte ein "alternatives Konzertformat" aussehen? Es werden ja bereits viele "Konzerte der anderen Art" angeboten, wie z. B. erläuternde Gesprächskonzerte, Kinderkonzerte oder die in den letzten Jahren sehr erfolgreichen sogenannten "Crossover-Events", wo Künstler wie David Garrett mit unkonventionellen Mixturen aus Pop und Klassik ein auffallend junges Publikum begeistern.

Allerdings ist diese "Populäre-Häppchen-Kultur" ja auch nicht für alle Bereiche der Klassik das Allheil-Mittel: Wie soll man zum Beispiel eine 80-minütige Bruckner-Symphonie in gefällige 5-Minuten-Häppchen zerlegen? Bei solchen anspruchsvolleren "Schlachtrössern", die ihren Zuhörern schon einiges abverlangen, dürfte die zart aufkeimende Begeisterung von David Garrett-Fans für klassische Musik dann auch schnell wieder beendet sein, fürchte ich.

Wer nicht aufgeben will, kann versuchen, Pop-Hörer für die Klassik "aufzuschließen". Das ist freilich meist ein frustrierendes Geschäft. Dabei sind die Gründe, die Pop-Hörer dafür benennen, warum sie keine Klassik mögen, oft genug dürftig. Klassik sei "lahm" und "langweilig", heißt es da, sie sei "zu traurig". Die Substanzlosigkeit dieser "Begründungen" wird sofort deutlich, wenn man genauer nachfragt, was denn da langweilig oder traurig sei. Dann kommt meistens nichts mehr.


Ich persönlich sehe das Ganze übrigens ziemlich illusionslos - dass Klassik eine wirklich echte neue Popularität erlebt, habe ich nie für besonders realistisch gehalten (aber hat sie eine solche breitenwirksame Popularität je gehabt in den letzten 50 oder 60 Jahren?).
Ich kenne es eigentlich gar nicht anders, dass man als (junger) Klassik-Fan einer exotischen Randgruppe angehört - damit kann ich mich abfinden. Hingegen stört mich das damit einhergehende automatische Abgestempeltwerden als "Spießer" und "Langweiler" schon eher.
Die gesellschaftliche Bedeutung von klassischer Musik und Opernaufführungen, die sich heutzutage unter anderem ja auch in repräsentativen Konzerthäusern und Spielstätten an prominenten Standorten äußert, dürfte aber doch in einem bislang ungeahnten Ausmaß in den kommenden Jahrzehnten schwinden - dazu fehlen in der Zukunft einfach die Menschen in genügender Anzahl, denen diese Musik etwas bedeutet und die bereit sind, sie auf einen exponierten Sockel zu heben und zu zelebrieren. Vielleicht ist das Ganze - wenigstens teilweise, so Markus Schwering - mit der schwindenden Bedeutung der Kirche in unserer Gesellschaft vergleichbar. Auch hier hängt vieles mit der (auch auf diesem Gebiet nicht mehr wirklich vorhandenen) Prägung durch Elternhaus/ Schule zusammen.

In seinem Artikel hat Schwering seine Zukunftssicht jedenfalls sehr prägnant formuliert, wenn er schreibt:
Es wird wahrscheinlich immer Freunde klassischer Musik geben, aber ihre Zahl könnte in einer Weise schwinden, dass sich die Aufrechterhaltung des traditionellen einschlägigen Musikwesens wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Sie - die Freunde - werden dann weitgehend auf die digitale Konserve angewiesen sein. Vorauszusehen ist, dass klassische Musik ihre Präsenz in der Lebenswelt auf ungeahnte Weise einbüßen - und dies den weitaus größten Teil der Bevölkerung überhaupt nicht stören wird.


Das ist eine auf den Punkt gebrachte Vision, die ich zwar bedauerlich finde, die mich aber nicht wirklich schreckt: Schon heute konsumiere ich mehr als 90 % der klassischen Musik, die ich höre, via "digitaler Konserve" - ein Phänomen, das ja auch andere Musik-Fans aus dem Rock- und Pop-Bereich klaglos hinnehmen - warum auch nicht? Dank der modernen Technik klingt das Ganze ja auch fantastisch, ich habe nur bei wenigen Stücken wirklich das Gefühl, dass der Klangkonserve Grenzen gesetzt sind und ich stattdessen lieber im Konzertsaal säße.

Natürlich ist "live" immer am schönsten und intensivsten (das dürften auch Rockmusik-Freunde so sehen), aber das muss man sich auf Dauer ja auch leisten können, immer ins Konzert oder in die Oper zu rennen…

So bleibt ein Konzert- oder Opernbesuch für mich etwas Besonderes - und so etwas wird sicher auch in Zukunft noch möglich sein, wenn auch das Angebot auf diesem Sektor wahrscheinlich stark schrumpfen dürfte - aber Pop-Hörer können ja auch nicht in jeder größeren Stadt erwarten, dass ständig etwas für ihren Musikgeschmack live geboten wird und ihre Lieblingsbands permanent mit Konzertangeboten zur Verfügung stehen.

Ich glaube, was viele stört, die heute über den sich abzeichnenden "Niedergang der Klassik" jammern, ist die Tatsache, dass sich nach und nach auch andere, jahrelang herablassend belächelte Musikformen als gesellschaftlich gleichberechtigt etablieren (werden) und man auch dieses "Sehen-und-Gesehen-werden" im Opernhaus oder der Philharmonie nicht mehr so wie bisher zelebrieren kann.
An der Emanzipation der Jazzmusik im 20. Jahrhundert (ihr "Durchmarsch" von zwielichtigen schummrigen Bars in die großen Konzerthallen) kann man diesen Prozess gut nachvollziehen - mittlerweile herrscht friedliche Koexistenz zwischen Klassik und Jazz und geschadet hat es auch niemandem wirklich.
Klassik wird künftig halt nicht mehr und nicht weniger sein als eine Musikrichtung unter vielen anderen - also nichts besonders Angesehenes und Exponiertes mehr (wie bisher) - und genau das scheint einigen Zeitgenossen so gar nicht zu passen…

Solange ich selber klassische Musik weiter konsumieren kann, wie ich es heute auch tue (und das unterscheidet sich ja nicht wirklich von der Art, wie es die Hörer von Pop- und Rock-Musik auch tun), ist mir der sich abzeichnende gesellschaftliche Bedeutungsverlust eigentlich egal - aufhalten können wird man ihn eh nicht wirklich, da mache ich mir nix vor…

Viele überkommene Rituale im klassischen Konzert stammen halt noch aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert - der großen Zeit philharmonischer Konzerte und aufwendiger Opernaufführungen. Aber wenn man bedenkt, dass es zu der Zeit auch nur wenige bis keine Alternativen gab, sich überhaupt klassische Orchestermusik oder ganze Opern anzuhören, dann kann man verstehen, dass es heute durchaus Stimmen gibt, die solche Aufführungen - zumindest in dieser Menge und in der althergebrachten Form - für nicht mehr unbedingt zeitgemäß halten.
Das ist zwar schade (denn die besondere Atmosphäre eine Live-Konzerts dürfte wohl für alle Liebhaber von Musik gleich welcher Stilrichtung etwas sein, auf das sie nicht gänzlich verzichten wollen), aber man muss ja zumindest mal laut darüber nachdenken dürfen, dass sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert und die Einflüsse anderer Musikrichtungen an Bedeutung gewonnen haben - und natürlich auch die Art, wie man Musik heute hört ("rezipiert").

Und genau deshalb finde ich Artikel wie diesen sehr interessant - und auch notwendig. Denn man sollte über diesen sich in Gang befindlichen Umbruch schon auch offen diskutieren und ihn thematisieren - ein interessantes gesellschaftliches Phänomen ist es in jedem Fall!

Mittwoch, 14. April 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Im heutigen Konzert war ein Gast aus Süditalien an der Orgel zu hören: Vincenzo Allevato aus dem kalabrischen Cosenza. Signor Allevato ist Student im Fach Orgelspiel und zur Zeit absolviert er ein Praktikum in Deutschland, um die gewiss nicht ganz unbedeutende deutsche Orgelschule vor Ort quasi "live und in Farbe" kennenlernen zu können.

Konsequenterweise präsentierte er uns heute dann auch ein großes Orgelwerk eines deutschen Romantikers: Die gewaltige Orgelsonate "Der 94. Psalm" des viel zu früh verstorbenen Liszt-Schülers Julius Reubke (1834-58).

Diese einsätzige, ungefähr halbstündige Sonate ist eine mehrteilige Auseinanderetzung mit den Aussagen und Stimmungen des erwähnten 94. Psalms. Reubke spart dabei nicht mit anspruchsvollster Virtuosität (was man einem Liszt-Schüler ja auch nicht verdenken kann!) und das Ganze endet mit einer fantastischen Fuge, mit der die Sonate zu einem wirklich atemberaubenden Schluss geführt wird!

Wir Zuhörer waren alle schwer beeindruckt von der Leistung des jungen Organisten - er dürfte eine vielversprechende Karriere vor sich haben... heute hat es sich jedenfalls wieder einmal ganz besonders gelohnt, die Mittagspause im Orgelkonzert zu verbringen :-)

Montag, 12. April 2010

Neuerwerbung

Dass ich Countertenöre, Altisten, Sopranisten (oder wie sie sich noch nennen mögen) unglaublich faszinierend finde, habe ich an anderer Stelle schon mal erwähnt, als ich über Pergolesis Stabat Mater geschrieben habe.

Ich mag diese androgyne, irritierende Kombination zwischen dem irgendwie körperlos wirkenden Stimmklang und der Erscheinung der Sänger, die eben wie ganz normale Männer auftreten, aber durch ihre hohen Stimmen seltsam geschlechtslos wirken - außerdem finde ich die dahinter stehende Gesangstechnik interessant.
Meine Vorliebe für Barockopern hat sicherlich auch zu einem guten Teil damit zu tun, dass die meisten Männerrollen dort in der Regel als Alt- oder gar Sopranpartien geschrieben wurden, weil zu der Zeit die Kastraten ihre große Ära hatten und vom Publikum verehrt und gefeiert wurden wie heute Popstars. Eine spannende Zeit - gerne wäre ich als Zeitreisender mal bei einer solchen Opernaufführung dabei, z. B. in Neapel oder Venedig so um 1730... *schwärm*

Letzte Woche habe ich mir die neue CD des Countertenors Max Emanuel Cencic zugelegt - begleitet vom Ensemble I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis hat der 33-jährige Kroate Opernarien von Georg Friedrich Händel aufgenommen. Diese entstanden hauptsächlich für Händels damalige "Zugpferde", die Kastraten Senesino und Carestini, denen der Komponist zahlreiche Hauptrollen seiner in London entstandenen Opern in die virtuosen Kehlen schrieb.

Ich habe in den vergangenen Jahren auch andere CDs mit Max Emanuel Cencic erstanden und muss sagen, dass mir die neueste ganz besonders gut gefällt!
Es macht einfach Spaß, dieser virtuosen, energiegeladenen Musik zuzuhören - man vergisst beim Hören total, dass hier eigentlich ein Mann singt! Was für eine faszinierende Technik, die dem Solisten so etwas ermöglicht! Einen nicht zu unterschätzenden Anteil am mitreißenden Gesamteindruck dieser Einspielung haben allerdings auch die furiosen Barocchisti, die neben einem vollen und klaren Ensembleklang auch einen gehörigen "Drive" besitzen und der ganzen Sache somit einen tollen Schwung verleihen! Wie gesagt: Das Zuhören bereitet große Freude!

Auch ältere Aufnahmen mit Max Emanuel Cencic kann ich empfehlen - eine ungewöhnliche und sehr faszinierende Stimme und für Fans vokaler wie barocker Musik in jedem Fall ein heißer Tipp!

Mittwoch, 7. April 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth präsentierte uns heute Mittag eine österlich inspirierte halbe Stunde Orgelmusik:
Nach dem Präludium und Fuge D-Dur (BWV 532) vom Johann Sebastian gab es die dreisätzige D-Dur Orgel-Sonate seines Sohnes Carl Philipp Emanuel Bach.
Zum Abschluss noch ein kurzer Ausflug in die Spätromantik: Max Regers Orgelstück "Ostern" - eine harmonisch überaus dicht und gehaltvoll gebaute Fantasie über einen alten Oster-Choral.