Mittwoch, 24. Februar 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Gast-Organist Andreas Petersen präsentierte uns heute eine halbe Stunde Orgelmusik unter dem Motto "Barockmusik in d" (gemeint ist die Tonart d-moll).
Nach einer einleitenden "Echofantasie" des Niederländers Sweelinck gab es 3 Bearbeitungen/ Vorspiele über die Choralmelodie "Vater unser im Himmelreich" dreier deutscher "Barocker" (J. S. Bach, Buxtehude und Georg Böhm) und zum Abschluss das "Magnificat du premier ton" des französischen Bach-Zeitgenossen Jean-Francois Dandrieu.

Montag, 22. Februar 2010

Frédéric Chopin - 200. Geburtstag

Das Jahr 2010 ist für alle Klaviermusikfreunde ein ganz besonderes:

Heute, am 22. Februar vor genau 200 Jahren (nach manchen Quellen auch erst heute in einer Woche, also am 1. März) wurde Frédéric Chopin im kleinen Ort Zelazowa Wola bei Warschau als Sohn einer Polin und eines französischen Einwanderers geboren.

Nach wie vor gilt er als einer der berühmtesten und beliebtesten Klavier-Komponisten der Welt. Er galt als Wunderkind, verließ mit Anfang 20 seine geliebte polnische Heimat für immer und ließ sich in Paris nieder, wo er nach schaffensreichen Jahren als Komponist, Lehrer und Interpret eigener Werke im Alter von nur 39 Jahren verstarb.

Das Besondere an Chopin ist, dass er sich zeitlebens ausschließlich auf das Klavier als sein musikalisches Ausdrucksmittel beschränkte, wobei "beschränken" eigentlich der falsche Begriff ist - Chopin hatte das Gefühl, dass er mit diesem Instrument alles aussagen konnte, was er als Komponist vermitteln wollte. Es bestand für ihn keine Notwendigkeit, sich mit anderen Kompositionsformen wie z. B. der Symphonie, dem Streichquartett oder gar der Oper zu befassen. Das unterscheidet ihn von anderen Komponisten, deren Herz zwar auch am Pianoforte hing und die bedeutende Werke für dieses Instrument geschaffen haben (wie z. B. Mozart, Beethoven, Schumann, Liszt oder Debussy), die sich aber auch auf anderen Gebieten sehr erfolgreich betätigt haben. Es gibt von Chopin neben seinen Werken für Klavier solo nur ein paar wenige Werke, in denen er neben dem Klavier noch andere Instrumente einsetzt, z. B. seine Sonaten für Cello und Klavier, ein paar Lieder mit Klavierbegleitung und einige Werke für Klavier und Orchester. Aber ganz ohne das geliebte Tasteninstrument ging es für Chopin ganz offensichtlich nicht! Entsprechend bahnbrechende Werke hat er dann auch für Klavier komponiert: Er eröffnete diesem Instrument mit einigen seiner Werke ganz neue, vorher ungekannte Dimensionen, vor allem was die pianistische Technik aber auch die Ausdrucksmöglichkeiten anging.

Viel wird derzeit über Chopin geschrieben, deshalb will ich mich hier kurz fassen und an dieser Stelle nur noch schnell meine persönlichen Lieblingswerke von ihm vorstellen:

Da sind zuallererst seine beiden, noch in Polen entstandenen Klavierkonzerte: Nr. 1 in e-moll op. 11 und Nr. 2 in f-moll op. 21.

Meine Lieblingseinspielung wird von Tamás Vásáry und den Berliner Philharmonikern bestritten und ich liebe neben den grandios-majestätischen ersten Sätzen und den mal schwungvoll, mal melancholisch angehauchten Schluss-Sätzen vor allem die beiden zentralen langsamen Sätze! Obwohl Chopin erst am Beginn seiner Komponisten-Laufbahn stand, klingt hier bereits alles ganz typisch nach ihm: Unendlich scheinende, sehnsuchtsvolle Melodiebögen, groß auftrumpfende Gesten (vor allem in den Eröffnungssätzen), virtuose Passagen - einfach wunderschöne Musik!
In diesem Jahr habe ich mir vorgenommen, mich mal ein bisschen umzuhören, was sich in den letzten Jahren so getan hat in Bezug auf neuere Einspielungen dieser Klavierkonzerte. Gerade von jüngeren Pianisten wie Rafal Blechacz, Lang Lang u. a. scheint es ja durchaus lohnenswerte neue Aufnahmen zu geben, mit denen ich mich mal näher beschäftigen sollte.

Neben Künstlern wie Vladimir Ashkenazy und Martha Argerich gehört seit einigen Jahren auch die zu Unrecht etwas unbekanntere türkische Pianistin Idil Biret zu meinen Lieblings-Chopin-Interpreten.
Ihre in den 1990er Jahren bei NAXOS erschienene, viel gelobte (und wie immer bei diesem Label sensationell günstige) Gesamteinspielung aller Werke Chopins gehört zu meinen Favoritenaufnahmen.

Allein schon die eigentlich naheliegend scheinende Tatsache, dass sie die drei Klaviersonaten opp. 4, 35 und 58 zusammen auf einer CD präsentiert, ist bemerkenswert. Wird doch die erste Klaviersonate von vielen anderen Pianisten als "unreifes Jugendwerk" abgetan, schmählich links liegen gelassen und immer "nur" die beiden später entstandenen Sonaten aufgenommen. Idil Biret macht sich die Mühe und stellt dieses Jugendwerk in direkten Vergleich mit ihren Schwesterwerken - und siehe da: Endlich bekommt man mal die Chance, sich selbst ein Bild zu machen, wie "unreif" diese Sonate des Achtzehnjährigen denn nun wirklich ist und - welch Überraschung: Sooo schlecht und vernachlässigenswert klingt das Stück dann plötzlich gar nicht mehr... Und im Vergleich mit den beiden später entstandenen Sonaten kann man dann auch plötzlich viel besser nachvollziehen, welch großen Schritt Chopin kompositorisch zwischen der ersten und zweiten Sonate gemacht hat: Er überwindet die traditionelle Sonatenform komplett und setzt sich über alles hinweg, was in den vorangegangenen 50 Jahren an "Regeln" für eine "ordentliche Sonate" entstanden war. Um das richtig würdigen und erkennen zu können ist es meiner Meinung nach aber unerlässlich, dass man auch mal die Gelegenheit bekommt, sich diese Entwicklung anhören zu können! Idil Biret gibt einem mit einer großartigen Interpretation auf einer unschlagbar günstigen Aufnahme die Gelegenheit dazu! Aber auch ihre anderen Chopin-Aufnahmen sind (bei gleichem Preis) unbedingt empfehlenswert.

Dann gehört mein Herz noch den wunderbaren Nocturnes, die ich in einer Gesamtaufnahme (21 müssten es sein) von Daniel Barenboim besitze.


Von den übrigen Werkgruppen mag ich die extrem virtuosen Etüden opp. 10 und 25 sehr gerne und dann natürlich die so wunderbar rhythmisch-aufwühlend, trotzig oder heroisch daherkommenden Polonaisen!
Und als Kontrastprogramm dazu dann die unverwüstlichen, federleicht und heiter dahinperlenden Walzer, die so gar nichts mit den zeitgleich entstandenen ersten Wiener Walzern von Joseph Lanner und Johann Strauß Vater zu tun haben: So grundlegend verschieden kann klingen, was doch beides mit "Walzer" betitelt ist!

Es lohnt sich eigentlich immer, sich näher mit Chopins Klaviermusik zu beschäftigen - die Bandbreite des Ausdrucks ist enorm und für jede Stimmungslage ist etwas dabei.

Als Laien-Pianist komme ich leider mit den wenigsten seiner Werke zu Rande, dafür sind sie einfach zu anspruchsvoll und meine Fähigkeiten zu begrenzt: Ein paar Walzer und Nocturnes kriege ich gerade noch so hin, das muss mir wohl reichen :-)

Auf diesem Wege zum heutigen Tage dem lieben Frédéric jedenfalls ein aufrichtiges und von Herzen kommendes

Wszystkiego najlepszego z okazji urodzin!!

Freitag, 19. Februar 2010

Neuerwerbung

Zum Auftakt der diesjährigen vorösterlichen Fastenwochen habe ich mir als Einstieg in die Passionszeit gestern die im vegangenen Jahr neu erschienene Aufnahme von Georg Philipp Telemanns Brockes-Passion zugelegt.



Die Neueinspielung vom "Alte-Musik-Spezialisten" René Jacobs (die Aufnahme entstand im März 2008) hatte ich schon länger auf dem Kieker, zumal sie fast durchweg gute Kritiken erhalten hat und ich somit ziemlich (auch nach dem Anhören einiger Kostproben) neugierig auf dieses Werk geworden war.

Georg Philipp Telemann (1681-1767) hat in seinem langen Leben viele Passionsmusiken vertont und - vor allem während seiner Kantorenzeit in Hamburg - zur Aufführung gebracht. Besagte Brockes-Passion stammt aber noch aus seiner vorhergehenden Wirkungszeit in Frankfurt am Main und wude im Jahre 1716 uraufgeführt und aufgrund ihres großen Erfolges bald an vielen Orten nachgespielt.

Passionsmusiken benennt man für gewöhnlich nach dem Verfasser des gesungenen Textes, so dass es neben den nach den vier Evangelisten benannten Passionen vor allem auch zur Barockzeit Passionsdichtungen gibt, die von damals bekannten und gerne gelesenen Autoren stammen. Der bekannteste dieser Dichter dürfte zweifelsohne der Hamburger Barthold Hinrich Brockes (1680-1747) sein. Karl Wilhelm Ramler (1725-98) wäre hier noch als ein ebenfals mehrfach vertonter Passions-Dichter zu nennen. Sein "Der Tod Jesu" wurde von Telemann einige Jahre später ebenfalls in Musik gesetzt.

Barthold Hinrich Brockes' Passionsdichtung "Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende JESUS" wurde im Jahre 1712 veröffentlicht und innerhalb weniger Jahre von einigen der berühmtesten deutschen Komponisten der damaligen Zeit vertont, darunter neben Telemann auch von Georg Friedrich Händel und Reinhard Keiser.

Diese Dichtung ist - passend zur damaligen Zeit - an vielen Stellen an Drastik und Brutalität kaum zu überbieten: Der Leser (bzw. der Zuhörer) des Werkes sollte förmlich mitleiden und dadurch angerührt und geläutert werden. Solche hohen Ambitionen hatte man damals als Dichter und scheute dafür eben auch nicht die für uns heute oft so drastisch (und manchmal auch unfreiwillig komisch) erscheinende typische Barocksprache.

Telemann scheint die Textvorlage jedenfalls sehr inspiriert zu haben, denn er läuft zur Hochform auf und bietet eine sehr abwechslungsreiche, mal dramatische, mal lyrische Musik, die ausgesprochen farbig instrumentiert ist (vor allem durch den wechselnden Einsatz diverser Blasinstrumente). Für die damalige Uraufführung konnte er offenbar aber auch aus dem Vollen schöpfen, denn die besten Instrumentalisten, Sänger und Sängerinnen aus der ganzen Region standen zur Verfügung und das scheint ihn zusätzlich angespornt zu haben. Telemanns Vertonung ist - auch "dank" der für mich etwas gewöhnungsbedürftigen Textvorlage - streckenweise sehr opernhaft geraten. Mit der Kenntnis der berühmten Bach-Passionen im Hinterkopf (die eben so gar nicht opernhaft sind), empfinde ich manche Stellen (z. B. die Gethsemane-Szene) dieser Brockes-Passion als ein wenig albern...

René Jacobs musiziert in gewohnt schwungvoller, qualitativ hochwertiger Manier, es spielt die Akademie für Alte Musik Berlin und der formidable RIAS Kammerchor übernimmt den leider nicht so üppig wie bei Bachs Passionen ausfallenden Chorpart. Schade, denn gerade der Chor hat mir in dieser Aufnahme am besten gefallen.
Die Solisten sind allesamt erfrischend jung und stehen erst mehr oder weniger am Beginn ihrer vielversprechenden Karrieren.
Vor allem der Tenor Daniel Behle hat mir gut gefallen, aber auch dem Bariton Johannes Weisser, der den Christus-Part übernimmt, kann man gut zuhören. Die drei Solistinnen (zwei Soprane, ein Mezzosopran) sind auch ganz in Ordnung, manchmal empfand ich ihr Timbre als etwas zu schrill, aber das ist wohl Geschmackssache.

Einen großen Minuspunkt - der mich gerade bei einem sonst so gewissenhaften Musiker wie René Jacobs doch sehr erstaunt hat - fand ich die Tatsache, dass mehrere Arien aus "dramaturgischen Gründen" (so Jacobs) gestrichen wurden und dem Hörer somit vorenthalten bleiben. Für Aufführungen in Theater und Konzert kann ich solche gerne gemachten "Kürzungen aus dramaturgischen Gründen" ja gerade noch so nachvollziehen, aber eine CD-Aufnahme sollte, gerade wenn sie von jemandem wie René Jacobs stammt, doch bitteschön ohne solche Striche auskommen! Wenn ich irgendwelche Stücke aus "dramaturgischen Gründen" für unpassend oder als zu langatmig empfinde, dann kann ich ja selber jederzeit auf der CD einen Track weiterspringen! Aber das möchte ich dann gerne selber entscheiden können!

Ansonsten bleibt nur zu sagen, dass ich musikalisch sonst nichts weiter an der Aufnahme auszusetzen habe - im Vergleich zu den bekannten Bach-Passionen stört mich allerdings die ganze Art und Weise, wie die Passionsgeschichte dank Herrn Brockes hier so rüberkommt:
Allein schon die Tatsache, dass alles in netten Versen verfasst wurde, wirkt auf mich oft unfreiwillig komisch (muss sich die Passionsgeschichte unbedingt reimen??), dazu dann noch die schon erwähnte Drastik bei der Schilderung der ganzen Grausamkeiten, die Jesus zu erleiden hat - als Zuhörer der heutigen Zeit vermisse ich irgendwie den Ernst und die nüchterne Schlichtheit, die den Evangelisten-Texten der biblischen Autoren (wie sie eben z. B. in Bachs Matthäus-Passion vorgetragen werden) eigen ist. Das wirkt auf mich dadurch dann viel eindrücklicher als alle noch so sehr auf Sensation getrimmten Brutalitäten-Schilderungen bei Brockes und seinen Zeitgenossen.

Gut, für die Dichtung und die Art ihrer Vertonung kann René Jacobs nichts, aber zumindest hätte ich mir eine Einspielung ohne Striche von ihm sehr gewünscht.

Zum Schluss noch ein hübscher Kommentar, den ich in einer Rezension der Aufnahme von Claus Spahn im April 2009 in der ZEIT gefunden habe:

René Jacobs selbst hat die Passion in einem Interview mit dem umstrittenen Mel-Gibson-Kinofilm "The Passion of Christ" verglichen, der die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu in ein sadistisches Splattermovie kleidete. Manchmal scheint auch bei Telemann und Brockes der Spaß am Schmerz ebenso groß zu sein wie der Glaube an die daran geknüpfte Erlösungsbotschaft. Aber Telemann ist besser. So ein barocker Kirchenmusiker stellt Hollywood locker in den Schatten.

... und da hat der Mann wirklich Recht!! *grins*

Mittwoch, 17. Februar 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth spielte uns heute drei Stücke aus dem Spätwerk von Max Reger (Toccata, Melodia und Präludium aus op. 129) und die Choralbearbeitung über "Aus tiefer Not schrei ich zu dir" von Johann Sebastian Bach. Zum Abschluss gab es dann noch Mendelssohns Sonate Nr. 3 A-Dur op. 65/3.
Ein musikalisch sehr gelungener Auftakt der diesjährigen Passionszeit!

Donnerstag, 11. Februar 2010

Zwei Bonmots für Zwischendurch...

Zur Einstimmung auf den Valentinstag am 14. Februar:

Man sollte immer verliebt sein. Das ist der Grund, warum man nie heiraten sollte.


Wenn man verliebt ist, betrügt man zu Anfang sich selbst und am Ende stets die anderen.


Beide Zitate von Oscar Wilde (von wem auch sonst...)

Mittwoch, 10. Februar 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Wolfgang Abendroth spielte heute ein - in Anbetracht der unmittelbar bevorstehenden "heißen Phase" hier bei uns im rheinischen Karneval - tatsächlich leicht karnevalistisch angehauchtes Orgelkonzert (jedenfalls klang es streckenweise so):
Nach einer Einleitung mit 4 Stücken des französischen Barock-Komponisten Couperin (1668-1733), die voll und ganz den Erwartungen an ein "traditionelles" Orgelkonzert entsprachen, gab es als Kontrastprogramm drei Stücke des französischen Romantikers Louis-James-Alfred Lefébure-Wély (1817-69), der seine Zeitgenossen mit äußerst effektvoller Orgelmusik im Stile der großen Opern und Operetten seiner Epoche erfreute: Das Ganze klingt ausgesprochen weltlich, die abschließende "Sortie" erinnerte mich zum Beispiel spontan an die Klänge einer Kirmes- oder Zirkusorgel, was allerdings auf der großen Konzertorgel gespielt ungewohnt aber wirklich spitzenmäßig klang!
Kaum vorstellbar, dass Musik wie diese vor 150 Jahren tatsächlich im Rahmen eines Gottesdienstes erklungen ist!
Lefébure-Wély gehört schon länger zu meinen Lieblingsorgelkomponisten und ich hatte mir immer schon gewünscht, seine selten gespielte Musik mal wieder live im Konzert hören zu können - so gesehen war das heute für mich also ein echter Volltreffer! :-))

Dienstag, 9. Februar 2010

KLASSIKers Lieblingsstücke (I): Der Karneval der Tiere


Ich möchte hier in loser Folge ein paar meiner absoluten Klassik-Lieblingswerke vorstellen, die mich schon seit vielen Jahren immer wieder begeistern und die ich mir stets aufs Neue anhören kann, ohne dass ich mich daran je "satt gehört" hätte…
Viele dieser Stücke gehören zu meinen allerersten "Aha-Erlebnissen" im Bereich der klassischen Musik und stammen überraschenderweise neben den in dieser Musiksparte nicht gerade sehr üppig bestückten Plattenschränken meiner Eltern und Großeltern (das ging nicht viel über Beethovens Fünfte oder die Kleine Nachtmusik hinaus) vor allem aus dem Musikunterricht!
Jawohl, der heutzutage so viel geschmähte Musikunterricht hat mir während meiner Schulzeit viele, viele unschätzbare musikalische Anregungen geliefert, die mich auf meiner "Klassikhörer-Laufbahn" sehr geprägt haben. Sowas ist natürlich viel von den richtigen Lehrern abhängig und da hatte ich anscheinend großes Glück. Musik war immer mein Lieblingsfach - wir haben nicht nur klassische Musik angehört und analysiert, sondern auch viel gesungen, was der ganzen Klasse immer viel Spaß gemacht hat. Jahrelang haben wir die "Mundorgel" rauf und runter gesungen (ach ja, die gute alte "Mundorgel" - gibt's die noch? Kennt eigentlich sonst noch jemand dieses Liederbuch?)

Jedenfalls ist das Werk, das ich heute vorstellen möchte, eine solche Anregung aus dem Musikunterricht, wir haben es schätzungsweise in der 5. oder 6. Klasse durchgenommen und ich war von Anfang an total begeistert davon - bei nächster Gelegenheit habe ich mir damals direkt eine LP mit einer Aufnahme dieses Stücks zugelegt:

"Der Karneval der Tiere" ("Le Carnaval des animaux") (Untertitel "Grande fantaisie zoologique") von Camille Saint-Saëns (1835-1921)

Komponiert Anfang 1886 und passenderweise zur Karnevalszeit des gleichen Jahres uraufgeführt, wurde es allerdings erst nach dem Tode des Komponisten veröffentlicht und trat daraufhin seinen Siegeszug um die Welt an.
Man sagt, dass Saint-Saëns wohl geahnt haben soll, dass dieses Stück sein gesamtes übriges Werk in puncto Popularität in den Schatten stellen könnte (was dann ja auch tatsächlich eingetreten ist) und dass er sich deshalb zeit seines Lebens gegen eine Veröffentlichung gewehrt hat. Tatsächlich fristet das umfangreiche übrige Werk von Saint-Saëns (der mit seinen 86 Jahren für einen Komponisten ja auch ungewöhnlich alt geworden ist…) seit langem ein Schattendasein im Vergleich zum quasi omnipräsenten "Carnaval des animaux", was ich sehr schade finde, denn es gibt eine Menge sehr hörenswerter und qualitativ hochwertiger Kompositionen von Saint-Saëns, die ein bisschen mehr Bekanntheit verdient hätten! Stellvertretend möchte ich nur die 5 Klavierkonzerte, die Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 78 („Orgelsinfonie“), das Requiem op. 54 und das herrliche Weihnachtsoratorium ("Oratorio de Noël") op. 12 nennen - die Liste ließe sich fortsetzen…

Vielleicht war Saint-Saëns auch gegen eine Veröffentlichung und damit weitere Verbreitung seines "Karnevals der Tiere", weil er das ganze offensichtlich in kurzer Zeit und mit leichter Hand hingeworfene Werk nur als eine Art humoriger Gelegenheitsarbeit betrachtete, ein Werk, dass sich für einen "ernsthaften" Komponisten eigentlich nicht schickte, zumal es mit der Verwendung zahlreicher musikalischer Zitate (zum Zeitpunkt der Komposition jedoch bereits schon verstorbener Komponisten-Kollegen) einen ziemlich respektlos-anarchischen Humor an den Tag legt, den Monsieur Saint-Saëns ganz offensichtlich nicht als eines seiner "Markenzeichen" verstanden wissen wollte.

Wie dem auch sei - es ist ein Gewinn für die Musikwelt, dass das Stück letztendlich dann doch noch an die Öffentlichkeit gelangte, denn es ist definitiv eines der abwechslungsreichsten, farbigsten und amüsantesten Beispiele für musikalischen Humor und zeigt Camille Saint-Saëns als einen Meister der Lautmalerei - treffender als hier hat man Eselsschreie, gackernde Hühner oder hüpfende Kängurus mit Hilfe von ganz normalen Instrumenten wohl nie wieder zum Erklingen gebracht!

In Sätzen wie zum Beispiel dem Aquarium, dem Vogelhaus und natürlich dem Schwan (dem bekanntesten Stück aus diesem Zyklus) schafft Saint-Saëns es außerdem, mit einfachsten Mitteln eine unglaublich poetische und atmosphärisch überzeugende Stimmung hervorzurufen, die perfekt zur gerade musikalisch beschriebenen Szene passt.

Bezeichnenderweise war der Schwan übrigens das einzige Stück, das dann doch zu Saint-Saëns' Lebzeiten veröffentlicht werden durfte - im Laufe der Zeit hat es unzählige Verwendungen dieses grandiosen Andantinos für Cello und Klavier in Film und Fernsehen, auf "Kuschel-Klassik-CD"-Zusammenstellungen und natürlich -zig Bearbeitungen in oft unerträglich klitschiger Manier gegeben. Sogar getanzt wurde zu diesem Satz - der sprichwörtlich gewordene "sterbende Schwan" ist meines Wissens auf eine choreographierte Version dieses Satzes für die berühmte russische Ballerina Anna Pawlowa (1881-1931) zurückzuführen.


Der musikalische Farbenreichtum und die bunte und humorvolle Abwechslung innerhalb der 14 Sätze haben mich immer schon fasziniert - es gibt zahlreiche Einspielungen, die sich, abgesehen von den gewählten Tempi in manchen Sätzen, vor allem durch die Wahl der Größe des musizierenden Ensembles unterscheiden:
Es ist nämlich von Aufnahme zu Aufnahme ganz unterschiedlich, wie groß das eingesetzte Streichensemble ist, das die zahlreichen Soloinstrumente (2 Klaviere, Klarinette, Flöte, etc.) begleitet.

Es gibt Aufnahmen, in denen - analog zu den übrigen Soloinstrumenten - auch die Streicherstimmen nur mit jeweils einem (oder zwei) Spielern besetzt wurden und das ganze Werk somit einen sehr kammermusikalischen Charakter bekommt. Da gibt es ganz reizvolle Aufnahmen, die sehr transparent und "fluffig" klingen.



Mir gefallen aber auch Aufnahmen, in denen die Streicher chorisch (also mit mehreren Spielern pro Stimme) besetzt sind und das Orchester dadurch eine größere Klangfülle erhält, was gerade Sätzen wie dem "Königlichen Marsch des Löwen" oder dem turbulenten Finale sehr zugute kommt, wie ich finde.

Die oben erwähnte Aufnahme, die ich mir als allererste zugelegt hatte, fällt unter die zuletzt beschriebene Kategorie und gefällt mir nach wie vor mit am besten: Es ist eine bei der Deutschen Grammophon erschienene Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Karl Böhm aus dem Jahre 1975. Die beiden Pianisten sind die Brüder Alfons und Aloys Kontarsky.

Da sich der Karneval der Tiere natürlich bestens dafür eignet, Kinder an die klassische Musik heranzuführen (Kinder und Tiere geht immer *grins*), gibt es unzählige Aufnahmen, die das Stück mit anderen "Klassikern" dieses Genres kombinieren, allen voran natürlich Prokofieffs "Peter und der Wolf". Gerne werden hierfür dann prominente Erzähler(-innen) verpflichtet, die die verbindenden Texte sprechen (und das ist nicht nur im deutschsprachigen Bereich so…).

Das Problem ist, dass der Karneval der Tiere im Gegensatz zu Peter und der Wolf ursprünglich gar keinen Erzählertext vorsieht (schließlich war das Stück eigentlich nicht unbedingt für Kinder konzipiert worden) und es hier deshalb oft ganz unterschiedliche Ansätze gibt, Erläuterungen zwischen den kurzen Sätzen zu vermitteln (da meint jeder und jede, es noch besser und origineller/ kindgerechter zu können als die Vorgänger): Mal ganz sachlich und kurz, mal im Rahmen einer mehr oder weniger geglückten durchgehenden Geschichte, die oft eine Art feierliche Zusammenkunft aller Tiere beschreibt, während der die unterschiedlichen Protagonisten dann (musikalisch) auftreten.
Meiner Meinung nach ist gerade beim Karneval ein Erzähler völlig überflüssig - die plakative (und knapp gefasste) Musik spricht eigentlich für sich und hat keine weiteren Erklärungen nötig. Die Titel der einzelnen Sätze zu kennen und dann beim Zuhören zu erleben, wie die jeweiligen Tiere musikalisch charakterisiert werden (es geht natürlich auch umgekehrt!), macht doch eigentlich viel mehr Spaß!


Wenn es denn unbedingt eine Aufnahme mit Zwischentexten sein muss, dann bitteschön die Version von und natürlich mit Loriot, der die ganze Story der von allen Tieren gemeinsam begangenen Karnevalsfeier mit seinen üblichen skurrilen Ideen ausschmückt und das Ganze als Erzähler dann auch mit seinem berühmten, typisch trockenen Tonfall rüberbringt - in dieser Kombination habe ich dann nichts dagegen :-)

Viel besser als eine der vielen CD-Kombinationen des Karnevals mit Stücken wie Peter und der Wolf finde ich (gerade für Erwachsene) allerdings die Kopplung mit einigen anderen, mehr oder weniger bekannten Werken von Camille Saint-Saëns selber - gerade für Neugierige, die gerne etwas mehr Musik dieses fast unbekannten Franzosen kennenlernen möchten. Da gibt es zum Glück auch einige sehr schöne Ausgaben - gerne auch im oft preisgünstig angebotenen CD-Doppelalbum. Wie gesagt: Es lohnt sich wirklich!


Mittwoch, 3. Februar 2010

Heute in der Lunch-Time-Orgel

Nach dem einleitenden Präludium und Fuge (BWV 541) von Bach und zwei kurzen Choralbearbeitungen von Buxtehude bildete die Pièce de Concert op. 24 von Alexandre Guilmant heute den Schwerpunkt des Konzerts, das heute wieder von Wolfgang Abendroth selbst gespielt wurde.
Französische Orgelmusik aus der Romantik mag ich sehr sehr gerne, daher habe ich mich heute über das tolle Stück von Guilmant besonders gefreut!

Dienstag, 2. Februar 2010

Neuerwerbung

Habe gestern meine erste Klassik-CD dieses Jahres erstanden:



Endlich mal wieder eine CD mit Musik von Joseph Martin Kraus (1756-92)!
Dieser lange sehr vernachlässigte und auch heute den meisten Leuten völlig unbekannte Komponist war für mich im Mozartjahr (und Krausjahr) 2006 die Entdeckung!
Wegen seiner mit Wolfgang Amadeus fast identischen Lebensdaten (er überlebte ihn nur um ein gutes Jahr und war ein halbes Jahr jünger als das "Wolferl") nennt man ihn auch - in Bezug auf seine Herkunft - den "Odenwälder Mozart".

Seine Hauptwirkungsstätte lag jedoch in Stockholm, wo er am Hofe des glamourösen und kunstliebenden Königs Gustav III. als Kapellmeister tätig war.
Im Gegensatz zu vielen (zu Recht nur wenig bekannten) Zeitgenossen ist seine Musik jedoch nicht das übliche elegante "Rokoko-Geklingel", sondern oft sehr eigenwillig, originell und sehr aussdrucksstark - der Mann hatte ein außergewöhnliches Talent, weswegen mir der Vergleich mit dem Genie Mozart als durchaus angebracht erscheint.

Eigentlich ist es ein Rätsel, warum er nach seinem Tode für so lange Zeit der Vergessenheit anheimgefallen ist - vielleicht weil seine Musik in vielerlei Hinsicht zu ungewöhnlich für seine Zeitgenossen war und nachfolgende Generationen - wie damals üblich - lieber ihre eigene neue Musik komponierten und aufführten?
Vielleicht hat er aber auch nicht lange genug gelebt, um seinen Ruhm und sein Wirken dauerhaft festigen zu können...

Umso mehr freue ich mich jedenfalls über seine "Renaissance", die in den letzten Jahren wirklich beachtlich war - es sind zahlreiche Neueinspielungen seines vielfältigen Oeuvres erschienen und ich habe schon einige spannende Werke für mich entdecken können!

Im Moment höre ich nun also die frisch und gewohnt günstig bei NAXOS erschienene CD (ich liebe dieses Label!!!) mit Intsrumentalmusik aus seiner monumentalen Oper "Aeneas in Karthago", die anlässlich der Einweihung des Stockholmer Opernhauses komponiert wurde.
Die Ouvertüre erinnert mich streckenweise sehr an die Ouvertüre zu Glucks Oper "Alceste" aus dem Jahr 1767, die übrigen Stücke gefallen mir auch - schade, dass nicht auch ein paar Gesangsnummern aus dieser Oper mit auf der CD sind.

P.S.: Wer wissen möchte, wie der gute Mann aussah - mein Profilbild zeigt ein Kraus-Porträt :-)